Heimatkinder 25 – Heimatroman: Mondnächte im Moor
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Es war ein heißer Tag im August, als man Franziska Haselbacher auf dem kleinen Waldfriedhof in Endelsbach zu Grabe trug. Der Pfarrer überblickte nachdenklich die Pfarrgemeinde, die der Verstorbenen das letzte Geleit gab. Er sprach davon, dass sie versucht hatte, ihrem Mann eine gute Gattin zu sein und sich bemüht habe, der ungewohnten Arbeit auf dem großen Bauernhof gerecht zu werden, die für eine Frau aus der Stadt nicht eben leicht war.
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Buchvorschau
Heimatkinder 25 – Heimatroman - Margareta Schieweg
Heimatkinder –25–
Mondnächte im Moor
Roman von Margareta Schieweg
Es war ein heißer Tag im August, als man Franziska Haselbacher auf dem kleinen Waldfriedhof in Endelsbach zu Grabe trug.
Der Pfarrer überblickte nachdenklich die Pfarrgemeinde, die der Verstorbenen das letzte Geleit gab. Er sprach davon, dass sie versucht hatte, ihrem Mann eine gute Gattin zu sein und sich bemüht habe, der ungewohnten Arbeit auf dem großen Bauernhof gerecht zu werden, die für eine Frau aus der Stadt nicht eben leicht war. Und er bedauerte zugleich aber auch, dass Franziska Haselbacher den sehnlichsten Wunsch ihres Mannes nach einem Kind nicht erfüllen konnte, weil sie in letzter Zeit zu oft kränkelte.
Bei diesen Worten zuckte Artur Haselbacher unmerklich zusammen. Doch nur zwei Menschen hatten dieses Zusammenzucken wahrgenommen. Das waren Pfarrer Mader und Sandra Perlutti, ein hübsches, fast vollschlankes Mädchen, das in dem Dirndlkleid beinahe fremdländisch anmutete.
Durch die Reihe der alten Frauen, die teils aus Neugierde, teils aber auch aus echter Anteilnahme gekommen waren, ging ein Gemurmel.
Und an das Ohr des Mädchens drangen leise bruchstückhafte Sätze wie: »… hab mich schon gewundert. Jetzt waren sie fünf Jahre beisammen und noch immer kein Kind.«
»… soll ein Leiden gehabt haben!«
»… war ja auch zu zart für den bärenstarken …«
»… wundert mich nit, schmales Ding aus der Stadt, taugt nit zum Landleben …«
»… und schon gar nit zu einer Bäuerin und solch einem Bär von einem Mann!«
Und eine Jüngere seufzte: »Ja, was für ein Bär von einem Mann!«
Sandra kannte den jungen Bauern, seit sie zurückdenken konnte. Und sie hatte sich in ihn verliebt, kaum, dass sie dem Schulalter entwachsen war. Aber niemand wusste um ihre heimliche Liebe. Der Sohn des Großbauern und Bürgermeisters Georg Haselbacher würde niemals ein Auge für die Tochter eines ehemaligen Knechts und Torfstechers haben. Und sie war auch zu stolz, ihm ihre Liebe zu zeigen, und so hatte sie mit wehem Herzen zugesehen, wie er eines Tages diese Lehrerin geheiratet hatte. Und sie hatte ihren Schmerz tief in ihrem Innersten begraben.
Langsam schlich sich Sandra Perlutti an den alten Frauen vorbei und suchte nach einem anderen Platz in der Nähe des Grabes und wartete dort ruhig, bis sie an der Reihe war, als letzten Gruß Blumen und Erde in das Grab hinabzuwerfen.
Sie hatte noch den polternden Ton der Erde auf dem Eichensarg im Ohr, als sie sich dem jungen Bauern zuwandte.
Sandra drückte mitfühlend dessen Hand. Ihre strahlenden Augen blickten ihn fest an. Aber Artur Haselbacher verstand die Sprache ihrer Augen nicht. Er blickte über sie hinweg in eine weite Ferne.
*
Später saßen sie beim Lindenwirt zum Totenmahl zusammen, die engsten Verwandten und Freunde, denen Artur Haselbacher verpflichtet war.
Der junge Bauer löffelte schweigend seine Suppe. Er saß zwischen seinen Eltern Georg und Anna Haselbacher.
An der gegenüberliegenden Tafel saß das Gesinde vom Haselbacherhof. Aber auch Pietro Perlutti mit seiner Frau Hermine und Tochter Sandra hatte man dort einen Platz zugewiesen.
Pietro Perlutti, von kleiner schmächtiger Gestalt, passte so gar nicht zwischen die kräftigen Knechte und Mägde vom Haselbacherhof. Und nicht nur sein Name, auch sein schwarzglänzendes glattes Haar, die dunklen Augen und der braune Farbton seiner Haut ließen in ihm den Fremden vermuten.
Pietro Perlutti war Italiener. Bei Georg Haselbacher hatte er einen Posten als Knecht auf dessen großem Hof bekommen. Dort lernte er dann seine spätere Frau Hermine, die ebenfalls Magd auf diesem Hof war, kennen und lieben.
