Sei nicht zu stolz, schöne Andrea: Der Bergpfarrer 196 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Wo bleibst denn!Wie immer, wenn die herrische, befehlsgewohnte Stimme ihres Vaters durch das Haus schallte, zuckte Andrea Thalbacher ängstlich zusammen. Sie strich hastig die Schürze ihres neuen Dirndls glatt und beeilte sich, die Stiege hinunter in den Flur zu kommen, wo Beat Thalbacher ihr schon mit einem missbilligenden Ausdruck auf seinem kantigen Gesicht entgegensah.Der Thalbacher war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ. Schon seine äußere Erscheinung zeigte, dass er einer jener Großbauern war, die einerseits die Traditionen wahrten, andererseits aber auch mit der Zeit gingen. Zwar trug Thalbacher die übliche Tracht, doch sein bestimmtes Auftreten ließ eher an einen Geschäftsmann denken, der hart zu verhandeln wusste. Tatsächlich war es kein Geheimnis, dass er sich durch Spekulationen mehr bereichert hatte, als es seinen Vorfahren je durch harte Arbeit gelungen war.»Das hat wieder mal gedauert!Andrea zuckte unter seinem abschätzigen Blick zusammen. Von Kind an hatte sie das Gefühl begleitet, ungeliebt und unwillkommen zu sein, denn ihr Vater hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich einen Sohn und Erben gewünscht hatte. Doch nach Andreas Geburt waren weitere Kinder ausgeblieben, und als seine Frau vor der Zeit gestorben war, verspürte er keine Neigung dazu, wieder zu heiraten. Seine Ehe war wenig glücklich gewesen, und inzwischen war er zu sehr an seine Unabhängigkeit gewöhnt, um erneut eine Bindung einzugehen.Der Großbauer hatte beschlossen, den Weg zum Dorf zu Fuß zurückzulegen, denn es würde heute Abend bestimmt nicht bei einer Maß Bier bleiben. Der Schützenverein hatte Gründungsfest, was im »Löwen« gebührend gefeiert werden musste; selbst aus den Nachbargemeinden Waldeck und Engelsbach würden sich die jungen Leute zum Tanz im großen Saal des Gasthofs einfinden.Schweigend schritten Vater und Tochter nebeneinander her, was nicht ungewöhnlich war, denn Thalbacher richtete eigentlich nur das Wort an seine Tochter, wenn es um häusliche Belange ging. Andrea hatte Mühe, den ausgreifenden Schritten ihres Vaters zu folgen, der es nicht zu bemerken schien, dass sie immer mehr außer Atem geriet.Sie hatte den Eindruck, in den letzten Monaten noch schwerfälliger geworden zu sein, selbst das Kleid, das ihr die Dorfschneiderin erst kürzlich für das Fest genäht hatte, spannte schon wieder an Rücken und Hüften. Andrea hatte viel Mühe darauf verwandt, sich das volle blonde Haar aufzustecken, doch jetzt fielen ihr bereits feuchte Strähnen in die Stirn, und das kunstvolle Gebilde löste sich auf.Schließlich blieb sie stehen, und ihr Vater wandte sich ihr unmutig zu.»Beweg dich, wir sind eh schon spät dran.
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Buchvorschau
Sei nicht zu stolz, schöne Andrea - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 196–
Sei nicht zu stolz, schöne Andrea
sonst musst auch du aus Liebe leiden ...
Toni Waidacher
»Wo bleibst denn!«
Wie immer, wenn die herrische, befehlsgewohnte Stimme ihres Vaters durch das Haus schallte, zuckte Andrea Thalbacher ängstlich zusammen. Sie strich hastig die Schürze ihres neuen Dirndls glatt und beeilte sich, die Stiege hinunter in den Flur zu kommen, wo Beat Thalbacher ihr schon mit einem missbilligenden Ausdruck auf seinem kantigen Gesicht entgegensah.
Der Thalbacher war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ. Schon seine äußere Erscheinung zeigte, dass er einer jener Großbauern war, die einerseits die Traditionen wahrten, andererseits aber auch mit der Zeit gingen. Zwar trug Thalbacher die übliche Tracht, doch sein bestimmtes Auftreten ließ eher an einen Geschäftsmann denken, der hart zu verhandeln wusste. Tatsächlich war es kein Geheimnis, dass er sich durch Spekulationen mehr bereichert hatte, als es seinen Vorfahren je durch harte Arbeit gelungen war.
