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Konstantins Antrag: Sein dritter unfreiwilliger Fall
Konstantins Antrag: Sein dritter unfreiwilliger Fall
Konstantins Antrag: Sein dritter unfreiwilliger Fall
eBook279 Seiten3 Stunden

Konstantins Antrag: Sein dritter unfreiwilliger Fall

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Über dieses E-Book

Ein spannender, bayerisch angehauchter Cosy-Krimi mit skurriler Note und Schmunzelfaktor.

 

„Kommen Sie sofort ins Biohotel Bavaria Eden. Helmut Lochstampfer ist dort heute Morgen tot aufgefunden worden. Beeilen Sie sich.“

 

Während Bestatter Konstantin Schwarz damit beschäftigt ist, Pfannkuchen zu machen, erhält er diesen anonymen Anruf. Helmut Lochstampfer hat erst wenige Wochen zuvor seine eigene Beerdigung zusammen mit Konstantin geplant. Und nun ist er also tatsächlich tot? Und das auch noch am Tag seiner eigenen Hochzeit kurz vor dem Ja-Wort...

Schnell steht der Verdacht des Mordes im Raum. Ein vergiftetes Kondom wird als Tatwerkzeug identifiziert. Doch zu einem Kondom gehören bekanntlich immer zwei. Aber Lochstampfers Beinahe-Ehefrau ist noch putzmunter. Treibt vielleicht der ominöse Auftragskiller "Narcotic Joe" sein Unwesen in der bayerischen Provinz?

Eigentlich wollte Konstantin sich nicht mehr in solche Mordangelegenheiten verwickeln lassen, doch hat er seiner Freundin Nelly einen Heiratsantrag gemacht, weswegen ihm Tante Fanny mal wieder gehörig die Hölle heiß macht. Um den Hochzeitsvorbereitungen zu entgehen, entschließt er sich spontan lieber mit Professor Hackspiel und Leichen-Franz auf Auftragskiller-Jagd zu gehen, die ihn sogar bis in die andalusischen Berge verschlägt.

 

Dieser Fall ist in sich abgeschlossen.

 

Teil 1: Konstantins Erbe

Teil 2: Konstantins Dilemma

Teil 3: Konstantins Antrag

Teil 4: Konstantins Affäre

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum3. Juli 2022
ISBN9783755416692
Konstantins Antrag: Sein dritter unfreiwilliger Fall

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    Buchvorschau

    Konstantins Antrag - Coco Eberhardt

    Kurz vorweg

    Konstantin Schwarz ist Anfang dreißig und musste nach dem frühen Tod seines Vaters mehr oder weniger freiwillig das familiengeführte Bestattungsinstitut mitten in München übernehmen, was er auch mittlerweile halbwegs auf die Reihe bekommt, im Gegensatz zu seinem Leben. Er ist therapieerfahren, bekämpft seine Schlafstörungen gerne mal mit Tabletten, raucht zu viel und immer wieder spricht seine tote Großtante, die zu Lebzeiten Tante Fanny genannt wurde, mit ihm. Nach Tante Fannys Ableben ist Konstantin in deren Mansardenwohnung gezogen. Viel verändert hat er dort aber nicht, denn Veränderung ist nicht so sein Ding. Im gleichen Haus wohnt noch seine Mutter, die sich immer wieder um ihn Sorgen macht und seine neun Jahre jüngere Schwester Chrissy, die mit ihrer lockeren Art so ganz anders ist wie Konstantin. Viele Freunde hat der neurotische Bestatter nicht. Einer davon ist jedoch der unorthodoxe und etwas behäbige Gebäudereiniger Franz, der auch Leichen-Franz genannt wird, da er sich beruflich auf Leichenfundort- und Tatortreinigung spezialisiert hat. Zu Flora Kalischek fühlt sich Konstantin immer wieder stark hingezogen. Sie ist um einiges älter als er, was das Ganze nicht so einfach macht. Mit ihr verbinden ihn allerdings mehr als nur seine Gefühle für sie.

    Kapitel 1

    Etwas desorientiert stand ich in der Essküche meiner kleinen Mansardenwohnung. Es war Samstag und für einen Samstag war es definitiv zu früh, um aufzustehen. Meine Vitalfunktionen liefen noch auf Notstrom, während ich bemüht war, Pfannkuchen zuzubereiten. Eier und Milch hatte ich mir aus dem Kühlschrank meiner Mutter geklaut, die in der Wohnung im 1. Stock wohnte, leider aber dieses Wochenende mit ihrem neuen Lebensgefährten Rudi auf irgendeinem Workshop war, sodass ich mich nun hier alleine herumschlagen musst. Alleine mit den Zwillingen Tommy und Annika, die erwartungsvoll und hungrig an dem kleinen Esstisch in der Küche saßen, die noch aus der Wirtschaftswunderzeiten stammte. Mit großen Augen beobachteten die beiden, was ich machte.

