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Haus im Grünen II: Wer mordet denn da?
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Haus im Grünen II: Wer mordet denn da?
eBook240 Seiten3 Stunden

Haus im Grünen II: Wer mordet denn da?

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Über dieses E-Book

Kommissarin Sibylle Raumann, aus dem Ruhrpott in den hohen Norden versetzt, hat in ihrem neuen Domizil nicht nur einen Hausgeist, der ihr bei ihren Ermittlungen mit seinen speziellen Fähigkeiten beisteht, sondern in Ihrem Kollegen Peter auch noch einen äußerst eifersüchtigen Verlobten, der besonders mit der ständigen Anwesenheit des ebenfalls schwer verliebten Geistes Alfons seine liebe Not hat. Das ungleiche Ermittlertrio kabbelt sich durch die täglichen Routinefälle der norddeutschen Küstenlandschaft, bis der etwas nervige Azubi Sven bei einem Autounfall schwer verletzt wird. Was erst wie ein Selbstmordversuch aussieht, entwickelt sich schnell zu einem äußert komplizierten Fall, bei dem die Leichen sich schneller stapeln, als die verliebten Ermittler es wahr haben wollen. Sie haben es mit einem Gegner zu tun, an den selbst Alfons nicht so ohne Weiteres rankommt …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Aug. 2020
ISBN9783347126497
Haus im Grünen II: Wer mordet denn da?

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    Buchvorschau

    Haus im Grünen II - Ernst Friedrichsen

    Kapitel 1

    Es war Sonntag. Sie lagen gemütlich in den Federn und die Sonne suchte ihren Weg durch die dicken Vorhänge, die das Licht in ein diffuses, in einer tanzenden Staubwolke glitzerndes Hell dimmte. Er lag seitlich zu ihr gewandt. Sein Kopf lag in etwas unbequemer Haltung auf seiner Schulter; er schmunzelte. Den Ellenbogen in die Matratze gedrückt, sah er ihr beim Schlafen zu. Es war neun Uhr durch, für ihn Zeit zum Frühstücken. Er sah sie gerne so schlummernd, es war ein friedvolles Bild.

    Ihre Augen rollten unter den Augenlidern, mal ruhig, mal eilig hin und her. Ihre zarten schmalen rosa Lippen formten sich, als wollten sie Worte bilden; abgelöst von einem Schmunzeln. Ein ständiges Mienenspiel, dann ein besorgtes Gesicht und wieder ein Lächeln. Er fand dieses Schauspiel unterhaltsam. Ihm war durchaus bewusst, dass er sie auf eine Art liebte, die ihm unbekannt war. Er hatte Marie auch geliebt, hatte er jedenfalls immer gedacht, aber die Liebe zu Sibylle ging ihm in einer Art unter die Haut, dass es ihn ängstigte. Er kam ihrem Gesicht ganz nah, ihr Atem strich sacht über seine Wange. Das weiche Licht der frühen Sonne zeichnete ihr Gesicht mit zarten Schatten: zerbrechlich und weich, schutzbedürftig, begehrenswert.

    Er bewegte sich nicht. Eine Feder, die sich aus dem Bettzeug wagte und ihn in die Wade pickte, störte seine Ruhe. Mit einem vorsichtigen Ziehen entfernte er das störende Objekt. Eine schöne weiche Feder war es. Ganz sachte fuhr er mit ihr unter der Nase der Schlummernden entlang. Ein leichtes Rümpfen der Nase und das Anziehen der Beine folgte. Erneut kitzelte er sie mit der Feder. Schon fuhr ihre Hand ziellos durch die Luft, begleitet von einem leisen Knurren. Nach dem dritten Anlauf öffnete sie die verschlafenen Augen.

    »Aufwachen, der Tag ist da«, gurrte er, begleitet von einem Kuss auf die Stirn.

    Sie legte sich mit dem Kopf auf seine Brust. Er durchkämmte mit den Fingern ihr Haar.

    »Ich hatte einen komischen Traum. Ich wurde von einer Bestie gejagt, mit großen Zähnen, die mich fressen wollte. Es war nicht zu erkennen, was es für ein Untier war, nur dass es mich jagte. Es war, als würde ich auf der Stelle treten, es war kein Entkommen möglich. Ich spürte schon seinen Atem, der nach Verwesung roch, im Nacken. Das Vieh drohte mich zu Boden zu reißen. Im letzten Moment breitete ich die Arme aus und konnte fliegen, ich spürte noch die Krallen am Fuß. Aus der Höhe sah ich einen grauen Haufen, der fauchend in die Luft griff. Ich war ganz allein und hatte panische Angst, so intensiv, als sei es Wirklichkeit.« Ihre Stimme klang ängstlich, der Traum wirkte noch nach.

