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Die Entdeckung Brasiliens: Auf der Atlantikfahrt nach Indien zur Terra da Vera Cruz
Die Entdeckung Brasiliens: Auf der Atlantikfahrt nach Indien zur Terra da Vera Cruz
Die Entdeckung Brasiliens: Auf der Atlantikfahrt nach Indien zur Terra da Vera Cruz
eBook341 Seiten4 Stunden

Die Entdeckung Brasiliens: Auf der Atlantikfahrt nach Indien zur Terra da Vera Cruz

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Über dieses E-Book

Pedro Álvares Cabrals Südatlantik-Expedition war eine logistische Meisterleistung. Aus diesem Grund scheint es aus der Sicht der heutigen Geschichtswissenschaft verwunderlich, die am 22. April 1500 gemachte Entdeckung der brasilianischen Küste einer Unterschätzung der Strömungsverhältnisse und damit dem Zufall zuschreiben zu müssen. Dennoch wurden Stimmen laut, die Cabral den Ruhm der "wahren" Entdeckung Brasiliens absprechen wollen, und meinen, dass das Land bereits damals, zumindest den Umrissen nach, kartiert gewesen sei. Eine finale Antwort auf diese Frage wird wohl niemand geben können. Die akribische Quellenrekonstruktion von Dr. Johannes Pögl bringt jedoch viel Licht ins Dunkel und macht den Leser auf spannende Weise mit einigen der frühesten und aufschlussreichsten Dokumenten der Entdeckungsgeschichte vertraut.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Juni 2013
ISBN9783843803090
Die Entdeckung Brasiliens: Auf der Atlantikfahrt nach Indien zur Terra da Vera Cruz

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    Buchvorschau

    Die Entdeckung Brasiliens - Pedro Álvares Cabral

    Bildnachweis

    EINFÜHRUNG

    Als im September des Jahres 1499 Vasco da Gama mit dem Flaggschiff seiner Flotte, der »São Gabriel«, in die Mündung des Tejo einfuhr, war die Nachricht vom Erfolg seiner einmaligen Entdeckungsfahrt bereits längst in aller Munde und der Jubel über diesen so glücklichen Abschluss der beinahe ein Jahrhundert zuvor begonnenen Suche nach einem Seeweg zu den Handelshäfen der westindischen Küste schon wieder verklungen. Auf der Rückfahrt von Indien hatte sich Nicolau Coelho, der Kapitän der »Bérrio«, vom Geschwader getrennt und war vorausgeeilt, um am 10. Juli desselbigen Jahres König Manuel I. von Portugal die Meldung von der Erreichung Indiens zu Schiff zu überbringen.

    Die kleine, aus vier Schiffen bestehende Flotte Vasco da Gamas war am 8. Juli 1497 von Lissabon aus in See gestochen, hatte das Kap der Guten Hoffnung umrundet und gelangte nach einer ereignisreichen Fahrt entlang der afrikanischen Ostküste und über das Arabische Meer nach Calicut. Diese Stadt galt als Handelsmetropole des südlichen Vorderindiens und war schon von dem arabischen Weltreisenden und Geographen Ibn Battuta als eine der fünf bedeutendsten Welthafenstädte erwähnt worden. Als Hauptumschlagplatz für den Seehandel im nahöstlichen und südasiatischen Raum reichte ihre Ausstrahlung bis nach Ceylon, Hinterindien, Indonesien, den Molukken und sogar nach China. Welche Bedeutung dieser Stadt zukam, ließ sich bereits aus dem Titel ersehen, den der Fürst von Calicut führte; denn »Raja Samudrin« – von den Portugiesen zu »Samorim« verballhornt – bedeutete so viel wie »Herr des Meeres«.¹

