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Liebe, Lüge und ein Lord
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eBook319 Seiten4 Stunden

Liebe, Lüge und ein Lord

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Über dieses E-Book

Das Glück von Gabriel, Duke of Winterbourne, zerbrach in jener Nacht, als seine bezaubernde Gattin seinen Sohn zur Welt brachte. Denn da war Gabriel in einer geheimen Mission unterwegs, um die Sicherheit des Prinzen zu gewährleisten. Während Olivia glaubte, er sei bei einer Geliebten! Eiskalt behandelt sie ihn seitdem. Aber jetzt überrascht sie ihn mit einer Bitte: Sie will ein zweites Kind. Ist das der Neubeginn ihres zärtlichen Eheglücks? Ausgerechnet jetzt, wo Gabriel erneut geheim für die Sicherheit des Prinzen sorgen soll …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum23. Juni 2020
ISBN9783733748227
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    Buchvorschau

    Liebe, Lüge und ein Lord - Laurie Benson

    IMPRESSUM

    HISTROICAL MYLADY erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2016 by Laurie Benson

    Originaltitel: „An Uncommon Duke"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTROICAL MYLADY

    Band 604 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

    Übersetzung: Maria Beck

    Abbildungen: Period Images / VJ Dunraven, alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733748227

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    London, England – 1818

    Beschossen zu werden verdarb Gabriel Pearce, dem Duke of Winterbourne, wie immer die Laune. Dabei spielte es keine Rolle, dass er dieses Mal gar nicht das Ziel des Angriffs war. Es spielte keine Rolle, dass er den Prinzregenten gerettet hatte, indem er ihn in der Kutsche zu Boden gerissen hatte. Und es spielte auch keine Rolle, dass der Schuss ihn nur knapp verfehlt hatte. Beschossen zu werden empfand Gabriel als ein Ärgernis, und es bedeutete, dass sein geordnetes Leben für eine unvorhersehbare Zukunft ins Chaos gestürzt wurde.

    Drei Stunden nachdem seine Kutsche die ausgefahrene Landstraße entlanggerast war, um den Prinzregenten nach Carlton House in Sicherheit zu bringen, stand Gabriel in seinem Ankleidezimmer und versuchte, seine Krawatte zu einem perfekten Trône d’Amour zu binden. Er hatte es schon unzählige Male getan, und man sollte meinen, er würde das Binden des Knotens im Schlaf beherrschen. Doch offensichtlich lenkten ihn die Ereignisse des heutigen Tages zu sehr ab.

    Er trat näher an sein Spiegelbild heran und riss sich das Leinen vom Hals. Teufel noch eins! Der Knoten darf sich doch nicht kräuseln! Hodges, sein Kammerdiener, reichte ihm umgehend eine frisch gestärkte Halsbinde.

    „Binde dir einfach eine Wasserfallkrawatte und lass es gut sein", rief sein Bruder Andrew, als er das Zimmer betrat. Gleich darauf ließ er sich in den Lehnsessel neben dem Spiegel fallen.

    „Viel zu gewöhnlich", entgegnete Gabriel und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.

    „So trage ich meine Krawatten immer."

    Gabriel warf einen kritischen Blick auf Andrew, vom braunen Gehrock bis zu den schlichten Schuhen, und hob eine Braue.

    „Ah, ich verstehe, sagte Andrew grinsend. „Eines Tages werde ich dich schockieren und etwas tragen, das du für angemessen hältst.

    „Wenn du mir endlich gestatten würdest, einen akzeptablen Kammerdiener für dich zu suchen, würdest du nicht lange auf diesen Tag warten müssen."

    „Ich bin sehr zufrieden mit meinem Diener, vielen Dank. Wie viele Halsbinden haben Sie meinem Bruder bereits gereicht, Hodges?"

    „Sechs, Mylord."

    Andrew seufzte und betrachtete die Kassettendecke. „Soll ich in deinem Studierzimmer warten? Wenn du nach höchster Vollendung strebst, könnte es hier noch eine Weile dauern. In der Zeit könnte ich mir genauso gut deinen feinen Brandy schmecken lassen."

