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Schicksalssommer - von heiter bis tödlich
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Schicksalssommer - von heiter bis tödlich
eBook286 Seiten3 Stunden

Schicksalssommer - von heiter bis tödlich

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Über dieses E-Book

Der Sommer - für viele ist das die schönste Zeit des Jahres. Unsere 12 Autorinnen und Autoren haben diese Jahreszeit als Ausgangspunkt für ihre Storys genommen. In über 20 spannenden, romantischen und auch tödlichen Geschichten und Gedichten zeigen sie ihr Können. Da kann ein fallender Apfel schon mal zur völligen Eskalation führen, eine Bahnfahrt nachdenklich machen oder aber der Ärger über eine nervige Frau einen ganz neuen Lebensweg zeigen.

Spendenanthologie zu Gunsten des Bollerwagen-Cafés in Hannover, einem Hilfsprojekt für obdachlose Menschen, herausgegeben von Sebastian Fesser.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum10. Jan. 2024
ISBN9783986500177
Schicksalssommer - von heiter bis tödlich
Autor

Sebastian Fesser

Sebastian Fesser, Jahrgang 1977, ist als Immobilienmakler und Gutachter in Hannover tätig. Er ist seit 2019 mit der Hörbuchsprecherin Janina Fesser verheiratet. Schon als Schüler hat er gern kleine Geschichten geschrieben. Erstmals an ein Buch wagte er sich 2012 mit ›Highspeed Money – Mein Leben auf der Überholspur.‹ Mit verschiedenen Fachbüchern hat er sich in seinem Fachgebiet Immobilienverkauf als Autor etabliert. Inzwischen hat er aber auch Gefallen an der Belletristik gewonnen, an verschiedenen Anthologien mitgeschrieben und arbeitet aktuell er an einem hannoverschen Regionalkrimi. Bei der Spendenanthologie "Schicksalssommer - von heiter bis tödlich" zu Gunsten des Bollerwagen-Cafés in Hannover, einem Hilfsprojekt für obdachlose Menschen, hat er als Herausgeber und gleichzeitig Autor mitgewirkt.

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    Buchvorschau

    Schicksalssommer - von heiter bis tödlich - Sebastian Fesser

    E-Book, erschienen 2023

    1. Auflage

    ISBN: 978-3-98650-017-7

    Copyright © 2022 DeWinter Waldorf Glass

    im Förderkreis Literatur e.V.

    Sitz des Vereins: Frankfurt/Main

    https://main-verlag.de/dewinter-waldorf-glass-dwg/

    Umschlaggestaltung: © Dream Design - Cover and Art

    Umschlagmotiv: © shutterstock 246426958 / 104206787

    Druck: AKT AG, FL-9497 Triesenberg (AgenTisk Huter d.o.o)

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über

    https://dnb.d-nd.de abrufbar.

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und

    Begebenheiten dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten

    des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv, nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Der letzte Sommer von Frieda Schärer

    Herbst meines Lebens von Susanne Grimmelmann

    Die Auswirkungen eines einzelnen Apfels von Sebastian Fesser

    Dicke Mauern von Esther Grünig-Schöni

    Frischfleisch – Die Lust der Begierde von Diana Lapescara

    Konfetti im Kragen von Janina Fesser

    Der Schrei von Esther Grünig-Schöni

    Roemah, die Drachenbraut von Christine Morandin

    Schicksalhafter Sommer von Claudia Rimkus

    Treibjagd von Elko Laubeck

    Trotzdem liebe ich dich und so von Sebastian Fesser

    Nebelwald von Esther Grünig-Schöni

    Rachesommer von Sebastian Fesser

    Ich bin nur noch still von Esther Grünig-Schöni

    Seelen von Corva Rubin

    Die Autopanne von Esther Grünig-Schöni

    Aus Fatzke wird Traumprinz von Cloe Morel

    Jäger der Nacht von Corva Rubin

    Der Straßenmusikant von Esther Grünig-Schöni

    Im Schatten der Pinie von Elko Laubeck

    Wiedersehen am Balaton von Petra Schindler

    Roadie und Star von Esther Grünig-Schöni

    Das Erinnerungsalbum von Susanne Grimmelmann

    Draußen ist es laut von Esther Grünig-Schöni

    Gegenwind von Claudia Rimkus

    Biografien

    Schicksalssommer - von heiter bis tödlich

    Sebastian Fesser (Hrsg.)

