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Hahnraub
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eBook236 Seiten3 Stunden

Hahnraub

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Über dieses E-Book

"Es ist diese Empfindung, als würde es irgendwo jucken und man findet ums Verrecken die Stelle nicht, an der man kratzen soll. Man weiß nur, es juckt und es steigert sich ins Unerträgliche. Von Stunde zu Stunde. Eins ist kristallklar. Es wird etwas fürchterlich schief gehen und es gibt nichts, rein gar nichts auf der Welt, was dagegen unternommen werden kann. Natürlich hätte ich an diesem Abend zu Hause bleiben können, aber dann wäre womöglich ein außer Kontrolle geratener Linienbus in unser Wohnzimmer gebrettert. Vielleicht hätte gar die Katze unbemerkt in mein Bett geschissen. Nun, jedenfalls so lange unbemerkt, bis ich schlafen ging. Sie sehen, es gibt kein Patentrezept mit diesem Thema umzugehen. Das Desaster lauert an jede Ecke."

"Skurril, bizarr, sexy, schräg. William R. Flinders erzählt Geschichten, wie aus dem Äther. Die Episoden in Hahnraub sind frisch, verführen zum Fremdschämen und beanspruchen die Lachmuskeln."
Claire Zetazini, Literatur Heute
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Dez. 2012
ISBN9783844241136
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    Buchvorschau

    Hahnraub - William R. Flinders

    WILLIAM R. FLINDERS

    HAHNRAUB

    Imprint

    Hahnraub

    William R. Flinders

    published by: epubli GmbH, Berlin.

    www.epubli.de

    EBook-Implementation: melle newmedia, Potsdam

    Copyright: © 2012 William R. Flinders

    ISBN 978-3-8442-4113-6

    Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten."

    Kurze Notiz des Autors

    Ich beginne mit einer Bitte:

    Nehmen Sie sich dieses Buch der Reihe nach vor. Es liegt mir fern Ihnen, lieber Leser, Diktate aufzuerlegen. Im Gegenteil. Ich möchte Sie gar vor Ärger bewahren. Diese Erzählungen weisen eine gewisse Chronologie auf und ich kenne es von mir selbst; Sobald ich ein Buch mit Kurzgeschichten bekomme, suche ich mir oftmals zuerst die kürzesten oder die mit dem sympathischsten Titel aus.

    Heute, bitte ich Sie der Reihe nach zu lesen, da sich bestimmte Begebenheiten und Charaktere wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Nicht, dass Sie sich irgendwann fragen „Was meint er denn jetzt damit?, oder „Wer ist das denn jetzt?

    Manches ist autobiographisch und einiges fiktiv, oder war es doch andersherum? Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Spaß beim lesen, ob Sie nun am Strand liegen, auf die Berge schauen, auf dem Sofa lümmeln oder auf dem WC sitzen, und halte es wie Siegfried Lenz; „Lest mein Buch oder lest es nicht, beides werdet Ihr bereuen."

    William R. Flinders

    Für Husky

    Big Brother

    Gegen meinem großen Bruder hegte ich lange einen geheimen Groll. Er hielt bis zum letzten Weihnachtsfest an.

    In frühen Jahren idealisieren wir unsere großen Geschwister. Sie sind unsere Vorbilder. Sie sind diejenigen, die uns erstmalig das Tor zur Erwachsenen Welt öffnen. In meinem Fall, hieß das in erster Linie die Teenagerfreunde kennen zu lernen mit denen mein Bruder tagtäglich zu tun hatte. Wenn unsere Eltern nicht Zuhause waren, durfte ich natürlich nie ins Wohnzimmer wenn sie zu Besuch waren. Es ärgerte mich über alle Maßen, denn es war als ginge etwas Sakrales in diesem Raum vor und ausgerechnet ich durfte nicht dabei sein. Das wahre Leben fand auf der anderen Seite dieser Tür statt. Ich kam mir wie ein kleiner Hund vor, dessen Bildnis mit dem Spruch „Ich muss draußen bleiben", am Eingang klebte.

