Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

AutoExil
AutoExil
AutoExil
eBook145 Seiten2 Stunden

AutoExil

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ist schlechtes Timing heilbar? Das ist die Frage, als Mark nach Jahren wieder auf seine einstige Jugendliebe Annalena trifft. Von der Faszination ihrer gemeinsamen Jugendzeit ist nichts verloren gegangen, doch ihre Lebenswege bis zu diesem Punkt hätten unterschiedlicher nicht verlaufen können. Mark gibt sich nach gescheiterter Ehe den Vorzügen und der Melancholie als Single hin. Annalena ist gerade erst ihrem perfekten Leben entsprungen, das ihr nicht das gegeben hat, was sie sich davon versprochen hatte.
Gefangen zwischen Erinnerungen und ihren eigenen, gegenwärtigen Problemen kämpfen die Überreste einer verloren geglaubten Jugendliebe um ihre zweite Chance.

Stimmen zum Buch

"Ein moderner Peer Gynt!" - Alois Reinke

"Wäre Romeo und Julia der Alltag in die Quere gekommen, dann hätten sie sich in der Handlung von AutoExil wiedergefunden." - Annalena Behrens

"Das überzeugendste Happy End seit 'Abbitte' ..." - Mark Wittmann

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Juni 2019
ISBN9783739606460
AutoExil

Ähnlich wie AutoExil

Ähnliche E-Books

Romanzen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für AutoExil

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    AutoExil - Jón Faras

    Ein Wiedersehen aus Glas

    In meiner Jugend liebte ich ein Mädchen. Ich lernte sie kennen, da war ich elf Jahre alt. Sie war ein Jahr jünger, ging auf dieselbe Schule wie ich und war beliebt. Im Gegensatz zu mir. Ich hatte schlechte Noten, schlechte Eltern und kaschierte meine Schüchternheit mit Arroganz.

    Mein Vater arbeitete als Pfleger im Altenheim. Er gehörte zu jenen Personen, die ein Alter von über siebzig Jahren für höchst unanständig hielten. Er sprach schlecht von den Bewohnern des Altenheims, nannte sie Sozialschmarotzer oder debilen Kompost. An schlimmen Tagen sprach er von Altlasten aus der Nazi-Zeit. Er hatte sich früh mit seinen Eltern überworfen, die eine Fabrik in Nürnberg hatten während des Krieges. Er hatte ihnen seit seiner Jugend immer wieder alle möglichen Verbrechen der Hitlerzeit vorgeworfen, hatte ihre Fabrik ein KZ genannt und seinen Vater Judenschinder. Er selbst rannte sein Leben lang im Army-Parka herum und erzählte jedem, ob er ihn nach seiner Meinung gefragt hatte oder nicht, dass alle Soldaten Mörder seien. Er kannte auch ansonsten alle Parolen der kleinen Antifa-Bibel. Ich hatte ihm eines Tages bei einer unserer zahlreichen Streitereien alle Verbrechen der R.A.F., die er heimlich als Freiheitskämpfer verehrte, vorgeworfen. Ich war nicht besser als mein Vater.

    Meine Mutter arbeitete bei der Kirche, irgendein Hilfsjob, glaube ich. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nie dafür interessiert. Und sie sprach nie davon, schon gar nicht in der Gegenwart meines Vaters, der der Kirche noch immer die Kreuzzüge übel nahm und eines Tages zur Taufe meiner Cousine mit Intifada-Schal im Gottesdienst auftauchte. Er hatte bis zu seinem Tod nicht verwunden, dass seine als Meinung versteckte Provokation niemanden interessierte.

    Ich hörte einmal eine alte Frau im Supermarkt über meine Mutter sagen, dass sie ein herzensguter Mensch sei. Ich habe davon wenig erfahren dürfen. Sie schämte sich für meine schlechten Leistungen in der Schule und im Sportverein und auch für ihren Mann, auch wenn sie es nie so deutlich gesagt hatte.

    Das Mädchen, das ich liebte, hieß Annalena, kein seltener Name, aber sie war etwas Besonderes – und nicht nur deshalb, weil ihr halber Freundeskreis auf sie stand. Ich gehörte dazu – zu ihrem Freundeskreis – auch wenn ich nie wirklich verstand warum. Ich kam mit ihr sehr gut aus, konnte mit ihr reden, mich mit ihr treffen. Doch Hoffnungen machte ich mir nie. Zumindest keine ehrlichen. Ich konnte mit ihr über ihre Beziehungen sprechen, über ihre Freunde, die kamen und gingen, doch selber kam und ging ich nie. Ich blieb immer dort auf der Stelle.

