Eine Hochzeit wie aus dem Bilderbuch: Der Bergpfarrer (ab 375) 462 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Jeden Moment würde Florian Hoffmann die Kraft verlassen. Seine Hände fanden außerdem kaum Halt an dem glitschigen Gesteinsbrocken, den das Wasser der Kachlach im Laufe der Jahrtausende rund geschliffen hatte. Der alte Brandhuber Loisl hing an ihm wie eine Klette, zeterte und jammerte und beschwor sämtliche Heilige ihnen Rettung zu schicken. Das rettende Ufer war allenfalls zwei Meter von den beiden Unglücksraben entfernt und dennoch unerreichbar. Denn sobald sie sich der reißenden Strömung auslieferten, würden sie unweigerlich mitgerissen werden. ›Wenn dich der Fluss mal hat, gibt's keine Rettung mehr. Dann gehörst du ihm‹, hatte der Loisl eben noch geunkt. Und wie es schien, hatte er recht. Das Begreifen, dass sie verloren waren, kam bei Florian mit schmerzhafter Eindringlichkeit. Seine Leidenschaft hatte ihn ins Verderben gestürzt, und den Loisl hatte er mit hineingezerrt. Florian begann mit dem Leben abzuschließen. Er schloss die Augen und machte sich für den Moment bereit, in dem seine Finger dem Druck des Wassers nicht mehr standhielten und er den Felsen loslassen musste. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es sein würde, zu ertrinken, doch hoffte er, dass es schnell gehen würde. Und Loisls Geschrei begann ihn zu nerven. »Halt endlich dein Maul!«, brüllte er den Alten an. »Das ist ja net auszuhalten! Wunder kannst' net herbei schreien! Spar dir deine Kraft auf für Wichtigeres!« Erschreckt schwieg der alte Knabe.
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Buchvorschau
Eine Hochzeit wie aus dem Bilderbuch - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer (ab 375)
– 462–
Eine Hochzeit wie aus dem Bilderbuch
… und eine Liebe auf dem Prüfstand
Toni Waidacher
Jeden Moment würde Florian Hoffmann die Kraft verlassen. Seine Hände fanden außerdem kaum Halt an dem glitschigen Gesteinsbrocken, den das Wasser der Kachlach im Laufe der Jahrtausende rund geschliffen hatte. Der alte Brandhuber Loisl hing an ihm wie eine Klette, zeterte und jammerte und beschwor sämtliche Heilige ihnen Rettung zu schicken.
Das rettende Ufer war allenfalls zwei Meter von den beiden Unglücksraben entfernt und dennoch unerreichbar. Denn sobald sie sich der reißenden Strömung auslieferten, würden sie unweigerlich mitgerissen werden. ›Wenn dich der Fluss mal hat, gibt’s keine Rettung mehr. Dann gehörst du ihm‹, hatte der Loisl eben noch geunkt. Und wie es schien, hatte er recht.
Das Begreifen, dass sie verloren waren, kam bei Florian mit schmerzhafter Eindringlichkeit. Seine Leidenschaft hatte ihn ins Verderben gestürzt, und den Loisl hatte er mit hineingezerrt. Florian begann mit dem Leben abzuschließen. Er schloss die Augen und machte sich für den Moment bereit, in dem seine Finger dem Druck des Wassers nicht mehr standhielten und er den Felsen loslassen musste. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es sein würde, zu ertrinken, doch hoffte er, dass es schnell gehen würde.
Und Loisls Geschrei begann ihn zu nerven. »Halt endlich dein Maul!«, brüllte er den Alten an. »Das ist ja net auszuhalten! Wunder kannst' net herbei schreien! Spar dir deine Kraft auf für Wichtigeres!«
Erschreckt schwieg der alte Knabe. Aber nicht lange. »Du bist schuld!«, zeterte er nach kurzer Zeit. »Hätt’ ich bloß net auf dich gehört!«
Florian wusste es selbst. »Es tut mir leid, Loisl, dass ich dich in diese Situation gebracht hab’. Ich kann dir gar net sagen, wie leid mir das tut. Aber …«
Plötzlich erklang eine fremde Stimme: »Haltet euch fest! Wir sind gleich bei euch! Lasst jetzt nur net los!«
Sowohl Florian als auch Loisl drehten den Kopf nach links, von wo die Stimme gekommen war.
Da standen der Bergpfarrer und sein Bruder, der Polizist. Sebastian hatte sich ein Rettungsseil um den Leib gebunden, das Max hielt, dessen Ende sie aber zusätzlich an einer Krüppelkiefer festgebunden hatten, und watete, ausgestattet mit einem weiteren Seil, ins Wasser.
Als Ria Stubler bemerkt hatte, dass Florian noch vor dem Frühstück aus dem Haus geschlichen war, hatte sie sofort den richtigen Schluss gezogen und Max Trenker alarmiert. Der wiederum hatte seinen Bruder angerufen und von Rias Verdacht berichtet.
Mit Blaulicht und Sirene war Max schließlich zum Pfarrhaus gerast, wo Sebastian schon mit Notfallrucksack ausgerüstet auf ihn wartete, und dann hatten sie sich – wieder unter Ausnutzung von Blaulicht und Sirene -, schnell wie die Feuerwehr auf den Weg gemacht.
