Auf dich wartet ein neues Leben: Sophienlust 445 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Mit einem dumpfen Schlag fiel ein Glas um. Roter Fruchtsaft lief über die pastellfarbene Damastdecke und versickerte im Gewebe. »Frank«, zischte Benita Sandner tadelnd, »kannst du denn nicht aufpassen? Mit neun Jahren müßte man sich bei Tisch doch schon besser benehmen können. Ich bin von dir enttäuscht.« Benita sah über den Rand ihrer Brille hinweg vorwurfsvoll auf den Jungen. Ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der spitzen Nase wirkte streng, fast feindselig. Das schulterlange pechschwarze Haar und die zornig funkelnden dunklen Augen verstärkten diesen Eindruck noch. Das Kind sackte schuldbewußt in sich zusammen und preßte die Arme fester an den Körper. »Entschuldige«, murmelte es bekümmert. Es war keine böse Absicht, doch immer wieder passierte Frank ein derartiges Mißgeschick. Er war selbst unglücklich dar-über, denn er wollte seine Mutter nicht verärgern. Mir ihr hatte er allerdings wirklich keinerlei Ähnlichkeit. Frank hatte einen dichten rotblonden Schopf, eine kesse Stupsnase mit lustigen Sommersprossen und einen hübschen kleinen Mund, dessen Lachen alle Herzen im Sturm eroberte. »Geh' nach draußen und bitte Otti um einige Servietten«, ordnete Benita an. Joachim Sandner beobachtete den Vorgang mit der Gelassenheit des Gentlemans, den er zu verkörpern versuchte. Er war sehr gepflegt, trug elegante Maßanzüge und umgab sich stets mit einem dezenten Duft.
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Buchvorschau
Auf dich wartet ein neues Leben - Susanne Svanberg
Sophienlust
– 445 –
Auf dich wartet ein neues Leben
Susanne Svanberg
Mit einem dumpfen Schlag fiel ein Glas um. Roter Fruchtsaft lief über die pastellfarbene Damastdecke und versickerte im Gewebe.
»Frank«, zischte Benita Sandner tadelnd, »kannst du denn nicht aufpassen? Mit neun Jahren müßte man sich bei Tisch doch schon besser benehmen können. Ich bin von dir enttäuscht.« Benita sah über den Rand ihrer Brille hinweg vorwurfsvoll auf den Jungen. Ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der spitzen Nase wirkte streng, fast feindselig. Das schulterlange pechschwarze Haar und die zornig funkelnden dunklen Augen verstärkten diesen Eindruck noch.
Das Kind sackte schuldbewußt in sich zusammen und preßte die Arme fester an den Körper. »Entschuldige«, murmelte es bekümmert. Es war keine böse Absicht, doch immer wieder passierte Frank ein derartiges Mißgeschick. Er war selbst unglücklich dar-über, denn er wollte seine Mutter nicht verärgern.
Mir ihr hatte er allerdings wirklich keinerlei Ähnlichkeit. Frank hatte einen dichten rotblonden Schopf, eine kesse Stupsnase mit lustigen Sommersprossen und einen hübschen kleinen Mund, dessen Lachen alle Herzen im Sturm eroberte.
»Geh’ nach draußen und bitte Otti um einige Servietten«, ordnete Benita an.
Joachim Sandner beobachtete den Vorgang mit der Gelassenheit des Gentlemans, den er zu verkörpern versuchte. Er war sehr gepflegt, trug elegante Maßanzüge und umgab sich stets mit einem dezenten Duft.
Frank rutschte vom Stuhl und lief mit gesenktem Kopf hinaus. Zu dem Hausmädchen Otti hatte er ein gutes Verhältnis, denn sie war jung und hatte viel Verständnis für Kinder. Heimlich bedauerte sie den Jungen, der in diesem reichen Haus wie in einem goldenen Käfig lebte. Frank durfte nie wild und übermütig sein, sondern mußte sich gesittet wie ein Erwachsener benehmen. Er durfte auch nicht Jeans und T-Shirts tragen, sondern mußte maßgeschneiderte Hosen und Seidenhemden anziehen, die dem kleinen Lausbuben überhaupt nicht standen.
Hilfsbereit wie immer kam Otti ins Eßzimmer und beseitigte rasch die Spuren des kleinen Malheurs. Sie brachte auch ein frisches Glas und füllte es mit Fruchtsaft.
»Gehen Sie schon.« Frau Sandner machte eine ungeduldige Handbewegung. Sie sprach nie mehr als unbedingt nötig mit dem Personal. Vor allen Dingen duldete sie nicht, daß eines der Mädchen im Zimmer war, wenn sie mit ihrer Familie etwas zu besprechen hatte.
»Du wirst morgen für einige Wochen nach Sophienlust gehen«, wandte sich Benita an das Kind, sobald Otti aus dem Zimmer gehuscht war. »Wir verreisen und können dich nicht mitnehmen. Außerdem mußt du ja zur Schule.« Die Mitteilung klang unfreundlich.
