Glück im zweiten Anlauf?: Der Bergpfarrer (ab 375) 483 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Julia stand am Fenster und sah Manfreds Auto vom Parkplatz des Hotels rollen. Sie hätte jubeln können, denn von einer Minute auf die andere hatte sich für sie alles zum Guten gewendet. Ihre letzte Aussprache in der vergangenen Nacht, als sie von ihrem Rendezvous mit Dieter Winkler zum Hotel zurückgekehrt war, schien den Ausschlag gegeben zu haben. Dass Manfred sich bei ihr entschuldigt und ihr sogar noch Glück gewünscht hatte, steigerte das himmelhoch jauchzende Gefühl in ihr. Der Wagen mit der Münchener Zulassungsnummer verschwand aus ihrem Blickfeld. Am liebsten wäre Julia auf die Straße gelaufen und hätte ihre überschäumende Freude laut hinaus geschrien; sie wollte ihr Glück mit der ganzen Welt teilen. Jürgen Deininger wusste Bescheid. Manfred selbst hatte ihn in Kenntnis gesetzt, dass er seine Konsequenzen zieht und das Feld räumt. Sie hatte eben Pfarrer Trenker darüber informiert, dass Manfred Vernunft angenommen und es aufgegeben hatte, um sie zu kämpfen. Der vergangene Tag, an dem sie mit dem Pfarrer oben bei der Kachlachklamm war, kam ihr in den Sinn. Und sogleich auch der anschließende Abend mit Dieter, den sie nach einem Sturz mit dem Mountainbike hilflos im Wald liegend aufgefunden hatte. Mit dem Pfarrer und Dieter hatte ihr das Schicksal zwei Menschen zugeführt, die es gut mit ihr meinten. Ihr Herz wurde vor Glück ganz leicht und weit. Ein Gedanke trübte ihre Freude, sie hatte Dieter erklärt, noch nicht vollkommen mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben und daher für sie lediglich eine gute Freundschaft in Frage kommen könne. Diese vermeintliche Fessel hatte sie abgestreift, als sie eben Manfreds Auto aus den Augen verloren hatte. Sie fühlte sich jetzt fast genauso frei wie am Tag zuvor oben auf dem Berg, als sie mit Pfarrer Trenker zu der Klamm marschierte. ›Du musst Dieter Bescheid sagen! ‹, durchfuhr es sie. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es halb neun Uhr war. Einen Moment zögerte sie, weil sie sich fragte, ob sie ihn stören durfte, aber diese Bedenken warf sie über Bord und wählte seine Handynummer.
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Buchvorschau
Glück im zweiten Anlauf? - Toni Waidacher
Leseprobe:
Sie waren der Tante lästig
Leseprobe»Mutti, hier ist eine Eisdiele.« Henrik wollte über die Straße stürmen, doch Denise von Schoeneckers Hand hielt ihn gerade noch rechtzeitig fest. »Moment, mein Sohn. Wir sind doch in die Stadt hereingefahren, um Einkäufe zu machen. Wir wollten vor allem Geschenke kaufen. Zwei unserer Kinder haben nächste Woche Geburtstag.« Henrik seufzte laut und deutlich. »Du hast recht«, gestand er dann. Kurz fixierte er seine Schuhspitzen, dann hob er wieder entschlossen den Kopf und fragte: »Ich war doch brav, nicht wahr? Kein Wort habe ich gesprochen, als du deinen Besuch gemacht hast.« Seine grauen Augen forschten erwartungsvoll im Gesicht der Mutter. Denise von Schoenecker, die Verwalterin des Kinderheims Sophienlust, strich ihrem Jüngsten über den widerspenstigen Haarschopf. Sie lächelte. »Ich kann nicht sagen, daß du kein Wort gesprochen hast, aber du hast ausnahmsweise einmal nicht zuviel gesprochen.« Zuerst sah es so aus, als wollte sich das Gesicht des Neunjährigen beleidigt verziehen, doch dann besann sich der Junge eines Besseren. Er frohlockte: »Also, gib schon zu, daß ich brav war.« Denise nickte. »Und weißt du, was du mir versprochen hast, wenn ich mich gesittet benehme?« trumpfte Henrik auf.