    Mit der Eröffnung dieses Seewegs nach Indien und Ostasien um den afrikanischen Kontinent herum war ein jahrhundertealter Traum aller seefahrenden Nationen Westeuropas in Erfüllung gegangen. Doch der exzellente Nautiker Vasco da Gama, dessen Reise als eine der wenigen zur Gänze von Erfolg gekrönten Entdeckungsfahrten in der Geschichte der Seefahrt verzeichnet ist, hatte sich als ein schlechter Diplomat erwiesen und war bei dem Versuch, mit den Potentaten der indischen Küstenstaaten gewinnträchtige Handelsbeziehungen anzubahnen, gescheitert. Unerwartet schlecht war der Empfang, den man den Portugiesen in Calicut bereitete; arabische, jüdische und ägyptische Händler hatten seit Jahrhunderten das Monopol des Zwischenhandels mit Spezereien und Luxusartikeln aus dem Fernen Osten nach den Mittelmeerhäfen der Levante inne und nützten ihre machtvolle Position, um die Etablierung der unerwartet erschienenen Portugiesen als unliebsame Konkurrenten durch Störaktionen zu verhindern. Auch fehlte es Vasco da Gama an Tauschartikeln, die bei einem – wie sich alsbald zeigte – den Portugiesen kulturell überlegenen Volk, durch dessen Hände unschätzbare Werte gingen, Anklang gefunden hätten.

    So war der große Entdecker gezwungen, seine Rückfahrt mit der Erkenntnis anzutreten, dass die Gewinnträchtigkeit derartiger Unternehmungen nur durch die Unterbrechung des traditionellen Handelswegs aus dem Fernen Osten nach den Häfen Alexandrias und Beiruts und die Verdrängung der Araber aus dem Indischen Ozean gesichert werden konnte.

    Diese Erkenntnis und die von Da Gama irrtümlich verbreitete Falschmeldung, bei den Bewohnern der westindischen Küstenstaaten handle es sich um Christen, versetzten den portugiesischen Königshof und die Kaufmannschaft von Lissabon in neuerliche Aufbruchstimmung. Wenig Zeit war zu verlieren, da es galt, die Araber daran zu hindern, ihre durch die Ankunft der Portugiesen und deren Entdeckung eines neuen, weniger kostenträchtigen Handelswegs nach Westeuropa ins Wanken geratene Monopolstellung abzusichern und Vorbereitungen für die Verteidigung ihrer Handelsmacht zu treffen. Auch blieben nur noch wenige Monate bis zum nächsten März, der günstigsten Zeit für die Abfahrt einer weiteren Flotte, die die größte all derer sein sollte, die bisher auf dem Atlantik gesegelt waren.

    Selten wurde eine Expedition dieser Art mit größerer Sorgfalt vorbereitet. Auf den Schiffswerften und in den Arsenalen Lissabons herrschte rege Betriebsamkeit, denn dreizehn Schiffe mussten innerhalb kurzer Zeit auf den Weg gebracht werden. Zu diesen zählten erstmals Karavellen, deren Lästigkeit jene der bisher auf den Erkundungsfahrten entlang der afrikanischen Küsten eingesetzten Schiffe bei Weitem übertraf. Man nannte diesen neuen Typ »caravela redonda«, runde Karavelle, da ihr hoher, breiter und bauchiger Bug sowie die riesigen, an Rahen befestigten und vom Wind aufgeblähten Segel diesen Eindruck hinterließen und sie von den niedrigen Galeeren der Mittelmeerschifffahrt und den zuvor nur mit Lateinsegeln ausgestatteten kleinen Karavellen unterschieden.

    Auf dieser Flotte von dreizehn Schiffen² sollten an die zwölfhundert Mann Dienst tun, zu deren Versorgung Ausrüstung und Proviant für einen Zeitraum von eineinhalb Jahren bereitzustellen waren. Die Auswahl dieser Mannschaft und ihrer Offiziere erfolgte mit größter Sorgfalt, und ihre Aufgaben waren klar umrissen.

    Das Kommando über die Flotte hatte der König Pedro Álvares Cabral übertragen, einem jungen portugiesischen Edelmann, der zuvor weder zu Lande noch zu Wasser durch außergewöhnliche Taten hervorgetreten war. Aber er entstammte einer der angesehensten portugiesischen Adelsfamilien und schien daher dem mittelbaren Zweck der Expedition, den indischen Herrschern eine Vorstellung von der Größe und politischen Bedeutung des portugiesischen Königreiches zu vermitteln, durch staatsmännisches Auftreten und die Fähigkeit zur Prachtentfaltung zu entsprechen.