Zu den Wirtschaftsgründen der Haselbacher gehörte auch ein ausgedehntes Stück ungenutzte Hochmoorlandschaft, und Georg Haselbacher schenkte seinem Knecht ein Stück dieser Moorlandschaft.
Der Italiener war froh, endlich sein eigener Herr zu sein, wenngleich auch in einem kleinen Holzhaus am Rand des Moores. Er betrieb jetzt den Abbau des Torfs nur noch für besondere Zwecke, wohl weiterhin für sich als Brennmaterial und zur Herstellung von Gartenerde. Das brachte ihm nicht viel ein. Aber die kleine Familie hatte den ganzen Tag zu tun und konnte davon so halbwegs leben.
Bis zu diesem Augenblick, dem Begräbnis der Bäuerin Franziska Haselbacher, war Pietro Perlutti mit seinem Los zufrieden.
Das aber änderte sich für ihn von einer Minute zur anderen, in der er entdeckte, dass seine Tochter Sandra den jungen Haselbacher kaum mehr aus den Augen ließ.
Pietro Perlutti erschrak. Drohte hier Gefahr für Sandra?
Aber der junge Bauer war in Gedanken versunken und hatte kein Auge für das Mädchen.
Der alternde Torfstecher atmete auf. Noch schien keine Gefahr von dort für sein Kind zu kommen. Aber wie lange noch hielt bei dem jungen Bauern dort drüben die Trauer an?
Plötzlich sprang Misstrauen den alten Italiener an. Wer konnte sagen, dass Artur Haselbacher nicht schon längst Gefallen an dem Mädchen gefunden hatte und es nur geschickt verbarg?
»Sandra!«, flüsterte Pietro Perlutti leise über den Tisch und riss das Mädchen aus seinen Träumen. »Wo schaust du hin?«
Sandra Perlutti sah sich ertappt und senkte rasch den Blick.
Also hatte der alte Perlutti doch recht vermutet. Doch jetzt schienen sich die Dinge anders zu entwickeln, als Pietro Perlutti es vorausgesehen hatte. Jetzt war es Sandra, die an einem Mann Gefallen gefunden hatte, nun hieß es über das Mädchen zu wachen, dass es von sich aus nicht auf dumme Gedanken kam. Er fürchtete, dass auch in Sandra das heiße Blut ihrer italienischen Vorfahren floss.
Pietro Perlutti stieß seine Frau, die neben ihm saß, unauffällig in die Seite.
»Du, Minnerl, wir sollten gehen!«, flüsterte er.
»Was? Jetzt schon? Warum? Wir haben ja noch nit einmal unseren Braten!«
»Es ist wegen Sandra!«, murmelte der Mann. »Schau sie dir an!«
Frau Perlutti legte ihren Löffel zur Seite und nahm langsam einen Schluck aus ihrem Glas. Schnell entdeckte sie, dass das Mädchen unter dem gesenkten Kopf immer wieder zu dem Tisch hinübersah, an dem der Bürgermeister mit Frau und Sohn saßen.
Die Frau des Torfstechers lehnte sich zurück. In ihre Augen kam Glanz und in ihrem Kopf wirbelten die Gedanken. Ihre Sandra war schön, wohl eines der schönsten Mädchen im Dorf, warum sollte nicht der Jungbauer dort drüben … Die Frau seufzte auf, schade, Artur Haselbacher nahm von ihrer Tochter keine Notiz.
»Verstehst du jetzt?«, fragte Pietro an ihrer Seite. »Lass uns gehen!«
Er erhob sich.
Aber Hermine Perlutti hielt ihren Mann am Arm zurück und gab ihm mit sanftem Druck zu verstehen, dass er bleiben und sich setzen solle.
»Aber, Minnerl …«
»Still bist jetzt!«, flüsterte die Frau. »Darüber reden wir später. Du willst doch dein Kind glücklich sehen? Also – dann warte ab.«
Dann war man beim Kaffee angelangt. Die anfangs gedrückte Stimmung hatte sich gewandelt, vor allem die in der Reihe der Männer, die statt dem Kaffee dem Wein zugesprochen hatten. Nachdem genügend über die Verstorbene geredet worden war, wandte man sich alltäglicheren Dingen zu.
Pietro Perlutti sah jetzt den Zeitpunkt gekommen, sich mit seiner Familie zu entfernen. Er wusste, was jetzt kam. Schon flogen Scherzworte zwischen den Männern und manches anzügliche Wort bezog sich auf die anwesenden Mägde des Haselbacherhofs.
Jetzt stand er hinter Artur Haselbacher, um sich zu verabschieden. Aber dieser wurde gerade vom Sohn des Leitnerbauern abgelenkt, der ihm, nicht mehr ganz nüchtern, zurief: »… und nix für ungut, Artur, geheiratet wird. Wirst es schon verwinden, das mit der Franziska. Kann dich verstehen. Da, schau hinter dich, so eine musst nehmen. Ein bissel drall in den Schenkeln und ein Busen, gerade recht fürs Kinderkriegen und blitzsauber auch noch dazu!« Der junge Leitnerbauer hob sein Glas: »Haselbacher, sollst leben!«
In diesem Augenblick drehte sich