Der Wilderer vom Kreuzerhorn: Der Bergpfarrer 177 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Der Bus aus der Kreisstadt hielt vor dem Hotel. Mit einem pfeifenden Geräusch öffnete sich die Tür. Es waren nur wenige Fahrgäste, die ausstiegen: eine ältere Frau, zwei junge Frauen und ein Mann, etwa Mitte zwanzig.
In der rechten Hand hielt er einen Rucksack, in der linken eine abgewetzte Lederjacke. Er hatte kurzes, dunkles Haar, die Augen in dem markanten Gesicht blickten müde, als er die Jacke zwischen die Riemen des Rucksacks schob und ihn sich auf den Rücken hängte.
Einen Moment stand er unschlüssig da, als wüßte er nicht, wohin er gehen sollte. Er schaute zur Kirche hinüber. Pfarrer Trenker war das einzige bekannte Gesicht aus der Heimat, das er in den letzten anderthalb Jahren gesehen hatte. Niemand sonst hatte ihn im Gefängnis besucht.
Thomas Burger holte tief Luft und ging dann die Straße hinunter, zum Dorf hinaus. Eine gute Stunde würde er laufen müssen, um den Hof zu erreichen. Wieder atmete er die würzige Bergluft ein.
Wie hatte er sich danach gesehnt!
Immer wieder hatte er sich den Duft von Blumen und wilden Kräutern in Erinnerung gerufen, wenn er abends alleine in seiner Zelle saß und aus dem vergitterten Fenster nach draußen schaute – in die Freiheit, die für ihn unerreichbar war.
Er erinnerte sich an den letzten Besuch des Bergpfarrers. Sie hatten wie immer in dem kleinen Raum gesessen, an dem kleinen Tisch, mit den zwei harten Holzstühlen. Diese Stühle waren so unbequem, als sollten Häftling und Besucher auch noch des letzten Komforts, in den paar Minuten, die sie Zeit füreinander hatten, beraubt
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Buchvorschau
Der Wilderer vom Kreuzerhorn - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 177 –
Der Wilderer vom Kreuzerhorn
Ein Kampf gegen Vorurteile und Hinterlist
Toni Waidacher
Der Bus aus der Kreisstadt hielt vor dem Hotel. Mit einem pfeifenden Geräusch öffnete sich die Tür. Es waren nur wenige Fahrgäste, die ausstiegen: eine ältere Frau, zwei junge Frauen und ein Mann, etwa Mitte zwanzig.
In der rechten Hand hielt er einen Rucksack, in der linken eine abgewetzte Lederjacke. Er hatte kurzes, dunkles Haar, die Augen in dem markanten Gesicht blickten müde, als er die Jacke zwischen die Riemen des Rucksacks schob und ihn sich auf den Rücken hängte.
Einen Moment stand er unschlüssig da, als wüßte er nicht, wohin er gehen sollte. Er schaute zur Kirche hinüber. Pfarrer Trenker war das einzige bekannte Gesicht aus der Heimat, das er in den letzten anderthalb Jahren gesehen hatte. Niemand sonst hatte ihn im Gefängnis besucht.
Thomas Burger holte tief Luft und ging dann die Straße hinunter, zum Dorf hinaus. Eine gute Stunde würde er laufen müssen, um den Hof zu erreichen. Wieder atmete er die würzige Bergluft ein.
Wie hatte er sich danach gesehnt!
Immer wieder hatte er sich den Duft von Blumen und wilden Kräutern in Erinnerung gerufen, wenn er abends alleine in seiner Zelle saß und aus dem vergitterten Fenster nach draußen schaute – in die Freiheit, die für ihn unerreichbar war.
Er erinnerte sich an den letzten Besuch des Bergpfarrers. Sie hatten wie immer in dem kleinen Raum gesessen, an dem kleinen Tisch, mit den zwei harten Holzstühlen. Diese Stühle waren so unbequem, als sollten Häftling und Besucher auch noch des letzten Komforts, in den paar Minuten, die sie Zeit füreinander hatten, beraubt werden.
»Jetzt ist es ja bald soweit«, hatte Pfarrer Trenker gesagt. »Vier Wochen noch, dann wirst’ entlassen. Wenn du möchtest, komm ich her und hol’ dich ab.«
Thomas schüttelte den Kopf. Er mochte den guten Hirten von St. Johann, der als einziger zu ihm gestanden hatte und auch heute noch an seine Unschuld glaubte.
»Danke, Hochwürden«, erwiderte der junge Bursche, »aber ich glaub’, ich möcht’ lieber allein’ nach Haus’ fahren, wenn ich entlassen werd’.«
»Natürlich. Aber was ist mit dem Vater?« fragte Sebastian. »Du wirst Hilfe brauchen, wenn ihr euch wiederseht.«
Aber auch diesmal schüttelte der Bauernsohn den Kopf.
»Nein, entweder nimmt er mich wieder auf, oder es ist ein für allemal aus zwischen uns.«
Der Bergpfarrer lächelte.
»Du bist genauso ein Dickschädel, wie dein Vater«, sagte er. »Vielleicht ist’s tatsächlich besser, wenn ihr euch allein’ gegenübertretet.«
An dieses Gespräch dachte Thomas Burger, als er dem väterlichen Hof entgegenstrebte, und mit jedem Schritt, den er zurücklegte, klopfte sein Herz schneller.
Dann lag das Anwesen vor ihm. Der Mund wurde trocken, das Herz raste und die Knie wurden weich. Mit staksigen Schritten ging Thomas weiter. Ein plötzliches Jaulen ließ ihn erschreckt zusammenfahren, und im nächsten Moment sprang der Hund an ihm hoch und bellte vor Freude.