    Der Regen hatte München fest im Griff, schon den ganzen September über. Die wartenden Menschen am Promenadenplatz drängten schnell durch die sich öffnenden Türen der gerade angekommenen Tram. Durch die beschlagenen Scheiben warf Mark Wittmann einen Blick zurück auf den Bayrischen Hof, in dem er geschäftlich zu tun hatte. Er versuchte sich auf den Feierabend zu freuen, doch irgendwie wollte es ihm nicht gelingen. Es war Samstagabend, und am nächsten Morgen wurde er erneut hier erwartet. Er konnte sich Besseres vorstellen, als sonntags zu arbeiten, andererseits machte es kaum einen Unterschied, wann er frei hatte. Er wohnte alleine und musste sich nach niemandem richten. Außer vielleicht nach dem bayrischen Ladenschlussgesetz.

    Das kleine blaue Kästchen vor ihm klackte, als ein weiterer Fahrgast seine Fahrkarte entwertete. Mark sah auf. Ein älterer Herr steckte umständlich sein Portemonnaie ein und griff nach einer Stange, als die Tram sich in Bewegung setzte. Es ratterte leise und der Zeitstempel in dem blauen Kästchen setzte um eine Markierung vorwärts.

    Entschuldigung, ich ..., erklang eine Stimme neben Mark. Er rutschte automatisch auf den Sitz am Fenster. Eine Frau setzte sich neben ihn. Es dauerte fast eine ganze Minute bis Mark merkte, dass sie ihn anstarrte. Nun sah auch er auf. Und erschrak. Er kannte die Frau.

    Ich erreichte München am späten Nachmittag und schleppte mich und meinen Koffer direkt in den Burger King. Mit einer Tüte Chicken Wings ging ich kurz darauf ziellos einen der Bahnsteige entlang, bis ich die offene Halle des Hauptbahnhofs hinter mir gelassen hatte. Auf einer leeren Bank setzte ich mich und schlug den Kragen gegen den beißenden Wind hoch. Ich hatte mir meine Ankunft hier anders vorgestellt, weniger trostlos. Ich aß zwei der Chicken Wings, doch hatte keinen sonderlichen Appetit. Diese Stadt sollte für die nächsten Monate mein Zuhause sein. Sie würde sich noch bemühen müssen, um es auch zu werden.

    Ich ließ schließlich die Chicken-Wings-Tüte stehen und schlenderte langsam zurück in die große Halle, von wo aus ich meinen Weg zur U-Bahn suchte. Ich versuchte, den U-Bahn-Plan zu lesen, war aber nie besonders gut darin. Ich landete schließlich auf dem Bahnhofsvorplatz, ohne wirklich zu wissen, wie ich dahin gekommen war. Es gab keinen Grund zur Eile, die Wohnungsschlüssel hatte ich im Gepäck, und über das Wochenende lagen keinerlei Verpflichtungen an.

    Nachdem ich meinen Koffer bis zum Karlsplatz und von dort durch die überfüllte Fußgängerzone geschleppt hatte, nahm ich die Tram am Marienplatz. Ich suchte nach einem Sitzplatz, meine Knie schmerzten und meine Schultern waren verspannt vom Schleppen des Koffers.

    Annalena?, er hatte einige Augenblicke gebraucht, bis er sie erkannt hatte. Früher in der Schule trug sie weiße Blusen und Strickjacken, Stoffhosen oder knielange Röcke und ihre dunkelblonden Haare meist offen. Jetzt saß sie dort neben ihm, die Haare unter einer Baskenmütze dunkel gefärbt, in schwarzer Lederhose, dickem grauen Wollpullover und schwarzem Stoffmantel. Ihre Augen waren dunkel geschminkt, ihre Haut wirkte etwas blass. Er wusste nicht, ob er sie noch so schön fand wie früher, doch das spielte keine Rolle.

    Hey! Was machst du hier?, sie bemühte sich um ein heiteres Lächeln, doch Mark merkte, dass sie müde war, vielleicht auch etwas distanzierter als früher.

    Er war mittlerweile dreißig und hatte zwei Kinder, die bei seiner Ex-Frau in Düsseldorf lebten. Er sah sie fast nie. Er war mit 19 ins Ausland gegangen. Während die meisten seiner Freunde beim Bund waren oder Zivildienst machten, wollte der wegen starkem Untergewicht ausgemusterte Mark vor allem weg von seinen Eltern. Er arbeitete einige Monate auf einem Hof in Spanien, um sich eine Reise nach Nepal leisten zu können, doch bald begann er eine Affäre mit der Tochter seines Arbeitgebers, und als diese schwanger wurde, bestanden ihre Eltern auf eine schnelle Heirat. Ein Jahr später ging er mit ihr zurück nach Deutschland, wo sie ihr Studium fortsetze. Er blieb zuhause und träumte vom Himalaya. Mit 25 erklärte er seiner Frau, dass dies gar nicht sein Leben war und er bereits zu lange gebraucht hätte, um aus diesem Traum aufzuwachen. Elisa, seiner Frau, standen die Tränen in den Augen. Er schlief noch einmal mit ihr, gab seinen Kindern Christine und Júlian einen Kuss und fuhr davon.