    Buch

    Der Sommer - für viele ist das die schönste Zeit des Jahres. Unsere 12 Autorinnen und Autoren haben diese Jahreszeit als Ausgangspunkt für ihre Storys genommen. In über 20 spannenden, romantischen und auch tödlichen Geschichten und Gedichten zeigen sie ihr Können. Da kann ein fallender Apfel schon mal zur völligen Eskalation führen, eine Bahnfahrt nachdenklich machen oder aber der Ärger über eine nervige Frau einen ganz neuen Lebensweg zeigen.

    Vorwort

    Sebastian Fesser

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ich freue mich, dass Sie sich entschlossen haben, unsere Anthologie Schicksalssommer zu erwerben. Insgesamt 12 motivierte Autorinnen und Autoren haben sich in der Facebook-Gruppe Mehr als nur Bücher zusammengefunden und dabei herausgekommen sind insgesamt 20 Kurzgeschichten sowie fünf Gedichte. Initiiert wurde dieser Band ursprünglich von Daggi Geiselmann, der dieses Buch auch gewidmet sein soll. Aus gesundheitlichen Gründen habe ich die weitere Bearbeitung von Daggi übernommen und auch noch den einen oder die andere Autor/in akquirieren können. Unser Dank gilt zudem unserer Lektorin Enya Kummer für ihren großartigen Einsatz!

    Die nachfolgenden Geschichten sind, wie der Titel schon verrät, mal lustig, mal sehr berührend, aber auch bitterernst und tödlich. Wir haben versucht, das Genre weit zu halten und allen Geschichten ist eins gemeinsam: Sie spielen in der unserer Meinung nach schönsten Jahreszeit – dem Spätsommer.

    Wir finden es wichtig, etwas Gutes zu tun und daher spenden wir die gesamten Autorenhonorare an das hannoversche Bollerwagen-Café e.V., das sich gezielt für die Unterstützung notleidender Menschen auf Hannovers Straßen einsetzt. Mehr zum Bollerwagen-Café erfahren Sie auch auf der Internetseite www.bollerwagen-cafe.de

    Ich hoffe, Ihnen nun vergnügliche Stunden mit unserer Anthologie bescheren zu können und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

    Ihr Sebastian Fesser

    Der letzte Sommer

    Frieda Schärer

    Skadi sah zum Himmel hinauf und verabschiedete sich von dem Gedanken, heute ausnahmsweise nicht komplett durchgeschwitzt aus ihrer Mittagspause zu kommen. Zügig nahm sie auf ihrem altersschwachen Drahtesel die Abkürzung über den Kirchhof, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen. Die Sonne brannte wie schon seit Tagen auf ihrer Haut und eine Abkühlung war nicht abzusehen. Nicht mal die Kinder, die in den Sommerferien hier sonst immer in Gruppen laut lärmend auf dem Weg in die Eisdiele oder zum nahegelegenen Fluss waren, ließen sich heute blicken. Die Bänke vor den Häusern waren verwaist, da die Alten sich lieber in der kühlen Stube aufhielten. Rings um das kleine Dorf waren Brandwachen eingeteilt, um die Gefahr durch Selbstentzündung und Brandstiftung einzudämmen. Wer konnte, hielt sich so wenig wie möglich im Freien auf.

    Skadi fuhr an der Autowerkstatt vorbei, wo Martin, ihr ehemaliger Schulfreund und heimlicher Verehrer aus Kindertagen, arbeitete. Auch von ihm war nichts zu sehen. Sie nahm an, dass er zum Essen nach Hause gegangen war. Das war der Vorteil des Lebens im Dorf. Die Wege waren kurz. Sie lächelte. Ihre Kleine würde sie sicher schon sehnsüchtig erwarten. Die süße, kleine pechschwarze Schnauzerhündin war ihr vor ein paar Jahren des Nachts vor das Auto gelaufen. Es war damals stockfinster. Skadi war spät aus einem der Nachbardörfer auf dem Weg nach Hause. Sie hatte sich seit langem mal wieder mit ihrer alten Schulfreundin Lynn getroffen. In Kindertagen waren sie unzertrennlich gewesen. Sie klebten aneinander wie eineiige Zwillinge und hatten mit dem ewig lärmenden Kinderpulk im Dorf nicht viel gemeinsam. Lieber zogen sie alleine durch den nahegelegenen Wald auf der Suche nach Feen und geheimnisvollen Geschichten.

