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LiebesLebensLäufe - Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex
LiebesLebensLäufe - Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex
LiebesLebensLäufe - Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex
eBook203 Seiten3 Stunden

LiebesLebensLäufe - Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex

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Über dieses E-Book

Sechs Frauen erinnern sich an die Liebe in ihrem Leben. Aus den Gesprächen sind sechs Porträts entstanden, Geschichten über das Liebesleben dieser Frauen, die vertrauensvoll über ein noch immer heikles Thema berichtet haben: wie lieben Frauen.
Dies ist ein kleines Buch, aber ein Versuch über ein großes, im Alltagsleben meist wortarmes Thema: weiblicher Sex.
Betty spürt in der frühen Backfischzeit beim heimlichen Lesen des Romans "Clochemerle" einen ersten Orgasmus und sucht dieses herrliche Gefühl immer wieder. Beate sieht es als Schicksal ihrer Familie, dass die Kinder seit mehreren Generationen ohne Väter aufwachsen. Auch sie kann das nicht ändern. Die temperamentvolle Claudia beweist großes Stehvermögen, als es um die Beziehung zu dem Mann geht, den sie vom ersten Blick an als den richtigen erkannt hat. Ingeborg findet, nachdem ihre Geschwister schon gespottet haben, sie suche anscheinend in irgendwelchen Schubladen zu Hause nach einem Mann, den Vater ihrer Kinder und Partner, an den sie sich anlehnen kann, mit dem sie voller Vertrauen in die weite Welt geht. Katharina sieht länger als ein Jahr an ihrem Zukünftigen vorbei, bevor sich beide Hals über Kopf verlieben. Antje erlebt ein frühes Trauma und sucht lange Zeit nach Zuwendung, Zärtlichkeit und Geborgenheit in einer Beziehung. Als LIEBESLEBENSLÄUFE sind ihre Geschichten aufgeschrieben.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Sept. 2019
ISBN9783750205932
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    Buchvorschau

    LiebesLebensLäufe - Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex - Hannelore Kleinschmid

    LiebesLebensLäufe

    Titelblatt

    Vorbemerkung

    Ein dickes Portemonnaie

    Der Mann meines Lebens

    Nicht ohne den Ring am Finger Claudia

    Vom Wedding nach Amerika

    Nicht sein Typ

    Das Bild vom gebrochenen Herzen passt hierher

    Nachwort

    Titelblatt

    LiebesLebensLäufe

    Weibliche Erinnerungen an Liebe und Sex

    Hannelore Kleinschmid

    Vorbemerkung

    Wie nächste Verwandte und beste Freunde lieben, darüber wissen wir so gut wie nichts. Darüber reden wir nicht. Und wenn doch, dann nur ganz allgemein. Wer hat eine Vorstellung davon, ob seine Eltern lustvoll miteinander umgehen oder nur eheliche Pflichten zum Zwecke der Fortpflanzung erfüllten?  Die Nachkommen wissen irgendwann, dass es nicht der Klapperstorch war, der sie in die Welt gesetzt hat. Die meisten von uns erfahren jedoch nie, ob ihrem Ursprung ein Orgasmus vorausging. Denn darüber spricht man nicht, und nicht selten möchten sich die Kinder überhaupt kein Bild davon machen, was Vater und Mutter so treiben. Im Bett. Außer zu schlafen. 

    Gelegentlich fällt in der Familie oder im Freundeskreis ein Halbsatz, der Vermutungen auslöst. Doch wer weiß schon, wie ein anderes Paar miteinander intim ist. Wer will sich vorstellen, wie Bekannte ihre Lust leben? Auf der häuslichen Couch? Oder auf den abgezogenen Dielen? Auf dem Tisch, wie uns das Fernsehen einredet?

    Auch davon, wie unsere Kinder lieben, haben wir im allgemeinen keine Ahnung,  obwohl wir es doch waren, die irgendwann ein Aufklärungsgespräch planten, vielleicht sogar begannen. Und froh waren, als der Nachwuchs wissend abgewinkt hat. Eventuell ließen wir dann ein uns passend erscheinendes Buch ganz nebenbei auf dem Nachttisch liegen.