Trotzdem leuchteten Franks große braune Kinderaugen glücklich auf.
»Nach Sophienlust? Morgen schon? Klasse, Mutti!« Vor lauter Begeisterung hätte der Junge beinahe das Glas erneut umgeworfen. Er erwischte es gerade noch und hielt es fest.
»Ich wußte überhaupt nicht, daß wir wegfahren.« Joachim Sandner tupfte sich sorgfältig die Lippen ab.
»Dann weißt du es jetzt«, erwiderte Benita ärgerlich. »Frank, iß deinen Teller leer und gehe auf dein Zimmer«, bestimmte die Frau energisch. »Richte deine Schulbücher zusammen und was du sonst noch mitnehmen möchtest.«
»Ich brauche sonst nichts. In Sophienlustg haben sie Spielsachen genug.« Frank, der schon oft in dem privaten Kinderheim gewesen war, freute sich. Es war nicht nur die Abwechslung, die ihm imponierte, sondern vor allen Dingen die Herzlichkeit, mit der auch fremde Kinder in Sophienlust aufgenommen wurden. Dort gab es keine mürrischen Erzieherinnen, keine strengen Befehle, keine versnobten Gepflogenheiten. In Sophienlust herrschten Natürlichkeit, Ungezwungenheit und vor allen Dingen Fröhlichkeit. Dort durften die Kinder auf dem Rasen spielen, kurze Hosen tragen und an heißen Tagen sogar barfuß laufen. Sie durften lärmen und schreien und sich auch bei Tisch unterhalten. Alles Dinge, die in Franks Elternhaus undenkbar waren. In Sophienlust hatte Frank Freunde, die in seinem Alter waren, Freunde, auf die er sich verlassen konnte.
»Daß ich nach Sophienlust darf, finde ich irre gut«, erklärte der Neunjährige mit einem Seufzer der Erleichterung.
Die Bemerkung brachte ihm einen strafenden Blick seiner Mutter ein.
»Frank, du weißt, daß ich diese burschikose Ausdrucksweise nicht schätze. Wie mußt das richtig heißen?«
»... finde ich sehr gut«, verbesserte sich der Junge mit scheuem Blick. Er hatte weder zu Benita, noch zu Joachim Sandner ein inniges Verhältnis und sehnte sich oft nach der Herzlichkeit, wie sie in Sophienlust selbstverständlich war. Der Mann, den er für seinen Vater hielt, blieb immer kühl und distanziert und hatte eigentlich nur ironische Bemerkungen für den Jungen übrig. Frank war noch zu jung, um diese Art von Humor zu verstehen und fürchtete sich deshalb ein wenig vor seinem Vater. Die Frau, von der er glaubte, daß sie seine Mutter war, kannte er nur nörgelnd und unzufrieden. So sehr sich Frank auch bemühte, er konnte ihr nichts recht machen. Unter dieser Umständen war es eigentlich nicht verwunderlich, daß sich der Junge zu einem gehemmten, scheuen Kind entwickelte. Nur wenn er in Sophienlust war, legte er die Unsicherheit ab und wurde munter und etwas aufgeschlossen.
Hastig und ohne zu kauen schluckte Frank die letzten Bissen hinunter. Es interessierte ihn nicht, daß es erlesene Delikatessen waren, die er so achtlos verschlank. Ihm schmeckte das einfache, kindergerechte Essen, das es in Sophienlust gab, viel besser als die teuren Menüs im Hause des reichen Fabrikanten Sandner.
»Darf ich jetzt gehen?« Frank saß kerzengerade, wie es Benita von ihm verlangte.
Prüfend sah sie auf sein Gedeck. »Den Saft hast du noch nicht getrunken«, beanstandete sie.
Frank holte es nach und fragte dann noch einmal. Jetzt wurde er gnädig entlassen. In seiner Vorfreude vergaß er, daß er nicht rennen, sondern nur gesittet gehen durfte. Er wurde zurückgerufen und mußte den Weg zur Tür noch einmal machen.
»Übertreibst du nicht ein wenig?« fragte Joachim Sandner, als ihn das Kind nicht mehr hören konnte. Normalerweise kümmerte er sich nicht um Frank. Denn als Inhaber einer bekannten Kosmetikfabrik hatte er eine Menge geschäftliche Verpflichtungen. Außerdem hatte er private Interessen, von denen Benita nichts wissen durfte. Sie konzentrierten sich auf hübsche junge Sekretärinnen, schöne Werbedamen oder rassige Mannequins. Seine Ehe mit der um fünf Jahre älteren Benita hielt er ohnehin nur noch aus gesellschaftlicher Rücksicht aufrecht.
»Der Junge kann überhaupt nicht streng genug erzogen werden, sonst entwickelt er den verkommenen Charakter seiner Mutter«, entgegnete Benita in einem Ton, der jeden Zweifel ausschloß.