    Ich bin schon seit fast fünf Jahren in dieser Stadt, sagte Mark mit einem verlegenen Seitenblick.

    Sie lächelte nur.

    Und du machst hier Urlaub?, er warf einen Blick auf ihren Koffer.

    Nein, ich ziehe ein, sie ließ ihren Blick aus dem Fenster schweifen, ich habe eine kleine Wohnung in Lehel.

    Im Lehel, verbesserte Mark automatisch, nach fünf Jahren hatte man sich gewisse Dinge angewöhnt, es heißt 'im Lehel'.

    Sie schwieg.

    Dann wohne ich nicht sehr weit entfernt, sagte er, oben auf der anderen Isarseite, nicht weit vom Maximilianeum.

    Sie nickte.

    Er setzte erneut an, hielt dann aber inne und betrachtete sie näher.

    Du siehst müde aus, soll ich dich zu einem Kaffee einladen? Es klang sonderbar normal dafür, dass er sie mehr als zehn Jahre nicht gesehen hatte.

    Mark, ich sehe schrecklich alt aus, oder?

    Du siehst ... was? Darauf war er nicht vorbereitet gewesen, er sah sie überrascht an.

    Ich sehe alt aus, oder?, wiederholte sie und sah ihm nun ins Gesicht. Er bemerkte die kleinen Fältchen um ihre Augenwinkel und eine ihm ungewohnte Schwere in ihrem Blick. Normalerweise liebte er das an Frauen, Spuren von Leben in ihren Gesichtern, doch Annalena bestach früher vor allem durch ihre Jugendlichkeit, den Anflug von Unschuld, und mittlerweile hatte sie diesen Reiz verloren.

    Wir alle werden älter, begann er ohne sich die Mühe der Diplomatie zu machen, sehe ich etwa noch so aus wie mit 19?

    Nein, ihr Blick prüfte sein Äußeres, du hast dich gemacht, Mark, du siehst gut aus.

    Mark verengte die Augen. Er hatte bisher nie gehört, dass er gut aussehe, auch wenn ihm bewusst war, dass er über die Jahre ein gewisses Wirken auf Frauen entwickelt hatte. Aber das ausgerechnet von Annalena zu hören, berührte ihn. Es schmerzte, ohne dass er sich sicher war, warum.

    Du siehst auch gut aus, erwiderte Mark, das war schon immer so. Natürlich verlieren wir unsere Jugend, aber wir gewinnen auch etwas im Laufe der Zeit hinzu.

    Die Tram kam am Maxmonument zum Stehen und Annalena sah auf. Mark half ihr, den Koffer hinaus zu tragen, zögerte einen Moment und folgte ihr dann in den Regen. Er hätte ohnehin nur eine Station später aussteigen müssen.

    Ich hatte über die Jahre hinweg angefangen, meine Eltern zu hassen. Während meiner Zeit in Spanien starb mein Vater an Krebs, von dem er gesagt haben soll, dass der alte Menschenabfall ihn angesteckt hätte. Zumindest war er so konsequent gewesen, nicht alt zu werden. Meine Mutter bat mich darum, sie zu besuchen. Ich sagte ihr, dass ich mir die Fahrt nach Deutschland nicht leisten könne, und dass ich auf einen Umzug zurück in die Heimat sparte. Sie beschimpfte mich und fragte, wie sie denn dastehe, wenn der eigene Sohn nicht zur Beerdigung des Vaters erschien. Ich sagte ihr, dass das ganz genau den richtigen Eindruck machen würde, und dass sie endlich so ehrlich sein und ebenfalls wegbleiben sollte, wenn sie Vater verscharrten. Sie heulte und ich legte auf. Seitdem hatte ich nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich habe ihr nie von Elisa und den Kindern erzählt...

    Was hast du die letzten zehn Jahre gemacht?

    Sie saßen in einem kleinen Straßencafé unweit des Bayrischen Nationalmuseums und hatten schon eine Weile wortlos in den prasselnden Regen gestarrt.

    Ich? Mark sah Annalena an und brauchte etwas, um seine Gedanken zu ordnen, ich habe in Spanien gearbeitet, auf einem Hof, und einige Zeit in Düsseldorf, bevor ich nach München gekommen bin.

    Was hast du gemacht, in Düsseldorf meine ich?

    Eine Fotografenausbildung, Mark hatte sie erst in München gemacht, doch er wollte ihr nicht von Elisa erzählen, ich arbeite als Fotograf.

    "Hast du ein Atelier

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1