    Wie alle Alten vor uns stellen auch wir jetzt fest, dass sich die Zeiten geändert haben und sich rasend schnell weiter ändern. Bei unseren Kindern geht es heutzutage weniger darum, eine unerwünschte Schwangerschaft zu verhindern, als vielmehr darum, eine gewünschte zu befördern. Zwar stehen ihnen mehr Möglichkeiten als früher zur Verfügung, medizinisch nachzuhelfen, das bedeutet allerdings auch mehr Möglichkeiten, sich zu quälen bei dem Akt, der Lust und Freude bringen sollte. Da wird rein wissenschaftlich der günstigste Zeitpunkt errechnet, um dem Eisprung beste Chancen zu geben. Das Vergnügen schwindet, wenn Sex zur zielgerichteten Pflicht wird.

        *****

    Als die Tochter eines Tages gestand: „Ich glaube, ich hatte noch nie einen Orgasmus", erschrak die Mutter und fragte sich, ob sie bei der Aufklärung, etwas versäumt habe.

    Die 35-jährige Tochter war Mutter von zwei Kindern und seit einem Jahrzehnt verheiratet. Auch ihr Vater sah erschrocken aus, als seine Frau von dem Gespräch berichtete. Das arme Kind, meinte er und urteilte nach kurzem Überlegen, dass der Mann Schuld sei, wenn die Frau nicht zum Höhepunkt finde. Ganz unschuldig sind die Frauen aber auch nicht, meinte die Gattin. „Nach meiner Ansicht,  hielt er dagegen,  „ist der Mann ist für die Lust der Frau zuständig.

    Die Mutter grübelte: Hätte sie mehr Intimes ausplaudern sollen? Hatte sie das Thema, wie so viele Eltern, der Schule, den Büchern und anderem Informationsmaterial überlassen? Hatte sich die Tochter nicht stets unangenehm berührt gezeigt und sogar abgeblockt, wenn die Mutter versuchte, mit ihr über Intimes zu reden? Anscheinend haben Eltern asexuelle Persönlichkeiten zu sein.

    Ihr Mann habe sie seit der Geburt des Sohnes vor fünf Jahren nicht mehr angerührt, berichtete eine andere Tochter einer anderen Mutter. Er habe das mit seiner Anwesenheit bei der Geburt begründet. Da sei etwas in ihm zerstört worden. Er könne das nicht erklären. Es sei einfach so. „Aber du warst doch auch zuvor schon bei der Geburt unserer Tochter dabei," wunderte sich die Frau.

    Die Ehe geriet aus den Fugen. Die Tochter sagte, sie sei nicht bereit gewesen, einen Orgasmus vorzutäuschen.

         *****

    Wenn man aus Statistiken erfährt, wie viele Frauen keinen Orgasmus erleben, fragt man sich, wie es um die weibliche Sexualität bestellt ist  im Alltag, durch die Jahrzehnte des Älter- und Altwerdens hindurch.

    Jedenfalls habe ich mich das gefragt.

    Ich habe Frauen gesucht, die mir vertrauten, weil wir uns seit Jahren kennen. Ja zu meinem Ansinnen haben demnach nur Frauen aus dem Freundeskreis gesagt. Nur einige, sie sind nicht repräsentativ. Es wurde eine ganz persönliche Angelegenheit, Ich habe gefragt, und sie erzählten. Alle waren um die 70 Jahre alt, als wir uns zu mehreren Einzelgesprächen trafen, nur eine von ihnen war ein gutes Jahrzehnt jünger. Wir gehören zur selben Generation.

    Manche Details ihres Lebens habe ich einer möglichen Identifizierung entzogen, und doch entsprechen die Lebensläufe der Wirklichkeit, nichts ist erfunden, was das Liebesleben und die persönlichen Erfahrungen ausmacht.

    Hannelore Kleinschmid

    Ein dickes Portemonnaie

    Ein dickes Portemonnaie

    BETTY

    Ich war ein verträumtes Kind. Wurde mein Name gerufen, musste ich mich erst aus meiner Traumwelt herausfinden, und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, worum es gerade ging. Für die Familie war ich die „Transuse, ein Schimpfwort, kein Lob, doch ich wehrte mich nicht. Ich galt als ruhiges, freundliches Mädchen, aber eben auch als  ein bisschen langsam im Gegensatz zu meinem jüngeren Bruder, der für alle das „pfiffige Kerlchen war,  obwohl er nervte.