    „Ich bin gleich so weit. Der Brandy steht am Fenster." Gabriel schloss die Augen und schaffte es, die Gedanken an Schüsse, splitterndes Glas und einen verängstigten Prinzregenten zu vertreiben. Er konzentrierte sich auf jede Drehung des Stoffes, bis er schließlich den perfekten Knoten gebunden hatte.

    Nun konnte er sich wichtigeren Dingen zuwenden.

    Er nickte Hodges zu, und der ältere Mann verließ den Raum.

    „Bitte sag mir, dass wir den Schurken gefangen haben", sagte Gabriel und nahm ein Glas Brandy von seinem Bruder entgegen.

    Andrew warf sich wieder in den Sessel und streckte seine langen Beine weit von sich. „Spence sprang vom Kutschbock, sobald alle Schüsse abgefeuert waren, und hat den Mann gefasst. Er wurde in den Tower gebracht, doch er weigert sich, zu reden."

    Gabriel nahm seinen ersten Schluck Brandy, seit er nach Hause zurückgekehrt war. Das Getränk brannte in seiner Kehle, löste jedoch die Anspannung in seinen Muskeln nicht. „Wir müssen wissen, ob er allein gearbeitet hat, koste es, was es wolle. Bring ihn zum Reden."

    Andrew zog einen Papierfetzen aus der Tasche und hielt ihn in die Höhe. „Ich denke, dass ihm jemand geholfen hat. Dies hier haben wir bei ihm gefunden. Jemand muss dem Schützen diese Information gegeben haben."

    Auf dem Papier standen ein Datum, der Name der Straße und der Stadt, in der sie gewesen waren. Dazu gab es eine Skizze von dem Wappen des Duke of Winterbourne. Wer auch immer dem Schützen diese Information zugesteckt hatte, hat gewusst, dass der Prinzregent heute mit mir reisen würde, und er hat gewusst, wohin wir wollten, überlegte Gabriel. Aber wie konnte das sein, wenn der Prinz ihn erst gestern Abend davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er mit ihm zusammen reisen wollte, um ein Gemälde zu erwerben?

    Gabriel hielt sich das Papier an die Nase und schnupperte daran. Er nahm einen unvertrauten, beißenden Geruch nach Fett und Tabak wahr. Der Buchstabe „M hatte einen interessanten Schwung, aber sonst gab es keine Hinweise auf den Verfasser. „Die Botschaft ist nicht verschlüsselt. Wir scheinen es also mit einem unerfahrenen Haufen zu tun zu haben.

    Während er erneut an seinem Brandy nippte, überdachte Gabriel die vorliegenden Informationen. Er war der Mann, der für die Sicherheit der Krone verantwortlich war. Im ganzen Land grassierten Unruhen. Wenn er und seine Männer versagten und König George oder dem Prinzregenten etwas zustieß, würde das Land in Anarchie versinken.

    „Wie ist es Prinny ergangen?", fragte Andrew und riss ihn aus seinen Gedanken.

    Nur wenige Menschen durften den Prinzregenten bei seinem Spitznamen nennen. Andrew und Gabriel gehörten zu ihnen.

    „Er ist erschüttert, aber unverletzt."

    „Und dir?"

    „Der Kratzer an der Stirn stammt vom zersplitterten Glas, und ich habe mir meine rechte Schulter leicht geprellt. Wie du weißt, habe ich schon Schlimmeres überlebt. Er gab Andrew das Papier zurück. „Zeig das Hartwick. Er kann vielleicht den Geruch identifizieren. Fahr zum Tower und benachrichtige mich, wenn der Schütze sein Schweigen bricht. Ich muss wissen, wer den Tod des Prinzen wünscht.

    Andrew stand auf und stellte sein Glas auf den nächsten Tisch. „Bitte richte Olivia und Nicholas aus, dass ich meine Abwesenheit sehr bedaure. Dir fällt gewiss eine gute Ausrede ein, warum ich seine Breeching-Zeremonie versäume."

