Traumtrinker: Band 4: Am großen Fluss
Von null Libert
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Über dieses E-Book
"Das ist eine traurige Geschichte", sagte Lena leise. Aber dann musste sie doch lachen, denn Gulgano kam wie immer zu spät und fand keinen Platz mehr in der Runde der Traumtrinker.
E nal caloon: Vom Rande der Milchstraße. Aus den Reisenotizen einer vagabundierenden Ameise.
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Buchvorschau
Traumtrinker - null Libert
Kapitel 1
Insgeheim war die Sternenkönigin stolz auf ihren Sohn, auch wenn dies nicht die erste Empfindung gewesen war, als sie Mayrocs Bericht gehört hatte. Natürlich hatte es sie traurig gestimmt, dass es nicht zu dem Zusammentreffen mit Tog-Isas gekommen war. Aber sie bewunderte die Leistungen, zu denen er ohne jede Ausbildung fähig war. Mittlerweile beförderte er nicht nur sich selbst, sondern auch andere Personen aus seiner unmittelbaren Umgebung durch das Universum der vielen Welten. Und zunehmend hatte es den Anschein, als setzte er diese Fähigkeit in Gefahrensituationen gezielt ein. Sie konnte sich gut vorstellen, was dabei sein Problem war: Da er nicht ausgebildet war, wusste er nicht, wie er das Ziel seiner Gestaltreise bestimmen konnte. Statt dessen würde sich das Ziel eher zufällig, aus seinem Unterbewusstsein heraus, ergeben. Der Junge würde niemals wissen, wohin er geraten war, und warum. Aber die Stärke seiner Fähigkeit zum Gestaltreisen war beeindruckend. Die Sternenkönigin fragte sich, ob es daran lag, dass seine Kräfte solange unterdrückt worden waren. Es würde spannend sein, dies in der Zukunft zu untersuchen.
Sie stand am Strand von Beteigeuze und sah über die endlose Wasserfläche, die sich vor ihr erstreckte. Hinter ihr drängten sich die Kinder und redeten aufgeregt durcheinander. Unter der Führung Kiri-Nes hatten sie sich auf eine gemeinsame Traumreise in diese Welt begeben, in der von einem blauen wolkenlosen Himmel herab eine gleißende Sonne Licht und Wärme spendete.
„Schaut nicht in die Sonne", ermahnte sie immer wieder die Kinder, von denen die Mutigsten bereits knietief im Wasser des Ozeans standen, der den gesamten Planeten umgab. Beteigeuze war eine Wasserwelt, mit wenig Land.
Hinter ihr, im Zentrum der Insel, auf der sie sich befanden, gab es eine Gruppe von palmenähnlichen Bäumen, unter denen unter der Anleitung Blonders ein Lager aufgeschlagen wurde.
Dies war der Ort, an dem die Sternenkönigin mit den Kindern arbeiten wollte.
Doch in diesem Augenblick waren ihre Gedanken bei ihrem Sohn. Sie trauerte der Begegnung mit Tog-Isas nach, die nicht zustande gekommen war. Nun galt es, die Welt zu finden, in die er sich begeben hatte. Der Reisende und Mayroc hatten es übernommen, die Fährte des Jungen und seiner Begleiter aufzunehmen.
Am großen Fluss
Lena weinte. Es war ihr peinlich, aber es ging nicht anders.
„Was ist mit dem armen Herrn Lemmert passiert?" fragte sie. Sie wischte sich über das Gesicht.
„Ich weiß es nicht", erwiderte Tobias erschöpft. Er fühlte sich ausgelaugt.
„Dieses grüne Monster. Wieso ist es hinter uns her?" Lena schniefte. Sie merkte selbst, dass ihre Stimme quengelig klang. Aber wenigstens flossen die Tränen nicht mehr.
„Woher soll ich das wissen", brauste Tobias auf. Die ewige Fragerei nervte ihn.
„Ich glaube, es ist hinter mir her", sagte er dann doch.
Lena starrte ihn erstaunt an.
Das war es, was Tobias dachte. Und er glaubte auch, dass die große Echse etwas damit zu tun hatte, was mit Herrn Lemmert geschehen war. Er erinnerte sich daran, wie verändert Oskar Palluschka gewirkt hatte, bevor das Wesen das erste Mal erschien. Und er sah das Gesicht des Milchmanns vor sich, wie er sich über den Tresen beugte, um nach ihm zu greifen. Bevor er dann vom Ladentisch herunterfiel, und kurz darauf die Echse erschien. Sie hatte es auf ihn abgesehen, davon war er überzeugt. Und das war leider kein Traum.
Lena hatte sich ein wenig beruhigt. Aber nur so weit, dass sie Luft hatte, sich zu beklagen. Sie war gerade nicht gut auf Tobias zu sprechen.