    Auch die meisten der Kapitäne jener dreizehn Schiffe rekrutierten sich aus Angehörigen des portugiesischen Adels und verfügten nur zum Teil über die notwendigen nautischen Kenntnisse, da ihnen dieses Kommando von König Manuel allein aufgrund ihrer Verdienste zu Hofe übertragen worden war. Demzufolge lag das Schicksal der Flotte in den Händen der Lotsen und Navigatoren, die zu den besten des Landes zählten. Der fähigste Nautiker unter den Kapitänen war zweifellos Bartolomeu Dias, dem es 1488 als Erstem gelungen war, das Kap der Guten Hoffnung zu umsegeln, und der sein eigentliches Ziel, die indische Westküste, nur eines unglücklichen Zusammentreffens widriger Umstände wegen nicht zu erreichen vermochte. Aber auch Mitglieder der Flotte Da Gamas, wie der Schreiber João de Sá oder Nicolau Coelho, der Kapitän der »Bérrio«, nahmen an der Fahrt Cabrals teil, um ihre kurz zuvor erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in den Dienst dieses neuen Unternehmens zu stellen. Als ein Novum galt die Anwesenheit eines Gelehrten an Bord der Indienfahrer, des Astronomen Meister Johannes, dem die Aufgabe zufiel, den Sternenhimmel des Südens zu erforschen und neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Navigation praktisch zu erproben.

    Die perfekte Organisation der Expedition zeigte sich in der präzisen Aufteilung der Kompetenzen der Führung und der Abstimmung der Flotte auf die ihr zugedachten Aufgaben. Im Gegensatz zur Fahrt Da Gamas, deren Hauptziel die weitere Erkundung des bis dahin nur ein Stück über das Kap der Guten Hoffnung hinaus bekannten Seewegs nach Indien gewesen war, hatte die Flotte Cabrals eine differenziertere Aufgabenstellung zu bewältigen. Wie bereits erwähnt, galt es, den kommerziellen Interessen Portugals in Indien, denen das Handelsmonopol der Erzfeinde des Landes – der Mauren von Mekka, wie die Araber auch genannt wurden – entgegenstand, mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Kräften Geltung zu verschaffen. Hierbei vertraute man auf die Schlagkraft der portugiesischen Artillerie, die den von den arabischen Kauffahrern zudem nur selten geführten leichten Eisenbombarden an Feuerkraft weit überlegen war. Ein Teil der Flotte Cabrals dürfte daher aus schwer bestückten Kriegsschiffen bestanden haben, während der andere für die Beförderung der am Bestimmungsort zu erwerbenden wertvollen Gewürzladungen bestimmt war.

    Die Anbahnung von Handelsbeziehungen, der Abschluss von Verträgen und die Organisation des Warenaustausches fielen in den Kompetenzbereich des Generalfaktors, der vom König gesonderte Instruktionen erhalten hatte und beauftragt war, in Calicut oder einem anderen Hafen der Malabar-Küste eine Faktorei einzurichten. Für die administrative Bewältigung dieser Aufgabe stand ihm ein umfangreicher Beamtenstab zur Seite. Dieses Amt des Faktors hatte Aires Correia inne, ein reicher Kaufherr aus Lissabon, der bereits für die Expedition Vasco da Gamas ein Schiff, die »Bérrio«, ausgerüstet hatte und der durch seine außergewöhnlichen Sprachkenntnisse für diese Aufgabe in besonderem Maße befähigt schien. Die von diesem Unternehmen zu erwartenden hohen Gewinne hatten auch bewirkt, dass nicht nur der König als Repräsentant des portugiesischen Reiches die Finanzierung der Fahrt übernommen hatte, sondern sich auch private Interessenten wie der Graf Dom Álvaro de Bragança und sogar ausländische Geschäftsleute beteiligten. So wurde das Schiff »Anunciada«, das als erstes von Indien zurückkehren sollte, von dem florentinischen Bankier Bartolomeo Marchioni und einigen seiner in Lissabon ansässigen Landsleute ausgerüstet.

