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Die Lady und der Wüstenprinz
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eBook293 Seiten4 Stunden

Die Lady und der Wüstenprinz

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Über dieses E-Book

Wie ein Prinz aus 1001 Nacht sieht Scheich Kadar aus! Bebend tritt Lady Constance Montgomery dem attraktiven Herrscher in seiner prunkvollen Marmorhalle entgegen. Aufgrund eines Unglücks ist sie an den Gestaden seines Königreichs gestrandet. So schnell wie möglich müsste sie das nächste Schiff nach Indien nehmen, wo ihr unbekannter Verlobter auf sie wartet. Doch unter Kadars sinnlichem Blick spürt Constance ein pikantes Verlangen. Und der betörende, wenn auch skandalöse Vorschlag des stolzen Wüstenprinzen führt die junge Schönheit in nie gekannte Versuchung …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum27. Juni 2017
ISBN9783733768010
Die Lady und der Wüstenprinz
Autor

Marguerite Kaye

Marguerite Kaye ist in Schottland geboren und zur Schule gegangen. Ursprünglich hat sie einen Abschluss in Recht aber sie entschied sich für eine Karriere in der Informationstechnologie. In ihrer Freizeit machte sie nebenbei einen Master – Abschluss in Geschichte. Sie hat schon davon geträumt Autorin zu sein, als sie mit neun Jahren einen Wettbewerb in Poesie gewann. 30 Jahre später hatte sie mit einem Historical Roman den Durchbruch.

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    Buchvorschau

    Die Lady und der Wüstenprinz - Marguerite Kaye

    IMPRESSUM

    HISTORICAL MYLADY erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2016 by Marguerite Kaye

    Originaltitel: „Sheikh’s Mail-Order Bride"

    erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL MYLADY

    Band 577 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Eleni Nikolina

    Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 06/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733768010

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, MYSTERY, TIFFANY

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    1. KAPITEL

    Königreich Murimon, Arabien – Mai 1815

    Das Sonnenlicht begann gerade zu verblassen, als Kadar das Ziel seiner Reise erreichte. Er führte seine bescheidene Karawane, die lediglich aus dem Kamel, auf dem er saß, und zwei bepackten Maultieren bestand, durch die breite Talebene, in der Murimons größte Oasen die Felder und Obstgärten tränkten. Die dicht nebeneinander wachsenden Dattelpalmen mit ihren reifenden Früchten schützten sie vor der erbitterten Hitze der Wüstensonne. Hoch über ihnen emporragend, schenkten ihnen die schroffen Felswände der Berge Murimons, die er gerade überquert hatte, weiteren Schutz. Die silbergrauen Felsen glitzerten in der Sonne wie Ocker, Gold und Bernstein.

    Die kleine Stadt, die die Oase versorgte, war an den Ausläufern dieser Berge gebaut – ein abschüssiger Wirrwarr von Häusern und Dächern, die sich unsicher an den Hang klammerten, um jedes kostbare Stückchen ebenen Landes für den notwendigen Anbau freizulassen. Das köstliche Aroma von gebratenem Ziegenfleisch wehte auf einer sanften Brise zu ihm herüber, ebenso wie gedämpftes Stimmengemurmel. Es war kaum wahrscheinlich, dass er erkannt werden würde. Dafür würde schon sein erst kürzlich beendetes, selbst auferlegtes, sieben Jahre langes Exil sorgen, ebenso wie der allgemeine Zustand der tiefen Trauer, die im Königreich herrschte. Dennoch wendete er den Blick ab und führte sein Kamel und die Maultiere an der Stadt vorbei und auf den letzten Bergpass zu, den er noch überwinden musste. Dabei hatte er die Kufiya, das traditionelle Kopftuch, weit ins Gesicht gezogen, sodass nur die Augen frei blieben.

