Wie Fremde in der Nacht: Familie Dr. Norden - Neue Edition 7 – Arztroman
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Weiterhin bleibt die Familie für Daniel Norden der wichtige Hintergrund, aus dem er Kraft schöpft für seinen verantwortungsvollen Beruf und der ihm immer Halt gibt. So ist es ihm möglich, Nöte, Sorgen und Ängste der Patienten zu erkennen und darauf einfühlsam einzugehen.
Familie Dr. Norden ist der Schlüssel dieser erfolgreichsten Arztserie Deutschlands und Europas.
»Ach, da bist du ja, mein Junge. Nur herein mit dir, ich habe schon gewartet.« Voller Ungeduld stand Ilona Grafenberg an der Tür ihrer Erdgeschoßwohnung und zauste ihrem Enkelsohn Heiner, der sie um einen guten Kopf überragte, mit leisem Vorwurf die Haare. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.« »Aber Omi, wie oft soll ich dir noch sagen, daß meine Patienten nicht immer Rücksicht auf meine Sprechzeiten nehmen.« »Die Vierbeiner vielleicht nicht, aber die dazugehörigen Frauchen und Herrchen könnten doch Rücksicht nehmen«, erklärte Ilona kopfschüttelnd und ging voraus ins Wohnzimmer, wo in einer Ecke ein Tisch wie immer fürstlich gedeckt war. »Jetzt setz' dich, das Essen ist mir beinahe verkocht.« Während er sich folgsam auf den Stuhl fallen ließ, ließ Heiner den Blick tadelnd über die Tafel gleiten. »Wie oft muß ich dir noch sagen, daß du für mich nicht das alte Porzellan und das Silber herauskramen sollst? Ich finde das reichlich übertrieben.« »Und für wen sollte ich das Geschirr aufbewahren?« tönte Ilonas mitunter schrille Stimme aus der Küche, wo sie in Töpfen und Pfannen rührte. »Außer dir besucht mich doch Jahr und Tag kein Mensch.« »Dann mußt du das eben ändern. Hier um die Ecke ist das Haus der Senioren. Ich glaube, das Programm habe ich dir schon so oft mitgebracht...« »Papperlapapp«, unterbrach Ilona ihren Enkel unwirsch und stellte entschieden einen Topf auf den Tisch. »Was soll ich denn unter den ganzen Alten?
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Buchvorschau
Wie Fremde in der Nacht - Patricia Vandenberg
Familie Dr. Norden - Neue Edition
– 7 –
Wie Fremde in der Nacht
Müssen unsere Wege sich wieder trennen?
Patricia Vandenberg
»Ach, da bist du ja, mein Junge. Nur herein mit dir, ich habe schon gewartet.« Voller Ungeduld stand Ilona Grafenberg an der Tür ihrer Erdgeschoßwohnung und zauste ihrem Enkelsohn Heiner, der sie um einen guten Kopf überragte, mit leisem Vorwurf die Haare. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«
»Aber Omi, wie oft soll ich dir noch sagen, daß meine Patienten nicht immer Rücksicht auf meine Sprechzeiten nehmen.«
»Die Vierbeiner vielleicht nicht, aber die dazugehörigen Frauchen und Herrchen könnten doch Rücksicht nehmen«, erklärte Ilona kopfschüttelnd und ging voraus ins Wohnzimmer, wo in einer Ecke ein Tisch wie immer fürstlich gedeckt war. »Jetzt setz’ dich, das Essen ist mir beinahe verkocht.«
Während er sich folgsam auf den Stuhl fallen ließ, ließ Heiner den Blick tadelnd über die Tafel gleiten.