Da die Frau keine Kinder bekommen konnte, hatten sie unmittelbar nach ihrer Hochzeit Frank zu sich genommen. Damals war er nur wenige Stunden alt gewesen.
Frank sollte nie erfahren, daß er der Sohn von Jachims älterem Bruder und der Studentin Ellen Kortüm war. Einen Monat vor Franks Geburt wurde Rüdiger Sandner in seinem Ferienhaus erschossen. Als Täterin hatte man damals seine Freundin Ellen verurteilt, obwohl sie leidenschaftlich ihre Unschuld beteuerte. Damals war Benita noch Rüdigers Frau. Sie heiratete schon drei Wochen nach dem Unglück den damals siebenundzwanzigjährigen Joachim. Neun Jahre war das nun her. Neun Jahre, in denen sich Benita zu einer herrschsüchtigen, oft boshaften Frau entwickelt hatte.
Joachim ertrug es mit Gelassenheit und revanchierte sich damit, daß er nur zu den Mahlzeiten zu Hause war.
»Ich habe dir doch erzählt, daß Steinbach, Ellens Anwalt, die Wiederaufnahme des Verfahrens erreicht hat.«
Joachim widmete seine Aufmerksamkeit dem ausgezeichneten Wein. »Ja, ich erinnere mich. Hat er denn neue Aspekte gefunden? Wenn ich richtig informiert bin, wollte er doch damals sofort erreichen, daß das Verfahren nochmals aufgenommen wird. Allerdings scheiterten seine Versuche. Ich begreife nicht, wie nach all diesen Jahren...«
»Es ist nur so zu verstehen, daß Ellen dem Rechtsanwalt Steinbach den Kopf verdreht hat. Sie ist ein Teufelsweib, das weiß doch jeder. Sie hat Rüdiger verführt und ihn mit dem Kind, das sie erwartete, erpreßt. Als er trotzdem nicht bereit war, sie zu heiraten, hat sie deinen Bruder hinterhältig und herzlos erschossen.
»Das ist ja hinlänglich bekannt«, antwortete Joachim ungeduldig. Er erinnerte sich nur sehr ungern an den Skandal, der damals Schlagzeilen machte. Nachträglich allerdings hatte er sich als ausgezeichnete Werbung für die Sandner-Werke entpuppt, deren Produkte reißenden Absatz fanden. »Steinbach muß doch etwas Neues herausgefunden haben, sonst hätte man den Prozeß nicht wiederaufgenommen.«
»Kleinigkeiten, nichts als Kleinigkeiten«, tat Benita die Frage ab.
»Immerhin haben sie ausgereicht, um Ellen mangels Beweises freizusprechen. Sie wird Haftentschädigung bekommen.«
»Du weißt es also schon.«
»Es steht ja in allen Zeitungen. Nur die Details verheimlicht man. Vermutlich gehört das zu Steinbachs Strategie.«
»Es kommt doch überhaupt niemand anders als Täter in Frage, selbst wenn man diese Person jetzt freisprechen muß. Rüdiger hatte keine Feinde. Für uns ist im Moment primär, daß Ellen hier auftauchen wird. Du weißt ja, daß sie sich strikt weigert, Frank zur Adoption freizugeben. Sie glaubt, daß sie Rechte an dem Jungen hat.
»Immerhin ist sie die Mutter«, erinnerte Joachim distanziert.
»Eine Mörderin ist sie, und ich denke nicht daran, ihr Frank zu überlassen. Wir haben ihn aufgezogen, er trägt unseren Namen, gilt als unser Sohn.«
»Er trägt den Namen seines Vaters«, stellte der Geschäftsmann richtig.
»Da ist ja nun wirklich kein Unterschied. Frank ist der künftige Erbe der Sandner-Werke.« Benita sah ihren Mann streitsüchtig an.
»Das ist er durch seinen Vater ohnehin«, blieb Joachim sachlich. »Immerhin gehörten die Sandner-Werke meinem Bruder. Er hat sie gegründet, ich führe sie nur weiter. Frank als sein Sohn ist erbberechtigt.«
»Du vergißt, daß ich Rüdigers Frau war.« Benita reckte den Kopf.
»Wie könnte ich. Die Hälfte des Werks gehört dir, die andere Frank. Allerdings stehen auch mir Anteile aus dem Gewinn der vergangenen neun Jahre zu.«
»Ellen Kortüm könnte für ihren Sohn die Hälfte des Werks verlangen. Damit wären wir ruiniert, und schon deshalb bleibt Frank unser Sohn, basta.«
»Ohne Adoptionsvertrag haben wir keinerlei Rechte«, meinte der Mann realistisch.
»Wer weiß denn davon? Frank darf dieser Mörderin nie begegnen. Deshalb bringe ich ihn morgen nach Sophienlust. Dort ist er vor ihr sicher, denn wir werden ihr den Aufenthaltsort verschweigen.«
»Und du glaubst, daß dies so