    An Bord der Flotte Cabrals, auf die die Bezeichnungen »armada«, Kriegsflotte, und »frota«, Kauffahrerflotte, in gleichem Maße zutrafen, befanden sich aber auch Mönche vom Orden des heiligen Franziskus und Geistliche, die zum Teil in Indien bleiben sollten und deren Aufgabe es war, den christlichen Glauben gemäß der Lehre der römisch-katholischen Kirche in Ländern zu verbreiten und zu festigen, von denen man zu wissen glaubte, dass sie von christlichen Potentaten regiert würden. Es entsprach den Intentionen und Gepflogenheiten der Entdeckernationen jener Zeit, den Völkern fremder Erdteile mit dem Kreuz in der einen und der Waage in der anderen Hand entgegenzutreten, und sie empfanden darin auch keinen Widerspruch, zumal die Waage – mehr noch als das Kreuz – ein Symbol des Friedens war.

    Am 9. März des Jahres 1500 verließ Pedro Álvares Cabral mit seiner imposanten Flotte die Tejo-Mündung und nahm Kurs auf die Kanarischen Inseln. Seine Fahrt führte ihn auch vorbei am Kap São Vicente, dem Standort der Seeschule von Sagres. Von hier aus hatte der Infant Dom Henrique (1394–1460), der als Heinrich der Seefahrer in die Weltgeschichte eingehen sollte, fast achtzig Jahre zuvor begonnen, Schiffe nach der bis dahin unerforschten Westküste Afrikas auszusenden, mit dem utopisch anmutenden Ziel, diesen Kontinent, der sich nach den Vorstellungen der damaligen Zeit als riesige Landmasse weit nach Osten erstreckte und den Indischen Ozean wie einen Binnensee umschloss, zu umrunden.

    Die Beweggründe dieses einmaligen Vorhabens, dessen Gelingen nicht nur zweifelhaft, sondern darüber hinaus auch in weiter Ferne zu liegen schien, waren vielfältiger Natur.

    Die in Portugal bereits Mitte des 13. Jahrhunderts abgeschlossene Reconquista, d. h. die Verdrängung der Mauren aus diesem Reich, und der Fall der an der afrikanischen Nordküste gelegenen maurischen Stadt Ceuta im Jahre 1415 hatten in den Portugiesen das charismatische Selbstgefühl der Auserwählten erweckt, da sie glaubten, von Gott die Aufgabe erhalten zu haben, dem Islam eine endgültige Niederlage zu bereiten. Man besaß in Portugal zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der Existenz christlicher Sekten in Indien und vermutete im Raum des heutigen Abessinien ein riesiges christliches Reich unter der Herrschaft des sagenumwobenen Priesters Johannes. Der Wunsch der Portugiesen, mit dieser vermeintlichen christlichen Macht ein Bündnis einzugehen und so die Mauren von zwei Seiten, in einer Art Zangenbewegung zu bedrängen, mag wohl eine der wichtigsten Triebfedern ihrer unermüdlichen, von bewundernswertem Forscherdrang und ungeheuerer Ausdauer zeugenden Vorstöße in den Südatlantik gewesen sein. Nicht zu übersehen sind jedoch auch wirtschaftliche Beweggründe, vor allem die durch die expandierende Macht der Türken im Mittelmeerraum und durch unerhört hohe Zölle infrage gestellte Versorgung Westeuropas mit Gewürzen und Luxusartikeln aus dem asiatischen Raum, die bislang über den Landweg nach den Levantehäfen gelangt waren.

    Heinrich der Seefahrer und der um ihn versammelte Kreis erstrangiger Gelehrter aus ganz Europa wussten bereits, dass Autoren und Kosmographen der Antike die Umschiffbarkeit Afrikas angenommen hatten, sie besaßen aber auch nicht unbedeutende Informationen über den Raum der Sahara und des Sudan und dessen alte Verkehrswege, über die Waren aller Art nach der Nordküste Afrikas gelangten. Deren Ursprung vermutete man in jenen Gegenden, die man durch wiederholte Fahrten entlang der afrikanischen Westküste zu finden hoffte.

    Stationen dieses mühsamen und – im Vergleich zu der für die Erkundung der noch verbleibenden Wegstrecke nach Indien benötigten Zeitspanne – langwierigen Vordringens bis an den Golf von Guinea waren die 1434 erfolgte Umseglung des Kap Bojador durch Gil Eanes, die Entdeckung des Senegal durch Nuno Tristão im Jahre 1444 und die Umrundung des Kap Verde, die 1454 Dinis Dias gelang.