»Wie oft muß ich dir noch sagen, daß du für mich nicht das alte Porzellan und das Silber herauskramen sollst? Ich finde das reichlich übertrieben.«
»Und für wen sollte ich das Geschirr aufbewahren?« tönte Ilonas mitunter schrille Stimme aus der Küche, wo sie in Töpfen und Pfannen rührte. »Außer dir besucht mich doch Jahr und Tag kein Mensch.«
»Dann mußt du das eben ändern. Hier um die Ecke ist das Haus der Senioren. Ich glaube, das Programm habe ich dir schon so oft mitgebracht...«
»Papperlapapp«, unterbrach Ilona ihren Enkel unwirsch und stellte entschieden einen Topf auf den Tisch. »Was soll ich denn unter den ganzen Alten? Mich über Zahnprothesen und Gehhilfen unterhalten?«
Nur mit Mühe unterdrückte Heiner ein Grinsen.
»Du gehst ziemlich hart mit deinen Altersgenossen ins Gericht, findest du nicht?«
»Unsinn, schau dich doch um. Ich war schon immer ein jugendlicher Typ, während sich die anderen Leute in meinem Alter für meinen Geschmack ziemlich gehenlassen.« Nicht ohne Stolz strich sich Ilona über die roséfarbene Hose und rückte den Kragen ihrer farblich darauf abgestimmte Bluse zurecht. Insgeheim mußte Heiner zugeben, daß seine Großmutter tatsächlich ausgesprochen gepflegt war. Aber das mußte er ihr nicht unbedingt sagen. Schließlich war sie eingebildet genug. Ilona wartete unterdessen gar nicht auf ein Kompliment, sondern holte den zweiten Topf und eine Pfanne, aus der verführerische Düfte ins Zimmer schwebten. »Genug der Rederei, jetzt wird gegessen.« Resolut wie sie sich nach außen hin immer gegeben hatte, legte sie Heiner ein ordentliches Stück Fleisch auf den Teller, gefolgt von einer riesigen Portion Nudeln und Gemüse.
»Wer soll denn das alles essen? Ich bin doch kein Gladiator.«
»Keine Widerrede. Du hast einen anstrengenden Beruf und mußt sehen, daß du bei Kräften bleibst.«
»Omi, ich bin kein Tierarzt für Großvieh, der sich mit Kühen und Pferden herumschlagen muß.« Schon beim Anblick des gutgefüllten Tellers verschlug es Heiner den Appetit, und er suchte verzweifelt nach einem Ausweg, um sich aus der Affäre zu ziehen, ohne Ilona zu verletzen. Doch die durchleuchtete ihn förmlich mit einem Blick aus ihren stahlblauen Augen.
»Was ist los mit dir, Heiner? Schon seit Tagen, ach, was sage ich, Wochen, ißt du schon nicht mehr richtig. Du bist abgemagert.«
»Unsinn. Jetzt habe ich endlich wieder eine einigermaßen gute Figur, das ist alles«, redete sich Heiner heraus und steckte eine Gabel Bohnen in den Mund. Aber so leicht ließ sich Ilona nicht ablenken. Argwöhnisch beäugte sie ihren Enkelsohn, der nach dem tragischen Tod seiner Eltern bei ihr aufgewachsen war, und entschloß sich dann, den Stier bei den Hörnern zu packen.
»Du machst mir nichts vor, mein Junge. Es geht um eine Frau. Du bist verliebt. Alle Anzeichen sprechen dafür. Dein neues Hemd, die neue Frisur, deine chronische Appetitlosigkeit.« Ihre Stimme hatte den amüsierten Unterton verloren, und Heiner seufzte.
»Also schön, Omi, wenn du es unbedingt wissen willst. Ja, es steckt eine Frau dahinter.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt? Schließlich bin ich deine engste Vertraute.«
»Ich weiß doch, wie eifersüchtig du bist. Und ich wollte einfach abwarten, wie wichtig Emma für mich ist. Deshalb habe ich nichts gesagt.«
»Das läßt darauf schließen, daß sie sehr wichtig ist, oder?« Ilonas Augen hatten sich zu dünnen Schlitzen verengt, die weiche Gesichtshaut kräuselte sich in vorwurfsvollen Falten. Heiner ließ die Gabel sinken und blickte eine Weile nachdenklich vor sich hin.
»Ja, ich glaube, das ist sie«, erklärte er plötzlich mit einem völlig neuen Ernst in der Stimme, den Ilona an ihm nicht kannte. Und obwohl sie geahnt hatte, daß dieser Tag einmal kommen würde, schrillten die Alarmglocken in ihrem Inneren und versetzten ihr Herz in Aufruhr.