    In einem schwachen Moment hatte ich Flora zugesagt, dieses Wochenende auf ihre Kinder aufzupassen, die ja genau genommen auch meine waren, obwohl ich immer noch der Überzeugung war, dass ich für jedwede Art von Kindern ein relativ ungeeigneter Vater wäre. Aber darüber brauchte ich mir keine Gedanken mehr zu machen, denn dafür war es nun sowieso zu spät. Annika war mir wie aus dem Gesicht geschnitten und Tommy hatte die gleich neurotische Art, wie auch ich sie bis heute hatte. Die beiden gingen mittlerweile in die dritte Klasse. Und ich war bloß froh, dass Flora diesbezüglich keine zu großen Erwartungen an mich hatte.

    Flora war Hochzeitsplanerin, dreizehn Jahre älter als ich, und obwohl ich mit Nelly eigentlich ganz glücklich liiert war, empfand ich immer noch Gefühle für sie, die ich einfach nicht so recht in den Griff bekam und die lediglich dadurch gedämpft wurden, dass sie mir für ein Happy End mit uns beiden keine große Hoffnung machte.

    Dieses Wochenende hatte sie eine Hochzeit irgendwo am Ammersee, die ihren ganzen Einsatz erforderte, weshalb sie dachte, es wäre eine gute Idee, die Kinder zu mir zu bringen, da ihre Eltern für zwei Wochen an die Nordsee gereist waren und somit nicht für Babysitting zur Verfügung standen.

    In einem Küchenkasten hatte ich noch eine Packung Mehl entdeckt, deren MHD erst zwei Wochen überschritten war. Auf der Arbeitsplatte lag mein Smartphone, das mir ein Rezept für Pfannkuchenteig anzeigt.

    „Du wirst doch wohl no a boa Pfannkuacha higrign?", tönte Tante Fannys Stimme in meinem Kopf.

    Tante Fanny war vor mehreren Jahren im stolzen Alter von 96 friedlich, mit einem Cognacschwenker Asbach Uralt neben sich, aus dem Leben geschieden. Doch seit diesem Zeitpunkt spukte sie mir im harmlosesten Fall im Kopf herum, und wenn sie es ganz gut mit mir meinte, erschien sie mir gelegentlich auch im Traum. Ich fragte mich schon lange nicht mehr, warum Tante Fanny ausgerechnet mich für ihre Heimsuchungen ausgesucht hatte. Selbst Frau Dr. Schumann, meine Psychiaterin, hatte für dieses „Problem" noch keine Lösung gefunden. War es vielleicht, weil ich nach ihrem Tod in ihre Wohnung gezogen war? Auf jeden Fall hatte ich mich mit Tante Fanny, die zu Lebzeiten eigentlich bloß den Verwandtschaftsgrad einer Großtante hatte, mittlerweile ganz gut arrangiert.

    „Ja, ja", murmelte ich vor mich hin, als Antwort auf ihre provokativ gestellte Frage.

    Die Zutaten hatte ich mittlerweile alle in eine alte Tupperschüssel gekippt und suchte nun verzweifelt nach dem Handrührgerät. Obwohl ich die Mansardenwohnung schon ein paar Jahre bewohnte, kannte ich mich mit den Gegebenheiten in der Küche, die nahezu 1:1 dem Zustand ihrer Vorbewohnerin entsprach, immer noch nicht so recht aus.

    „Rechts undn, Bua", half mir Tante Fanny schließlich bei der Suche.

    Und tatsächlich lag dort der alte Handrührer von Krups, dessen langes weißes Kabel fein säuberlich um das Gerät aufgewickelt war.

    „Des Runde muaß ins Runde und des Gzackte ins Gzackte", instruierte sie mich, wie ich die Rührstäbe einstecken sollte.

    „Ich bin doch nicht blöd", murrte ich leise, fast schon ein bisschen beleidigt zu ihr, was wohl auch daran lag, dass meine Laune in Folge schlechten Schlafs und fehlenden Nikotins nicht gerade die beste war.

    „I sog 's jo bloß", grummelte sie zurück, während Tommy und Annika immer noch geduldig auf ihr Frühstück warteten.

    Mit zittrigen Händen begann ich in der Schüssel zu rühren. Mein Nikotinentzug machte sich langsam deutlich bemerkbar. Aus Rücksicht auf die Kinder hatte ich bis zum jetzigen Zeitpunkt auf meine Guten-Morgen-Zigarette verzichtet. Doch lange würde ich nicht mehr durchhalten.

    „Backröhrl", meinte Tante Fanny wortkarg zu mir, als ich nervös nach einer Pfanne suchte.