    Bereits zu diesem Zeitpunkt und noch zu Lebzeiten Heinrichs des Seefahrers ließ sich die ungeheure wirtschaftliche Bedeutung der Entdeckung dieser Gebiete erkennen, als man mit der Gründung von Niederlassungen an der Küste und mit der extensiven Ausbeutung des Hinterlandes begann. Gold von São Jorge da Mina, einem an der Küste Guineas gegründeten befestigten Stützpunkt, Elfenbein, Aschantipfeffer und Zucker begannen bald, wenn auch vorerst nur in geringem Maße, Portugal die Selbstversorgung mit diesen Gütern zu ermöglichen.

    Aber schon war das endgültige Ziel des Unternehmens ins Auge gefasst: die Erreichung der indischen Westküste und ihrer Häfen auf dem Seeweg. Heinrich der Seefahrer selbst erfuhr noch durch seinen Vertrauten und Helfer Magister Jacobus, einen von der Insel Mallorca stammenden berühmten Kartographen und Hersteller astronomischer Instrumente, von der wahren Gestalt des afrikanischen Kontinents, nahm aber den Verlauf der Küste bis zum Kap der Guten Hoffnung als viel kürzer an, als er sich hernach auf den weiteren Fahrten in Richtung Süden herausstellte.

    In den vierzig Jahren, die nach dem Tod Heinrichs des Seefahrers bis zur endgültigen Aufnahme des Schiffsverkehrs nach Indien noch verstreichen sollten, waren es so herausragende Nautiker wie Diogo Cão, Bartolomeu Dias und Vasco da Gama, die die Voraussetzungen hierzu schufen und jene Kenntnisse erlangten, ohne die derlei Fahrten undenkbar gewesen wären. Bartolomeu Dias hatte bereits 1488 das Kap der Guten Hoffnung – von ihm noch »Kap der Stürme« benannt – umsegelt, war aber durch seine meuternde Schiffsmannschaft an der Fortsetzung der Fahrt entlang der afrikanischen Ostküste gehindert und zur Umkehr gezwungen worden. Die von ihm auf dieser Expedition erworbenen Erfahrungen trugen wesentlich zum Gelingen der von 1497 bis 1499 dauernden und die lange Abfolge der portugiesischen Entdeckungsfahrten so erfolgreich beschließenden Seereise Vasco da Gamas bei.

    Bartolomeu Dias war auf seiner mühevollen Fahrt entlang der afrikanischen Küste zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Route wegen der dort gegebenen ungünstigen Segelbedingungen als zukünftiger Seeweg nach Indien kaum infrage kommen würde. Vielmehr konnten Hindernisse wie die Kalmenzonen, die den Äquatorbereich im Golf von Guinea kennzeichnen, häufig auftretende Stürme und Untiefen, die höchste Aufmerksamkeit und umständliche Umfahrungsmanöver erfordern, umgangen werden, indem man seinen Kurs weiter draußen, auf dem offenen Meer verfolgte, wo beständigere Winde zu erwarten waren. Dias wies Vasco da Gama auf diese Möglichkeit der Kurswahl hin und kann somit als »Vater der Hochseeroute« bezeichnet werden.

    Dem von Pedro Álvares Cabral nach seiner Abreise von Lissabon gewählten Kurs lag nun diese Erfahrung Vasco da Gamas zugrunde, derzufolge die Wegstrecke von den Kapverdischen Inseln nach dem Kap der Guten Hoffnung weitaus mühe- und gefahrloser auf dem offenen Meer zu bewältigen war. Darum hielt sich die Flotte bereits auf ihrem Weg von den Kanarischen Inseln südwärts weitab von der Küste Afrikas. Nachdem man die Kapverdischen Inseln gesichtet hatte, verschwand eines Nachts das Schiff des Vasco de Ataíde und konnte trotz umfangreicher Suchmaßnahmen nicht mehr gefunden werden.