    Nach der Schulzeit führten sie ihre Lebenswege vom Dorf weg in verschiedene Richtungen. Und wie so oft im Leben verloren sie sich langsam mehr und mehr aus den Augen. Eigentlich sahen sie sich nur noch zufällig, wenn sie zeitgleich ihre Eltern besuchten, was so gut wie nie vorkam.

    Erst als Skadi wieder in die alte Heimat zog, lief sie ihrer Schulfreundin auf einem Dorffest in die Arme und erfuhr so, dass Lynn zwei Dörfer weiter ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Jetzt versuchten sie, sich wenigstens alle paar Wochen mal zu treffen. So auch an dem Abend vor vier Jahren, der für Skadi etwas ganz Besonderes werden sollte.

    Als sie in der besagten Nacht durch den Waldausläufer auf ihr Dorf zufuhr, nahm sie plötzlich einen kleinen Schatten im Scheinwerferlicht wahr. Sie riss das Lenkrad herum, trat auf die Bremse und rutschte über den Seitenstreifen in den Wald. In letzter Sekunde konnte Skadi so einen Unfall verhindern. Leider zu Lasten ihres geliebten alten VW Kombi. An einem Baum zerschrammte sie ihre komplette rechte Fahrzeugseite, bevor sie mit einem letzten Aufheulen des Motors im dichten Gestrüpp zum Stehen kam. Völlig benommen kletterte sie aus dem Fahrzeug und versuchte, sich mit der Taschenlampenfunktion ihres Handys zu orientieren. Am Straßenrand, hinter einem großen Stein, saß zitternd und verdreckt ein dunkles Häufchen Elend in Form eines Hundes. Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie den Hund ohne Widerstand auf den Arm nehmen konnte. Verletzungen entdeckte sie spontan keine. Ihre gesamte Anspannung löste sich plötzlich, und schluchzend, das Gesicht in dem dreckigen Fell vergraben, sank sie auf den Stein am Straßenrand. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder klar denken konnte. Dann nahm sie ihre Tasche aus dem Wagen und trat mit dem Hund auf dem Arm die rund 45 Minuten Fußmarsch nach Hause an. Um den Rest wollte sie sich am nächsten Tag kümmern.

    Martin hatte ihr am folgenden Morgen nicht nur versprochen, er würde alles tun, um ihren geliebten Vernon, so nannte sie die alte Schrottkarre liebevoll, kostengünstig wiederherzustellen. Er hatte sich auch im gesamten Umland nach der kleinen Schnauzerhündin erkundigt. Er war ein echter Freund und Skadi war froh, dass sie den Kontakt nie ganz hatte abbrechen lassen.

    Früher hatte Martin versucht sie zu überreden, doch nicht wegzuziehen. Skadi wusste, dass er Gefühle für sie hegte, hatte diese aber nie erwidert. Zu der Zeit lockte auch die große weite Welt in Form eines Ausbildungsangebots einer großen Hamburger Firma. Da gab es schließlich kein Halten und Martin musste sich geschlagen geben. Aber genau wie mit Lynn blieb auch hier ein winziger Restkontakt, den die Beiden nach Skadis Rückkehr wieder regelmäßig aufnahmen. Beide waren Single, aber Skadi tat bewusst so, als könne sie sich an Martins Annäherungsversuche von damals nicht erinnern. Sie wollte keine schlafenden Hunde wecken und hatte ein wenig Angst, ihre Freundschaft zu gefährden. Letztlich war sie nach ihrer Rückkehr nicht so sicher, ob Martins Gefühle noch dieselben waren. Als sie den Job im Bistro angenommen hatte, konnte sie Martin des Öfteren mit ihrer Chefin plaudern sehen und sie kannte diesen Ausdruck in seinen Augen. Wie dem auch sei, so sehr Martin sich umhörte, niemand schien den kleinen Hund zu kennen oder zu vermissen. So hatte Skadi die Kleine kurzerhand adoptiert. Maja, so nannte sie die Hündin, wich fortan nicht mehr von ihrer Seite und stand mittags immer am Fenster, um die Ankunft ihres Frauchens nicht zu verpassen. Sobald Skadi heim eilte, um eine Runde mit ihr zu drehen, bevor sie wieder in das kleine Bistro zurück musste, brachte sich die Kleine vor lauter Lebensfreude fast um, während sie um Skadis Füße wuselte.