Der Bergpfarrer (ab 375)
– 483 –
Glück im zweiten Anlauf?
Julias Begegnung mit dem Schicksal
Toni Waidacher
Julia stand am Fenster und sah Manfreds Auto vom Parkplatz des Hotels rollen. Sie hätte jubeln können, denn von einer Minute auf die andere hatte sich für sie alles zum Guten gewendet. Ihre letzte Aussprache in der vergangenen Nacht, als sie von ihrem Rendezvous mit Dieter Winkler zum Hotel zurückgekehrt war, schien den Ausschlag gegeben zu haben. Dass Manfred sich bei ihr entschuldigt und ihr sogar noch Glück gewünscht hatte, steigerte das himmelhoch jauchzende Gefühl in ihr. Der Wagen mit der Münchener Zulassungsnummer verschwand aus ihrem Blickfeld.
Am liebsten wäre Julia auf die Straße gelaufen und hätte ihre überschäumende Freude laut hinaus geschrien; sie wollte ihr Glück mit der ganzen Welt teilen.
Jürgen Deininger wusste Bescheid. Manfred selbst hatte ihn in Kenntnis gesetzt, dass er seine Konsequenzen zieht und das Feld räumt.
Sie hatte eben Pfarrer Trenker darüber informiert, dass Manfred Vernunft angenommen und es aufgegeben hatte, um sie zu kämpfen. Der vergangene Tag, an dem sie mit dem Pfarrer oben bei der Kachlachklamm war, kam ihr in den Sinn. Und sogleich auch der anschließende Abend mit Dieter, den sie nach einem Sturz mit dem Mountainbike hilflos im Wald liegend aufgefunden hatte. Mit dem Pfarrer und Dieter hatte ihr das Schicksal zwei Menschen zugeführt, die es gut mit ihr meinten. Ihr Herz wurde vor Glück ganz leicht und weit.
Ein Gedanke trübte ihre Freude, sie hatte Dieter erklärt, noch nicht vollkommen mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben und daher für sie lediglich eine gute Freundschaft in Frage kommen könne. Diese vermeintliche Fessel hatte sie abgestreift, als sie eben Manfreds Auto aus den Augen verloren hatte.
Sie fühlte sich jetzt fast genauso frei wie am Tag zuvor oben auf dem Berg, als sie mit Pfarrer Trenker zu der Klamm marschierte.
›Du musst Dieter Bescheid sagen!‹, durchfuhr es sie. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es halb neun Uhr war. Einen Moment zögerte sie, weil sie sich fragte, ob sie ihn stören durfte, aber diese Bedenken warf sie über Bord und wählte seine Handynummer.
»Winkler«, erklang es, nachdem das Rufzeichen einige Male erklungen war.