    Sie sah ihn an, eine Hand hatte sie hinter seinem Nacken, als wollte sie Halt suchen.

    »Träume haben bestimmt ihre Bedeutung«, sagte Peter. Mit aller Zärtlichkeit küsste er sie. »Du bist in Sicherheit. Der Traum ist vorbei. Ich bin bei dir.« Seine Fingerspitzen strichen, kaum die Haut berührend, über ihre Lippen.

    Seine Augen betrachteten ihren Körper und er hatte eine Idee, während in der Küche die Kaffeemaschine röchelte. Sein Kopf fiel aufs Kissen, mit einem nicht ausgesprochenen Mist. Der Duft von warmem Toastbrot durchzog die Räume.

    »Hat die Maschine einen Timer?«, fragte er hoffnungsvoll.

    »Nein, das dürfte Alfons sein.«

    »Alfons, auch der noch«, erboste er sich. Die Eifersucht auf Alfons wollte nicht so einfach weichen. »Wie kommt der ins Haus? Oder war der die Nacht über hier?«

    »Nein, er hat sein Eigenheim am See. Und einen Schlüssel braucht er nicht. Er geht durch die Wand. Er möchte sicher den Rasen mähen, bei dem Wetter ist er immer früh auf den Beinen. Zuvor gönnt er sich eben noch einen Kaffee.«

    Es klopfte an der Tür. »Darf man eintreten?«

    »Ja!«, antwortete Sibylle.

    Beide richteten sich auf, zogen die Bettdecke hoch – eine Reflexhandlung, es gab nichts zu verbergen. Ein Tablett mit duftendem nachtschwarzen Kaffee, warmen Toast mit Marmelade und belegten Brötchen wurde den beiden von Alfons gereicht.

    »Alfons, du bist der beste Hausgeist, den es gibt«, sagte Sibylle lachend.

    Dass Alfons ein echter Geist war, wusste außer ihr nur Peter, der sich aber mit dieser vermeintlichen Dreiecksbeziehung nicht besonders gut arrangieren konnte.

    Peter machte eher ein knurriges Gesicht. Er fühlte sich gestört, ein anderer Start in den Tag hätte ihm besser gefallen. »Danke für die Mühe.«

    »Ist mir ein Vergnügen.«

    Peter sah Alfons an, sagte aber nichts.

    Alfons schmunzelte, hatte er doch erreicht, was er wollte. Seine Sibylle war etwas Besonderes für ihn. »Ich mäh gleich den Rasen – oder kann ich den Herrschaften noch einen Wunsch erfüllen?«

    »Nein, danke, du bist doch nicht mein Diener.«

    »Sehr wohl, Madame.« Alfons schloss die Tür.

    »An deinen Geist muss ich mich erst noch gewöhnen. Und diese Strickweste – ein Graus.«

    »Sein Markenzeichen. Ich habe ihm eine Menge zu verdanken.«

    Nachdenklich blickte sie zur Tür und biss vom warmen Toast ab. Marmelade klebte ihr an der Oberlippe.

    Peter nahm ihr Kinn in die Hand, zog sie zu sich und küsste ihr die Lippen sauber. »Du bist süß. Eine Sünde.« Er sah ihr dabei tief in die Augen.

    »Ein Genuss«, lachte sie ihn an. »Das Frühstück meine ich natürlich«, ergänzte sie.

    »Klar. Was auch sonst.« Er machte auf enttäuscht.

    »Besser kann ein Tag nicht beginnen.« Sie rekelte sich.

    »Wer kümmert sich um die Krümel?«

    »Wer denkt denn an solch einem Tag an Krümel!«, lachte sie. »Hast recht«, sagte er und reichte ihr sein Brötchen zum Abbeißen. »So sollte das Leben weitergehen.«

    »Jeden Tag Sonne macht Wüste«, ermahnte sie ihn.

    »Wo hast du denn diese Weisheit her?«

    »Von Alfons. Das sagt er immer, wenn etwas zu gut, zu reibungslos läuft.«

    »Was machen wir heute, hast du eine Idee?«, fragte er mit vollem Mund.

