Mami 2000 – Familienroman: Baby Leon - und alle Wogen glätten sich
Von Karina Kaiser
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Hartmuth von Lychow hatte wieder einmal schlechte Laune. Die Stirn in tiefe Falten gelegt und mit herabzogenen Mundwinkeln knallte er die Tür seiner dunkelgrauen Luxuslimousine energisch hinter sich zu, schloß das Auto per Knopfdruck ab und ging dann mit raschen Schritten auf das schloßähnliche Haus zu, das bereits sein Urgroßvater bewohnt hatte. Dieser hatte das Herrenhaus und das Gut im Jahre 1905 vom Grafen Rümitz gekauft. Seit diesem Tag wohnten die Freiherren von Lychow hier. Sie hatten hier schlechte und gute Zeiten erlebt, hatten aber stets ihr Eigentum zu bewahren gewußt, und stets hatte es einen männlichen Erben gegeben, der das Gut übernahm und im Sinne des Vaters weiterführte. Hartmuth von Lychow hatte leider nur einen Sohn, und dieser rebellierte viel zu oft gegen seine Anordnungen. Von wem er diesen Charakterzug wohl hatte? Von seiner sanften und nachgiebigen Mutter ganz gewiß nicht. Am heutige Tag hatte es wieder einmal mächtigen Zoff gegeben, weil Vater und Sohn sich nicht einigen konnten. Sie hatten sich angeschrien, einer immer lauter als der andere, und zum Schluß hatte Sebastian das Weite gesucht und seinen Erzeuger einfach im Pferdestall stehen lassen. Der Freiherr hätte während des Streites am liebsten die Reitpeitsche geschwungen. Aber erstens verprügelte man seinen sechsundzwanzigjährigen Sohn nicht mehr, und zweitens hatte er einen Termin beim Landrat. Sein Zorn war allerdings nicht verraucht, als er jetzt die Freitreppe hinaufstieg, dann durch das Foyer marschierte und schließlich den Salon seiner Frau betrat. "Na, hat dein Sohn sich schon über mich beschwert?" fauchte er die kleine blasse Frau an, die dort an ihrem Schreibtisch saß. Frau Wilma ließ diese Frage unbeantwortet, sie sagte nur leise. "Daß ihr euch doch immer streiten müßt. Man kann auch vernünftiger miteinander umgehen." "Ich streite nicht. Bastian läßt sich bloß nichts sagen.
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Mami 2000 – Familienroman - Karina Kaiser
Mami
– 2000 –
Baby Leon - und alle Wogen glätten sich
Ein kleiner Junge bringt eine Familie zusammen
Karina Kaiser
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Am heutige Tag hatte es wieder einmal mächtigen Zoff gegeben, weil Vater und Sohn sich nicht einigen konnten. Sie hatten sich angeschrien, einer immer lauter als der andere, und zum Schluß hatte Sebastian das Weite gesucht und seinen Erzeuger einfach im Pferdestall stehen lassen.
Der Freiherr hätte während des Streites am liebsten die Reitpeitsche geschwungen. Aber erstens verprügelte man seinen sechsundzwanzigjährigen Sohn nicht mehr, und zweitens hatte er einen Termin beim Landrat.
Sein Zorn war allerdings nicht verraucht, als er jetzt die Freitreppe hinaufstieg, dann durch das Foyer marschierte und schließlich den Salon seiner Frau betrat.
»Na, hat dein Sohn sich schon über mich beschwert?« fauchte er die kleine blasse Frau an, die dort an ihrem Schreibtisch saß.
Frau Wilma ließ diese Frage unbeantwortet, sie sagte nur leise. »Daß ihr euch doch immer streiten müßt. Man kann auch vernünftiger miteinander umgehen.«
»Ich streite nicht. Bastian läßt sich bloß nichts sagen. Was macht er jetzt überhaupt?«
»Er hat seine Sachen gepackt und ist mit Karsten Gebhardt an die Ostsee gefahren.«
»Wie bitte??« Der Freiherr, der sich in einen Sessel gesetzt hatte, sprang wütend auf. Er warf seiner Frau so zornige Blicke zu, als wäre sie daran schuld, daß der junge Mann weggefahren war.
»Wie konntest du das zulassen?« wetterte er nun auch und rasselte einen lauten Monolog über die Jugend von heute herunter.
Seine Frau unterbrach ihn nicht. In fast dreißig Ehejahren hatte sie hinreichend Gelegenheit gehabt, ihrem cholerischen Mann zuzuhören. Und bis auf ganz wenige und zaghafte Ausnahmen hatte sie es noch nie gewagt, ihm zu widersprechen. Sie zog dabei doch nur den Kürzeren.
Der Redefluß des Hausherrn versiegte, als er nichts mehr fand, was er noch ansprechen konnte und zu bemängeln hatte.