    Sein Bruder hätte nie auch nur in Betracht gezogen, auf eine solch unauffällige Weise zu reisen. Butrus wäre in königlicher Pracht geritten und am Kopf einer Karawane ebenso prachtvollen Ausmaßes, dazu gedacht, allen seine Erhabenheit kundzutun. Seine Untertanen sollten dazu ermutigt werden, ihrem Führer Ehre zu erweisen, ihn zu bestaunen und zu verehren und sich im üppigen Glanz seiner fürstlichen Persönlichkeit zu sonnen. Butrus jedoch war tot. Er, Kadar, war jetzt Prinz von Murimon. Und ein solcher Pomp verursachte ihm Unbehagen, wenn er auch allmählich erkannte, dass seine persönlichen Ansichten sich recht oft von denen seiner Untertanen unterschieden und von dem, was sie von ihm erwarteten.

    Drei kurze Monate regierte Kadar jetzt, und die ganze Bandbreite und Last seiner Verantwortung waren ihm während dieser Zeit immer klarer geworden. Eine Verantwortung, die er niemals gezwungen gewesen wäre anzunehmen, wenn das Schicksal sich nicht so grausam gewendet hätte. Er war aus seinem Exil zurückgekehrt, um als geehrter Gast an der Hochzeit seines Bruders teilzunehmen. Stattdessen hatte er zur Beerdigung seines Bruders gehen müssen. Kadars Bereich war jetzt nicht mehr die Palastbibliothek, in der er mehr oder weniger gelebt hatte, als er hier aufgewachsen war, sondern das gesamte Reich. Menschen, nicht Bücher, waren jetzt sein täglich Brot. Statt zu studieren und sich mit den komplexen Gesetzen sowohl der antiken, als auch der modernen Welt zu beschäftigen, oblag nun ihm als Herrscher Murimons persönlich die Rechtsprechung in seinem Reich.

    Nachdem er den schmalen Pass hinter sich gelassen hatte und auf dem Plateau angekommen war, brachte er sein Kamel zum Stehen. Unter ihm lag der Palast, dessen großzügig angelegter Hof bereits beleuchtet wurde. Unzählige Laternen hingen in den vielen Palmen, die in zwei Reihen von fast militärischer Genauigkeit bis zur Eingangspforte des Palastes führten. Der gewundene Weg, der sich die Klippen hinab bis zum Hafen entlangwand, wurde ebenfalls von Lampen erleuchtet, die wie Sterne, die die Abenddämmerung begrüßten, im schwächer werdenden Licht aufblinkten. Dahinter konnte man die zwei Arme des Hafens erblicken, den dunklen Schatten der Schiffe und den weit ausholenden Bogen des Arabischen Meeres.

    Die Sonne ging am Horizont unter, eine goldene Kugel, prächtig umgeben von Blutrot, Scharlach und Dunkelrosa. Das rhythmische Rauschen der Wellen gegen die Küste hörte sich an wie ein geflüstertes Wiegenlied. Es war dieses Meer, das ihm in all den Jahren gefehlt hatte. Kein anderes war so strahlend blau und parfümierte die Luft mit dieser einzigartigen Mischung aus Salz und Hitze. Kadar atmete mehrere Male tief ein. Das Ergebnis der kurzen Reise zu einem nachbarlichen Königreich, die er gerade hinter sich hatte, sein erster offizieller Staatsbesuch, hatte ihn ein für alle Mal verändert. Jetzt zwang er sich zu akzeptieren, dass seine eigenen Wünsche und Begierden nicht mehr von Bedeutung waren. Er war zuerst ein Prinz und erst dann ein Mensch und Mann. Sein ungewolltes Erbe hatte jetzt vor allem anderen Vorrang. Kadar konnte sich zwar damit abfinden, das Königreich zu übernehmen, das er schon immer geliebt hatte. Aber was die Fremde anging, die er als Braut sozusagen geerbt hatte …

    Nein! Alles in ihm begehrte dagegen auf. Echos aus der Vergangenheit, dunkle, schmerzliche Erinnerungen, denen zu entkommen er versucht hatte, als er um die halbe Welt gereist war, besaßen noch immer die Macht, ihm das Herz zu zerreißen. Er konnte es nicht ertragen. Und doch musste er …