    Das war heute nicht anders. Kaum hatte sie die Tür aufgeschlossen, war der kleine Wirbelwind überall und nirgendwo. Schnell klickte sie die Leine am Halsband fest und ging mit Maja den kleinen Feldweg hinter ihrem Haus entlang. Eine gute Stunde hatten sie Zeit. Zum Essen war es eh viel zu warm. Sie wollte die Zeit lieber nutzen, um mit Maja zum nahegelegenen Wald zu gehen. Da war es immer ein paar Grad kühler und es ließ sich dort herrlich abschalten. Der Pfad zwischen den Feldern zog sich heute unendlich. Die Luft flimmerte über dem Weg und verzerrte alle entfernten Konturen. Skadi überlegte kurz umzukehren. Der Gedanke an den kühlen, dunklen Wald ließ sie jedoch weitergehen. Wenn sie es schafften, sich ein wenig zu beeilen, könnten sie vielleicht noch zur Flussniederung.

    Allein der Gedanke beflügelte sie. Seit sie das kleine Häuschen, das Haus ihrer Kindheit, am Rande des Dorfes vor rund sechs Jahren geerbt hatte, nutzte sie jede freie Minute, um in dem urwüchsigen Wald umherzustreifen. Es erinnerte sie an die Zeit, die sie mit Lynn hier verbracht hatte. Als Kind kannte sie hier jeden Stein. Dort wo der Fluss in einer steilen Kurve den Weg zum Dorf einschlug, trafen sich die anderen Kinder. Sie spielten und lärmten und um die besten Plätze am und im Wasser gab es eine klar definierte Hackordnung. Die Größeren teilten den Kleinen ihren Bereich zu und gaben sich betont lässig.

    Skadi mochte das laute Miteinander nicht. Sie war zu still und introvertiert, um sich dort behaupten zu können. Unter dem Druck der Eltern hatte sie sich ein-, zweimal dazugesellt, nur um am Ende am Rande des bunten Treibens still und unauffällig mit ihrer besten Freundin im Wald zu verschwinden.