    Meine Erinnerungen an die Kindheit beginnen zur Zeit des Kriegsendes. In unserer kleinen Stadt waren viele Häuser zerstört. Wir Kinder fürchteten uns vor den Ruinen und flüsterten von den Toten in den Kellerlöchern. Wenn meine Mutter zur Arbeit ging, waren wir nachmittags bei den Großeltern oder auch allein zu Hause. Allein zu sein, genoss ich sehr, obwohl es oft Streit mit meinem Bruder Torsten gab. Er konnte nicht leben, ohne das letzte Wort zu haben, bei Erwachsenen und erst recht bei mir.

    Ich genoss es, durch die Wohnung zu bummeln, öffnete Schubladen und Schrankfächer, besah mir den Inhalt, nahm Bücher aus dem Schrank und betrachtete die Bilder. Vieles begriff ich noch nicht, aber das war meine Welt. Später fing ich an, wahllos zu lesen, was mir in die Hände kam, egal ob ich den Inhalt verstand oder nicht.

    Dass ich als Mädchen Kleider trug und anders aussah als die Jungen, hat mich nicht weiter interessiert. Mit meinem Bruder habe ich mich nie verglichen und nur ausnahmsweise mal gespielt. Von den Doktorspielen, zu  denen sich einige Nachbarskinder geheimnisvoll in eine offene Garage im Hof zurückzogen, schloss man mich als Älteste aus, doch das war mir egal. Ich war gern für mich allein.

    Dieter Nuhr, der Kabarettist,  hat einmal gesagt, in der Schulzeit und davor sei er ganz entspannt wie eine Qualle in der Welt herumgesegelt, völlig ohne Absicht und Ziel. Das hat mir gefallen. So sehe ich mich als Kind.

    Den Moment, in dem mir mein Körper zum ersten Mal ein erotisches Signal gegeben hat, erinnere ich genau. Ich habe immer gern, schnell und viel gelesen. Und beim Lesen im Roman „Clochemerle", den ich mir heimlich aus dem Schrank genommen hatte, kribbelte es plötzlich in meinem Bauch. Das war ein schönes Gefühl, wie ich es noch nie erlebt hatte.

    „Clochemerle" wurde mein Buch! Erst vor kurzem entdeckte ich es auf einem Flohmarkt, blätterte darin und suchte schließlich die Schlüsselstelle, oder genauer eine Schlüsselstelle:

    „Sie näherte sich dem Bett, auf dem der arme Kranke, von  halb fiebrigen Träumereien angestachelt, seine Kräfte zurückkehren spürte. Die Erscheinung seiner Wirtin mit dem Gurgeltrank gegen die Angina gab diesen Träumen einen so willkommen konkreten Inhalt, daß er mit der Miene eines launisch kranken Kindes, das verzogen werden möchte, ihre Schenkel umschlang, die breit und fest waren und sich gut anfassen ließen. Eine Welle beruhigenden Wohlgefühls durchströmte Adeles Körper, als ob, nachdem das Gewitter endlich ausgebrochen war, große Regentropfen ihre glühende Haut erfrischten. … Er nutzte die Behinderung seiner Wirtin durch das Tablett, das sie immer noch hielt, dahingehend aus, daß er sich weitere Vorteile verschaffte, indem er sich in einer Weise aufdeckte, die jede Beteuerung erübrigte.  Adele gab als gute Geschäftsfrau, die den Wert der Zeit zu schätzen weiß, sanft nach … „

    Mehr war da nicht!

    Beim erneuten Lesen nach mehr als einem halben Jahrhundert erkannte ich, dass diese simplen Zeilen mich als Teenager berührten und zum ersten Onanieren verführten. Das kann ich heute noch nachempfinden.

    Warum es so angenehm geprickelt hat, wollte ich nach dem ersten Lesen sofort erforschen. Ich war allein zu Hause und suchte mir einen Handspiegel. Dann habe ich – ganz ohne Anleitung durch Feministinnen - den Schlüpfer ausgezogen, mich auf den Fußboden gesetzt, die Beine breit gemacht und mich betrachtet.  Bis dahin hatten nur meine Finger heimlich diesen Teil des Körpers erkundet, von dem es immer hieß: „An den Popo fasst man sich nicht, pfui! „

    Aber wenn ich an meinen Fingern gerochen habe, fand ich nicht, sie würden stinken, sondern irgendwie spannend riechen. Jedenfalls nicht unangenehm, mehr so, dass man sie nur an die Nase hält, wenn man ganz allein ist. Zum Beispiel im Bett.

