Heimatkinder 23 – Heimatroman: Wenn Heimweh dir das Herz verbrennt
Von Kathrin Singer
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Über dieses E-Book
Tosend rauschte der Wildbach ins Tal. Bei dem Lärm konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen. Noch hatten die Touristen diese kleine weltabgeschiedene Ecke nicht entdeckt. Die Einwohner lebten seit Jahrhunderten beschaulich in der Bergeinsamkeit. Doch leicht war das Leben hier nicht. Die Äcker auf den Berghängen waren schwer zu bearbeiten. Da halfen keine Maschinen, hier mußte man noch das Pferd vor den Pflug spannen, und wer keines besaß, die Kuh. Dann gab es am Abend jedoch weniger Milch, und das spürte die ganze Familie. Freilich, hungern mußte niemand, doch der Tisch war selten wirklich reichhaltig gedeckt.
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Buchvorschau
Heimatkinder 23 – Heimatroman - Kathrin Singer
Heimatkinder –23–
Wenn Heimweh dir das Herz verbrennt
Seine Probleme folgten ihm bis in die Heimat …
Roman von Kathrin Singer
Tosend rauschte der Wildbach ins Tal. Bei dem Lärm konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen. Noch hatten die Touristen diese kleine weltabgeschiedene Ecke nicht entdeckt. Die Einwohner lebten seit Jahrhunderten beschaulich in der Bergeinsamkeit. Doch leicht war das Leben hier nicht. Die Äcker auf den Berghängen waren schwer zu bearbeiten. Da halfen keine Maschinen, hier mußte man noch das Pferd vor den Pflug spannen, und wer keines besaß, die Kuh. Dann gab es am Abend jedoch weniger Milch, und das spürte die ganze Familie. Freilich, hungern mußte niemand, doch der Tisch war selten wirklich reichhaltig gedeckt.
Therese Bicherl öffnete seufzend die Stalltür, hob den nicht allzu schweren Milcheimer hoch und lief geduckt zum Wohnhaus, denn der Wind blies heftig. Wieder lag ein arbeitsreicher, aber leerer Tag hinter ihr.
Therese lebte seit zwei Jahren allein. Ihr Sohn hatte nach einem heftigen Streit mit dem Vater das Haus verlassen. Seitdem war kein Lebenszeichen mehr von ihm gekommen. Vor Gram über das Verschwinden seines einzigen Sohnes, des Hallodri, wie er ihn nannte, war der Bicherl bettlägerig geworden und nach langem Krankenlager gestorben.
Seither hatte Therese den Hof allein bewirtschaftet, eine harte Aufgabe für eine Frau. Bei der Ernte halfen zwar einige Nachbarn mit, doch auch während des ganzen Jahres gab es genügend Arbeit, bei der die Therese sich oftmals überlastet fühlte.
»Wenn nur der Thomas hier wär«, sagte Therese seufzend zu sich. »Jetzt könnt’ er den Hof übernehmen, und ich würd’ ihm den Haushalt führen.« Während der langen Zeit ihres Alleinseins hatte sie sich angewöhnt, mit sich selbst zu sprechen, denn es war ja selten einmal jemand da, mit dem sie reden konnte. Sie strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Am liebsten wäre sie ohne Nachtmahl zu Bett gegangen, denn der Tag war lang gewesen, und sie hatte den Schlaf bitter nötig. Aber Therese zwang sich, den Tisch zu decken und in Ruhe etwas zu essen. So hatte sie es zu Lebzeiten ihres Mannes gehalten, und so sollte es auch bleiben. Vielleicht kam der Thomas ja bald heim. Die Bäuerin hatte diese Hoffnung nie ganz aufgegeben.
Nach dem Essen ging Therese noch einmal hinaus, prüfte, ob alle Türriegel in Ordnung waren, warf der Kuh noch eine Gabel voll Heu hin und schaute nochmals in den Hühnerstall. Anschließend ging sie ins Haus zurück.
Mit gebeugten Schultern stieg Therese die Treppe zu ihrer Schlafstube hinauf. Doch als sie endlich im Bett lag, wollte der Schlaf trotz aller Müdigkeit nicht kommen. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Wie sollte es nur weitergehen? Lange würde sie die schwere Arbeit nicht mehr schaffen. Sie war zu alt. Eigentlich hätte sie schon seit einigen Jahren auf ihrem Altenteil sitzen und der Sohn mit einer jungen Frau den Hof führen müssen. Wenn Thomas nie mehr heimkam – was sollte dann geschehen? Den Hof, der seit Jahrhunderten der Familie gehörte, verkaufen. Niemals! Aber was sonst? Über all dem Grübeln schlief die Therese endlich ein.