    Er durfte keine Vergleiche ziehen zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit. Und auf keinen Fall durfte er bei den Ähnlichkeiten verweilen, sondern musste sich auf die Unterschiede konzentrieren. Außerdem hatte diese bestimmte Frau ihre Gleichgültigkeit ihm gegenüber nur allzu deutlich gemacht – ein Gefühl übrigens, das er trotz ihrer eindrucksvollen Schönheit vollkommen erwiderte. Das sollte eigentlich alles vereinfachen. Und es gab auch keinen Grund, etwa Gefühle vorzutäuschen, die er nun einmal nicht fähig war zu empfinden. Weder jetzt noch sonst irgendwann wieder.

    Das sollte es vereinfachen, und dennoch konnte er sich einfach nicht dazu durchringen, sich mit diesem leidenschaftslosen Kontrakt abzufinden. Aber er musste sich wappnen. Er musste daran denken, dass sein Volk diese Hochzeit brauchte. Auf diese Weise würde er das Andenken seines Bruders ehren, indem er Butrus’ Vision einer neuen königlichen Dynastie und eines Erben erfüllte. Noch wichtiger war Kadar jedoch die Aussicht auf eine großzügige Mitgift, mit der er Murimon verwandeln würde, es in das neunzehnte Jahrhundert versetzen und seinem Volk eine goldene Zukunft sichern würde.

    Ja, das konnte er tun. Es war ein enormes persönliches Opfer, das sich jedoch auf lange Sicht mehr als lohnen würde.

    Arabisches Meer – drei Wochen früher

    Das Unwetter braute sich bereits seit einer Weile unheilvoll am Horizont zusammen. Lady Constance Montgomery stand an ihrem gewohnten Platz an Deck des Ostindien-Segelschiffs Kent und beobachtete, wie die grauen Wolken sich sammelten und zu vermehren schienen, als wären sie einer unhörbaren Aufforderung gefolgt.

    Sie befanden sich nun bereits seit neun Wochen auf See. Captain Cobb glaubte, sie würden noch weitere drei Wochen brauchen, um Bombay zu erreichen. Nur noch drei Wochen, bis Constance zum ersten Mal dem Ostindien-Händler begegnen würde, der ihr Mann werden sollte. So sehr sie sich auch bemühte, es wollte ihr einfach nicht gelingen, die Übelkeit zu unterdrücken, die sie jedes Mal überkam, wenn sie an die Verpflichtung dachte, die sie um die halbe Welt hatte reisen lassen.

    Constance hatte sich gegen diese Heirat gewehrt, die für jeden außer ihr selbst so viele Vorteile zu bringen schien. Sie hatte argumentiert, sie hatte sich in ihrer Verzweiflung jede Menge anderer Alternativen einfallen lassen. Und zu ihrer Schande hatte sie am Ende sogar Zuflucht zu Tränen genommen. Aber nachdem all ihre Kriegslisten versagt hatten, und als ihr klar geworden war, dass ihr Schicksal endgültig besiegelt war, hatte sie sich gefügt. Beim Betreten der Kent hatte sie jedoch eher das Gefühl gehabt, gleich von einer Klippe zu springen, und das Gefühl war so lebendig gewesen, dass sie unwillkürlich die Augen zusammengekniffen hatte, um die Erde nicht auf sich zurasen zu sehen. Doch die Erde, also die arrangierte Ehe mit dem reichen Händler, raste zwar nicht auf sie zu, kam aber dennoch unaufhaltsam näher, während der Ostindienfahrer den Ozean mithilfe der launischen Winde überquerte und Bombay in immer greifbarere Nähe rückte. Constance graute inzwischen vor der Ankunft. Diese Ehe – eigentlich jede Ehe – ging vollkommen gegen ihre Neigungen.

