Mit Kind und Hund ein neues Leben: Mami 1883 – Familienroman
Von Eva-Maria Horn
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Finn brannte darauf, daß Olaf ihm das Messer gab. Olaf war der Sohn des Hausmeisters aus dem großen Mietshaus. Finns Großmutter sah es gar nicht gern, daß Olaf und ihr siebenjähriger Enkel so dicke Freunde waren.
Heute konnte Finn beruhigt neben Olaf auf dem Hinterhof des Mietshauses sitzen. Seine Großmutter hatte Besuch. Da hatte sie zum Glück keine Zeit, aus dem Küchenfenster zu sehen. Finn haßte es, wenn sie das Fenster öffnete und ihn rief. Die Großmama, die so viel Wert auf gutes Benehmen legte und Finn damit furchtbar auf die Nerven ging, hatte dann eine ganz fremde Stimme, richtig schrill klang sie, und den Mund kniff sie dann zu einem Strich zusammen.
Finn war ja nicht dumm, wenn er auch ganze drei Jahre jünger als Olaf war, er wußte aber längst, daß Olaf seine Großmutter nicht ausstehen konnte, wenn er auch nie ein Wort darüber verlor. Aber Olaf war einfach toll, weil er trotzdem sein Freund war und er immer Zeit für Finn hatte.
»Du kannst toll schnitzen.« Finn seufzte abgrundtief. »Ich habe mir zu Weihnachten ein Schnitzmesser gewünscht, ich hätte mir ja denken können, daß ich keins kriegte. Großmama behauptete doch glatt, das Christkind hätte es nicht gewollt.«
Finn setzte sich bequem auf dem schmutzigen Stein zurecht. Die Ellbogen hatte er auf die Knie gestützt, sein Kinn lag auf den Händen.
»Mama und Großmama glauben, daß ich das Märchen vom Christkind noch schlucke.«
Olaf hielt das Stück Holz von sich ab, musterte es kritisch. »Warum sagst du ihnen nicht, daß du für so'n Schmarren
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Buchvorschau
Mit Kind und Hund ein neues Leben - Eva-Maria Horn
Mami
– 1883–
Mit Kind und Hund ein neues Leben
Finn hat seinen Vita so sehr vermißt
Eva-Maria Horn
Finn brannte darauf, daß Olaf ihm das Messer gab. Olaf war der Sohn des Hausmeisters aus dem großen Mietshaus. Finns Großmutter sah es gar nicht gern, daß Olaf und ihr siebenjähriger Enkel so dicke Freunde waren.
Heute konnte Finn beruhigt neben Olaf auf dem Hinterhof des Mietshauses sitzen. Seine Großmutter hatte Besuch. Da hatte sie zum Glück keine Zeit, aus dem Küchenfenster zu sehen. Finn haßte es, wenn sie das Fenster öffnete und ihn rief. Die Großmama, die so viel Wert auf gutes Benehmen legte und Finn damit furchtbar auf die Nerven ging, hatte dann eine ganz fremde Stimme, richtig schrill klang sie, und den Mund kniff sie dann zu einem Strich zusammen.
Finn war ja nicht dumm, wenn er auch ganze drei Jahre jünger als Olaf war, er wußte aber längst, daß Olaf seine Großmutter nicht ausstehen konnte, wenn er auch nie ein Wort darüber verlor. Aber Olaf war einfach toll, weil er trotzdem sein Freund war und er immer Zeit für Finn hatte.
»Du kannst toll schnitzen.« Finn seufzte abgrundtief. »Ich habe mir zu Weihnachten ein Schnitzmesser gewünscht, ich hätte mir ja denken können, daß ich keins kriegte. Großmama behauptete doch glatt, das Christkind hätte es nicht gewollt.«
Finn setzte sich bequem auf dem schmutzigen Stein zurecht. Die Ellbogen hatte er auf die Knie gestützt, sein Kinn lag auf den Händen.