    Damals habe ich nicht darauf geachtet, doch im Nachhinein denke ich, dass ich als Kind schon alle paar Wochen so etwas wie Hormonschübe hatte. Jedenfalls hatte ich dann immer Lust darauf, das schöne Gefühl zu wiederholen. Anfangs las ich die Stellen in „Clochemerle", wo die Seiten dunkler auszusehen begannen. Später brauchte ich nur daran zu denken. Es war so eine Art intuitiver Vorbereitung. Ich habe das Buch genommen, es mir gemütlich gemacht und mich mit dem Spiegel angeguckt. Da erwachte sofort ein schönes Gefühl.

    In der Kindheit habe ich immer gut funktioniert und Anweisungen meistens befolgt. Zu Hause war alles in der Schwebe. Meine Mutter war stark unter Druck. Sie musste Kindererziehung und Haushalt allein bewältigen. Und arbeiten gehen musste sie auch. Der Vater war nie da. Während des Krieges und danach verfiel er mehr und mehr dem Alkohol und wurde zu einer Randerscheinung in der Familie.

    Mit acht Jahren habe ich meine Mutter am Heiligabend ernsthaft gefragt, wie lange wir uns die Eskapaden meines Vaters noch gefallen lassen würden. (Vermutlich hatte ich ein deftigeres Wort gewählt!) Er hatte, während wir in die Christmette gegangen waren, den Baum schmücken, die Kerzen anzünden und bei unserem Heimkommen Weihnachtslieder am Klavier spielen sollen. Stattdessen hing er volltrunken auf dem Sofa. Nach diesem Eklat reichte meine Mutter die Scheidung ein, allerdings schweren Herzens. Es hat mich immer bedrückt, dass meine Frage der letzte Anstoß zu diesem Schritt gewesen war.

    Das Klavier, das mein Vater als einziges Stück aus der Wohnung hatte mitnehmen wollen, ertrotzte Mutter für uns und unseren künftigen Klavierunterricht. „Das Klavier bleibt da.  verlangte sie. „Haben die Kinder denn schon Unterricht? fragte der Scheidungsrichter. Sie musste zugeben, das sei nicht der Fall. Dennoch ging sie nicht auf den Vorschlag des Gerichts ein, sich mit dem Vater zu einigen.

    Was meine Aufklärung betrifft, so gab es einen eher lächerlichen Versuch meiner Mutter, indem sie mir das entsprechende DDR-Buch in die Hand drückte, geschrieben von einem Professor Siegfried Schnabl mit dem zugkräftigen Titel „Die Geschlechterfrage". Zu jenem Zeitpunkt meinte ich schon allerhand zu wissen und sah gelassen und ein bisschen neugierig auf das Kommende.

    Während der Pubertät haben wir uns in unserer reinen Mädchenklasse gegenseitig beobachte und belauert. Leider gehörte ich nicht zu denjenigen, denen sichtbar der Busen wuchs. Die haben wir aus Neid geärgert: sie zögen sich einen Büstenhalter an, um Busen vorzutäuschen. Eine Mitschülerin zerrte schließlich mit Tränen in den Augen ihren Pullover hoch, um uns die Echtheit zu beweisen. In der Turnhalle betrachteten wir uns gegenseitig, meist etwas verstohlen. Dort redeten wir auch über die Periode. Es war üblich, dass die Betroffenen auf der Bank sitzen blieben und nicht mitturnten. Wenn man seine Tage bekommt, meinten die Weisen unter uns, wird man eine richtige Frau. Von den Klassenkameradinnen erfuhr ich, dass man dann blutet und dass das ganz normal ist. Es ginge allen Mädchen so.

    Ich fand das Ganze höchst eigenartig und hatte keine Ahnung, was man gegen das Bluten tut. Die anderen erzählten von Binden, mit denen man gar nicht richtig gehen könne. Sie berichteten auch, wie vorsichtig man sein müsse, um nicht alles schmutzig zu machen. Ich erinnere mich, dass ich mir versuchsweise ein zusammen gerolltes Taschentuch  in den Schlüpfer gesteckt habe und steifbeinig herumstolziert bin. Ich habe darauf gewartet, gefragt zu werden, warum ich so komisch gehe, und dann hätte ich geantwortet, weil ich meine Tage habe. 