»Das hat wieder mal gedauert!«
Andrea zuckte unter seinem abschätzigen Blick zusammen. Von Kind an hatte sie das Gefühl begleitet, ungeliebt und unwillkommen zu sein, denn ihr Vater hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich einen Sohn und Erben gewünscht hatte. Doch nach Andreas Geburt waren weitere Kinder ausgeblieben, und als seine Frau vor der Zeit gestorben war, verspürte er keine Neigung dazu, wieder zu heiraten. Seine Ehe war wenig glücklich gewesen, und inzwischen war er zu sehr an seine Unabhängigkeit gewöhnt, um erneut eine Bindung einzugehen.
Der Großbauer hatte beschlossen, den Weg zum Dorf zu Fuß zurückzulegen, denn es würde heute Abend bestimmt nicht bei einer Maß Bier bleiben. Der Schützenverein hatte Gründungsfest, was im »Löwen« gebührend gefeiert werden musste; selbst aus den Nachbargemeinden Waldeck und Engelsbach würden sich die jungen Leute zum Tanz im großen Saal des Gasthofs einfinden.
Schweigend schritten Vater und Tochter nebeneinander her, was nicht ungewöhnlich war, denn Thalbacher richtete eigentlich nur das Wort an seine Tochter, wenn es um häusliche Belange ging. Andrea hatte Mühe, den ausgreifenden Schritten ihres Vaters zu folgen, der es nicht zu bemerken schien, dass sie immer mehr außer Atem geriet.
Sie hatte den Eindruck, in den letzten Monaten noch schwerfälliger geworden zu sein, selbst das Kleid, das ihr die Dorfschneiderin erst kürzlich für das Fest genäht hatte, spannte schon wieder an Rücken und Hüften. Andrea hatte viel Mühe darauf verwandt, sich das volle blonde Haar aufzustecken, doch jetzt fielen ihr bereits feuchte Strähnen in die Stirn, und das kunstvolle Gebilde löste sich auf.
Schließlich blieb sie stehen, und ihr Vater wandte sich ihr unmutig zu.
»Beweg dich, wir sind eh schon spät dran.«
»Gleich«, brachte sie mühsam hervor.
Alles verschwamm vor ihren Augen, sie war blind für die Schönheit der Natur, die sich rings um sie entfaltete. Himmelspitz und Wintermaid, die beiden Zwillingsgipfel, waren vom Sonnenuntergang rot umglüht, wie ein dunkler Schatten zog sich der Ainringer Forst bis hoch zu den schroffen Felswänden. Und in dem tief eingeschnittenen Wachnertal lag St. Johann, das Dorf, in dem die Thalbachers beheimatet waren, so weit man zurückdenken konnte.
Nach einer Weile setzten sie ihren Weg fort und erreichten das festlich geschmückte Dorf. Überall leuchteten farbenfrohe Wimpel und Fahnen.
Auch über dem Eingang des Gasthauses wölbte sich eine Blumengirlande, und schon von der Straße aus hörte man, dass die »Wachnertaler Bu’am«, die bei keinem Fest fehlen durften, im Tanzsaal die Instrumente stimmten.
Die jungen Leute, die sich in die Gaststube drängten, waren von freudiger Erregung ergriffen; immer wieder brandete Gelächter auf, neckende Zurufe flogen durch die Luft und manchmal kam es auch zu einem übermütigen kleinen Gerangel.
Nur Andrea Thalbacher betrat an der Seite ihres Vaters mit gesenktem Kopf den großen Tanzsaal des »Löwen«. Denn sie wusste nur zu genau, was die meisten bei ihrem Anblick dachten, hatte schon oft gehört, wie man hinter ihr hertuschelte.
Denn alle fanden es unerklärlich, dass der stattliche Thalbacher zu einer so hässlichen Tochter gekommen war.