    Teufel noch eins! Nicholas würde enttäuscht sein, wenn sein Lieblingsonkel bei so einer wichtigen Gelegenheit im Leben des kleinen Jungen fehlen würde. Doch Andrew war der einzige Mensch, dem Gabriel vollkommen vertraute. Er musste die Antworten haben, und Andrew würde dafür sorgen, dass er sie bekam. Er schüttelte seine Schuldgefühle ab. „Lass dich am Anfang kurz blicken und schleich dich hinaus, sobald die Zeremonie beginnt."

    „Gut. Ich schicke dir eine Nachricht, sobald wir mehr wissen."

    „Und sei vorsichtig!"

    „Das bin ich doch immer."

    Nach einem Blick auf die vergoldete Bronzeuhr auf dem Kaminsims stieß Gabriel einen leisen Fluch aus. Er war spät dran. Jetzt würde er das übliche eiskalte Auftreten seiner Gattin ertragen müssen. Er nahm noch einen Schluck von seinem Brandy und wappnete sich für die Begegnung mit der Frau, die er geheiratet hatte.

    Olivia, die Duchess of Winterbourne, ließ ihren Neffen Michael auf den Knien hüpfen und warf einen weiteren Blick auf die Standuhr neben der Salontür. Nicholas’ Breeching-Zeremonie hätte schon vor zwanzig Minuten beginnen sollen. Ihr Sohn konnte es kaum erwarten, diesen ersten Schritt auf dem Weg zum Mann hinter sich zu bringen. Er würde keine Kleidchen mehr anziehen müssen, sondern ab jetzt Hosen tragen dürfen. Wie viel länger wollte Gabriel sie alle noch warten lassen?

    Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihre Schwiegermutter, die ganz in der Nähe saß. Als ihre Blicke sich trafen, warf die Herzoginwitwe ihr einen mitfühlenden Blick zu.

    Ihre Schwester Victoria setzte sich neben sie. „Meinst du, er hat es vergessen?"

    „Welcher Mann vergisst die Breeching-Zeremonie seines Sohnes? Olivia rieb sich die Stirn und hoffte, dass ihr Gatte nicht so ein Mann war. „Mr. James ist ein zuverlässiger Sekretär. Ich bin sicher, dass er Gabriel daran erinnert hat.

    „Vielleicht war sich Mr. James unsicher wegen der Uhrzeit."

    Olivia hatte ihn während ihres üblichen morgendlichen Treffens an die Zeit erinnert. Nein, diese Verspätung war allein Gabriel zuzuschreiben. Sie würde ihm noch fünf Minuten geben, dann würde sie nach Bennett klingeln, damit er ihn suchte. Dabei sollte es sie nicht überraschen, dass Gabriel zu spät kam. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass Gabriel nur an sich selbst dachte. „Ich bin sicher, dass Mr. James ihm die richtige Uhrzeit mitgeteilt hat."

    „Sprecht ihr wirklich gar nicht mehr miteinander?", erkundigte sich Victoria.

    „In seiner Gegenwart fühle ich mich immer noch an das erinnert, was er getan hat. Es ist besser, wenn ich ihm aus dem Weg gehe."

    „Mutter hat uns beigebracht, von den Männern, die wir heiraten, nichts zu erwarten. Sie hat stets gesagt, dass wir für sie nur ein Mittel sind, um einen Erben zu bekommen. Du hättest auf sie hören sollen", sagte Victoria sanft.

    Ihre Mutter sprach aus Erfahrung. Ihr Gatte hatte sie nur geheiratet, um eine politische Allianz mit ihrem Vater, dem Duke of Strathmore, zu schmieden. Er hatte nie Interesse an der Person seiner Frau gezeigt, und auch die Gefühle seiner Töchter waren ihm gleichgültig gewesen. Ihr Vater hatte Victoria nur deswegen dem Marquess of Haverstraw zur Frau gegeben, weil dessen Ländereien an den Besitz der Wiltshires grenzten. Und er hätte nicht erfreuter sein können, als der Duke of Winterbourne, ein Günstling des Prinzregenten, ein gewisses Interesse an Olivia gezeigt hatte. Seine Freude hatte nichts mit den Gefühlen seiner Tochter in dieser Angelegenheit zu tun. Kein einziges Mal hatte er mit ihr über Gabriel gesprochen, weder bevor noch nachdem er der Hochzeit zugestimmt hatte.

