100. Magie des Herzens
Von Barbara Cartland
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Rezensionen für 100. Magie des Herzens
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100. Magie des Herzens - Barbara Cartland
1
Auf dem besten Pferd, das aufzutreiben war, machte sich Lord Yelverton auf seinen langen, anstrengenden Ritt gen Süden.
Die Eisenbahnverbindung führte von Mexico City bis nach Iguala. Von dort aus mußte er die Strecke nach Acapulco, wo er eine äußerst wichtige Verabredung hatte, im Sattel zurücklegen.
Er wußte, daß in Mexiko primitive Verhältnisse herrschten und krasse Klassenunterschiede zwischen den Kreolen und Mestizen auf der einen Seite und den unterdrückten Indianern auf der anderen bestanden.
Worauf er jedoch nicht vorbereitet war und was ihm beinahe den Atem verschlug, war die Schönheit des Landes, das er durchquerte.
In der Ferne hoben sich die schneebedeckten Gipfel eines Gebirgsmassivs vom strahlenden Blau des Himmels ab. Die Hänge der nahegelegenen Hügel waren mit Bäumen dicht bewachsen, durch tiefe Täler schlängelten sich silbern schimmernde Flußläufe, hin und wieder von Wasserfällen unterbrochen, die sich mit donnerndem Getöse in Seen stürzten.
Die Ufer waren von den malvenfarbenen Blüten der lirio, der Wasserhyazinthen, gesäumt, und zu beiden Seiten der Landstraße, die Lord Yelverton gemächlich entlangritt, breitete sich ein farbenprächtiger Blumenteppich aus, aus dem zuweilen bizarr geformte, riesige Kandelaberkakteen aufragten.
In dieser wunderbaren Gegend schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Lord Yelverton vergaß beinahe den Anlaß seiner Reise - er hätte ewig so weiterreiten mögen.
Diese Neigung, sich einfach treiben zu lassen, hatte er auch bei vielen Mexikanern beobachten können, besonders in Mexico City, der auf einem Hochplateau errichteten Hauptstadt des Landes.
Er hatte sich intensiv dem Studium der Geschichte all der prachtvollen und mächtigen indianischen Reiche gewidmet, die längst untergegangen waren. Voller Forscherdrang hatte er schließlich selbst Ausgrabungen einiger Schätze dieser alten Kulturvölker vorgenommen, die sich bereits im Jahre 1000 v. Chr. mit der Herstellung von Waffen und Silberfiligranarbeiten beschäftigt hatten.
Die Geschichte dieser Schätze übte eine so starke Faszination auf ihn aus, daß er nicht eher Ruhe zu finden glaubte, bis er sich auch in Mexiko auf Entdeckungsreise begeben hatte.
Vor Jahren schon hatte er sich als Archäologe einen Namen gemacht; er war maßgeblich an Ausgrabungsarbeiten in den ägyptischen Königsgräbern beteiligt gewesen und hatte antike Stätten in der Türkei entdeckt, deren Existenz der Menschheit bis dahin unbekannt gewesen war. Bedeutende römische Ausgrabungen in Libyen waren seinen archäologischen Kenntnissen und den Geldmitteln zu verdanken, die er in das Unternehmen investiert hatte.
Er hatte jedoch immer schon Mexiko als sein persönliches El Dorado betrachtet, in dem er viele unentdeckte antike Schätze vermutete. Eigentlich hatte er die Absicht gehabt, nach seiner Expedition in Ägypten eine Ruhepause einzulegen, bevor er sich auf die Reise zu seinem Traumziel machte, doch einigen merkwürdigen Begebenheiten war zuzuschreiben, daß er eher hier erschienen war, als er ursprünglich geplant hatte.
Seine erste Station war Mexico City gewesen, das nur wenig Eindruck auf ihn gemacht hatte. Alle möglichen Leute hatten jede sich bietende Gelegenheit genutzt, ihn in Diskussionen über die Zukunft des Landes zu verwickeln, allerdings ohne Erfolg, denn er hatte es sich zum Prinzip gemacht, sich niemals in die Politik seiner Gastländer einzumischen und sich nur um die eigenen Belange, seine wissenschaftlichen Forschungen, zu kümmern.
Mit seinen knapp zweiunddreißig Jahren war Lord Yelverton ein sehr zurückhaltender und auf Distanz bedachter Mann. Bei vielen seiner Mitmenschen hatte ihm das den Ruf eingetragen, arrogant und gefühlsarm zu sein, doch diejenigen, die in seinen Diensten standen, zollten ihm uneingeschränkten Respekt.
Vermutlich wäre so mancher überrascht gewesen, hätte er geahnt, wie glücklich und aufgeregt der Lord war, als er sich mit einer kleinen, aus Packpferden und Maultieren bestehenden Karawane nach Acapulco in Marsch setzte. Begleitet wurde er von Freiwilligen aus den Reihen seiner Dienerschaft.