    Sie sah ihn über den Rand der Tasse an, die sie mit beiden Händen umfasste, da sie dazu neigte, kalte Finger zu haben. »Ich weiß nicht. Erst werde ich duschen, dann auf die Liege, in die Sonne, sehen, was der Tag so bringt.«

    »Ist gut, ich mache die Krumen weg und den Abwasch. Ich denke mir etwas aus, was wir unternehmen können«, sagte er.

    Sibylle ging ins Bad. Er räumte den Rest des Frühstücks weg und schüttelte die Betten auf.

    Aus dem kleinen Fenster der hinteren Tür sah er ihr zu, wie sie im Bikini zur Liege ging. Was habe ich nur für ein Glück, dachte er. Dann ging auch er unter die Dusche.

    Der Rasenmäher drehte seine Kreise, verstummte unvermittelt. Sibylle sah zur Maschine. Kein Alfons. Sie wunderte sich.

    Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie legte ihr Buch beiseite und eilte ins Haus. Da stand ihr Traummann stocksteif im Flur, nur ein Handtuch über dem Arm.

    So habe ich ihn noch nie betrachtet. Sie ging einmal um ihn herum. Knackiger Po, dachte sie. Er starrte in die Luft, abwesend, nicht ansprechbar.

    »Alfons, bist du in seine Gedanken gegangen?« Sie wusste, dass Alfons sich Sorgen um sie machte, aber das ging dann doch zu weit. Dass sie nun nichts ausrichten konnte und sie sich ohnehin keine Sorgen um ihren Peter machen musste, wusste sie.

    »Komm du mir nach Hause«, sagte sie und legte sich wieder in die Sonne, ihr Buch vor der Nase.

    Plötzlich brummte der Mäher wieder. Sie legte ihr Buch beiseite.

    »Alfons, kommst du mal?«, rief sie recht laut und energisch.

    Einem Dackel gleich, den man gescholten hatte, trottete er zu ihr. Auch Geister können ein schlechtes Gewissen haben. Dass er in Thomsens Gedanken herumfischte, sollte sie eigentlich nicht mitbekommen.

    »Was wolltest du in seinem Kopf? Tu das nie wieder! Ist das klar!« Sie war laut und deutlich.

    Alfons mochte es nicht, wenn sie zornig auf ihn war. »Ich wollte nur sicher sein, dass er kein Spielchen mit dir treibt … und dir das Herz bricht.« Er senkte den Kopf.

    Sie stellte sich vor ihn hin und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Du weißt, dass ich dir vertraue und dankbar bin. Aber tu es nicht wieder.« Sie legte auch die andere Hand auf seine Schulter. »Hast du das auch mit mir gemacht?«

    »Nein, nein! Das würde ich mir nie erlauben. Ich liebe dich … auf meine Art.«

    Sie zog ihn zu sich hin, drückte ihre Stirn an seine. »Ich dich doch auch, du alter Zausel.«

    »Er mag Weißbrot mit Leberwurst und Marmelade.«

    Peter wollte gerade die Tür öffnen, als sein Blick durch das kleine Fenster in den Garten fiel. Wie die beiden da so standen … Seine Eifersucht durchzog ihn aufs Neue. Er war kurz davor rauszustürzen, doch die Vernunft sagte ihm, dass er es dulden musste.

    Da bemerkte er ein Frösteln und sah an sich herab, nur ein Handtuch in der Hand. Bin ich denn senil? Ich wollte doch duschen. Was würde Sibylle von mir halten, wenn ich nackt in ihrem Garten herumlaufe? Obwohl ihn keiner gesehen hatte, wurde er puterrot.

    Er eilte unter die Dusche. Es wäre ihm peinlich, wenn Sibylle unvermittelt vor ihm stehen würde.

    Nach dem Duschen, auf Sibylle zugehend, warf er Alfons einen Blick zu, der eine Eiche umgehauen hätte. »Was hältst du davon, wenn wir ein Eis essen gehen?«, sagte er zu Sibylle.

    »Ja, eine gute Idee. In Flensburg?«

    »Nein, ich dachte da an Bredstedt, mein Zuhause. Da gibt es leckeres Eis.«

    »Ist gut, dann mach ich mich mal frisch und fein. Etwas Sommerliches.«

    »Behalte doch das an, was du gerade trägst.«

    »Ich denke nicht, dass es ankommt.«

    »Es gefällt mir, was du anhast. Obwohl es schon wieder zu viel Stoff ist, der deinen Körper bedeckt.«

    Sie knuffte ihn in die Seite. »Du bist ein Lüstling.« Sie küsste ihn und knabberte an seiner Unterlippe.