Ein beharrliches Klack-Klack, das nicht aufhören wollte, riß sie irgendwann aus dem Schlaf. Hatte sich ein Fensterladen losgerissen? Nein, da war noch ein anderes Geräusch. Eine Stimme!
»Mutter! Mutter, wach auf!«
Thomas! Jäh richtete sich Therese in ihrem Bett auf. Träumte sie? Nein, da war die Stimme wieder: »Mutter! Mutter, ich bin’s, dein Thomas!«
Thereses Herz blieb fast stehen! Thomas! Ihr Sohn! Ihr so lang erwarteter Sohn! War er
nun endlich nach Hause gekommen? Schnell machte Therese Licht.
»Thomas!« rief sie. »Bub! Wart nur, ich komm gleich!« Schnell warf sie sich ein warmes Tuch um. Sie rannte die Treppe hinunter. Beim Öffnen der Tür fiel ihr der Schlüsselbund aus der Hand. Sie konnte gar nicht schnell genug aufschließen.
»Thomas! Bub! Endlich!«
Der Bursch fiel der Frau um den Hals. »Mutter! Bin ich froh, dich zu sehen!«
»Lang genug hat’s ja gedauert«, meinte Therese vorwurfsvoll.
Zerknirscht senkte Thomas den Kopf. »Kannst mir verzeihen, Mutter?« fragte er so leise und beschämt, daß Thereses Herz blutete.
»Ach, Bub!« flüsterte sie. Erst dann wurde ihr bewußt, wie durchnäßt und schmutzig ihr Sohn war. »Mein Gott, Bub, komm erst einmal herein. Ich werd’ dir etwas zu essen richten. Wirst doch Hunger haben. Und saubere Sachen mußt anziehen. Wart’, ich hol’ dir vom Vater etwas Warmes und Trockenes zum Wechseln.« Vor lauter Aufregung wußte Therese nicht, was sie zuerst tun sollte.
Ihr Sohn stand ruhig daneben und lächelte sie liebevoll an. »Mutter, setz’ dich doch erst einmal. Erzähl mir, wie es dir und dem Vater geht. Meinst, er freut sich auch, daß ich zurückgekommen bin?«
Therese zuckte zusammen. Der Junge wußte ja noch nicht einmal, daß sein Vater nicht mehr lebte. »Thomas, jetzt ziehst dich erst einmal um«, meinte sie ablenkend. »Derweil mach’ ich dir ein Abendessen. Dann können wir in Ruhe über alles reden.«
Sie drängte ihn in die Stube und holte dann rasch ein paar Sachen vom Vater. Dann ging sie in die Küche, machte Feuer und wärmte schnell das übriggebliebene Essen vom Mittag auf.
Kurz darauf saßen beide am Küchentisch. Im Herd knisterte ein wärmendes Feuer. Thomas aß mit Heißhunger. Therese saß dabei und blickte ihn immer wieder an, als könne sie sich nicht sattsehen an ihrem Buben. Ab und zu strich sie mit ihrer verarbeiteten Rechten über seinen Arm. Thomas nahm den letzten Rest Soße mit einem Stück Brot auf. Dann lehnte er sich aufatmend zurück.
»So gut hat’s mir seit Jahren nimmer geschmeckt«, meinte er zufrieden. »Doch jetzt sag mir, was der Vater so macht. Ist er immer noch bös’ mit mir?«
Erst jetzt fiel ihm auf, daß sie beide allein in der Küche saßen. Bei dem Lärm hätte doch auch der Vater wach werden müssen.
»Ist er gar krank?« fragte Thomas unruhig.
Die Mutter senkte den Blick. »Nein, krank ist der Vater net.« Sie sah ihren Sohn an und sagte aufseufzend: »Der Vater lebt net mehr, Thomas. Vor zwei Jahren ist er von uns gegangen. Der Herrgott hat ihn nach einer schweren Krankheit erlöst.«
»Tot? Mein Vater ist tot?«
»Ja, Bub, wir sind ganz allein, nur du und ich. Ach, du weißt ja gar net, wie froh ich bin, daß du wieder da bist.« Plötzlich schoß der Therese ein erschreckender Gedanke durch den Kopf. »Du bleibst doch, Thomas? Du willst doch net wieder fort oder?«
Zärtlich nahm er ihre Hand. »Nein«, erwiderte er ruhig, »ich bleib’, Mutter. Hier ist schließlich mein Zuhaus’. Ich hab’ genug von der weiten Welt gesehen. Es war net immer schön«, fügte er düster hinzu.
»Was hast denn all die Jahre gemacht?« fragte Therese neugierig.
»Laß uns