    Ach, herrje! Sie hatte sich doch geschworen, nie wieder über alles nachzugrübeln. Der Vertrag war abgeschlossen – denn diese sogenannte Heirat war nicht viel mehr als ein Geschäftsabkommen. Die enorme Summe Geldes, die Papa gebraucht hatte, um die Güter zu retten, war pünktlich von Mr. Gilmour Edgbaston geschickt worden. Die Ware in Form von Constance musste nun also ebenfalls geliefert werden. Es hat keinen Zweck, dass du ständig dein Schicksal beklagst, sagte sich die wohl teuerste „Ware" auf diesem Schiff. Dir bleibt nur noch, das Beste daraus zu machen.

    Ein ausgezeichneter Vorsatz, den sie sich fest vorgenommen hatte, bevor die Reise begann. Aber da war sie auch noch von Mamas glücklichem Lachen und deren zuversichtlicher Behauptung gestärkt worden, dass sie das einzig Richtige tue. Doch jetzt, so weit von daheim entfernt, und mit viel zu viel Zeit zu ihrer Verfügung, in der sie sich die Endgültigkeit ihrer Situation deutlich machen konnte, war Constance sich gar nicht mehr so sicher, dass Mamas schlichte Philosophie, Geld sei die Quelle allen Glücks, auch wirklich stimmte. Nicht, dass sie je so etwas geglaubt hätte. Sie hatte nur ganz einfach nicht die Wahl gehabt, sich anders zu entscheiden. Und Papa hatte Mama gezwungen, von ihrer Tochter dieses höchste Opfer zu verlangen.

    Es tat jedoch sehr weh, dass Mama sich auf Papas Seite gestellt hatte. Sehr viel mehr, als Constance sich selbst eingestehen mochte. Also tat sie ihr Bestes, nicht weiter darüber nachzudenken – und meistens schaffte sie es auch. Nur dass sie jetzt schon wieder dabei war, sich den Kopf zu zerbrechen, obwohl sie nichts mehr am Verlauf der Dinge ändern konnte. Ihr blieben noch drei Wochen auf See – die letzten drei Wochen in Freiheit, in denen sie die atemberaubenden Gelegenheiten zur Sternbeobachtung nutzen konnte, die die lange Seereise ihr eröffnet hatte. Denn hier befand sie sich unter einem unvertrauten Himmel und hatte den Äquator zur südlichen Hemisphäre überquert, bevor sie nun im letzten Teil der Reise wieder in die nördliche zurückkehrte.

    Zwar war es zweifelhaft, dass sie heute etwas Außergewöhnliches durch ihr Teleskop sehen würde. Die Wolken waren zu einer einzigen trüben zinnfarbenen Masse verschmolzen. Um sie herum kämpfte die Mannschaft mit der Takelage. Das eben noch ruhige Tiefblau des Arabischen Meeres mit den kristallklaren Wellen schien sich ebenso wie die Wolken in eine einzige schäumende Masse zu verwandeln, in eine finstere See, die sich drohend aufbäumte und die Kent hoch über den Horizont emporragen ließ, bevor sie sie wieder abrupt herabzerrte in die tiefsten Tiefen der Woge.

    Constance zog sich in den Windschatten des Hauptmasts in der Mitte des Schiffs zurück, doch die Gischt schlug ihr ins Gesicht und durchnässte ihr Reisekleid. Über ihr im Mastkorb gab einer der Matrosen der Mannschaft verzweifelt Zeichen.

    „Gehen Sie besser unter Deck, Mylady, forderte einer der Schiffsoffiziere sie auf. „Wir werden auf den Schutz der Küste zuhalten, aber ich bin nicht sicher, dass wir dem Sturm entkommen können. Es wird ein wenig rau werden hier oben.

    „Ein wenig?" Constance musste lachen, obwohl die Kent sich gerade gebärdete wie ein wütender Hengst. „Das klingt mir eher nach einer schamlosen Untertreibung."

    „Ja, also gehen Sie besser unverzüglich nach unten. Falls Sie dachten, der Golf von Biskaya sei bereits rau gewesen, versichere ich Ihnen, dass es nichts war im Vergleich zu dem, was jetzt auf uns zukommt. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen."