»Ich bin’s, Julia. Guten Morgen, Dieter. Ich hoff’, ich stör’ dich net.«
»Ah, du, Julia. Nein, du störst mich net.« Man konnte dem warmen Klang seiner Stimme entnehmen, wie sehr er sich über ihren Anruf freute. »Hast du denn schon ausgeschlafen?«
»Ich hab’ sogar schon gefrühstückt. Ich ruf’ dich aus zwei Gründen an. Zum einen wollt’ ich mich noch einmal für den sehr schönen Abend gestern bedanken, zum anderen wollt’ ich dir sagen, dass Manfred vor fünf Minuten abgereist ist. Er hat endlich eingesehen, dass die Kluft zwischen uns zu tief ist, um noch einmal geschlossen werden zu können. Er hat sich bei mir für sein schlechtes Benehmen entschuldigt und mir sogar für die Zukunft alles Gute gewünscht.«
»Toll!«, stieß Dieter hervor. »Das heißt im Umkehrschluss, dass du in St. Johann bleiben wirst. Weiß Deininger denn schon Bescheid?«
»Ja. Manfred selber hat Jürgen Deininger informiert. Ich kann dir gar net sagen, wie befreit ich mich fühl’. Manfred hat mir gestern Abend, als ich zum Hotel gekommen bin, aufgelauert. Nie im Leben hätt’ ich geglaubt, dass er sich über Nacht besinnt und meine Entscheidung akzeptiert. Ich hab’s auch heut’ Früh erst gar net glauben wollen, als er mir eröffnet hat, dass er das Feld hier in Frieden räumen will.«
»Das war auch schwer zu glauben, nach allem, was geschehen war«, murmelte Dieter. Seine Stimme hob sich etwas. »Ich freu’ mich für dich, Julia. Willst du jetzt vielleicht auf mein Angebot mit der Wohnung bei meiner Tante zurückkommen?«
»Wenn’s noch gilt, gern. Ich hab’ mit Pfarrer Trenker gesprochen. Er kennt deine Tante gut und ist bereit, gegebenenfalls ein gutes Wort für mich einzulegen.«
»Natürlich gilt es noch. Ich ruf’ sie sofort an.« Dieter zögerte ein wenig, dann fügte er hinzu: »Du glaubst net, Julia, wie sehr mich diese positive Entwicklung freut. Ich hab’ dir doch gestern Abend schon gebeichtet, dass du mir net gleichgültig bist. Ich hab’ aber auch deine Zurückhaltung verstehen können. Jetzt seh’ ich jedoch ein Licht am Ende des Tunnels.«
Julia lachte. Es war ein glückliches Lachen, sie sah es genauso.
»Ich telefonier’ gleich mit meiner Tante. In zehn Minuten meld’ ich mich wieder. Ist das in Ordnung?«
»Ich danke dir. Ich glaub, es ist ein Glücksfall, dass ich dich im Wald gewissermaßen aufgeklaubt hab’.«
»Das will ich doch hoffen«, lachte Dieter. »Bis dann also, Julia.«
»Tschüss.« Julia unterbrach die Verbindung und legte das Handy weg.
Draußen schien die Sonne, der Herbst zeigte sich den Menschen im Wachnertal mit all seinen Vorzügen. Sonnig war aber auch Julia zumute, denn ihr Traum schien sich zu erfüllen. In dieser wunderbaren Umgebung wollte sie leben, glücklich sein und alt werden. Der Anfang war gemacht. Und sollte Dieter in wenigen Minuten mit einer positiven Antwort aufwarten, würde ihr Glück perfekt sein. Beim Gedanken an ihn fiel ihr ein Zitat ein: ›Das Schönste hier auf Erden ist, lieben und geliebt zu werden.‹ Sie hatte keine Ahnung, von wem es stammte, doch das war auch gar nicht wichtig. Sie wusste, dass sie geliebt wurde, und unwillkürlich stellte sie sich die Frage, ob sie in der Lage war, wieder zu lieben.
Als sie Manfred damals kennenlernte, war sie davon überzeugt gewesen, der großen Liebe begegnet zu sein. Nun, nach etwas über drei Jahren, war ihre Liebe erloschen. Übrig geblieben waren Sympathie und Respekt, mehr nicht. Und selbst diese Gefühle hatte Manfred um ein Haar verspielt, als er sie mit seiner Eifersucht und unterschwelligen Rachegedanken attackiert hatte.
Alles schien sich in Wohlgefallen aufgelöst zu haben.
Als ihr Telefon klingelte, zuckte sie zusammen und griff nach dem Apparat.
»Hallo«, sagte Dieter. »Ich hab’ eine erfreuliche Nachricht für dich. Die Tante Gisela hat nix dagegen, wenn du die Wohnung in ihrem Haus beziehst. Sie würd’ dich aber gern persönlich kennenlernen. Ich geb’ dir ihre Adresse, und