    São Jorge da Mina

    Was hierauf den weiteren Verlauf der Fahrt bestimmte, gehört zu einem der vielen Rätsel, die den mit der Entdeckungsgeschichte befassten Historikern aufgegeben und bis heute nicht endgültig gelöst wurden. Bisher war die Flotte einer den Lotsen von früheren Fahrten wohlbekannten Route gefolgt. Ab den Kapverdischen Inseln aber schien man, um den bereits erwähnten Kalmenzonen am Äquator auszuweichen, einen in Richtung Südwesten weisenden Kurs eingeschlagen zu haben, auf dem die Schiffe – vielleicht von Strömungen getrieben – nach einer Fahrtdauer von etwa einem Monat an die Küste des südamerikanischen Kontinents gelangten. Ohne sich der Nähe des Festlandes bewusst zu sein, folgte Cabral der Küste, bis am 22. April 1500 endgültig Land in Sicht kam. Brasilien war erreicht.

    Die Frage, warum Cabral auf Südwestkurs gegangen war, nachdem er die Kapverdischen Inseln hinter sich gelassen hatte, wurde oft gestellt, doch niemals eindeutig beantwortet; auch die Zweifel darüber, ob er als erster Europäer dieses Land entdeckt und betreten habe, sind niemals verstummt. Zahlreiche Deutungsversuche wurden unternommen und sollen im Folgenden noch ausführlich erläutert werden.

    Die Teilnehmer der Fahrt waren sich, wie aus verschiedenen schriftlichen Belegen hervorgeht, nicht eindeutig darüber im Klaren, ob sie sich auf einer Insel befänden oder Festland erreicht hätten. Sie trafen an den Stränden auf Eingeborene, die sich sowohl durch körperliche Merkmale als auch durch ihre Hautfarbe von den Bewohnern der afrikanischen Küsten unterschieden. Auch die Fauna und die Flora des Landes schienen den Portugiesen zum Teil gänzlich fremd. Welche Bedeutung die Neuankömmlinge dieser Küstengegend beimaßen, lässt sich im Nachhinein schwer feststellen; sie nutzten die reichen Holz- und Süßwasservorkommen, um ihre Vorräte zu ergänzen, und segelten, auf der Suche nach einem sicheren Ankerplatz, der Küste entlang in Richtung Norden. Cabral machte keinerlei Anstalten, das Landesinnere zu erkunden, sondern begnügte sich damit, ein Versorgungsschiff unter dem Kommando des Gaspar de Lemos nach Portugal zurückzuschicken. In mehreren Briefen, die er diesem mitgab, wurde dem König über die Auffindung dieses Landes, das Cabral »Vera Cruz« benannt hatte, und über dessen Beschaffenheit Bericht erstattet. Cabral wollte offensichtlich nicht allzu viel Zeit verlieren und war darauf bedacht, sein eigentliches Ziel, die Malabar-Küste, schnellstens zu erreichen. Der Auftrag, den er dort zu erfüllen hatte, war für ihn ohne Zweifel von solcher Wichtigkeit, dass ein längerer Aufenthalt an diesen unbekannten Stränden nicht in Betracht kam.

    So befand sich die Flotte bereits am 3. Mai wieder auf hoher See und nahm Kurs auf das Kap der Guten Hoffnung. Auf dieser Fahrt von Brasilien nach dem südlichsten Punkt Afrikas, der wohl längsten, die bis dahin ein Schiff über offenes Meer geführt hatte, gerieten die Schiffe Cabrals in einen Sturm, der so unvermittelt losbrach, dass den Mannschaften nicht mehr genügend Zeit blieb, die Segel zu reffen. Vier der Schiffe, darunter das des Bartolomeu Dias, kenterten und sanken innerhalb weniger Augenblicke. Der Rest der Flotte wurde getrennt und in verschiedene Richtungen verschlagen. Diogo Dias³, der Bruder des Bartolomeu Dias, geriet während dieses Sturmes so weit nach Süden, dass er im weiteren Verlauf der Fahrt nach Norden an die Südküste Madagaskars gelangte und als erster Europäer diese Insel betrat.⁴