Und genau das war es, was Maria Erbling, die klatschsüchtige Witwe des Poststellenleiters, ihrer besten Freundin zuflüsterte, kaum dass sie die Thalbachers erblickte.
»Jessas! Der arme Thalbacher! So a kerniges Mannsbild und so eine Tochter! Dabei war doch seine arme Elisabeth – der Herr hab sie selig – auch a sauberes Madl zu ihrer Zeit. Es war ja schon eine arge Enttäuschung für ihn, dass er keinen Sohn hat, und nun kann er noch net amal mit einer hübschen Tochter Staat machen. In dem Kleid schaut’s aus wie eingenäht.«
»Also mich dauert das Madl. Das hat ja erst angefangen, als die Mutter gestorben ist, der Thalbacher hat sich ja nie etwas aus der Andrea gemacht. Dann hat die vernachlässigte arme Kleine sich halt mit immer mehr Essen getröstet«, meinte die Krämersfrau, die eine mitleidigere Seele besaß.
»Sehn wir lieber zu, dass wir an einen besseren Tisch kommen, an der Tür ist es einfach zu unruhig«, beendete die Erbling-Maria das Gespräch, und die beiden Frauen spähten nach zwei anderen Plätzen aus.
Der Thalbacher strebte dem großen Ecktisch zu, wo sich bereits die meisten Honoratioren des Orts versammelt hatten. Ein paar Großbauern, Toni Wiesinger, der junge Arzt mit seiner hübschen Frau, und der Bürgermeister, zuletzt setzte sich auch noch Pfarrer Trenker zu ihnen.
»Wo ist denn das Gesetz?«, meinte Wiesinger spöttelnd, in Anspielung auf Trenkers Bruder, den Ortspolizisten.
»Der Max hat Dienst, leider, und seine Frau ist unterwegs. Vielleicht schaut er später noch herein«, gab Sebastian Trenker Auskunft.
»Hauptsach, er muss net eingreifen«, meinte Linus Brugger, der Nachbar der Thalbachers, trocken.
Andrea war froh, dass es sich so ergeben hatte, dass der Bergpfarrer neben ihr saß. In seiner Nähe fühlte sie sich beschützt und geborgen, und ihre innere Anspannung ließ allmählich nach. Sebastian Trenker beteiligte sich lebhaft an dem Gespräch, und unwillkürlich ging es Andrea durch den Sinn, wie wenig er der Vorstellung glich, die man im Allgemeinen von einem Dorfpfarrer hatte.
Er hatte markante Züge und wirkte sehr sportlich, tatsächlich war er in seiner Jugend Bergführer gewesen und hatte sich auf diese Weise das Studium finanziert. Das hatte ihm den Spitznamen »Bergpfarrer« eingebracht, denn auch heute noch nutzte er seine karge Freizeit dazu, hinauf in die Berge zu steigen und sich an der ursprünglichen Naturschönheit seiner Heimat zu erfreuen.
Im Gegensatz zu ihrem Vater, der sie nicht mehr wahrnahm und sich mit dem Lechnerbauern in eine wortreiche Diskussion verstrickt hatte, richtete der Pfarrer bald das Wort an das Mädchen, das still und unglücklich neben ihm hockte. Er war zu feinfühlig, um sie zu fragen, warum sie sich nicht den jungen Leuten ihres Alters anschloss, die sich um die Tanzfläche scharten.
»Und wie geht’s dir, Andrea? Willst eigentlich noch studieren, oder bleibst jetzt zu Haus?«
Das Mädchen zuckte gleichmütig die Achseln.
»Ich bleib erst amal auf dem Hof.«
In Wirklichkeit war es so, dass Thalbacher eine weitere Ausbildung seiner Tochter als Verschwendung ansah. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie sich nach dem Schulabschluss auf dem Hof nützlich machen sollte.
»Hast ja noch Zeit, es dir zu überlegen«, sagte Sebastian freundlich, der ahnte, wie es sich verhielt, und bemühte sich, das Mitleid, das er mit dem jungen Mädchen empfand, zu verbergen. »Schaust halt mal wieder im Pfarrhaus vorbei«, fügte er hinzu.
Andrea lächelte dankbar, und der Bergpfarrer war überrascht, wie sehr dieses Lächeln ihr