    Das Schiff neigte sich wieder zur Seite. Der Mast knarrte beunruhigend laut. Barfüßige Matrosen klammerten sich hartnäckig an alles, was ihnen auf dem nassen Deck Halt geben konnte, während sie versuchten, den riesigen Dreimaster in Sicherheit zu steuern. Mehrere Soldaten des 31. Infanterieregiments, auf dem Weg zu einer Stellung in Indien, halfen ihnen dabei und sahen aber im Vergleich zu den erfahrenen Seemännern entschieden unsicherer aus. Constance war der einzige Passagier, der sich noch an Deck aufhielt. Die Frauen und Kinder der Soldaten und die zwanzig übrigen Passagiere befanden sich alle sicher und trocken unter Deck – einschließlich Mrs. Peacock, die Frau, die Papa bezahlt hatte, damit sie den kostbaren Ruf seiner Tochter während der Reise schützen konnte.

    Constance sagte sich, dass es gewiss besser wäre, wenn sie sich zu ihnen gesellte. Allmählich wurde es hier heimtückisch, aber es war ebenfalls unglaublich aufregend. Hier bekam sie eine Ahnung von wahrer Freiheit. Constance fand eine sicherere Stelle unter dem Hauptmast, wo die Mannschaft sie nicht sehen konnte. Obwohl ihr Magen bei jedem Schlingern des Schiffes protestierte, hatte sie doch schon zu Beginn der Reise festgestellt, dass sie nicht den Hang dazu hatte, seekrank zu werden. Die Gischt, salzig und stechend, ließ ihre Haut brennen. Constances Haar löste sich aus der eher achtlos hochgesteckten Frisur, wurde ihr gegen die Wangen gepeitscht und wehte wild im Wind, der jetzt stärker geworden war und pfeifend durch das Tauwerk toste, dass die Segel krachten. Auch das Schiff beschwerte sich über den Sturm. Die Schiffsplanken stießen ein fast menschlich anmutendes Stöhnen aus, während sie sich gegen Nägel und Fugenmasse stemmten, die sie zusammenhielten.

    Die Gischt war zu einem dichten Nebel geworden, durch den Constance nur undeutlich die Umrisse der hin und her eilenden Seemänner ausmachen konnte. Heftig neigte das Schiff sich wieder nach Backbord und stieß Constance aus ihrem Versteck hinaus, sodass sie hilflos über das Deck rutschte und sich nur retten konnte, als ihre verzweifelt um sich tastenden Hände ein Seil zu fassen bekamen. Erschreckend hohe Wellen schlugen auf Deck auf. Außer sich vor Angst klammerte Constance sich an ihr Seil und war sich nur undeutlich der anderen Gestalten bewusst, die von der Gewalt des Sturms hin und her geschleudert wurden. Wieder schlingerte das Schiff, diesmal nach Steuerbord. Männer schrien voller Angst auf. Unter Deck hörte man kreischende Frauenstimmen.

    Als die Kent sich ein weiteres Mal gefährlich tief zur Seite neigte, glaubte Constance nicht, dass sie sich wieder aufrichten würde. Wie durch ein Wunder kam sie dennoch wieder hoch. Doch dann erfüllte ein brüllendes Geräusch die Luft, als der Kreuzmast sich vom Deck löste.

    Chaos folgte. Schreie. Zerreißende Segel. Zerberstendes Holz. Die heiseren, verzweifelten Schreie der Seemänner, die versuchten, ihr Schiff, ihre Passagiere und sich selbst zu retten. Das dumpfe Geräusch von hastenden Schritten an Deck. Und über allem das Brüllen und Krachen des Meeres, das um die Vorherrschaft kämpfte.

    Es war kein leichter Kampf. Doch die Kent war für solche Stürme gebaut, und der Kapitän ein erfahrener Mann. Taumelnd wie ein Betrunkener, holperte das Schiff vorwärts in die ruhigeren Gewässer der Arabischen Küste. Frauen und Kinder kletterten auf allen vieren von unten herauf und klammerten sich an die Überreste des gefallenen Mastes, an die Takelage, die zerfetzten Segel und aneinander.