    All diese Erinnerungen kamen ihr wieder in den Sinn, als sie auf den Wald zusteuerte. Ihr Shirt war mittlerweile klatschnass und die paar Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, klebten an ihrem Hals und kitzelten sie. Hätte sie die Möglichkeit, würde sie heute Nachmittag freinehmen. Aber ihre Chefin, Frau Doktor Klotz, war mal wieder in wichtiger Mission unterwegs. Skadi hatte ihre enervierende Stimme im Ohr: »Frau Bergmann, achten Sie darauf, pünktlich zu öffnen. Wir haben einen kleinen, aber treuen Kundenstamm. Ich möchte nicht, dass es zu irgendwelchen Beschwerden in meiner Abwesenheit kommt.« Bla, bla, bla. Sie konnte dieses überhebliche Getue nicht ausstehen. Was glaubte die Klotz, wer sie war? Schließlich war es Skadi, dem der kleine Laden die treue Kundschaft verdankte. Sie war die Seele des Bistros. Nicht nur, dass sie gefühlt immer anwesend war. Sie entschied über die Karte, kochte die Gerichte und kannte die Lebensgeschichte all ihrer Stammkunden. Als Skadis Vater verstorben war und ihr das kleine Häuschen vererbt hatte, erschien ihr die ausgeschriebene Stelle wie ein Wink des Schicksals. Als Bankettleiterin in einem renommierten Hamburger Hotel und mit einem eigenen YouTube Kanal ›Skadis kitchen‹ waren die letzten Jahre zwar erfolgreich, aber zugleich auch von Stress und nervenzehrenden Arbeitszeiten gekennzeichnet. Hier wollte sie jetzt auftanken und sich neu sortieren. Nicht ahnend, dass es sich zu einem mehrschichtigen Vollzeitjob ausweiten würde. Mittlerweile wusste sie, warum die Stelle neu zu besetzen war. Ihre Chefin, Frau Doktor Klotz, war nur für den äußeren Schein zu gebrauchen. Selbst die Buchhaltung hatte sie abgegeben. Skadi hatte bisher nicht herausgefunden, wofür der Doktortitel stand und warum sich ihre Chefin hier ›versteckte‹. Denn so kam es ihr vor. Warum sollte eine erfolgreiche Frau, auch noch promoviert, sich hier am Ende der Welt mit einem Bistro, von dem sie keine Ahnung hatte, herumärgern? Skadi schüttelte den Kopf. Diese Frage hatte sie sich schon tausendmal gestellt, aber sie kam einfach nicht dahinter. Vor einiger Zeit hatte sie angefangen, sich Geschichten um dieses geheimnisvolle Rätsel auszudenken. So war Frau Doktor Klotz schon vor der Mafia in einem Zeugenschutzprogramm geflohen, dem gewalttätigen Exmann entkommen oder Undercover Agentin auf einer Mission. Es half über die Tage hinweg, an denen die Laune ihrer Chefin wie eine unheilschwangere Wolke vor ihr her in den Laden schwappte. Doch manchmal war es einfach zu viel. Dann fluchte Skadi den halben Abend halblaut vor sich hin. Wenn sie Martin dann noch auf ein spätes Feierabendbier traf, verzog er jedes Mal wütend das Gesicht. Sie sollte sich dieses respektlose Verhalten nicht länger gefallen lassen. Sie hätte was Besseres verdient. Wenn er sie in solchen Momenten so seltsam anschaute, wechselte sie meist schnell das Thema. Generell ärgerte sie sich, wenn sie sich mal wieder unbedacht in Martins Gegenwart beschwert hatte. Wusste sie doch, wie wütend er mittlerweile auf die Klotz war. Skadi wusste, dass er sich immer noch an die peinliche Abfuhr erinnerte, die die Klotz ihm vor der versammelten Kundschaft verpasst hatte. Und daran, dass Skadi Zeugin dieses Trauerspiels gewesen war. Nach nun Jahren des herum Scharwenzelns hatte Martin sich scheinbar ein Herz gefasst und die Klotz zum Abendessen einladen wollen. Mit einem Rosenstrauß und seinem besten Anzug war er im Bistro aufgetaucht. Nachdem Martin mit leichtem Stottern seine Einladung ausgesprochen hatte, war die Klotz in ein lautes, abfälliges Lachen ausgebrochen. Mit einem Blick in die Runde und einem abfälligen Mustern seiner Gestalt, hatte sie ihm ziemlich brutal und für alle gut hörbar zu verstehen gegeben, dass er wohl kaum annehmen könne, dass sie sich mit einem einfachen Automonteur einlassen würde. Die anwesende Kundschaft hatte versucht, möglichst unbeteiligt über den Moment hinwegzusehen und Martin war wie ein geprügelter Hund aus dem Bistro geschlichen. Er hatte sich tagelang nicht dort oder in Skadis Nähe blicken lassen. Er tat Skadi leid, aber es gab nichts, was sie ihm zum Trost hätte sagen können. Nichts, womit sie nicht Gefahr gelaufen wäre, sich selbst wieder in seinen Fokus zu rücken.

    So war der heutige Morgen auch nur ein weiteres Paradebeispiel für den schlechten Charakter ihrer Chefin. Die Klotz war wieder in Bestform gewesen. Nach ihren hingezickten Anweisungen, die ausgereicht hätten, drei Mitarbeiter für den Tag zu beschäftigen, ratterte sie noch die üblichen Verhaltensmaßregeln runter. Schon war sie in ihrem safranfarbenen ›heute-bin-ich-wichtig‹ Hosenanzug aus dem Laden gerauscht und hatte Skadi wieder einmal mit den ganzen Vorbereitungen allein stehen lassen. Manchmal kam sie sich vor wie ein modernes Aschenputtel.