»Mama und Großmama glauben, daß ich das Märchen vom Christkind noch schlucke.«
Olaf hielt das Stück Holz von sich ab, musterte es kritisch. »Warum sagst du ihnen nicht, daß du für so’n Schmarren viel zu groß bist?«
»Vielleicht nächstes Jahr«, räumte er ein und starrte verlangend auf das Messer.
»Hier, willst du auch mal? Du hast ja ein Stück Holz schon mitgebracht.«
Finns ohnehin schon rote Wangen brannten geradezu. Beinahe andächtig, aber blitzschnell, nahm er Olaf das Messer aus der Hand.
»Das find’ ich anständig von dir. Das Holz hab ich gekauft, es ist Balsarholz, oder so ähnlich heißt es, der Mann im Geschäft hat gesagt, daß das das beste Holz zum Schnitzen ist.«
»Aber verdammt teuer. Für mich tut’s dieses Holz auch. Säbele bloß nicht in deinen Finger, dann reißt mir deine Großmutter den Kopf ab.«
Olaf sah nachdenklich auf den Kleinen. Er mochte ihn wirklich, oft genug hatte er Finn schon verteidigt. Mehr als einmal war eine herrliche Rauferei daraus geworden, wenn sie Finn hänselten, und das taten die Kinder aus dem Mietshaus oft. Finn war einfach nicht einer von ihnen. Er war besser angezogen als sie, er wohnte nicht in dem großen Haus, in dem der Hausmeister das Sagen hatte, er lebte in dem hübschen weißen Haus, das in einem gepflegten Garten stand. In den Augen der Kinder war es beinahe ein Schlößchen. Jedenfalls hatte es einen Erker und sogar ein kleines Türmchen.
»Sag mal, Finn, warum heißt du eigentlich wie deine Großmutter? Eigentlich hängt man den Kindern doch immer den Namen des Vaters an, ob es den Kindern nun paßt oder nicht.«
Finns Zunge machte jede Bewegung des Messers mit, das er behutsam über das Holz gleiten ließ. Viel Späne waren noch nicht abgefallen.
»Wenn Kinder geboren werden, kann man sie doch noch nicht fragen, Olaf. Überleg doch mal, die sind ja winzig und können nur schreien.«
»Und zwar laut«, seufzte Olaf. »Sei froh, daß du keine Schwester hast.«
Finn ließ das Holz und das Messer sinken und pustete eine Strähne seines rotblonden Haares aus der Stirn.
»Vielleicht, weil mein Papa tot ist.«
»Kann sein.« Olaf streckte seinen schlacksigen Körper. Zum Leidwesen seiner Mutter kam einfach kein Fett auf seine Rippen, obwohl er gewaltigen Appetit entwickelte. »Du bist in Berlin geboren, nicht? Ich hab mal so was läuten hören, als sich meine alten Herrschaften darüber unterhielten.«
»Aber das weiß ich nicht mehr. Wie es da aussah und so, meine ich.«
Finn setzte das Messer wieder an, jetzt ein wenig energischer.
»Und dann seid ihr zu deiner Großmutter gezogen. Klar, warum auch nicht«, überlegte Olaf. Er hatte den Rücken an den Zaun gelegt und scharrte wie ein Huhn mit dem Fuß auf dem Rasen. Allerdings war es schon längst kein Rasen mehr. So sehr der Hausmeister auch aufpaßte, wenn er nur den Rücken kehrte, spielten die Jungen Fußball darauf. Immer wieder brüllte Olafs Vater sie an, drohte ihnen, aber das half nichts.
»So’n Leben ohne Vater muß komisch sein«, sinnierte er, dabei ließ er keinen Blick von Finns Fingern. »Mein Alter geht mir ja oft genug auf den Geist, und wenn er losbrüllt, nur weil ich keine Leuchte in der Schule bin, wünsche ich ihn zum Mond, aber ohne Rückfahrschein. Nur so ganz ohne… nee, ich glaube, das würde mir auch nicht passen.«
Finns Augen weiteten sich. Sonne lag auf dem Lausbubengesicht und vertiefte das Grau seiner Augen.