»Hat Bastian gesagt, wann er wiederkommt?« fragte er nun friedfertiger.
»Nein«, erwiderte sie mit einem unterdrückten Schluchzen. »Er war genauso erbost wie du, hat nur gesagt, daß ihm sein Urlaub zustände, und er wäre nicht dein Knecht.«
»Er kann ja auch Urlaub machen«, grollte der Freiherr und setzte sich wieder, »aber doch nicht jetzt, so kurz vor der Rapsernte. Er kann im November seinen Urlaub nehmen. Das haben wir immer so gehalten.«
»Nun versuche doch mal ihn zu verstehen«, erwiderte sie begütigend. »Er ist jung und möchte jetzt mit seinen Freunden etwas unternehmen. Vielleicht möchte er auch mal ein Mädchen kennenlernen. In dem Alter warst du schon verheiratet.«
Hartmuth von Lychow äußerte sich zu den Argumenten seiner Frau nur kurz. »Meinetwegen kann er doch heiraten. Hubertus von Baltringen hat eine nette Tochter, Amelie von Schütz ist auch recht hübsch und…«
Wilma von Lychow lächelte nur zu diesem weiteren Redeschwall. Sie konnte ihrem Mann ja doch nicht begreiflich machen, daß Sebastian sich seine Frau allein aussuchen wollte. Und als ihr Mann zur Tageszeitung griff, beschäftigte sie sich weiter mit ihrer Arbeit, die heute darin bestand, eine Liste aufzustellen. Sie und fünf andere Frauen sammelten in regelmäßigen Abständen Geld für Spätaussiedler und kauften dann von diesen Spenden die allernotwendigsten Dinge für diese armen Familien.
Zu gegebener Zeit erinnerte sie ihren Mann an das Abendessen. Gemeinsam gingen sie zum Speisezimmer, in dem das Hausmädchen den Tisch gedeckt hatte. Trotz seines Ärgers hatte Lychow einen gesegneten Appetit, während seiner Frau der ständige Streß zwischen ihren Männern mal wieder auf den Magen geschlagen war.
*
»Super«, meinte Sebastian von Lychow und verzog den Mund zu einem anerkennenden Grinsen. »Deine Alten haben sich hier eine tolle Hütte hinstellen lassen und dazu noch in bester Lage.«
Karsten Gebhardt lachte auch. »Und das Schönste ist, daß wir diese jetzt nutzen können. Weiß dein Vater eigentlich, daß wir hierher gefahren sind?«
»Nö«, Sebastian oder Bastian, wie ihn seine Freunde und seine Mutter nannten, winkte lässig ab. »Ich habe nur gesagt, daß ich Urlaub an der Ostsee machen werde. Wenn er mich zurückholen will, dann soll er nur von Travemünde bis Heringsdorf nach mir suchen.«
»Na, das wird er sicher nicht tun. Damit hast du eine Weile Ruhe vor ihm.« Karsten packte die Vorräte, die sie unterwegs eingekauft hatten, in den Kühlschrank, öffnete dann zwei Flaschen Bier und stellte diese samt Gläsern auf einen niedrigen Tisch.
»Auf unseren Urlaub«, meinte er noch, bevor er sich in einen der Korbstühle setzte, die in dem großen Wohnraum des komfortablen Ferienhauses der Familie Gebhardt standen.
Bastian setzte sich auch. Er nahm einen tüchtigen Schluck von seinem Bier, als wolle er damit seinen Frust hinunterspülen. Ein wenig fühlte er sich als Fahnenflüchtiger. Er hatte seinen Vater mit der vielen Arbeit allein gelassen. Das hätte er ganz gewiß nicht getan, wenn sein alter Herr umgänglicher wäre und nicht nur den Despoten mimte. Mochte er nun sehen, wie er fertig wurde.
»Was machen wir heute abend?« Mit dieser Frage unterbrach Karsten die trüben Gedanken seines Freundes.
»Ich kenne mich hier ja nicht aus. Was kann man denn unternehmen?«
»Hm«, Karsten überlegte laut, »am Strand ist ja meist etwas los. Aber ich habe vorhin ein Schild gesehen. Danach ist im Nachbardorf ein Fischerfest. Wir könnten hingehen, uns amüsieren und frischen Räucherfisch essen.«
Bastian war normalerweise nicht so schnell zu begeistern wie sein Freund. Doch nach diesem Krach mit seinem Vater brauchte er Ablenkung.
»Gut, gehen wir zum Fischerfest. Aber schafft man das überhaupt zu Fuß?«
»Mein fürsorglicher Papa hat hier Fahrräder deponiert.«
Damit war alles geklärt. Die beiden jungen Männer radelten kurze Zeit später los und hatten bald ihr Ziel erreicht. Schon von weitem