    Constance war gegen den Vormast geschleudert worden, ihre Röcke hatten sich in das Seil verwickelt, und sie konnte nur hilflos und stumm vor Entsetzen alles mit ansehen, erstarrt vor Furcht und gleichzeitig wild entschlossen zu leben. Diese Entschlossenheit war unbeschreiblich belebend und der Beweis dafür, dass ihr Mut nicht gebrochen und sie alles andere als gezähmt war.

    Sie würde sich nicht gestatten zu sterben. Mit erneuter Tatkraft hielt sie sich fest, und mit frischer Wucht hob und senkte sich das Schiff und schlingerte dabei so heftig, dass selbst Constance übel wurde. Doch endlich kam Land in Sicht und damit das Versprechen auf Sicherheit.

    Unwillkürlich lockerte Constance ihren schmerzhaften Griff um das Seil, als plötzlich der Hauptmast herabkrachte und den Vormast mit sich riss. Die Kent wälzte sich wieder nach Steuerbord und schleuderte Constance über Bord – zuerst flog sie hoch in die Luft, bevor sie kopfüber in das Arabische Meer stürzte.

    Königreich von Murimon, Arabien

    Seit etwa drei Wochen hatte sie bereits in diesem entlegenen arabischen Fischerdorf festgesessen, bevor endlich die hiesigen Behörden doch noch zu ihr kamen. Constance sah von der Küste aus zu, als die große Dhau an der Einbuchtung festmachte, die als Hafen diente. Neben ihr erschienen die kleinen Fischerboote des Dorfes zwergenhaft. Der lackierte und kunstvoll goldverzierte, schmale Rumpf glänzte eindrucksvoll. Achtern befand sich eine überdachte Kabine, der Rest des Decks wurde von einer großen Plane gegen die Sonne abgeschirmt. Das Segel war scharlachrot.

    Die Dorfbewohner versammelten sich um Constance. Sie wussten ebenso gut, dass die Ankunft dieses Bootes ihre baldige Abreise ankündigte. Constance wollte nicht fort, obwohl ihr klar war, dass es sich nicht verhindern ließ. Es war nicht möglich, dass sie länger hierblieb, in einer ewigen beruhigenden Flaute. Das Meer hatte für eine kurze Weile all ihre Verantwortung fortgespült, aber die Zukunft, die sie so fürchtete, rückte drohend am Horizont näher. Dieses elegante Schiff würde der erste Schritt zu der Reise sein, die sie antreten musste, so sehr es ihr auch widerstrebte.

    Bashir, der Dorfälteste, in dessen Haus man sich rührend gut um sie gekümmert hatte, begrüßte den Mann, der vom Boot sprang, noch bevor es richtig angelegt hatte. Es war ein hochgewachsener, drahtiger Mann mit durchdringenden nussbraunen Augen, buschigen Augenbrauen und einem spitz zugeschnittenen Bart. Seine knochigen Hände waren tadellos gepflegt. Das verkniffene Gesicht und die schmerzliche Miene standen im Gegensatz zu der kostbar aussehenden Kleidung. Er verzog leicht das Gesicht, während er eine Pergamentrolle hervorholte und mit Schwung aufrollte. „Lady Constance Montgomery?"

    Ihr Name klang seltsam, wenn er mit einem arabischen Akzent ausgesprochen wurde, aber es war eindeutig ihr Name. Mit sinkendem Mut trat Constance vor und knickste unbehaglich. Die Wunde an ihrem Kopf begann zu pochen. Eine der Frauen hatte erst diesen Morgen die winzigen Nähte entfernt. Die Haut fühlte sich an, als ob sie spannen würde, doch der stechende Schmerz hinter ihren Augen hatte lange vorher schon nachgelassen und die Kopfschmerzen waren fast vorbei.