    Seine Freunde waren für mich allesamt überlebensgroße Ikonen, mit ihren langen, strähnigen Haaren, ausgeflippten Klamotten und superlässigen Sprüchen. Sie trugen Namen wie Big Jimmy, Geronimo, Baby Lynn, Hot Bob oder Playboy. Sie hörten die neusten Rolling Stones und Beatles Singles auf unserer elterlichen Stereoanlage, tranken Unmengen an schwarzen Kaffee und pafften entspannt eine Kippe nach der anderen. Mein Gott, sie waren so lässig. Alles was sie sagten, wie sie sich bewegten, ja allein wie sie nur guckten, empfand ich als ein einziges, gigantisches Statement. Sogar der Zigarettenmief, den sie im Zimmer hinterließen. Er kam mir vor wie eine geheimnisvolle und magische Wolke, die es galt tief einzuatmen um wenigstens einen Bruchteil dieser Gnade zu erfahren. Die vereinzelten Worte, die ich durch die verschlossene Tür aufschnappte, waren zwar akustisch unverständlich, aber etwas tief in mir wusste; hier handelt es sich um den wahren Grund unserer Existenz. Obwohl sie schon sechzehn waren und ich erst neun, wollte ich, wie nichts anderes in meinem kurzen Leben, zu ihnen gehören. Ich war davon überzeugt, einen wichtigen Beitrag beisteuern zu können.

    Sie ließen mich nur nie.

    Es ist tragisch, denn als ich Jahre später ungefähr die gleichen Dinge mit meinen Freunden unternahm, besaßen sie nie diesen Zauber. Dieses Charisma war einfach nicht anwesend. Mein eigener Freundeskreis kam mir eher einfältig vor. Egal was ich veranstaltete um diese Atmosphäre von Intellektualität, gepaart mit dem optimalen Grad des Verruchten, zu inszenieren. Es ging generell daneben. Ich kam mir fortwährend wie jemand vor, der gewaltsam versuchte etwas zu erwirken, was einfach nicht im Rahmen des Möglichen war und vermutlich auch nie vorhanden sein wird. Ein altes, englisches Sprichwort besagt: Aus einem Schweineohr kannst du kein Seidenportemonnaie herstellen.

    Die Hoffnung verließ mich dennoch nie. Später fand ich als Erwachsener nur die Partys gut, die eine entfernt ähnliche Stimmung aufwiesen. Ich wollte weitschweifig über das Dasein der Menschheit philosophieren, dabei lasziv an einer Kippe ziehen, und definitiv nicht über Arbeit, Fußball, Autos oder Handwerkertipps und andere Belanglosigkeiten schwafeln.

    Es ist zwar lange her, aber ich erinnere mich sehr deutlich an einer bestimmten Begebenheit, als wäre es erst gestern.

    Unsere Eltern gingen aus. Es war Samstagabend und sie waren irgendwo eingeladen. Mein Bruder hatte den überaus lästigen Auftrag auf mich aufzupassen. Er schickte mich schon um sieben Uhr ins Bett aber ich konnte und wollte nicht schlafen. Ich empfand es, als Beleidigung, dass ein erst Siebzehnjähriger die Macht hatte, jemanden, der immerhin schon neun Jahre alt war, so früh ins Bett zu kommandieren. Der Grund für mein frühes zu Bett schicken war sein Freund, Red John, der vorbei kam. Mein Bruder wollte mich ums verrecken nicht dabeihaben. Es würde seinem Image schaden, meinte er wiederholt, wenn sein kleiner Bruder, wie eine Klette an ihm hängen würde.

    Und so nahm ich in meinem Zimmer vorläufig mit einer Batman Lektüre vorlieb, nahm mir aber vor später herunter zu schleichen, sobald es dunkel war. Einer meiner Lieblingsbeschäftigungen war es meinen Bruder an den Rand des Wahnsinns zu treiben, wenn meine Eltern nicht zugegen waren. Ich denke, in dieser Hinsicht war ich da nicht viel anders, als andere jüngere Geschwister auf der ganzen Welt.

    Es war eine laue Sommernacht. Die Sterne funkelten klar am Firmament. Mein Bruder und Red John hatten es sich mitten in unserem Garten, auf dem Rasen, bequem gemacht. Sie starrten gemeinsam in den Himmel und teilten sich einen Joint. Einen Umstand, den ich aber erst sehr viel später im Leben begriff. Ich stahl mich klammheimlich in den Garten, versteckte mich im Gebüsch und spitzte meine neugierigen Ohren.

    »Unglaublich«, raunte mein Bruder irgendwann.

    »Ja, unglaublich«, meinte auch John.