    Doch Gabriel hatte sie überrascht. Er hatte ihr zugehört und sich wirklich für ihre Meinung und ihre Neigungen interessiert. Die volle Aufmerksamkeit eines Mannes zu haben, der so gut aussah und so mächtig war, war berauschend gewesen.

    Nachdem er ihr etwa einen Monat lang den Hof gemacht hatte, war er so rücksichtsvoll, sie zuerst um ihre Hand zu bitten, ehe er ihren Vater fragte. Närrischerweise hatte Olivia sich in ihn verliebt und glaubte, dass er ihre Liebe eines Tages erwidern würde. Aber das hat er nie getan.

    „Man kann dem Herzen nicht vorschreiben, wohin es sich wendet", sagte sie zu Victoria. Wenn das möglich wäre, hätte es ihr unzählige tränenreiche Nächte erspart.

    „Ich habe nie verstanden, warum du ihn in dein Herz gelassen hast. Ihr habt euch doch ständig gestritten."

    „Das haben wir nicht. Wann hast du das je erlebt?"

    „Normalerweise während des Dinners."

    „Eine Diskussion mit unterschiedlichen Standpunkten ist kein Streit."

    „Mich würden solche Gespräche mit Haverstraw ermüden. Victoria streckte die Arme nach ihrem Sohn aus. „Ich kann Michael nehmen. Ich fürchte, er ist ziemlich schwer geworden.

    Olivia ließ Michael höher hüpfen, und freute sich, als das Kind anfing zu glucksen. „Unsinn, er ist leicht wie eine Feder. Ich erinnere mich noch daran, wie ich Nicholas so mühelos hochheben konnte. Jetzt wird man ihm seine Löckchen abschneiden, und er wird seine Kleidchen gegen kurze Hosen und maßgefertigte Jäckchen tauschen."

    Als sie ihre Nase an Michaels feinem blonden Haar rieb, griff er nach einer Locke, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte. „Ich vermisse den Geruch eines Babys."

    „Wenn du ihn hältst, nachdem er gegessen hat, wirst du deine Meinung rasch ändern."

    Olivia lächelte.

    Und dann spürte sie es. Obwohl sie versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, wusste sie irgendwie immer, wenn Gabriel einen Raum betrat. Es war, als würde ein unsichtbares Band direkt von ihm zu ihr führen.

    Seine hochgewachsene, breite Gestalt versperrte den Blick auf den Korridor hinter ihm. Seiner ruhigen Miene nach zu urteilen war ihm nicht klar, dass sich die Zeremonie seinetwegen verzögert hatte. Oder es war ihm schlicht gleichgültig.

    Als würde er die unsichtbare Verbindung ebenfalls spüren, suchte Gabriel ihren Blick und nickte höflich. Er sah sich im Zimmer um. Seine wie gemeißelt wirkenden Züge blieben ungerührt, bis er Nicholas erblickte, der aus dem Fenster schaute. Erst da hoben sich seine Lippen zu einem Lächeln, und an seinen haselnussbraunen Augen bildeten sich kleine Fältchen.

    Olivia zwang sich, den Blick abzuwenden. Vor Jahren einmal hatte dieses Lächeln ihr gegolten, und es hatte ihr Herz stets schwellen lassen. Jetzt zog sich ihr Herz schmerzlich zusammen, wann immer sie Zeugin dieses Lächelns wurde.

    Gabriel begrüßte zuerst ihre, dann seine Mutter, ehe er auf Olivia zukam. Sein Blick wurde kurz weicher, als er Michael ansah, der sich gerade die kleine Faust in seinen Mund schob.

