Sie kam im Morgengrauen: Familie Dr. Norden 762 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Die Familie bleibt für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen.
Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas.
»Schwanger!« Unheilverkündend und drohend wie eine dunkle Gewitterwolke lag das Wort in der Luft, um das Lucy in den letzten Tagen einen großen Bogen gemacht hatte. Ihr Freund Benno saß auf ihrem Jugendbett in dem kleinen Zimmer der Sozialwohnung und starrte sie entsetzt an. »Bist du ganz sicher?« »Eine blödere Frage fällt dir nicht ein, oder?« entfuhr es Lucy gereizt. Sie wischte sich mit der zitternden Hand über die Augen, als wollte sie einen Schatten vertreiben. Doch als sie die Augen wieder öffnete und erneut auf den Teststreifen schaute, hatte sich das Ergebnis nicht verändert. Zwei leuchtend blaue Linien waren der eindeutige Beweis. »Lies doch noch mal die Gebrauchsanweisung. Vielleicht hast du was falsch gemacht.« Benno war leichenblass geworden. Er stand auf, ein großer Bursche, dem man es ansah, dass er einmal ein gut aussehender Mann sein würde, und ging unruhig im Zimmer auf und ab. »Blödmann. So schwer ist das auch nicht zu verstehen. Aber lies selbst, wenn du's nicht glaubst.« Sie hielt ihm das raschelnde, dünne Papier hin, auf das die Gebrauchsanweisung gedruckt war, aber Benno schüttelte den Kopf. »Ich glaub's dir schon. Und was machen wir jetzt?« »Keine Ahnung.«
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Familie Dr. Norden - Neue Edition
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Buchvorschau
Sie kam im Morgengrauen - Patricia Vandenberg
Familie Dr. Norden
– 762 –
Sie kam im Morgengrauen
Nur einer kannte ihren Namen
Patricia Vandenberg
»Schwanger!«
Unheilverkündend und drohend wie eine dunkle Gewitterwolke lag das Wort in der Luft, um das Lucy in den letzten Tagen einen großen Bogen gemacht hatte. Ihr Freund Benno saß auf ihrem Jugendbett in dem kleinen Zimmer der Sozialwohnung und starrte sie entsetzt an.
»Bist du ganz sicher?«
»Eine blödere Frage fällt dir nicht ein, oder?« entfuhr es Lucy gereizt. Sie wischte sich mit der zitternden Hand über die Augen, als wollte sie einen Schatten vertreiben. Doch als sie die Augen wieder öffnete und erneut auf den Teststreifen schaute, hatte sich das Ergebnis nicht verändert. Zwei leuchtend blaue Linien waren der eindeutige Beweis.
»Lies doch noch mal die Gebrauchsanweisung. Vielleicht hast du was falsch gemacht.« Benno war leichenblass geworden. Er stand auf, ein großer Bursche, dem man es ansah, dass er einmal ein gut aussehender Mann sein würde, und ging unruhig im Zimmer auf und ab.
»Blödmann. So schwer ist das auch nicht zu verstehen. Aber lies selbst, wenn du’s nicht glaubst.« Sie hielt ihm das raschelnde, dünne Papier hin, auf das die Gebrauchsanweisung gedruckt war, aber Benno schüttelte den Kopf.
»Ich glaub’s dir schon. Und was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung.« Resigniert hob Lucy die Schultern. »Meine Mutter flippt aus, wenn ich ihr das sage. Wir haben ja eh keine Kohle und dann noch ein Baby! Ganz zu schweigen von deinen Eltern. Die konnten mich ja noch nie leiden. Den dummen Spruch, der da kommt, kann ich mir jetzt schon denken.« Sie verstellte ihre Stimme gekonnt, dass sie ganz nach Bennos Mutter Erika klang. »Das hat Lucy nur gemacht, damit sie dich hier in Deutschland hält. Ihr hat es doch von Anfang an nicht in den Kram gepasst, dass du nach Amerika auf die Schauspielschule willst.«
Gequält hielt sich Benno die Ohren zu.
»Hör schon auf damit. Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Mutter meint das nicht so.«
»Warum sagt sie es dann immer wieder?« Lucy funkelte Benno wütend an. Wieder einmal waren sie bei ihrem Hauptstreitpunkt angelangt, dem einzigen eigentlich, der beinahe seit Beginn ihrer Freundschaft zwischen ihnen stand. Erika hatte sich für ihren einzigen und wohlbehüteten Sohn eine andere, besser gestellte Freundin gewünscht und ließ keine Gelegenheit aus, Lucy das auch deutlich spüren zu lassen. Benno hingegen saß zwischen allen Stühlen und konnte es einfach keinem recht machen, so sehr er sich auch bemühte. Er seufzte tief.
»Musst du ausgerechnet jetzt damit anfangen? Ich glaube, wir haben ein wichtigeres Problem.«
»Das Problem ist doch, dass du nicht hinter mir stehst. Wir würden das alles hinkriegen. Meiner Mutter kann ich das schon beibringen. Aber deine Eltern …«
»Ich kann den guten Ruf meines Vaters nicht ruinieren. Das wirst du doch hoffentlich verstehen. Schließlich brauch’ ich seine Kohle, um den Amerika Aufenthalt finanzieren zu können.«
»Und das ist dir natürlich wichtiger als unser gemeinsames Kind.«
»Lucy, bitte, sei doch vernünftig.« Benno bemühte sich nach Kräften, seine hysterisch kreischende Freundin zu beruhigen. »Es kommt alles ein bisschen plötzlich. Schließlich nimmst du doch die Pille. Mit einem Baby hab’ ich wirklich ganz und gar nicht gerechnet.«
Lucy starrte ihn fassungslos an, dann brach sie in Tränen aus.