    Red John war ein rot- und langhaariger Typ, der immer die gleichen, weiten Schlagjeans mit einem zu klein geratenen Rolling Stones T-Shirt trug, dieses populäre mit der Zunge, was 1970 als schick galt. Er wohnte nur ein paar Häuser weiter. Er war jemand, den mein Bruder, als „in Ordnung" bezeichnete, was ich natürlich als besonders hohe Auszeichnung empfand, denn wenn jemand in seinen Augen in Ordnung war, dann war er in Ordnung. So war das eben.

    »Das Universum muss endlos sein«, kam es von meinem Bruder ehrfurchtsvoll.

    »Ja, endlos.«

    »Unglaublich.«

    »Ja, unglaublich.«

    »Was meinst du?« fragte mein Bruder. »Da draußen gibt es doch bestimmt fremde Lebewesen, oder? Lebewesen wie wir. Lebewesen mit einem Bewusstsein.«

    »Ja, bestimmt.«

    »Unglaublich, oder?«

    »Ja, unglaublich.«

    Boah, dachte ich, warum konnte ich mit meinen Freunden nicht solche Gespräche führen?

    Irgendwann begannen sie über die Mädchen an der Schule zu reden, und wer was mit denen schon alles veranstaltet hatte, aber das interessierte mich damals noch gar nicht. Ich wurde langsam müde. Ich schleppte mich irgendwann geräuschlos ins Bett und schlief mit einem einzigen Gedanken ein. Auch ich würde eines Tages mit meinen Freunden auf einem Rasen, während einer lauschigen Sommernacht, über das Universum und die Weite des Alls plaudern. Ganz bestimmt.

    Da ich es nicht abwarten konnte, probierte ich es schon am darauf folgenden Montag nach der Schule mit meinem Klassenfreund und Nachbarn Collin aus. Ich bestand darauf vorher im Zeitungsladen Schokoladenzigaretten zu kaufen. Wir legten uns in unserem Garten auf den Rasen, mit unseren Zigaretten im Schnabel und beobachteten den Himmel. Wir sahen nur dichte Wolkenformationen.

    »Unglaublich«, sagte ich, worauf er nur das Gesicht verzog und »Was?« fragte.

    »Das Universum«, verkündete ich. »Es muss endlos sein. Ob wir die Einzigen sind? Mit einem Bewusstdings.«

    Nach wenigen Minuten schickte ich Collin nach Hause. Er war halt kein Red John. Was kann man von einem blöden, neunjährigen Knirps auch erwarten?

    Nach diesem Vorfall wurde mir eins graduell klar: Mit meinen Altersgenossen war nicht viel anzufangen, jedenfalls nicht in dieser Hinsicht.

    Ich beschloss also abzuwarten und in der Zwischenzeit so zu tun, als wäre ich ein ganz normaler Junge. Ich spielte verdrießlich, aber sehr gut Fußball, ließ Drachen widerwillig, aber erfolgreich steigen, ging zu den einfältigen Pfadfindern, wo ich sofort zum Gruppenführer ernannt wurde, und machte alibihaft Brummbrummgeräusche, wenn ich mit Matchboxautos spielte.

    Ich war auf meinen Bruder sauer. Er hatte die Latte zu hoch gelegt. Jahrelang suchte ich den Erdball nach dem heiligen Gral ab und fand ihn nicht, auch nicht annähernd. Stets wie ein Getriebener, strebte ich nach dem großen Mythos den er mir vorgelebt hatte. Ein Verdacht machte sich vage in mir breit: Womöglich konnte ich dieses hochgesteckte Ziel nie erreichen, weil mein Intellekt einfach zu beschränkt war. In der Wahl meiner Freunde war ich auch nicht sonderlich geschickt. Es stürzte mich in eine nörgelnde Sinnkrise, die mein ständiger Begleiter wurde.

    Wie ich anfangs schon andeutete, war es beim letzten Weihnachtsfest dann soweit. Ich besuchte meinen Bruder in England. Mittlerweile ist er ein erfolgreicher Rechtsanwalt, mit der netten Lindy verheiratet und Vater von zwei aufgeweckten Kindern, Alex und Elli.