    Sechs jener der Katastrophe entgangenen Schiffe Cabrals trafen schließlich im Hafen von Moçambique wieder aufeinander. Sie hatten den gefährlichsten Teil der Strecke – wenn auch mit großen Verlusten – bewältigt und befanden sich nun in jener Sphäre, die den Europäern nicht erst seit der Fahrt Vasco da Gamas, sondern schon seit der Antike bekannt war. Die bedeutendsten dieser vorwiegend von Arabern bewohnten Küstenstädte waren Quiloa, Mombasa, Melinde und Pate. Wie schon vor ihm Vasco da Gama stieß auch Pedro Álvares Cabral bei seinem Versuch, mit den Potentaten dieser Stadtstaaten Handelsbeziehungen anzubahnen, in einigen Fällen auf unverhohlene Ablehnung, die sogar in offene Feindseligkeiten auszuarten drohte. Häfen wie Quiloa hatten an der afrikanischen Ostküste eine Monopolstellung inne und vermochten mithilfe hoher Zölle andere Häfen unter ihrer Kontrolle zu halten. Es bestand somit kein Grund für sie, die Portugiesen willkommen zu heißen, deren prätentiöse Forderungen und religiöser Bekehrungseifer keine Empfehlung hierfür waren. Wie danach auch in Indien sollte Cabral nur durch jene Eingeborenenkönige freundliche Aufnahme erfahren, die unter den Repressalien mächtiger Nachbarn zu leiden hatten und denen ein gewisser Opportunismus es angeraten erscheinen ließ, die Freundschaft der Neuankömmlinge zu suchen, da sie sich durch dieses Bündnis nicht nur die Vernichtung ihrer Bedrücker, sondern auch einträgliche Geschäfte erhofften. Zu diesen unter der Souveränität Quiloas stehenden Kleinpotentaten zählte auch der König von Melinde, dessen Gastfreundschaft bereits Vasco da Gama genossen hatte und der nun auch Pedro Alvares Cabral freundschaftlich entgegentrat. Dort konnten die Schiffsvorräte ergänzt und Lotsen an Bord genommen werden, die für die letzte Etappe der Reise, die Überquerung des Arabischen Meeres, unerlässlich waren.

    Als die Flotte Cabrals nach einem wegen der Instandsetzung der Schiffe notwendigen Zwischenaufenthalt auf der Insel Anjediva am 13. September vor Calicut Anker warf, wussten der Kommandant und seine Mannschaft noch nicht, welch turbulenten und auch tragischen Verlauf ihr Aufenthalt in diesem Hafen nehmen würde. Trotz des unersprießlichen Ergebnisses der Verhandlungen Da Gamas mit dem Samorim von Calicut und der offen zur Schau gestellten Feindseligkeit der dort ansässigen arabischen und levantinischen Kaufleute waren die Portugiesen auf ihrer zweiten Reise voll Zuversicht, mit dem Samorim und seinen indischen Untertanen zu einem für beide Seiten einträglichen Konsens zu gelangen und die seit Jahrhunderten diesen Warenumschlagplatz kontrollierenden Mohammedaner aus dem Feld schlagen zu können. Die Ursache dieser krassen Fehleinschätzung der Situation war die fälschliche Annahme, es handle sich bei den Einwohnern der Malabar-Küste und ihren Herrschern um Christen, die es ohne Zweifel vorziehen würden, mit ihren Glaubensbrüdern aus Europa anstatt mit den Ungläubigen Handel zu treiben.

    Dass sich dann aber die Verhandlungen zwischen den Portugiesen und dem Samorim wider Erwarten schwierig und langwierig gestalteten und nur mit Mühe ein Handelsvertrag abgeschlossen werden konnte, lag nicht allein an den Intrigen und Störaktionen der arabischen Kaufleute, die sich die fehlenden Sprachkenntnisse der Portugiesen und deren mangelnde Vertrautheit mit den Sitten und Gepflogenheiten des Landes zunutze machten, sondern auch bei den Portugiesen selbst, die sich durch geringes diplomatisches Geschick und prätentiöses Auftreten um den Erfolg ihrer Bemühungen brachten.