    »Ich räume noch deine Sachen weg, oder macht das dein Gärtner?«

    »Frag ihn!«

    Peter sah sie an und musterte sie von oben nach unten. Sie mochte es, wenn seine Blicke an ihr auf und ab fuhren.

    »Ich denke doch, du hast einfach zu viel an«, rief er ihr nach. Er nahm sein Handy und machte noch ein kurzes Telefonat.

    Sie hatte etwas Leichtes, Sommerliches angezogen. Sie musste gegen die Sonne sehen, aber sie bemerkte, dass Peter ein ernstes Gesicht machte. Er warf einen Seitenblick auf den vorbeihuschenden Geist.

    Sie stupste ihn an. »Bist du schon wieder eifersüchtig?«

    »Ich kann nicht aus meiner Haut.« Seine Augen folgten dem Geist.

    »Du brauchst doch nun wirklich keine Angst haben.«

    »Ich weiß, er ist nur ein Geist, aber ich habe immer das Gefühl, dass du ihm mehr vertraust als mir. Und dass du mit deinen Gedanken mehr bei ihm bist als bei mir.«

    »Ich liebe euch beide, dich mit Leib und Seele, ihn mit dem Herzen.« Ihre Arme umschlangen seinen Hals.

    »Ich weiß, ich mache mich lächerlich.«

    Sie lächelte ihn an, wie es nur Verliebte vermögen. »Nein, du bist nur in deinen Gefühlen verloren. Ist schon in Ordnung. Aber wollen wir uns wegen eines Geistes streiten? Fahren wir, ich möchte den Tag nicht mit Diskussionen beginnen.«

    Peter ging zum Wagen, murmelte vor sich hin.

    »Wir sind dann mal weg«, rief sie Alfons zu.

    »Habt Spaß und macht keinen Unfug. Nicht dass Beschwerden kommen.«

    »Du bist wie mein Vater.«

    Im Auto saß ein ungeduldiger Peter, der mit den Fingern auf das Lenkrad trommelte. Es war weniger die Ungeduld, als dass sie sich von dem Geist verabschiedete, als sei er leibhaftig.

    Sie setzte sich neben ihn und spürte seine Anspannung. Mit einem innigen Kuss löste sie sie. »Ich liebe euch beide, ihn wie einen Vater.«

    Er sah sie an. »Dass Frauen immer noch ein Wort einfällt, wo wir Männer schon gegangen sind.«

    Mit einem Lächeln zum Dahinschmelzen sagte sie: »Wir Frauen sind nun mal fürs Reden, ihr fürs Handeln.«

    Er fuhr nicht Richtung Süderlügum und dann über die B5, nein, er fuhr durch die Felder. Er wollte ihr seine Heimat zeigen. Er wusste, wo die Rehe waren; an einem Feld stoppte er den Wagen.

    »Komm, ich zeig dir einen Ort, an dem ich mich vom Stress erholen kann.«

    Auf einer Weide lag ein alter Baum, zum Teil entwurzelt. Seine dicken Äste ragten in den Himmel.

    »Hier lasse ich die Sorgen gen Himmel fahren.« Er legte sich auf den Stamm, mit dem Rücken an einen Ast gelehnt, den Blick in die Wolken. »Komm, leg dich zu mir. Schließe die Augen, höre der Natur zu.« Er sagte kein Wort mehr. Nur der Wind rauschte in den Blättern und die Vögel sangen ihre Lieder.

    Sie spürte, wie sich ihr Körper entspannte, als würde der Baum ihre Sorgen aufsaugen.

    Durch ein Rütteln an ihrer Schulter wurde sie wach. »Oh, war ich eingeschlafen?«

    »Nein, du warst in die Natur vertieft.«

    »Das war ein seltsames Gefühl. Ich fühlte mich, als sei ich ein Teil der Natur. Ich habe keine Worte dafür. Bist du oft hier?«

    »Einmal die Woche, dann aber abends in der Dämmerung. Das ist dann eine ganz andere Stimmung auf den Feldern. Dann ist die Natur richtig zu hören, alle Sinne sind dann wach. Man sieht kaum etwas, deshalb sind die Ohren besonders empfindlich. Das Gras wachsen hören ist kein Scherz. Dann verbringe ich hier Stunden. Ist das albern?« Er sah sie etwas unsicher an.

    »Nein! Ich ziehe mich mit einem Buch zurück, um die Welt zu vergessen. Ist genauso albern.«

    Er reichte ihr die Hand und half ihr vom Stamm.

    In Bredstedt angekommen, zeigte er ihr die kleinen Gassen, in denen er als Schuljunge seinen Ulk mit den Anwohnern trieb.