    „Duchess, Lady Haverstraw, ich hoffe, ihr seid beide wohlauf?", sagte er steif und förmlich.

    Sein Brand-Atem verriet Olivia, womit er sich beschäftigt hatte, während ihre Familien auf ihn gewartet hatten. „Vielen Dank, das sind wir. Da du recht spät gekommen bist, nehme ich an, dass es dir nicht so gut geht? Aber ich merke, dass du dich mit etwas Brandy entspannt hast, während wir uns darum sorgten, wie lange wir die Kinder noch hinhalten können, ehe sie anfangen, an den Vorhängen emporzuklettern", sagte sie in dem süßesten Tonfall, den sie fertig brachte.

    „Vergib mir. Dringende Geschäfte hielten mich bis jetzt auf. Hätte ich mich früher losmachen und mich zu euch gesellen können, hätte ich es getan."

    Als er den Kopf abwandte und Andrew ansah, der sich Nicholas näherte, fiel ihr eine feine rote Linie über Gabriels linker Braue auf.

    „Hast du dich heute beim Ankleiden verletzt?"

    Er begann, den goldenen Siegelring an seinem kleinen Finger zu drehen. „Ich bin heute Morgen gegen einen tiefhängenden Zweig im Park geritten."

    Ein einziges Mal hatte sie erlebt, dass er mit diesem Ring herumspielte. Damals hatte er nach Nicholas’ Geburt an ihrem Bett gestanden – und sie hatte ihn kurz darauf aus dem Zimmer geworfen. „Ich kann mir vorstellen, dass du ein paar Worte sagen möchtest, bevor die Zeremonie beginnt."

    Einen flüchtigen Moment lang starrte er sie ausdruckslos an. „Natürlich."

    „Sehr schön. Während du deine Gedanken sammelst, informiere ich Nicholas, dass wir endlich anfangen können." Sie setzte ihren Neffen auf Victorias Schoß. Als sie aufstand, wehte ihr eine weitere Brandy-Wolke entgegen. Gabriel machte es ihr wirklich schwer, dem Drang zu widerstehen, ihm auf den Fuß zu treten, als sie an ihm vorbeiging.

    Sobald die Kutschen mit den letzten Gästen in die Auffahrt einbogen und verschwanden, kehrte Olivia in den Grünen Salon zurück. Ihre Schwiegermutter saß auf einem Sofa und sah Gabriel und Nicholas zu, die am anderen Ende des Raumes ein Kartenhaus bauten. Gabriel lag ausgestreckt auf dem Aubusson-Teppich und stützte sich auf die Ellenbogen. Olivia rief sich in Erinnerung, wann sie ihn das letzte Mal in so lässiger Pose gesehen hatte. Es war vor sechs Jahren gewesen, auf dem Teppich in ihrem Schlafzimmer. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, das Bild aus ihrem Kopf zu vertreiben.

    Sie brauchte ein Glas Wein, doch leider gab es nur Tee. Sie ging zum Tisch mit den Tassen und sah Gabriels Mutter an. „Möchtest du noch einen Tee, Catherine?"

    „Wenn du auch noch eine Tasse nimmst. Es war doch recht anstrengend. Ein Tee wird mir guttun."

    Olivia reichte Catherine eine Tasse und schenkte sich selbst ebenfalls ein. Sie unterdrückte den Impuls, noch einmal zu Gabriel zu blicken. Es war ihr nahezu unmöglich, seine Anwesenheit noch sehr viel länger zu ertragen. Gegen den Unmut, der sich in ihr aufstaute, würde auch der Tee nicht helfen.

    „Der Sohn deiner Schwester ist wirklich bezaubernd, sagte Catherine und machte Platz, damit Olivia sich neben sie setzen konnte. „Als ich dich mit ihm gesehen habe, dachte ich daran, wie du vor wenigen Jahren mit Nicholas gespielt hast. Und jetzt sieh ihn dir an. In diesem Anzug und mit geschnittenen Haaren sieht er aus wie eine kleinere Ausgabe seines Vaters und seiner Onkel. Sie musterte Olivia über den Rand ihrer Tasse hinweg. „Bald wird er alt genug sein, um seine Ausbildung in Eton zu beginnen."