„Muss es bei dir immer so aufregend sein?" stöhnte sie.
„Nö. Eigentlich erst, seitdem du bei mir aufgetaucht bist", erwiderte Tobias kurz angebunden. Seine Nerven waren angespannt.
Lena hatte schon eine bissige Antwort auf der Zunge. Aber sie entschloss sich dann doch, das Thema zu wechseln. Sie blickte um sich.
„Wo sind wir?" fragte sie.
Sie lagerten auf einem sanft abfallenden Hang: auf einer Lichtung, umgeben von hohen Bäumen. Auf dem Gras um sie herum glitzerte der Tau. Zwischen den Bäumen hingen Nebelfetzen, die sich allmählich auflösten. Vor ihnen, den Hang hinunter, war es heller, doch das Unterholz versperrte ihnen den Ausblick. Es herrschte Morgenstimmung. In der Luft lag schon eine Ahnung der schwülen Wärme, die der Tag bringen würde.
„Ich weiß es nicht", sagte Tobias. Er schlug nach einem Insekt, dass sich auf seinem Handrücken niedergelassen hatte..
Sie saßen eng beieinander, noch immer zusammengekauert wie auf dem Boden in Laden des Milchmanns. Direkt vor ihnen, in der Mitte der Lichtung, glommen die Reste eines Feuers, umgeben von einem Ring von Steinen. In den Bäumen schrie ein Vogel.
Lena betrachtete intensiv und unter allerlei Verrenkungen ihren Hosenboden.
„Das ist ein Ding", stellte sie verblüfft fest. Die anderen beiden sahen sie fragend an. Sie wies auf ihr Hinterteil. Ihre Hose war trocken und sauber. Keine Spur von Eigelb oder Glibber. Es war, als hätte sie sich nie in die zerbrochenen Eier gesetzt.
Tobias betrachtete seine Turnschuhe, an denen Eierreste klebten. Wieso bei ihm und bei Lena nicht? Dann fiel sein Blick auf Cirico Luz. Der Feuerwerker, der bisher kein Wort gesagt hatte, war aufgestanden und hatte mit angewiderter Miene die Sachen des Zimmermanns ausgezogen und zu Boden geworfen. Sein Käppi saß wieder auf seinem Haar. Aufmerksam untersuchte er seinen Arm. In seinem Trikotärmel war ein Riss, aber die Wunde, die ihm der Schnabel der Flugechse zugefügt hatte, blutete nicht mehr.
„Ist es schlimm?" fragte Tobias.
Der Feuerwerker winkte ab. „Nur ein kleiner Riss, sagte er und lächelte schmerzlich. „Es hätte schlimmer kommen können.
Er sah den Jungen aufmerksam an. „Denkt Ihr, dass der Dschinn die kleinen Dämonen geschickt hat?"
Tobias schüttelte den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht."
„Und unser Helfer? War das ein Magier? Ein Freund von Euch?" wollte Cirico Luz wissen.
Den habe ich ganz vergessen, dachte Tobias. Es war wirklich ein bisschen viel, was auf ihn einstürzte.
„Das war ein toller Kerl, rief Lena eifrig, die ebenfalls Mühe hatte, sich an alle Einzelheiten der wenigen Minuten in dem Laden zu erinnern. „Aber wieso ist er so plötzlich verschwunden?
Da siehst du mal, wollte Tobias ihr ins Gesicht sagen, wie es für die Zurückbleibenden ist, wenn die Leute nach Belieben kommen und gehen. Es ist leicht, wenn man alles nur träumt.
Er sprach es dann doch nicht aus. Lena konnte ja nichts dafür.
Er blickte erneut auf ihre saubere Nietenhose. Dann war das auch die Erklärung: Wenn Lena alles als einen Traum erlebte, wie sie immer behauptete, gab es keinen Grund, warum sie nicht in einem neuen Abschnitt ihres Traumes wieder in ihren Anfangszustand versetzt werden konnte. Ohne Eierschalen.
Bei Cirico Luz und ihm war es etwas anderes: Es war offensichtlich alles andere als ein Traum. Und deshalb hatte der Feuerwerker seine Wunde behalten, ebenso wie er die Eierreste an seinen Schuhen.
„Es waren zwei, die uns zur Hilfe eilten." Der Zwischenruf des Feuerwerkers unterbrach seine Gedanken.
„Genau, sagte Lena. „Ein Ritter in silberner Rüstung.
In ihren Augen lag ein schwärmerischer Glanz. „Wer das wohl war?"
Na ja, dachte Tobias, wieder ohne es auszusprechen, zuerst ist der neue Untermieter gekommen. Dann ist er verschwunden, so wie Lena immer verschwindet. Als wäre es ein Traum für ihn. Aber mit der Ankündigung, er käme gleich wieder. Aber dieses Mal als Ritter in schimmernder Rüstung.