Als sie auf dem Parkplatz angekommen waren, hatte Max festgestellt, dass die Motorhaube des alten Kombis noch warm war.
Die beiden schnappten sich ihre Ausrüstung, dann hetzten sie den Berg hinauf zur Kachlachklamm. Sowohl Sebastian als auch Max waren gut trainiert und hatten im Laufe ihres Lebens ausreichend Erfahrung am Berg sammeln können. Die Sorge um Florian und Loisl, das alte Schlitzohr, peitschte sie regelrecht nach oben. Sebastian schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel, dass die beiden trotz ihres bodenlosen Leichtsinns unversehrt geblieben waren.
Schwitzend und ziemlich atemlos erreichten sie nach einem endlos anmutenden Aufstieg das Becken, in das sich mit ohrenbetäubendem Donnern der Wasserfall der Kachlach ergoss, und sogleich machten sie sich an den Abstieg. Es gab nur den einen Weg. Wenn Florian und Loisl ihre verrückte Idee in die Tat umgesetzt hatten – sicher konnten sich Sebastian und Max dessen ja immer noch nicht sein -, dann mussten sie auf ebendiesem Weg dem reißenden Fluss talabwärts gefolgt sein.
Schon bald bewahrheitete sich Rias Annahme.
Die Brüder sahen Florian in der Flussmitte regelrecht an dem Felsen kleben, und Loisl klammerte sich verzweifelt an ihm fest. Ihre Körper und der Felsen teilten das Wasser, ließen es schäumen und spritzen und zu beiden Seiten an ihnen vorbeirauschen.
Sebastian überlegte nicht lange. Und auch Max wurde aktiv. Beide wussten genau, was zu tun war.
Mit dem Seil gesichert kämpfte sich Sebastian auf die beiden Unglücksraben zu. Die Strömung war derart stark, dass sie ihn jeden Moment von den Beinen zu reißen drohte. Er näherte sich den verzweifelten Männer am Felsen allerdings nicht in einem rechten Winkel, sondern war ein ganzes Stück oberhalb der Unglücksstelle ins Wasser gestiegen, so dass er sich in einem steilen Winkel an sie herankämpfte. Anders wäre es nicht zu schaffen gewesen.
»Ein Wunder!«, brüllte der Loisl. »Ein Wunder ist geschehen. Es gibt einen Gott! Und er liebt mich, denn er hat meine Gebete erhört! Herr im Himmel …«
Er brach ab, weil Sebastian bei ihm war und ihm das Seil, das er trug, um den Leib band. Dann drehte er den Kopf zu seinem Bruder herum und gab ihm ein Zeichen. Max, der das andere Ende des Seils gehalten hatte, begann zu ziehen.
»Loslassen, Loisl!«, gebot der Bergpfarrer mit lauter, scharfer Stimme. »Max zieht dich ans Ufer!« Sebastian war durch das Seil gesichert, das an dem oberarmdicken Stamm der Kiefer festgezurrt war.
Loisl folgte dem Zug des Seils. Max musste alle Kraft aufwenden und hatte das Gefühl, dass die Muskeln und Sehnen seiner Arme jeden Moment reißen würden. Er stemmte sich mit beiden Beinen gegen den Boden. »Vorwärts, Loisl, beweg’ dich!«, brüllte er keuchend. »Du hängst dran wie ein Sack …«
Sebastian hielt mit beiden Händen Florian fest. Sie mussten warten, bis Max den vor Angst regelrecht erstarrten Loisl aus dem entfesselten Element gezogen hatte.
Jetzt verlor Loisl sogar den Boden unter den Füßen. Nicht, weil der Fluss so tief gewesen wäre. Die Strömung hatte ihn umgerissen. Er ging einen Moment lang unter, und Max musste seine letzten Kraftreserven mobilisieren.
Loisl kam wieder hoch und schnappte nach Luft. Max zerrte und zog, und dann hatte er den triefenden Alten am Ufer. Loisl begann zu kriechen und Max unterstützte seine Bemühungen, indem er weiterhin zog.
Schließlich war Loisl in Sicherheit, und Max konnte sich dem anderen Seil zuwenden, das von der Krüppelkiefer zu seinem Bruder führte. »Ich ziehe jetzt, Sebastian!«, brüllte er.
»In Ordnung!« Sebastian hatte einen Gurt unter Florian Achseln hindurch um den Oberkörper des Schnitzers geschlungen und presste den Mann fest an sich.
Der Bergpfarrer war bei der Rettungsaktion weitaus aktiver als Loisl, stemmte sich gegen die Strömung und zerrte Florian von dem Felsen weg. Handbreit um Handbreit arbeitete er sich mit seiner Last an das Ufer heran. Max zog stetig am Seil, und gemeinsam schafften sie es. Triefend vor Nässe und nach Luft japsend lagen Sebastian und Florian schließlich am rettenden Ufer und waren bemüht, Atmung und Herzschlag sowie den Aufruhr in ihrem Innersten wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»In den vergangenen zehn Minuten habe ich so ziemlich alle Sünden, die ich in meinem Leben begangen hab’, abgebüßt«, röchelte der Brandhuber Loisl. »Es waren die Hölle und das Fegefeuer zugleich, die ich durchgemacht hab’.«
Max kauerte bei ihm