    „Willkommen im Königreich Murimon. Sie kommen mit mir."

    Es war ein Befehl, keine Bitte. Constance blieb gerade Zeit, schnell, wenn auch recht tränenreich, Abschied zu nehmen, während der Amtsträger Bashir beiseitenahm. Einige Minuten später ergriff sie die Hände des Ältesten und brachte ihren tiefen Dank, so gut sie konnte, zum Ausdruck. Und schon wurde sie auf die Dhau geführt.

    Sie verbrachte die Reise zusammengekauert in der Kabine, zu ihrer eigenen Überraschung von plötzlicher Furcht gepackt. Es war lächerlich von ihr, denn das Meer war völlig still, der Himmel blau und der Wind ein sanfter Zephyr. Doch als sie das Deck mit ihren bloßen Füßen betreten und das kaum merkliche Schwanken des Bootes gespürt hatte, war ihr der Angstschweiß ausgebrochen. Plötzlich füllten wieder das Brausen der Wellen, das Krachen der Masten und die Schreie der Passagiere auf der Kent ihre Ohren. Glücklicherweise schien es dem Mann, der sie während der Reise begleiten sollte, nicht schwerzufallen, sie allein zu lassen, ob jedoch aus Gründen der Schicklichkeit oder weil ihre Anwesenheit ihn verärgerte, konnte Constance nicht sagen.

    Die Sonne ging unter, als sie den Hafen erreichten. Constance stolperte von der Dhau herunter und in eine überdachte Sänfte. Nichts kümmerte sie außer der Tatsache, dass sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Die Sänftenträger entfernten sich rasch vom Hafen. Während Constance die Augen schloss, um sich zu sammeln, wurde ihr bewusst, dass sie emporstiegen, aber sehr viel mehr als das nicht. In einem riesigen, von einer Mauer umgebenden Hof setzte man sie schließlich ab, und sie blinzelte in das Licht von wohl tausend Kerzen, wie ihr schien. Doch der eifrige Amtsträger winkte sie bereits ungeduldig weiter, ohne ihr eine andere Wahl zu lassen, als ihm schnell zu folgen.

    Sie trottete also gehorsam hinter ihm her über glatt polierte Böden endlos langer Gänge, während sie sich vorzustellen versuchte, wie sie aussehen mochte mit ihrer von der Sonne verbrannten Haut, der schmerzenden Wunde auf der Stirn, den nackten Füßen und dem rauen braunen Kaftan, den sie trug und der für zwei Frauen ihrer Größe weit genug gewesen wäre.

    Als sie an eine massive Flügeltür kamen, vor der ein massiger Wächter mit einem riesigen Krummsäbel in der Hand stand, begann ihr plötzlich ihre Situation bewusst zu werden. Sie befand sich in einem fremden Land, ganz allein und völlig der Gnade desjenigen ausgeliefert, der auf der anderen Seite dieser Tür auf sie wartete. Captain Cobb? Sie vermutete, dass es auch andere Überlebende des Schiffsuntergangs gegeben hatte. Es wäre fürchterlich gewesen, auch nur daran zu denken, dass sechshundert Seelen verloren sein könnten und nur sie selbst nicht. Oder erwartete sie ein Gefängniswärter? Ein Eunuch? Sie wurde blass.

    Constance zupfte den geliehenen Kaftan zurecht, damit er ihre nackten Füße bedeckte, und schob sich das unordentliche Haar aus dem Gesicht. Ihr Herz klopfte schnell, ihre Beine zitterten. Ihr Magen krampfte sich ängstlich zusammen, als im nächsten Moment die Tür aufgerissen wurde.

    2. KAPITEL

    Constance fand sich in einem enormen Raum mit hoher, gewölbter Decke wieder, der von drei Lüstern und ihren Hunderten von Kerzen so hell erleuchtet wurde, dass sie Constance blendeten. An der Tür neben ihr standen zwei identische Statuen Wache – eine Art mythischer Säbelzahntiger, die aussahen, als wären

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