    Skadi atmete tief ein. Über all diese Gedanken hatten sie und Maja den Wald erreicht. Sofort als sie das Unterholz am Feldrand hinter sich gelassen hatten, ließ die Hitze etwas nach. Die Hündin war die letzten Meter nur noch mit hängenden Ohren und lautem Hecheln neben ihr hergeschlichen. Die Hitze war eindeutig zu viel für sie. Skadi beugte sich hinab und kraulte ihr aufmunternd das Ohr. »Komm, mein Schatz, gleich gibt es eine Abkühlung.« Mit jedem Schritt, den sie tiefer in den Wald gingen, blühte Maja auf. Die Luft wurde um wenige Grade kühler und das Atmen fiel beiden deutlich leichter. Sie wichen vom Weg, der parallel zum Waldrand verlief, ab und entfernten sich über unsichtbare Pfade weiter von ihrem Ausgangspunkt. Skadi erkannte ihre geheimen Wegweiser. Kleine Erhebungen, umgestürzte Bäume. Hier und da sah sie bereits Steinformationen, die auf das bald auftauchenden Flussbett hinwiesen. Hier wagte sie es, die kleine Hündin von der Leine zu lassen. Maja liebte es herumzustromern, aber hier im Wald hielt sie immer wieder Ausschau nach ihrem Frauchen und kontrollierte regelmäßig, ob Skadi noch in der Nähe war. Sie liebte den Wald. Hier fühlten sie sich beide wohl. Sie nahmen ihre Umgebung auf und es war, als atmeten sie im gleichen Takt. Egal wie stressig es am Tag war, hier kam Skadi jedes Mal wieder zu sich. Stundenlang konnte sie hier umherstreifen oder oft auch nur auf einem umgestürzten Baum sitzen und einer Schnecke beim Vorbeikriechen zusehen. Sie konnte es oft kaum glauben, dass sie je in der Stadt in ihrem alten Job hatte bestehen können. Der Gedanke, dorthin zurückzukehren, jagte ihr kalte Schauer über den Rücken.

    Maja war in ihrem Element. Sie rannte vor und zurück. Schnüffelte hier und da und flitzte mittlerweile wieder fröhlich bellend, mit wehenden Ohren und einem Lächeln, wie es Skadi schien, um sie herum. Skadi lächelte auch. Schiet doch auf die olle Klotz. Heute würde sie nicht zurückhasten. Sie würden sich in Ruhe einmal im Fluss abkühlen und dann ginge es wieder heim. Ohne Gerenne oder Stress. Als ob bei dieser Hitze ernsthaft jemand am frühen Nachmittag ins Bistro käme. Sie kannte ihre Gäste. Die meisten kamen am fortgeschrittenen Nachmittag für ein spätes Stück Kuchen oder einen frühen Sundowner.

    Heute war eine Ausnahme. Die Klotz selbst kam an solchen Tagen auch immer erst zum Abend ins Bistro. Um ›Kasse‹ zu machen. Die würde sich doch die Hände nicht mit Arbeit beschmutzen. Sie war nur am Abkassieren interessiert. Oder wenn sie brillieren konnte, indem sie Skadi vor der Kundschaft rügte. Martin hatte recht. Das musste sie sich nicht gefallen lassen. Würde sie gehen, könnte die Klotz den Laden schließen. Keiner im Umkreis von fünfzig Kilometern würde freiwillig bei ihr arbeiten und ein Fremder würde auch nicht länger als eine Woche durchhalten. Da Skadi hier aber keine Alternative hatte und im Dorf wohnen bleiben wollte, hielt sie durch.

    Ein Bellen schreckte sie aus ihren Gedanken. Mist, wo war Maja? Das klang weiter weg, als sie die Hündin vermutet hatte. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Kleine sich entfernt hatte. Maja lief sonst nie so weit von ihr weg. Skadi versuchte, das seltsam klingende Bellen zu orten. Warum hörte Maja nicht auf, das hier klang besorgniserregend. Skadi hastete durchs Gestrüpp und über umgefallene Baumstämme. Immer wieder musste sie stehen bleiben, um sich zu orientieren. Ausgerechnet hier war der Wald relativ dicht und urwüchsig. Ständig musste sie kleine Umwege in Kauf nehmen, weil sie nicht weiter kam. Das war definitiv nicht die Strecke, die sie zu nehmen gedacht hatte. Was war das? Kurz hatte sie gemeint, etwas zwischen den Bäumen gesehen zu haben, aber sie musste sich getäuscht haben. So sehr sie sich auch umschaute, da war nichts. Seltsam. Majas Bellen klang schon etwas näher, aber immer noch aufgeregt. Immer weiter entfernte sich Skadi von der ursprünglichen Route, lief dem Bellen nach. Die Hündin war scheinbar ein ganzes Stück den Flusslauf hinaufgelaufen. Skadi bekam Angst. Dort oben hatte sich der Fluss in den Jahrhunderten tief in die Hügellandschaft gegraben und es gab kein echtes Ufer. Schroff fielen die Felsen rechts und links zum Flüsschen ab. Was, wenn die Kleine dort irgendwo festsaß. Sie musste sich beeilen. Im Kopf ihre Optionen überschlagend, hastete sie die letzte Anhöhe hinauf. Sie hatte in Erinnerung, dass

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