    Als es dann wirklich passierte, bekam ich heftige Bauchschmerzen und dachte, das sei Durchfall. Auf der Toilette habe ich das Blut gesehen und meine Mutter gerufen. Sie hat mir diesen entsetzlichen Gürtel aus Gummiband gegeben, an den man eine Stoffbinde  knöpfen musste. Damals gab es nichts Besseres.

    Der Großvater hat in unserer Kindheit viel Einfluss auf das Familienleben genommen. Er war blind geworden und hatte genug Zeit, sich über alles Gedanken zu machen. So redete er immer wieder auf uns Enkel ein, ja nicht zu heiraten und sich Kinder anzuschaffen. Für mich war das wie eine Schallplatte, der ich nicht mehr zuhörte.  Irgendwie würde sowieso alles auf mich zukommen, dachte ich, ob ich wollte oder nicht.

    Wenn ich als Backfisch – so hießen Teenager in jenen Tagen -  meinen Großvater durch die Stadt in den Schrebergarten führte und mich im Vorbeigehen in einem Fenster spiegelte, fand ich mich entsetzlich hässlich, geradezu lächerlich: eine Giraffe mit langen Beinen und obendrauf  ein kleines Köpfchen.  Weil ich groß war, drückte ich die Knie beim Gehen nicht durch und hielt mich nicht gerade, um nicht so lang zu wirken.

    In der Familie war ich in dieser Zeit nicht nur die „Transuse, sondern wurde auch ständig gefragt, wo ich denn noch hinwachsen wolle. So hoch aufgeschossen, würde ich wohl nie einen Mann finden und Jungfer bleiben, lautete der Kommentar, und ich dachte nur: „Ach, du lieber Gott!  Damals konnte mich wirklich nicht besonders  leiden.

    Als ich mit vierzehn Jahren an der Jugendweihe teilnahm, änderte sich das zum ersten Mal. Meine Mutter hatte schwarzen Taftstoff aus dem Westen besorgt. Wie sie das geschafft hatte, weiß ich nicht. Aus einer westdeutschen Zeitschrift durfte ich mir bei einer Bekannten ein Modell aussuchen. Und schließlich fand ich das Kleid sehr schick, sogar an mir.

    In den ersten Schuljahren war meine Frisur ein Kränzchen gewesen, also ein oben um den Kopf herum geflochtener Zopf.  Danach trug ich eine Art Pagenkopf mit Mittelscheitel und Pony. Ich sah aus, als hätte man mir zum Haareschneiden einen Topf aufgesetzt, einfach furchtbar, aber eben auch furchtbar praktisch! Zur Jugendweihe bekam ich eine Lockwelle, wie sie gerade modern geworden war. Mit dieser Frisur habe ich mir gefallen.

    Im Betrieb, in dem meine Mutter arbeitete, fand die Jugendweihe, der DDR-Ersatz für die Konfirmation, in einem Saal statt. Da standen wir Vierzehnjährigen alle steif und unbeholfen auf der Bühne herum. Aber Verwandte und Bekannte bewunderten mein Aussehen, und ich habe mich gut gefühlt. Dagestanden habe ich freilich mit eingeknickten Hüften und ständig nach rechts und links gesehen, um mich den anderen anzupassen und optisch zu verkleinern. Das weiß ich noch ganz genau.

    Nach der achten Klasse begann ich, da das die Familie, besonders meine Mutter, so entschied, eine Ausbildung zur Grundstufenlehrerin und musste deswegen in ein Internat gehen. Zwar war es nur einige Bahnstationen entfernt, aber wir durften lediglich Sonnabend/Sonntag nach Hause fahren. Das war schon hart.

    Für Jungen hatte ich mich bis dahin kaum interessiert. Wie anders sie sind, konnte ich ausreichend an meinem kleinen Bruder Torsten studieren. Er schien nur Freude zu haben, wenn er stänkerte und das letzte Wort hatte.

    In den großen Ferien, bevor ich im Institut anfing, lernte ich meinen späteren Mann kennen, der für mich von Anfang an ein Phänomen darstellte, weil er sich als stolzer Schweiger und etwas Besonderes gab und in der Sportschule schon ein Star war. Wir begegneten uns im Betriebsferienlager, in das ich nach dem Schulabschluss noch einmal geschickt wurde, weil ich

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