»Denkst du etwa ich?« schluchzte sie auf einmal laut auf und warf sich in seine Arme. »Wahrscheinlich glaubst du auch, ich wollte dich zwingen, hierzubleiben. Dabei stimmt das doch gar nicht. Ein Baby ist das letzte, was ich grad brauchen kann.«
»Psst, das weiß ich doch. Du hast ja ebenso große Pläne wie ich. Jetzt beruhig dich erst mal. Noch ist nicht aller Tage Abend. Wir werden schon einen Weg finden. Schließlich sind wir nicht die Ersten, denen so was passiert.«
»Wenn du meinst, ich lass das Baby wegmachen, dann hast du dich getäuscht«, bäumte sie sich noch einmal mit letzter Kraft auf. »Es ist trotz allem unser Kind, ein Kind der Liebe. Du liebst mich doch, oder?«
Ängstlich blickte sie zu ihm auf, suchte in seinen treuen braunen Augen nach der Bestätigung, die sie so dringend brauchte.
»Natürlich liebe ich dich, das weißt du doch.«
Lucy nickte beruhigt, doch aus irgendeinem Grund blieb diesmal ein schaler Nachgeschmack zurück, den sie sich nicht recht erklären konnte.
»Ich bin so müde. Komm, lass uns ein bisschen hinlegen und ausruhen. Danach sieht die Welt vielleicht wieder anders aus.«
Benno warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Eigentlich hatte er seiner Mutter versprochen, mit ihr ein paar Einkäufe zu erledigen. Aber ihm fehlte der Mut, Lucy das in ihrer Situation beizubringen. So entschied er sich für das kleinere Übel und legte sich neben seine zitternde Freundin auf das schmale Bett. Sie kuschelte sich eng an ihn, er streichelte den zarten Mädchenrücken, wie er es so oft getan hatte. Aber noch nie hatte er sich dabei so hoffnungslos verloren gefühlt wie in diesem Moment.
*
Müde und abgespannt kehrte Iris Fetsch eine knappe Stunde später aus der Fabrik zurück nach Hause. Seit sie und Lucy alleine lebten, war das Leben nicht gerade leichter geworden. Obwohl Lucy neben der Schule jobbte und alle Ausgaben für sich selbst bestritt, herrschte chronischer Geldmangel im Hause Fetsch. Leise quietschend fiel die Wohnungstür ins Schloss, Iris stellte seufzend die schwere Einkaufstasche am Boden ab und streifte die abgetragenen Schuhe von den müden Füßen. In der winzigen Küche setzte sie einen Topf Wasser für Tee auf, sah die Post durch und entdeckte ein geöffnetes Schreiben, das an Lucy adressiert war. Gewöhnlich respektierte sie die Privatsphäre ihrer Tochter, aber da Lucy den Brief offen liegengelassen hatte, konnte sie ihre Neugier nicht zügeln. Zu lange schon warteten sie beide auf dieses Schreiben.
»Landeshauptstadt München, Schul- und Kultusreferat«, stand dort in der rechten oberen Ecke, versehen mit dem Wappen von München, dem sogenannten »Münchner Kindl«. In der linken Ecke war eine offenbar geschnitzte Skulptur des heiligen Christophorus abgebildet, ein Kind auf der Schulter, einen Stab in der Hand.
»Informationsblatt«, las Iris laut für sich, während das Wasser im Teekessel zu brodeln begann. »Unterrichtszeit wöchentlich ca. 40 Stunden, von September – Juli, Schulzeit 3 Jahre.« Sie stockte und stand seufzend auf, um den Tee in der Kanne aufzubrühen. Aber ihre Miene war jetzt deutlich entspannter als noch vor Minuten. Sie machte sich gar nicht die Mühe, den Brief zu Ende zu lesen, sondern ging mit leisen Schritten über den dunklen Flur zu Lucys Zimmer.»Lucy Maus, bist du da?« Sie klopfte an und wartete eine angemessene Zeit. Als sich nichts rührte, drückte sie leise die Klinik herunter. Das Bild, das sich ihr bot, trieb ihr Tränen der Rührung in die Augen. Lucy lag zusammengerollt wie ein kleines Kind auf ihrem Bett und schlief tief und fest, während Benno, der neben ihr lag und ihren Schlaf bewachte, sich zu Iris umdrehte.
»Sie schläft!« flüsterte er überflüssigerweise, aber Iris, die Benno schon immer gut leiden konnte, lächelte verständig.
»Möchtest du Tee?« flüsterte sie zurück, und er nickte. Vorsichtig, um Lucy nicht aufzuwecken, zog er den Arm unter ihrem Kopf hervor und warf ihr einen ängstlichen Blick zu. Sie stöhnte nur leise im Schlaf, drehte sich um und schlief weiter.
Iris nickte und ging zurück in die Küche. Kurz darauf war Benno bei ihr. Er umarmte Iris und gab ihr einen Kuss links und rechts auf die Wange, die übliche, herzliche Begrüßung im Hause Fetsch, ganz und gar unüblich bei ihm zu Hause, wo Wert auf gepflegte Distanz gelegt wurde.
»Müde schaust du aus«, erklärte er statt einer Begrüßung und ließ sich auf einen der beiden Stühle an dem kleinen Tisch fallen, der gerade mal Platz für zwei Personen bot. Iris stellte zwei Becher mit dampfendem Tee hin, eine Zuckerdose und eine Plastikflasche mit Dosenmilch, und setzte sich ebenfalls.
»Bin ich auch. Und durchgefroren«,