Das unbeugsame Herz: Der Bergpfarrer 246 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Grüß dich, Brandhuberbauer«, rief Lorenz Stiegler winkend herüber. »Wie schaut's aus?« Anton Brandhuber zuckte die Schultern. »Geht schon«, antwortete er einsilbig und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Während der Nachbar kopfschüttelnd weiterging, blickte Anton unwillig auf seine Uhr. Endlich sah er den Knecht über die Bergkuppe kommen und langsam über die Wiese gehen. »Ein bissel mehr Tempo könnt' net schaden!«, bemerkte er. Xaver Obermoser winkte ab. »Ein alter Mann ist kein D-Zug«, meinte er und griff nach Hammer und Nagel. Bis zum späten Vormittag waren die beiden Männer damit beschäftigt, den Weidezaun zu flicken, der an mehreren Stellen große Löcher aufgewiesen hatte. Als es vom Tal her die elfte Stunde schlug, packten sie ihre Sachen zusammen und gingen zum Hof zurück. »In einer Viertelstund' gibt's Mittag«, sagte der Bauer. »Ich muss die Suppe bloß noch aufwärmen.« »Ist recht«, nickte Xaver.
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Buchvorschau
Das unbeugsame Herz - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 246 –
Das unbeugsame Herz
Kehrt das Glück irgendwann zurück?
Toni Waidacher
»Grüß dich, Brandhuberbauer«, rief Lorenz Stiegler winkend herüber. »Wie schaut’s aus?«
Anton Brandhuber zuckte die Schultern.
»Geht schon«, antwortete er einsilbig und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Während der Nachbar kopfschüttelnd weiterging, blickte Anton unwillig auf seine Uhr. Endlich sah er den Knecht über die Bergkuppe kommen und langsam über die Wiese gehen.
»Ein bissel mehr Tempo könnt’ net schaden!«, bemerkte er.
Xaver Obermoser winkte ab.
»Ein alter Mann ist kein D-Zug«, meinte er und griff nach Hammer und Nagel.
Bis zum späten Vormittag waren die beiden Männer damit beschäftigt, den Weidezaun zu flicken, der an mehreren Stellen große Löcher aufgewiesen hatte. Als es vom Tal her die elfte Stunde schlug, packten sie ihre Sachen zusammen und gingen zum Hof zurück.
»In einer Viertelstund’ gibt’s Mittag«, sagte der Bauer. »Ich muss die Suppe bloß noch aufwärmen.«
»Ist recht«, nickte Xaver. »Ich schau’ derweil nach der Wäsche. Bei dem Wetter muss sie ja längst trocken sein.«
Dass die beiden Männer nicht nur die landwirtschaftliche Arbeit auf dem Brandhuberhof erledigten, sondern sich darüber hinaus auch noch um den Haushalt und das Essenkochen kümmerten, hatte seinen Grund. Kathi Brandhuber, die Frau des Bauern, war vor über zehn Jahren verstorben, und Anton hatte nie wieder geheiratet. Eine Magd auf den Hof zu nehmen, hatte er nie in Erwägung gezogen, denn damals war da ja noch die Resi gewesen. Therese Brandhuber, die einzige Tochter und Hoferbin. Doch das war eine andere Geschichte …
Jetzt war es zu spät, um noch eine Magd einzustellen. Denn selbst wenn er gewollt hätte, wäre kein Madel, keine gestandene Frau, willens gewesen, bei dem Bauern eine Stelle anzunehmen. Viel zu weit hatte sich in den Jahren herumgesprochen, was für ein alter Grantler auf dem Brandhuberhof saß. Die Nachbarn grüßten gerade mal so im Vorbeigehen, ansonsten gab es keinen Kontakt. Zu Geburtstagen oder anderen Feiern wurde Anton schon gar nicht mehr eingeladen, er ging ohnehin nie hin, und im Dorf ließ sich der Bauer so selten sehen, dass die Leute dann erstaunt waren, dass er überhaupt noch lebte.
Nein, ein Menschenfreund und gutherziger Mann war Anton Brandhuber ganz gewiss nicht, und das wiederum hatte etwas mit seiner Tochter zu tun.
Und an die sollte Anton an diesem Nachmittag völlig unvorbereitet erinnert werden …
Die beiden Männer hatten sich nach dem Essen an den Rest der täglichen Arbeit gemacht und saßen nun auf der Bank vor dem Haus und tranken Kaffee. Xaver rauchte dabei seine Pfeife. Der Bauer hatte nie geraucht und konnte auch nicht verstehen, was ein Mensch an diesem Qualm finden konnte. Der Knecht hingegen schmauchte genüsslich und trank ab und an einen Schluck.
»Ich glaub’, wir bekommen Besuch«, bemerkte er und deutete mit der Pfeife zur Hofeinfahrt.
Anton Brandhuber blickte in die Richtung, und seine Miene verfinsterte sich, als er den Mann erkannte.
»Was will der denn hier?«, brummte er missgelaunt.
»Grüßt euch, ihr zwei«, nickte Pfarrer Trenker ihnen zu. »Ich hoff’, es geht euch gut?«
»Was geht Sie das an?«, gab der Bauer schroff zurück und erhob sich, um ins Haus zu gehen.