Er war heilfroh gewesen, der Hauptstadt mit ihren Bewohnern, den Politikern, Bankiers und Geschäftsleuten, die alle nur darauf erpicht waren, aus der Anwesenheit des britischen Lords auf irgendeine Weise Profit zu schlagen, den Rücken kehren zu können.
Selbst die herzliche Gastfreundlichkeit, die ihm zuteil geworden war, konnte ihn nicht dazu bewegen, länger als unbedingt nötig in der Metropole zu verweilen.
Ihn zog es ins Landesinnere, an den riesigen Weizen- und Maisfeldern und sattgrünen Zuckerrohrplantagen vorbei, die sich zu beiden Seiten der Bahnschienen ausbreiteten.
Außerhalb der Stadt bewegten sich die Mexikaner viel freier und beschwingter, fand er. Sie trugen den breitkrempigen Hut schräg auf dem Kopf, hielten sich kerzengerade und ließen den Faltenwurf ihres Ponchos wie einen Königsmantel um die Schultern wehen.
Es waren ausnehmend interessante Menschen mit dichtem, schwarzem Haar, das wie prächtiger Federschmuck glänzte.
Mochten die Zukunftsaussichten der Indianer in diesem Land noch so trübe sein, ihr Lebensmut schien ungebrochen; sie schienen entschlossen, ihr Dasein zu meistern trotz ihrer berechtigten Sorge, das gleiche harte Schicksal zu erleiden wie ihre Vorfahren.
Mehr als in irgendeinem anderen Land der Welt war in Mexiko die Vergangenheit untrennbar mit der Zukunft verbunden, erkannte Lord Yelverton, und es gab für ihn hier mehr zu entdecken als nur antike Vasen oder Keramikgefäße.
Das, was andere Forscher uralter Kulturen in Begeisterung versetzte, interessierte ihn nicht; ihm ging es vielmehr um etwas, das er seit seiner Ankunft in Mexiko bisher nur einem einzigen Menschen anvertraut hatte.
Auf der Rückreise aus Ägypten hatte sich ein Matrose an ihn herangemacht und ihm einen kleinen geschnitzten Jaguarknochen gezeigt, den er als Talisman bei sich trug.
Die mystischen Symbole hatten Lord Yelverton sofort fasziniert, denn sie ließen auf eine sehr frühe Kultur schließen. Neugierig hatte er den Seemann gefragt, woher sein Glücksbringer stamme.
»Ich bin Mexikaner, Mylord«, lautete seine Antwort.
»Dann haben Sie ihn wohl an einer der Ausgrabungsstätten in Ihrem Land gefunden?«
Der Mexikaner schüttelte den Kopf.
»Ist das Ding wertvoll?« fragte er erwartungsvoll.
»Was bieten Sie dafür?«
Seine dunklen Augen verrieten nackte Gier, und sein bisher mürrisches Gesicht zeigte ein hoffnungsvolles Lächeln.
Lord Yelverton nannte ihm eine Summe, die dem Seemann die Sprache verschlug und genau das bewirkte, was der Lord sich erhofft hatte.
Der Mexikaner hatte einen weiteren kleinen Gegenstand aus der Tasche gekramt aus dunklem Bernstein, wie er in der westlichen Welt kaum noch anzutreffen war, und ebenfalls mit symbolischen Schnitzereien versehen.
Lord Yelverton erkannte mit einem Blick, daß er zwei nahezu makellose antike Kostbarkeiten in den Händen hielt, die all die Jahrhunderte des Zerfalls, der Zerstörung und der kriegerischen Auseinandersetzungen unbeschädigt überstanden hatten.
Er war nicht überrascht, als er gleich nach seiner Ankunft in Mexiko von einem bedeutenden Kunstexperten des Landes erfuhr, daß die beiden Stücke zweifelsfrei der klassischen Periode von Monte Alban entstammten.
»Dort vermutet man noch zahlreiche verborgene Schätze«, hatte der Kurator erklärt. »Bereits im kommenden Monat ist eine Expedition in diese Gegend geplant, um nach alten Gräbern zu suchen. Ich verspreche mir sensationelle Erkenntnisse von den Funden.«
Lord Yelverton hielt diese Hoffnung seines Gesprächspartners für durchaus berechtigt, denn auch er wußte, daß die Herrscher der Mixteken, die nahezu das gesamte Territorium der Zapoteken unter ihre Gewalt gebracht hatten, mit kostbaren Kleinodien aus Gold, Silber, Bernstein, Jett und Korallen und mit prächtigem Halsschmuck aus Bergkristall bestattet worden waren.
Geschichtsschreiber berichteten, daß Tausende von Perlen, teilweise so groß wie Taubeneier, in diesen Grabkammern zu finden seien.
Aber Lord Yelverton hatte nicht die Absicht, Monte Alban einen Besuch abzustatten. Zweifellos würde es bereits von übereifrigen Archäologen, die sich auf Schatzsuche befanden, überlaufen sein. Stattdessen beschloß er, nach Acapulco zu reisen.