    Mein Bruder und ich saßen noch alleine spät auf und sahen uns das Weihnachtsspecial einer Comedy Serie im Fernsehen an; Only Fools and Horses. Es handelt von zwei verrückten Brüdern aus dem East End in London, die ihr Leben als Kleinganoven fristen und unermüdlich versuchen eines Tages an das große Geld zu kommen. In dieser Episode sitzen die Jungs in ihrer Stammkneipe. Sie zerbrechen sich die Köpfe, wie sie möglichst schnell an Bargeld kommen können, um eine Ladung geklaute, schwedische Pornofilme zu erwerben. Diese hatten sie dummerweise, ohne sie zu besitzen, schon an einem üblen Unterweltler weiterverkauft, der wiederum gleich vorbeikäme um sie abzuholen. Da erscheint ein alter Freund von ihnen: Ein rothaariger Typ in einem zu engen Rolling Stones T-Shirt.

    »Hah, der sieht genauso aus, wie dein Freund Red John früher«, sagte ich beiläufig.

    »Stimmt, jetzt wo du das sagst«, meinte mein Bruder amüsiert. »Dass du dich an den noch erinnern kannst.«

    »Klar, Red John war doch cool, oder nicht?«

    »Red John?«

    »Ja, oder?«

    Er lachte. »Der und cool? Haha. Eher Hohlkopf John.«

    »Wie?«

    »Wie, wie? Der konnte sich noch nicht einmal die eigenen Schuhe zubinden, so belämmert war der. Deswegen trug er immer diese blöden Slipper Stiefel. Seine Mum hat ihm die immer gekauft.«

    Da traf mich der Schlag. Red John? Hohlkopf? Er konnte die Schuhe nicht selbst zubinden? Slipper Stiefel von seiner Mum? Sprachen wir hier über den gleichen John? Den Red John? Kosmos-John? Joint-John?

    »Nee, nee, ich weiß noch, als ich klein war, da wart ihr nachts im Garten. Ihr habt euch über das Universum unterhalten und dabei einen fetten Joint geraucht.«

    »Woher weißt du das?«

    »Ganz einfach. Ich hab mich damals in den Garten geschlichen und euch zugehört.«

    Er grinste und nickte. »Ja, ich erinnere mich auch an den Abend, aber das war doch kein Joint, das war ganz normaler Tabak. John hat nur total beschissene Zigaretten gedreht. Dass du das alles noch weißt.«, staunte er.

    Du würdest dich wundern, dachte ich.

    »Du warst doch damals höchstens sechs oder sieben.«

    »Hey, ich war schon neun, und ich erinnere mich an alles.«

    »Na gut, ich erzähle dir mal etwas über Red John.« Er schüttelte zwischendurch den Kopf. »Er gehörte damals ja schon zu den Trainspottern.«

    Als Autor, merke ich hierzu kurz an, dies hat nichts mit dem Kultfilm „Trainspotting" zu tun. Es ist ein Hobby für Nerds. Diese Leute verbringen ihre gesamte Freizeit mit dem Beobachten und Katalogisieren der verschiedensten Züge, die im britischen Eisenbahnnetz ihren Dienst tun. In England ist es, jedenfalls für die Normalbevölkerung, eine Beleidigung jemanden als Trainspotter zu bezeichnen. Es ist mit Turnbeutelvergesser, Wechselgeldzähler oder Vorwärtseinparker zu vergleichen.

    »Heute, und jetzt halt dich fest, heute ist John der erste Vorsitzende der offiziellen Vereinigung der Trainspotter in Großbritannien.«

    »Nee? Woher weißt du das?« fragte ich ihn. »Siehst du ihn noch?«

    »Nein, wir haben ihn aber letztes Jahr zufällig im Fernsehen gesehen haben. In dieser Kindersendung Blue Peter.«

    »Echt?«

    »Ja, echt. Ich hab noch zu Lindy gesagt, guck dir diesen beknackten Typ an, der wohnte früher bei uns in der Straße.«

    »Du hast immer gesagt, er wäre in Ordnung.«

    »Ja, das hab ich nur so dahin gesagt, weil er immer Kippen dabei hatte. Der hat doch alles nur nachgeplappert. Der Typ hatte überhaupt keine eigene Meinung. Wie ich schon sagte, ein Hohlkopf.«

    Puh, aber jetzt wo er das erwähnte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er hatte in dieser Nacht tatsächlich nur Ja, unglaublich, Ja, endlos," oder „Ja, bestimmt" nachgeschwätzt. Das war mir die ganzen Jahre irgendwie entgangen.

    »Aber der absolute Oberhammer ist, dass er heute immer noch diese komischen Slipperstiefel trägt.«

    »Nein?