    »Klingelstreiche haben wir gerne gemacht.«

    An einem Haus hielt er den Wagen an und stieg aus, lehnte sich gegen die Tür des Wagens, sah an der Fassade eines alten Gebäudes empor. Sie gesellte sich neben ihn.

    »Mit diesem Haus hat es eine besondere Bewandtnis. Auch hier machten wir unsere Streiche. Es wohnte ein älteres Paar darin, die beiden leben schon lange nicht mehr. Der Alte erwischte uns. Er hatte sich auf die Lauer gelegt, weil er wusste, wann die Schule zu Ende war. Aber er war nicht zornig, wie die meisten. Er holte uns ins Haus und zeigte uns eine Art Bühne, auf der war mit kleinen Figuren die Geschichte der Bibel nachgestellt. Wir verpassten sogar unseren Bus, so spannend hatte er die Geschichten gemacht. Wir machten von da an weniger Streiche, weil wir oft bei den beiden waren. Ein Drittel der Stube machte die Bühne aus. Wir haben den Auszug der Israelis aus Ägypten immer wieder nachgespielt. Mich würde interessieren, ob es die Bühne noch gibt. Der Mann hatte auch aus der Bibel vorgelesen, ich denke, das hat meinen weiteren Weg beeinflusst und wohl dazu beigetragen, dass ich zur Polizei gegangen bin, wer weiß? Ist schon komisch, wie sich Dinge durch Ereignisse beeinflussen lassen. Oh, ich werde melancholisch.«

    Sie sah ihn an und schmunzelte. »Es hat etwas Romantisches. Ich sehe einen kleinen Buben in kurzer Hose durch die Straßen rennen. Du warst bestimmt ein frecher Fratz. Deswegen liebe ich dich.« Sie küsste ihn auf die Wange.

    »Die beiden sind mir in lebendiger Erinnerung geblieben. Ist schon seltsam … Jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme, sehe ich sie vor mir, mit ihren grauen Haaren und abgetragenen Sachen. Ich war hier zu Hause wie sonst nirgends. Im übertragenen Sinne natürlich.«

    Sie sah ein wenig Feuchtigkeit in seinen Augen.

    Er parkte den Wagen auf dem Marktplatz. »Von hier gehen wir das Stück zu Fuß.«

    »Ihr stapelt Schweine? Ist das eine andere Form von Hochstapelei?«, lachte sie ihn an und zeigte auf den Brunnen, der dem Platz einen Blickpunkt lieferte.

    »Nein, Bredstedt ist durch die Schweine zu dem geworden, was es ist. Das erzähle ich dir später mal. Jetzt wollen wir Eis essen.«

    »Hätte ein Schwein nicht genügt? Musste man die denn stapeln?«

    Er gab ihr die Hand und sie schlenderten durch die Stadt, bis sie vor dem Eiscafé standen.

    »Bleiben wir draußen oder gehen wir rein?«

    »Draußen ist gut«, sagte sie.

    Sie machte einen entspannten, lockeren Eindruck. Als seien die Ereignisse der vergangenen Wochen verflogen. Er hatte es sich zum Ziel gemacht, dass sie glücklich sein sollte. Er hatte sich vorgestellt, dass sie in den Innendienst wechseln und somit aus der Gefahrenzone kommen würde. Nur … wie sollte er ihr das plausibel machen? Sie hatte einen eigenen Kopf. Und ihren eigenen Ehrgeiz. Klar, dass er an der vordersten Linie bleiben würde, um dem Bösen die Stirn zu bieten. Würde er ihr das vorschlagen, nähme sie ihn bei den Ohren, legte ihn übers Knie und versohlte ihm den blanken Hintern – und das auch noch mit Genuss. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz flauschig im Bauch und er lächelte unbeabsichtigt.

    »Ist etwas lustig?« Sie sah ihn an.

    »Nein, ich stellte mir nur gerade vor, dass du mich übers Knie legst.«

    »Warst du denn unartig?«

    »Willst du mich heiraten?«, fragte er zum zweiten Mal.

    Ihre Augen ruhten aus seiner Sicht auf einem Berg Himbeereis, aufgegangen wie zwei Sonnen, die ihn anstrahlten. Ihr Mund war wegen Eiszugang geschlossen.

    Wegen ihm hatte sie Knut stehen lassen, den Ring fast am Finger. Ob sie die Liebe ihres Lebens hatte laufen lassen, oder sie nun gefunden hatte? Das war die Frage. Vor ihr saß

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