    Olivia blieb das Herz stehen. Das würde Gabriel ihr nicht antun! Oder? „Hat dein Sohn dir gegenüber erwähnt, dass er ihn fortschicken will?"

    „Du bist die Mutter seines Erben. Habt ihr beide noch nicht über seine weitere Erziehung gesprochen?"

    Olivia schüttelte den Kopf. „Ich nahm an, er würde wie sein Vater weiterhin zu Hause unterrichtet werden, bis er nach Cambridge geht." Sie schaute kurz zu Gabriel und fragte sich, ob er andere Pläne hatte.

    „Gut möglich. Aber du wirst es nicht mit Sicherheit wissen, solange du nicht mit ihm darüber sprichst. Catherine warf ihr einen abwägenden Blick zu, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf ihren Sohn und ihren Enkel richtete. „Mein Mann hat auch immer Kartenhäuser mit den Jungen gebaut, als sie noch Kinder waren. Er hatte einen wahren Narren an ihnen gefressen.

    Olivia beneidete die Frau. Das erste Jahr ihrer eigenen Ehe war zwar wunderbar gewesen, doch das hatte sich nach Nicholas’ Geburt geändert. Sie schaute noch einmal zum Teppich und beobachtete das spielerische Miteinander von Vater und Sohn. Olivia wusste, dass Gabriel den Jungen liebte, aber sie wollte nicht mit ansehen, wie er sich väterlich mit ihm beschäftigte.

    „Nicholas braucht einen Bruder."

    Der Schluck Tee, den sie gerade im Mund hatte, stieg ihr fast in die Nase. Sie musste so heftig husten, dass Vater und Sohn zu ihr herüberblickten.

    „Geht es dir gut, Mama?", fragte Nicholas, und die hochgezogene Braue ließ ihn tatsächlich wie eine kleinere Ausgabe des Mannes neben ihm aussehen.

    Olivia nickte und versuchte, den Hustenreiz zu unterdrücken. Als der Husten nachließ und das Brennen in ihrer Nase weniger wurde, tupfte sie sich verstohlen die Augen.

    „Gabriel braucht noch einen Sohn", bekräftigte Catherine.

    Olivia wusste, dass es niemals dazu kommen würde – es sei denn, sie würde unbefleckt empfangen. Nie wieder würde sie Gabriel in ihrem Bett dulden. „Nicholas ist ein gesunder Junge. Wir haben bereits unseren Erben."

    „Im Leben gibt es keine Sicherheit. Es ist klug, für unvorhergesehene Ereignisse vorzuplanen. In dieser Familie ist man stolz auf die ungebrochene direkte Erbfolge. Es sollte doch nicht weiter schwer für dich sein, noch ein Kind zu bekommen."

    Olivia weigerte sich, ihre Schwiegermutter anzusehen. Ein scharfer Schmerz zerschnitt ihr das Herz bei dem Gedanken, ihr kleiner Junge könnte sterben.

    „Gewiss habt Gabriel und du doch schon darüber gesprochen, weitere Kinder zu bekommen."

    „Oh, natürlich", murmelte Olivia und nahm einen stärkenden Schluck Tee.

    „Dann muss man also nur die Natur ihren Lauf nehmen lassen?"

    „Du sagst es."

    Als sie begriffen hatte, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekommen würde, hatte sie das Gefühl gehabt, jemand hätte ihr ein Stück ihres Herzens herausgerissen. Falls Gabriel vorhatte, Nicholas auf ein Internat zu schicken, würde das eine weitere gewaltige Lücke in ihr Leben reißen, die sie durch nichts würde füllen können. Dann wäre sie allein und hätte niemanden mehr, den sie lieben könnte.

    Gabriel atmete tief durch, als Olivia auf ihn und Nicholas zukam. „Es ist Zeit, ins Bett zu gehen, mein Liebling", sagte sie zu dem Jungen.