»Emma heißt sie also«, bemerkte sie endlich, um die Spannung zu durchschneiden, die in der Luft lag. Dankbar atmete Heiner auf.
»Emma O’Shea.«
»Das klingt aber gar nicht Deutsch. Ist ihr Vater Ausländer?«
»Emma ist Irin. Sie lebt in Irland auf einer Schaffarm.«
»Wie bitte?« Aufgebracht schnappte Ilona nach Luft. »Eine Schafzüchterin? Das kann doch wohl nicht wahr sein, Heiner! Nach den Liebschaften, die du mir schon alle heimgebracht hast, habe ich ja mit einigem gerechnet. Aber eine Schafzüchterin? Nein.«
»Omi, bitte, jetzt warte doch erst mal, bis du sie kennengelernt hast. Emma ist großartig. Sie ist die unbeschreiblichste Frau, die ich je getroffen habe. Wenn man sie sieht, könnte man meinen, sie wäre direkt einem Pariser Laufsteg entsprungen. Ehrlich gesagt kann ich sie mir gar nicht recht auf einer Farm vorstellen. Aber sie hat mir Fotos gezeigt. Außerdem hat sie Arbeiter, die sich um die Tiere kümmern. Emma ist rein für die Verwaltung und Vermarktung des Fleisches und der Wolle zuständig«, sprudelten die Worte aus ihm heraus. Ilona hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten vor Eifersucht und Angst.
»Genug, genug, diese Lobhudeleien sind ja nicht auszuhalten.« Unwillkürlich faßte sie sich ans Herz, das in ihrer Brust wie ein aufgeregter Vogel flatterte. »Mir wird schwindlig. Es ist so schwül heute...«
»Omi, reg dich doch bitte nicht so auf.« Sofort war Heiner von seinem Platz aufgesprungen und war mit zwei Sätzen neben Ilona, wo er vor ihrem Stuhl niederkniete. »Was ist? Möchtest du dich hinlegen? Soll ich Dr. Norden rufen?«
»Nein, nein, nicht nötig. Bring mir nur die Tabletten aus der Küche, dann geht es schon wieder.« Mit einer gewissen Genugtuung, ihren Enkel so vor sich zu sehen, seufzte Ilona schwer. »Bei diesen Temperaturen spielt mir mein Kreislauf immer wieder einen Streich.«
Diese Bemerkung überging Heiner geflissentlich, als er sich auf den Weg in die Küche machte, um die Tabletten zu suchen. Durch das Küchenfenster hindurch sah er in den wolkenverhangenen Himmel, und ein angenehm kühlender Windhauch bauschte die Vorhänge. Es war wirklich alles andere als zu warm. Als guter Enkelsohn verbiß er sich einen tadelnden Kommentar und brachte Ilona die Medikamente. Bald darauf verabschiedete er sich. Seine Mittagspause war vorüber, und er fuhr zurück in die Praxis, um sich um seine vierbeinigen Patienten zu kümmern.
Gegen Abend befreiten sich die tief am Sommerhimmel hängenden Wolken von ihrer Last, und die Regentropfen fielen klatschend auf den Asphalt, als Emma O’Shea ihrem Zimmer im Hotel »Vier Jahreszeiten« auf und ab ging. Die Art, wie sie an ihrer Zigarette zog, verriet, wie nervös sie war. Um sich abzulenken, stellte sie sich ans Fenster und lauschte auf den rauschenden Regen. Fast wie zu Hause, dachte sie bei sich ohne einen Anflug von Sentimentalität. Gefühlsduseleien waren nicht ihre Art. Sie war eine Frau, die mit beiden Beinen fest auf dem Erdboden stand. Das mußte sie auch sein in einem Land wie Irland, als Besitzerin einer Schaffarm, die sie als einziges Kind beim Tod ihres Vaters geerbt hatte. Es war ein rauhes Land, und auch wenn Emma rein äußerlich eine