    Über den Verlauf dieses Aufenthaltes der Portugiesen in Calicut und die Katastrophe, mit der er endete, entstanden nach der Rückkehr der Flotte Cabrals aus Indien zahlreiche Berichte, die zum Teil in diesem Band wiedergegeben und daher inhaltlich nicht vorweggenommen werden sollen. Die Ermordung des Generalfaktors Aires Correia und zahlreicher Portugiesen durch die von den Arabern aufgewiegelte Bevölkerung Calicuts während der Erstürmung der dort von den Portugiesen eingerichteten Faktorei und die hierauf erfolgte Beschießung und teilweise Zerstörung der Stadt durch die Flotte Cabrals, mit der das Scheitern der Bemühungen der Portugiesen, in dieser Stadt Fuß zu fassen, endgültig war, sollten späterhin nicht nur Staunen und Entsetzen bei den Empfängern dieser Nachrichten in Europa hervorrufen, sondern zwangen Cabral, der zumindest den kommerziellen Erfolg des Unternehmens sichern wollte, den Standort seiner Flotte weiter in den Süden, nach Cochim, zu verlegen. Dort garantierte ein unter der Oberhoheit des Samorim von Calicut stehender und daher den Portugiesen freundlich gesinnter Potentat für eine reibungslose Beladung der Schiffe mit Spezereien.

    Auch die Rückfahrt der Flotte nach Portugal sollte nicht ohne Zwischenfälle verlaufen. Sancho de Tovar, Cabrals Stellvertreter und Kommandant eines der größten und schnellsten Schiffe des Geschwaders, lief vor der Küste von Melinde auf eine Sandbank auf; dieser Schiffbruch kostete zwar keine Menschenleben, verringerte aber dennoch durch den Verlust des Schiffes und der wertvollen Ladung den wirtschaftlichen Ertrag der Expedition.

    Wie schon vor ihm Vasco da Gama war es auch Pedro Álvares Cabral nicht vergönnt, seine Flotte vereint und vollzählig nach Lissabon zurückzuführen. Der nach dem Verlust von sechs Schiffen verbliebene Rest der Flotte vermochte auch die Rückkehr nicht im Verband zu bewältigen. Sancho de Tovar war nach dem Verlust seines Schiffes mit einer kleinen Karavelle ausgesandt worden, um Sofala aufzusuchen, eine Stadt an der afrikanischen Ostküste, die Vasco da Gama bei seiner ersten Fahrt übersehen hatte, da er nachts daran vorübergesegelt war. Die »Anunciada«, das offenbar schnellste Schiff der Flotte Cabrals, war vorausgesegelt, und die Karavelle des Pêro de Ataíde hatte in einem Sturm den Anschluss an die übrigen Schiffe verloren. Doch allen gelang die Umseglung des Kaps der Guten Hoffnung. Südlich des Kap Verde, in Beseguiche, traf Cabral auf die »Anunciada« und das verloren geglaubte Schiff des Diogo Dias. Cabral entschloss sich, die Ankunft der beiden noch fehlenden Schiffe des Sancho de Tovar und des Pêro de Ataíde abzuwarten, und sandte Nicolau Coelho, der schon bei der Fahrt Da Gamas der Überbringer der Erfolgsmeldung gewesen war, mit der »Anunciada« nach Lissabon voraus. Cabral und sein Begleitschiff dürften Lissabon am 21. Juli 1501 erreicht haben; Sancho de Tovar, Pêro de Ataíde und Diogo Dias trafen wenige Tage später ein.

    Es erscheint nun an der Zeit, uns Pedro Álvares Cabral zuzuwenden, dem vermutlichen Entdecker Brasiliens. Dass die Darstellung seiner Person und die Bewertung seiner nautischen Leistung in dieser Einführung so spät erfolgt, liegt sowohl in dem Mangel an erwähnenswerten biographischen Fakten als auch in der Tatsache begründet, dass Cabral als historische Gestalt allein in Zusammenhang mit der von ihm geleiteten Expedition zu betrachten ist und kaum Ansatzpunkte für differenzierte Interpretationen seines Charakters bietet.

    Cabrals entdeckungsgeschichtlich bedeutendes Wirken dauerte nur wenige Monate, und es gibt kaum einen Entdecker, über den so wenig bekannt ist. Das genaue Datum seiner Geburt steht

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