    Gabriel erinnerte sich, diese Worte bereits zuvor gehört zu haben. Es war in der letzten Nacht gewesen, in der er Erfüllung bei einer Frau gefunden hatte – das letzte Mal, als er mit seiner Frau geschlafen hatte. Er biss sich auf die Lippe, um das Bild von Olivia zu vertreiben, wie sie unter ihm lag und ihre weichen Schenkel an ihn presste. All die Jahre der Entfremdung hatten sein Verlangen nach ihr nicht gemindert.

    „Sieh dir nur unsere mächtige Burg an, Mama. Sie ist fast so hoch wie ich."

    „Ich bin wirklich beeindruckt. Du hast eine sehr ruhige Hand."

    Nicholas sah seinen Vater aus großen haselnussbraunen Augen an. „Muss ich wirklich schon zu Bett, Papa? Ich bin doch bereits fast ein Mann."

    Gabriel schaute kurz zu Olivia, um ihre Reaktion abzuschätzen. Sie hatte den Kopf geneigt und den Blick auf Nicholas gerichtet, sodass er ihre Gesichtszüge nicht erkennen konnte. Unwillkürlich blickte er auf die sanfte Wölbung ihrer verlockenden Brüste, versteckt unter der zitronenfarbenen Seide ihres Kleides. Wie gerne würde er erst bei der einen, dann bei der anderen Brust die Kurven nachzeichnen! Er ballte die Hände, um das Zittern der Finger zu unterdrücken. Ihr so nahe zu sein war immer eine Qual. „Wenn deine Mutter sagt, es sei Zeit fürs Bett, dann musst du gehorchen. Aber wir können unsere Burg nicht in die Hand von Feinden fallen lassen. Warum reißt du sie nicht ein, bevor sie angreifen, während wir schlafen?"

    „Was für eine prima Idee!"

    Sogleich begann sein Sohn damit, die Festung zu zerstören. „Gut gemacht, Nicholas. Und jetzt umarme deine Mutter und mich."

    Der Junge schlang ihm die Arme um den Nacken und drückte ihn fest. Als er seinen Griff lockerte, grinste er so breit, dass seine Zahnlücke deutlich zu erkennen war. „Gute Nacht, Papa. Ich danke dir vielmals für dieses rassige Reittier."

    Bei diesen gestelzten Worten schlug Olivia sich eine Hand vor den Mund, um nicht laut aufzulachen, und Gabriel biss sich auf die Lippe. Ihre Blicke trafen sich kurz, bevor sie sich hastig abwandte.

    „Wer hat dir das denn beigebracht?, frage Gabriel, ehe er eine Hand hob. „Unwichtig, ich glaube, ich weiß schon, welcher Onkel es war. Das ist nicht die Art, wie ein zukünftiger Duke mit seinem Pferd spricht.

    „Onkel Andrew hat gesagt, mein Pferd sei eine richtig süße Stute. Er sagt, ein Gentleman, der ein echter Kerl sein will, braucht ein edles Vollblut, um das die anderen Herren ihn beneiden. Er sagte, ich soll ihn nicht so nennen, wie ein Mädchen ein Pferd nennen würde, nichts mit Blumen oder so. Weißt du, dass ich eines Tages, wenn ich gut reiten kann, mit ihm zur Fuchsjagd darf? Zu einer richtigen Jagd! Onkel Andrew sagt, dass er mich mitnehmen wird. Ich kann an dem Tag den Unterricht ausfallen lassen, und dann nimmt er mich mit zur Fuchsjagd! Gehst du mit mir reiten, Papa? Darf ich morgen auf meinem Pferd reiten?"

    Es war ein Wunder, dass sein Sohn nicht außer Atem geriet. „Vielleicht können wir morgen vor dem Frühstück im Hyde Park ausreiten."

    Voll Vorfreude stieß der Junge einen Schrei aus.

    „Aber dafür musst du früh aufstehen", fuhr Gabriel fort. „Viele Dinge erfordern meine Aufmerksamkeit, und ein Gentleman kommt stets seinen Pflichten nach. Schaffst du es,

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