»Da bleibst’!«, sagte der Bergpfarrer im Befehlston. »Ich hab’ mit dir zu reden.«
Anton Brandhuber sah ihn beinahe empört an.
»Sie haben mir gar nix zu sagen!«, bellte er. »Und schon gar net auf meinem eignen Grund und Boden! Gehen S’ in Ihre Kirch’, da können S’ den Leuten die Leviten lesen, aber net hier.«
Sebastian Trenker schüttelte den Kopf. Wie ein Kampfhahn stand ihm der Bauer gegenüber, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Ich denk’, es würd’ dir net schaden, wenn dir hin und wieder die Leviten gelesen würden«, sagte der gute Hirte von St. Johann gelassen. »Himmel, hör’ mir wenigstens zu. Es dauert ja net lang’, was ich dir zu sagen hab’.«
Die Augen des alten Mannes funkelten immer noch böse, während er scharf die Luft einsog.
»Also?«
»Die Resi hat mich gestern angerufen«, erklärte der Bergpfarrer den Grund seines Besuchs. »Sie will nach Haus’ kommen, und ich denk’ mir, es wär’ ganz gut, wenn du schon mal darüber Bescheid wüsstest. Immerhin ist deine Tochter …«
»Ich hab’ keine Tochter mehr!«, unterbrach Anton Brandhuber den Geistlichen grob. »Sie ist vor sieben Jahren gestorben, und Sie sind daran net unschuldig!«
Sebastian holte tief Luft.
»Ich weiß, was du mir vorwirfst«, antwortete er. »Und dass du net mehr in die Messe kommst, daran hab’ ich mich ja schon lang’ gewöhnt, auch wenn ich’s schad’ find’. Aber glaubst’ net auch, dass es langsam an der Zeit wär’, endlich Frieden zu schließen, mit mir und vor allem mit deiner Tochter?«
Anton Brandhuber maß ihn von oben bis unten, und sein Blick war ein einziger Vorwurf.
Mehr noch, eine Anklage!
»Sie sind schuld, dass sie fortgegangen ist!«, stieß der Bauer hervor. »Sie ganz allein! Das Madel ist net mehr meine Tochter, mehr ist dazu net zu sagen. Und jetzt verschwinden S’ und lassen S’ mir mei’ Rua!«
Damit drehte er sich um und verschwand im Haus.
Xaver Obermoser hatte die ganze Zeit stumm dagesessen und kein Wort gesagt.
Jetzt nahm er die Pfeife aus dem Mund.
»Es ist ihn hart angegangen«, meinte er. »Der Bauer hat’s nie verwunden, dass die Resi fortgegangen ist. Und Ihnen, Hochwürden, kann er’s net verzeihen, dass Sie das Madel noch dazu ermutigt haben.«
»Ich weiß«, erwiderte Sebastian Trenker. »Aber ich hab’ das getan, was ich für richtig gehalten hab’. Und dazu steh’ ich heut’ noch.«
*
Der Bergpfarrer stieg wieder ins Tal hinunter, wohl wissend, dass der Weg, den er gemacht hatte, vergebens gewesen war. Indes war Sebastian sich gegenüber ehrlich genug, um zuzugeben, dass er nicht wirklich daran geglaubt hatte, das verhärtete Herz des Bergbauern erweichen zu können. Mehr als einmal hatte Anton Brandhuber ihm zu verstehen gegeben, wem er letztendlich die Verantwortung dafür gab, dass seine einzige Tochter Haus und Hof verlassen hatte.
»Ihre Pflicht wär’s gewesen, das Madel daran zu hindern!«
Und mehr als einmal hatte sich der Geistliche diesen Vorwurf in Erinnerung gerufen. Dennoch wusste Sebastian, dass er immer wieder so handeln würde, wie er es auch in diesem Fall getan hatte.
»Ist der Brandhuberbauer eigentlich mit dem Loisl verwandt?«, erkundigte sich Max, als die beiden Brüder sich beim Essen über den Besuch auf dem Berghof unterhielten.
»Ganz sicher net«, schüttelte der Ältere den Kopf. »Eine rein zufällige Namensgleichheit.«
Max meinte nämlich den Brandhuber-Loisl, den selbst ernannten Wunderheiler von St. Johann, der mit seinen selbst gebrauten Kräutertees und Heilsalben den Leuten, vornehmlich den Urlaubern, das Geld aus der Tasche zog.
»Wär’ ja auch ein dolles Ding, wenn wir nun neben dem alten Quacksalber auch noch eine Frau Dr. Brandhuber hätten«, lachte der Polizist.
»Ich glaub’ net, dass die Resi für immer bleibt«, meinte Sebastian Trenker zweifelnd. »Schon gar net, wenn sie hört, wie der Vater auf ihre Besuchsankündigung reagiert hat.«
»Wer weiß«, winkte Max ab. »Auf der ›Nonnenhöhe‹ werden gute Ärzte gern genommen.«
»Da hast’ schon Recht. Ich weiß nur net, ob die Resi unter diesen Umständen wirklich hier leben will. Es würd’ ja schrecklich für sie,