Die, die alles nur träumen, haben es einfach, dachte er weiter. Er merkte, dass er sauer war. Denn Cirico Luz und er saßen fest in dem, was geschah. Sie konnten nicht mal eben mit einem Fingerschnippen zurück in die Heia. Wie sollte der Feuerwerker jemals wieder in seine Heimat zurückfinden?
Er fasste einen Entschluss: Gerade weil sie festsaßen, wurde es Zeit, herauszufinden, wohin sie geraten waren. Irgendwie musste es weitergehen.
Das tat es dann auch, ohne dass er aktiv werden musste:
Zwischen den Bäumen am Rand der Lichtung erschien eine Gestalt. Ihre Annäherung war bis dahin durch das Unterholz vor ihren Blicken verborgen gewesen. Es war ein schlaksiger junger Mann: groß und dünn, mit einem breitrandrigem Strohhut auf dem Kopf. In der Hand hielt er einen Beutel.
Offenbar hatte er sie gerade erst entdeckt. Wie angewurzelt war er stehen geblieben und starrte sie an.
„Verdammich will ich sein, wenn mir das gefällt, wie ihr euch an mich ran schleicht", rief er erschrocken und musterte sie misstrauisch. Sein Blick ging an ihnen vorbei.
Tobias sah, dass neben der Feuerstelle ein Bündel auf dem Boden lag. Er hob die Hände.
„Wir haben nichts angerührt", sagte er.
Der junge Mann am Rande der Lichtung schien zu überlegen. Sein Blick ging von einem zum anderen. Dann war er zu einem Entschluss gekommen. Er schlenderte heran.
„Wo kommt ihr her?" wollte er wissen.
Als er näher kam, konnte man erkennen, dass er selbst noch ein Junge war, vielleicht zwei oder drei Jahre älter als Tobias. Trotz seiner Schlaksigkeit wirkte er kräftig. Er hatte krauses dunkelbraunes Haar, das unter dem Strohhut hervor lugte. Sein Nacken war sonnenverbrannt. Er trug ein baumwollenes Hemd und Hosen aus dem gleichen Stoff. Schuhe hatte er nicht an. Seine Füße waren schmutzig.
„Wo seid ihr her? Wieso hab ich euch nich kommen hören?" fragte er erneut. Er beugte sich zu seinem Bündel und überzeugte sich, dass nichts fehlte. Den Beutel, den er mit sich trug, legte er daneben ab.
„Das ist eine lange Geschichte", erwiderte Tobias.
Die Augen des großen Jungen weiteten sich. „Wie habt ihr das gemacht?" fragte er verblüfft.
„Was meinst du?" Tobias sah ihn an.
Der Junge zeigte auf das Gras hinter den dreien. „Wo sind eure Spuren? Seid ihr geflogen?"
Tobias sah, dass der Junge bei seiner Annäherung eine deutliche Spur im nassen Gras hinterlassen hatte. Um sie herum war nichts dergleichen zu sehen.
„So ungefähr", seufzte er.
Der Junge wies auf den Mann von den Feuerinseln in seinem Gauklerkostüm. „Der war ’s, hab ich Recht? Der macht so was, oder?"
„Hey, sagte Tobias, ohne weiter auf die Frage ihrer Ankunft auf dieser Lichtung einzugehen, „ich heiße Tobias. Das ist Lena. Und das ist Herr Luz.
„Ich bin Huck. Bist du ein Mädchen?" (Er sprach seinen Namen ‚Hack’ aus.)
Er sah Lena neugierig an. Die nickte schüchtern. Er meinte: „Siehst nich aus wie ’n Mädchen. Is’ aber vernünftig so. Hier läufste am besten nich mit ’n Kleid rum."
Der Junge Huck gefiel Lena. Der hatte wenigstens vernünftige Ansichten. Nicht so wie Tobias, der immer an ihrem Zeugs was zu meckern hatte.
„Is’ besser so, bekräftigte der große Junge, „wegen der Piraten, weißte.
„Piraten?" Lena sah ihn entgeistert an.
Er grinste. „Hab dir jetz ’nen Schreck eingejagt, was? Er kramte in seiner Hosentasche und holte eine Pfeife hervor. „Habt ihr Tabak?
Hoffnungsvoll blickte er von einem zum anderen.
Tobias schüttelte den Kopf. Cirico Luz wusste nicht, wovon die Rede war.
„Braucht Ihr Feuer?" fragte er höflich. Damit konnte er immer dienen.
Huck sah ihn erstaunt an. „Ne, ohne Tabak brauch ich auch kein Feuer nich."
Na gottseidank, dachte Lena. Und kicherte, weil sie sich vorstellte, wie der Feuerwerker Hucks Pfeife in Brand setzte.
„Piraten?" Tobias wollte