    »Doch!« lachte er. »Der hatte die in dieser Sendung an. Ich hab mich kaputtgelacht.«

    »Gut«, sagte ich, Red John kampflos aufgebend, »aber deine anderen Freunde waren doch alle ziemlich cool.«

    Er sah mich ungläubig an, während er noch lachte. »Ach ja? Welche denn?«

    »Ähhhmmm, Big Jimmy,...zum Beispiel.«

    Er schüttelte den Kopf. »Big Jimmy? Big Jimmy war total pervers. Weißt du, warum wir ihn Big Jimmy nannten?«

    »Ja, weil er so groß war, oder?«

    »Quatsch, so groß war der gar nicht. Der kam dir wahrscheinlich nur so groß vor, weil du noch so klein warst. Nein, wir nannten ihn so, weil er einen unglaublich riesigen Schwanz hatte, so groß wie ’ne Salatgurke. Bei jeder Gelegenheit holte er das Ding raus um die Mädchen zu erschrecken. Das Letzte, was ich von ihm gehört habe, arbeitet er als Platzanweiser in einem Sex Kino irgendwo in Soho.«

    Hier brachen Welten für mich zusammen.

    »OK, aber was war mit Hot Bob?«

    »Jau«, lachte er. »Hot Bob! Das war auch so einer, meine Güte. Das war ein echter Verrückter.«

    »Hot Bob wahrscheinlich, weil er so ein heißer Typ war?« fragte ich erwartungsvoll.

    Mein Bruder sah mich an, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen.

    »Oder?« fragte ich, in der Hoffnung, er würde mir Hot Bob jetzt nicht auch noch kaputt machen.

    Doch nicht Hot Bob?

    Er schüttelte vehement den Kopf. »Er hieß Hot Bob, weil er, um die Mädels zu imponieren, kochend heißen Tee oder Kaffee in einem Zug herunterschlucken konnte. Der war so schmerzfrei, dass er sich brennende Kippen auf der Zunge ausdrückte.«

    Ich beschloss jetzt konsequent die anderen durchzugehen. So konnte und wollte ich das nicht stehen lassen.

    »Und Baby Lynn? Klingt ein bisschen wie Baby Love, ’ne? Weißt du, wie der 60’s Song?«

    »Ich glaub, du hast eine völlig falsche Vorstellung von den Leuten damals. Baby Lynn bekam nur den Namen, weil sie sofort wie ein Baby losplärrte und weglief, sobald Big Jimmy seine Riesenwurst präsentierte.«

    »Und ich dachte, es war weil sie so niedlich aussah.«

    »Ach, Quatsch, die schielte.«

    »OK, und was war mit Geronimo? Der Indianerhäuptling?«

    »Jau, Geronimo, aber das war nicht sein richtiger Name. Er hieß eigentlich Gerard. Irgendwann haben wir ihn alle so genannt, ich weiß auch nicht warum. Ich weiß nur, er hat den Namen gehasst. Das war ein kriminelles Arschloch, der alle beklaut hat. Eben hattest du noch einen neuen Füller in der Tasche und nachdem Geronimo kurz da war, war er weg. Auf den musstest du ständig aufpassen. Es hieß dann immer: Geronimo, Geronimo, die dumme Sau beklaut dich so.«

    Einen hatte ich noch.

    »Und Playboy?« fragte ich etwas kleinlaut.

    Mein Bruder lachte. »Playboy?«

    »Ja, das war doch auch einer von euch.«

    Kichernd redete er weiter. »Den Namen hatte er von unserer Mum bekommen. Wusstest du das?«

    »Häh?«

    »Ja. Mum hat ihm den Namen verpasst. Es war so. Eines Tages kam Paul vorbei. Das war sein richtiger Name. Ich weiß nicht mehr warum. Ich glaube wir wollten ins Kino oder so und er wartete auf mich in der Küche während Mum das Abendessen machte.«

    »Ja und dann?«

    »Wir sind dann ins Kino. Jedenfalls kam ich später nachhause und fand Mum und Dad lachend vor. Sie haben sich vor lauter Lachen nicht mehr eingekriegt. Ich dachte, sie hätten etwas im Fernsehen gesehen oder so. Als ich fragte warum sie so lachten, versuchte Mum es mir zu erklären. Sie sagte, Paul stand hinter ihr in der Küche als sie

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