»Och«, er krauste die Nase, »ohne Mann ist es auch gut. Weißt du, Olaf«, vertraute er seinem Freund zögernd an, »wenn Mama ihren Freund mitbringt… nee, weißt du, wirklich, ohne Mann ist es besser. Großmama macht dann ein Theater, du kannst dir das gar nicht vorstellen. Und Mama ist auch anders. Nee, einen Vater brauche ich wirklich nicht. Ich werd ja irgendwann mal groß, und dann ist ein Mann im Haus.«
Olaf hörte nicht mehr zu. Er pfiff durch die Zähne.
»Da ist der Hund wieder, Finn. Sieh doch nur, wie ängstlich er sich an den Zaun drückt. Er wagt nicht hereinzukommen.«
»Ist doch klar, daß er Angst hat. Wo dein Vater ihn so angebrüllt hat. Ich dachte doch tatsächlich, er wollte ihn mit Steinen werfen.«
»Nee, das würde er nicht tun. Aber es ist doch nur, weil das Halten von Hunden in diesem blöden Haus verboten ist. Wie alles. Sei froh, daß du nicht hier wohnst.«
Finn legte vorsichtig das Messer auf die Bank und legte sein Holz dazu. Beide Jungen stießen Lockrufe aus, näherten sich dem Tier zögernd.
»Wir müßten eine Wurst haben«, stöhnte Olaf verzweifelt. »Sieh doch nur, wie dürr der arme Kerl ist. Gestern hab’ ich meiner Mutter Aufschnitt stiebitzt, aber den sollte mein Vater zum Abendessen haben.«
»Olaf«, Finns kleiner Körper, zu Finns großem Kummer wollte und wollte er nicht richtig wachsen, »unsere Emma ist nicht da, die ist einkaufen, ich schleiche mich in die Küche und plündere den Kühlschrank.«
»Nur nicht zu viel, der arme Kerl muß vorsichtig gefüttert werden. Du kannst auch ruhig Kuchen oder Plätzchen mitbringen, die esse ich dann, ich hab’ nämlich schon wieder Hunger, dabei hab’ ich erst vor kurzem zu Mittag gegessen.«
»Laß den Hund nicht weglaufen, Olaf«, beschwor er seinen Freund. »Ich bin im Rutsch zurück. Wenn nur nicht dein Vater auftaucht.«
»Kann er nicht, der ist zu einer Versammlung, die dauert bis abends, und anschließend gehen sie noch in die Kneipe. Da zieht meine Mutter natürlich ein langes Gesicht, aber richtig wütend ist sie nicht.«
Finn rannte über den Rasen, über die Steine davon, und überkletterte den Zaun, der den Hinterhof vom Garten seiner Großmutter trennte. Er blieb nicht einmal stehen. Wie ein Indianer schlich er im Schatten des Hauses zur Hintertür. Ein wohliger Schauer lief dabei über seinen Rücken. Auf keinen Fall durfte er sich erwischen lassen. Es war beinahe ein gefährliches Abenteuer. Sah ihn seine Großmutter, würde sie ihn einfangen. Bevor er von ihr in den Salon geschleppt wurde, wo er wie ein braver Junge Händchen geben mußte, würde sie ihn waschen, manchmal hatte er das Gefühl, seine Haut wäre im Handtuch geblieben.
Die Hintertür öffnen, so leise, damit sie nur nicht quietschte. Und natürlich mußte sie geöffnet bleiben. Ein Indianer hielt immer den Fluchtweg offen.
Er blieb in dem dämmrigen Hausflur stehen, er hörte die Stimmen aus dem Wohnzimmer seiner Großmutter, sie nannte es Salon.
Er huschte in die Küche. Zufrieden sah er sich um. Emma hatte