»Na, Rex«, murmelte Thomas und streichelte den Kopf des Tieres, »wenigstens du freust dich. Soll ich das vielleicht als gutes Omen nehmen?«
In der Einfahrt blieb er stehen und sah sich um. Es hatte sich nichts verändert in den anderthalb Jahren, die er fort war. Doch, der Stall hatte einen neuen Anstrich bekommen, und das Scheunendach war ausgebessert worden.
Und die Menschen, die hier wohnten?
Nur durch Pfarrer Trenker hatte er erfahren, daß der Vater immer noch gesund war, ebenso wie Traudl, die Magd, die ihm schon als Buben den Hosenboden strammgezogen hatte, und Fritz, der Knecht, der ebenfalls seit Menschengedenken auf dem Burgerhof schaffte. Immerhin hatten die beiden Angestellten seines Vaters ihm durch den Geistlichen Grüße ausrichten lassen und ihn dadurch wissen lassen, daß sie an ihn dachten.
Thomas’ Blick fiel auf die Scheune. Dort wo sonst immer der Traktor stand, herrschte gähnende Leere. Vermutlich war sein Vater unterwegs damit.
Irgendwie erleichterte ihn dieser Gedanke – noch eine kleine Schonfrist…
»Ich habe mehrmals versucht, deinen Vater zu überreden, daß er dich besucht«, hatte Pfarrer Trenker erzählt. »Leider konnt’ ich net wirklich was ausrichten. Alles, was er darauf antwortete, war, daß er keinen Sohn mehr habe.«
Thomas erinnerte sich an den Tag, als der Geistliche ihm das erzählte. Indes hatten diese Worte nichts in ihm ausgelöst. Er war weder unglücklich darüber, noch ärgerte er sich über die ablehnende Haltung seines Vaters. Schon am Prozeß gegen seinen Sohn hatte der Burgerbauer nicht teilgenommen und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, wie wenig Thomas ihm bedeutete.
Und dennoch war er heimgekehrt, weil er nicht wußte, wohin er sollte. Außer dem Hof, auf dem er geboren und aufgewachsen war, gab es keinen Ort, an den er hätte gehen können.
Was sollte er anfangen, wenn der Vater ihn davonjagte?
Thomas wußte es nicht.
Er ging zum Haus hinüber und klopfte an die Tür. Auf dem Gesicht der Magd zeichnete sich Überraschung ab, als sie öffnete. Traudel Behringer schlug die Hände zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf. Dann fiel sie ihm um den Hals.
»Mein Gott, Bub, da bist’ ja!« schluchzte sie und küßte ihn ab.
»Das ist schon das zweite herzliche Willkommen«, sagte Thomas mit belegter Stimme. »Zuerst der Rex, und jetzt du. Sollte ich vielleicht, nach all dem Pech, das ich hatte, endlich mal Glück haben?«
Traudl zog ihn ins Haus.
»Komm erstmal herein. Du mußt ja Hunger und Durst haben, von dem langen Weg herauf.«
Thomas stellte seinen Rucksack in der Diele ab. Ihn in sein altes Zimmer zu bringen, wagte er noch nicht…
»Setz’ dich.«
Die Magd drückte ihn auf die Eckbank in der Küche, genau auf den Platz, auf dem er früher immer gesessen hatte. Sie eilte zwischen Kühlschrank und Speisekammer hin und her und tischte Brot, Wurst, Käse und Honig auf. Dazu Kaffee, der nach Kaffee schmeckte und nicht wie die Brühe, die es jeden Morgen im Gefängnis gab; zusammen mit zwei Brotscheiben, etwas Marmelade und Margarine.
»Iß, trink!«
Traudl konnte es gar nicht schnell genug gehen.
»Und heut’ mittag koch’ ich dein Lieblingsessen!«
Thomas hob die Hand.
»Wart’ erst einmal ab«, sagte er, »was der Vater dazu sagt, daß ich wieder da bin. Wo steckt er überhaupt?«
»Er ist mit dem Fritz droben im Bergwald«, antwortete die Magd. »In der letzten Woche hatten wir ein Unwetter, jetzt sind s’ dabei, den Windbruch zu beseitigen.«
»Ich fürchte, er wird net begeistert sein, mich zu sehen«, sagte Thomas. »Für ihn bin ich ein Wilderer, ein Verbrecher, der im Gefängnis gesessen hat.«
Er senkte den Kopf und schaute auf die Tischplatte.
Auch wenn ich unschuldig bin, dachte er bitter.
Traudl holte tief Luft.
»Bub, was denkst’ denn?« rief sie. »Froh wird er sein!«
Der Bauernsohn konnte sich ein grimmiges Lächeln nicht verkneifen.
»Glaubst’ das wirklich?« entgegnete er skeptisch. »Warum hat er mich denn nicht einmal besucht oder mir Grüße ausrichten lassen durch Pfarrer Trenker, so wie du, oder der Fritz?«
Die alte Frau machte ein betroffenes Gesicht.
»Na ja, du mußt ihn auch versteh’n«, antwortete sie. »Die Beweise, die Zeugenaussage – alles sprach doch gegen dich!«
Thomas sah sie an.
»Und mein Wort, Traudl?« fragte er leise. »Gilt das nix? Muß ein Vater seinem Sohn net glauben, wenn der ihm sagt, daß er unschuldig ist?«
Die Magd antwortete nicht darauf und senkte beschämt den Blick. Thomas ahnte, was in ihr vorging. So