Als der Matrose diesen Ort erwähnt hatte, war er für Lord Yelverton nichts weiter als ein Name gewesen, den man einem mexikanischen Küstenort gegeben hatte.
Nach seiner Rückkehr nach England hatte er jedoch einige Nachforschungen angestellt und in Erfahrung gebracht, daß die Spanier unter Cortez bereits 1530 nach Acapulco gekommen waren.
Von diesem Hafen aus waren Schiffe zu dem anderen Juwel des neuen spanischen Weltreichs, nach Peru, gesegelt und hatten von dort aus den Golf von Kalifornien erforscht.
Nachdem die Spanier Mexiko und den größten Teil von Zentral- und Südamerika besetzt hatten, eroberten sie die Philippinen.
Geschichtlichen Nachschlagewerken hatte Lord Yelverton zudem entnommen, daß im Jahre 1565 die ersten spanischen Schiffe von Manila aus ostwärts gesegelt waren; sie hatten den Pazifik überquert und schließlich Acapulco angelaufen, das bald zu einem der wichtigsten Handelshäfen der Welt geworden war.
Schiffe aus China und Japan gingen dort vor Anker, um ihre Fracht zu löschen, die auf Mulis quer durchs Land an die Atlantikküste nach Veracruz transportiert wurde.
Nach dem Abzug der Spanier war der Handel mit dem Fernen Osten zum Erliegen gekommen und Acapulco zu einem kleinen, unbedeutenden Fischerdorf verfallen.
Deshalb wäre Lord Yelverton auch nie auf die Idee gekommen, diesen Ort aufzusuchen, hätte ihm nicht der Kurator, dessen Gutachten er in Mexico City eingeholt hatte und dem er vertraute, dringend dazu geraten.
»Warum sollte ich die Strapaze dieser langen Reise auf mich nehmen?« hatte Lord Yelverton sich gewundert.
»Weil Sie unbedingt Ajax Audenshaw kennenlernen müssen, Mylord.«
»Wer ist dieser Mann?«
Sein Gesprächspartner hatte ihn erstaunt angesehen.
»Sie haben bestimmt schon von ihm gehört, Mylord«, meinte er dann. »Seine Beiträge für die Geographische Gesellschaft gelten als sensationell; das Buch, das er vor vier Jahren über die Geschichte der Azteken geschrieben hat, enthält mehr wissenswerte Fakten als alles, was bisher über dieses alte Kulturvolk zusammengetragen wurde.«
»Aber natürlich«, hatte Lord Yelverton sich daraufhin erinnert, »jetzt weiß ich, von wem Sie sprechen.«
»Ein seltsamer Heiliger ist er und völlig unberechenbar«, führte der Kurator weiter aus, »aber er ist weit und breit der einzige Mensch, der Ihnen weiterhelfen kann. Wenn er sich weigert, etwas für Sie zu tun, werden Sie unverrichteter Dinge die Heimreise antreten müssen.«
Das war deutlich und berührte Lord Yelverton höchst unangenehm, denn es widerstrebte ihm, auf die Gnade irgendeines anderen angewiesen zu sein.
Der Kurator erläuterte ihm, weshalb er im Alleingang nichts erreichen würde.
»Die Eingeborenen verübeln einem Fremden, wenn er die Ruhe ihrer Toten stört, ganz gleich, ob diese schon seit Tausenden von Jahren tot sind.«
»Wollen Sie mir damit etwa zu verstehen geben«, fragte Lord Yelverton ungläubig, »daß es für mich gefährlich wäre, eine Expedition ohne Audenshaws Beistand durchzuführen?«
»Genau das wollte ich Ihnen klarmachen, Mylord«, gestand der Mexikaner mit verlegenem Lächeln.
»Dann werde ich Ihren Rat natürlich befolgen und Mr. Audenshaw meine Aufwartung machen«, entschied Lord Yelverton.
»Ich muß Sie warnen«, erklärte sein Gesprächspartner mit Nachdruck. »Dieser eigenwillige Mann wird in keiner Weise Ihren Vorstellungen entsprechen. Meinen Informationen zufolge hat er die Altertumsforschung an den Nagel gehängt und versucht sich zur Zeit als Maler.«
»Er malt Bilder?« Lord Yelverton war überrascht. »Wie kann ein Mensch nur seine Talente und sein Wissen auf so mannigfaltigen Gebieten der Wissenschaft derart vergeuden?«
»Man hat vergeblich versucht, ihn zur Umkehr zu bewegen«, wußte der Mexikaner zu berichten. »Er hat sich jedoch von jeher über bestehende Konventionen hinweggesetzt und nur seinen Neigungen gelebt. Wenn ihm der Sinn danach steht zu malen, dann malt er eben, und wenn er Ihnen aus irgendeiner Laune heraus den Beistand verweigert, Mylord, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als wieder abzureisen.«
Diese Worte klangen Lord Yelverton noch