    Auf die Idee, im Backofen zu suchen, wäre ich wohl wirklich nie gekommen. Ich stellte sie auf den Herd und schaute zu, wie die Butter langsam schmolz. Dann leerte ich ein bisschen etwas von der Teigmasse hinein.

    „Vui z' vui", stänkerte Tante Fanny in meinem Kopf über meine Kochkünste.

    Leider zurecht. Der Pfannkuchen in der Pfanne war viel zu dick, sodass man ihn gar nicht mehr rollen konnte. Auf der Oberseite war er noch flüssig und von unten her begann es bereits verbrannt zu riechen. Verzweifelt versuchte ich ihn mit einem hölzernen Wender in der Pfanne umzudrehen, was mir mehr schlecht als recht gelang.

    „Da easte werd eh oiwei nix", kommentierte Tante Fanny tröstend meinen kläglichen Kochversuch.

    Ich halbierte den riesigen Pfannkuchen, schmierte ein bisschen Marmelade darüber und kredenzte ihn so den Zwillingen.

    „Das ist aber kein echter Pfannkuchen", monierte Annika prompt und schaute mit gerümpfter Nase auf ihr Frühstück.

    „Das sind Pancakes. Die essen die Leute in England und Amerika so", versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen, was Annika offensichtlich auch zufrieden stimmte.

    „Ich find´s lecker", kommentierte schließlich auch Tommy zufrieden schmatzend.

    „Lasst es euch schmecken. Ich bin kurz weg. Komme gleich wieder", meinte ich mild lächelnd zu den beiden.

    Erleichterung machte sich in mir bereit, als ich endlich eine Zigarette aus der Schachtel fummeln und anzünden konnte. Bei geöffnetem Fenster stand ich in meinem rosagekachelten Badezimmer, das immer noch den Charme der 50er versprühte. Der erste Zug war wie ein Befreiungsschlag. Seit ich mit Nelly zusammen war, hatte sich mein Nikotinkonsum zwar um einiges verringert, aber auch wenn ich wollte, würde ich dieses Laster wohl nur schwer losbekommen. Meditativ betrachtete ich die Glut und merkte, wie ich ruhiger wurde.

    Eigentlich hatte ich sonst keine Skrupel, in der Wohnung zu rauchen, doch irgendwie wollte ich den beiden Kindern ja auch ein Vorbild sein. Außerdem war es gar keine Frage, dass der Rauch für Kinder nicht gesund war. Trotzdem stelle es mich vor eine gewisse Herausforderung. Ich drückte meine Zigarette auf dem Fenstersims aus und war gerade im Begriff, zu den Zwillingen in die Küche zurückzukehren, als plötzlich mein Handy klingelte.

    Unbekannt, prangte auf dem Display. Unbekannt. Das war meist nichts Gescheites. Jemand, der einem ein Abo für irgendein dubioses Schundblatt aufdrücken wollte. Oder vielleicht der Tiefkühllieferant, dem ich blöderweise vor geraumer Zeit einmal meine Telefonnummer mitgeteilt hatte, weil mich eine nette junge Dame mit einem Gratiskatalog bezirzt hatte. Mit einem genervt klingenden „Ja" nahm ich schließlich doch das Telefonat an. Nicht, dass es noch ein dringender Sterbenotfall war.

    „Herr Schwarz?", hörte ich eine ruhige, etwas verzerrt klingende Männerstimme am anderen Ende der Leitung in den Hörer sagen.

    „Ja", bestätigte ich etwas überrumpelt meine Identität.

    „Kommen Sie sofort ins Biohotel Bavaria Eden. Helmut Lochstampfer ist dort heute Morgen tot aufgefunden worden. Beeilen Sie sich."

    „Wer sind Sie?", wollte ich etwas verdutzt von dem anonymen Anrufer wissen, doch der hatte bereits aufgelegt.

    Kapitel 2

    Nun war es also so weit. Helmut Lochstampfer war tot. Ich erinnerte mich noch sehr gut an den durchtrainierten, gut aussehenden Biolandwirt mit leicht sonnengebräunter Haut und gesunder Gesichtsfarbe. Wenn Vitalität für einen Namen stehen würde, dann für Helmut Lochstampfer. Er war zwar schon über 50 Jahre alt, jedoch hätte er auf einem hochpolierten Fendt Vario durchaus noch für den Jungbauernkalender posieren können. Seine athletische Figur und sein charismatisches Lächeln hätten selbst mich schwach werden lassen können.

    Es war erst wenige Wochen her, dass der fesche Lochstampfer bei mir im Bestattungsinstitut aufgekreuzt war. Obwohl es draußen noch recht frische, spätwinterliche Temperaturen gehabt hatte, trug er eine traditionelle, hochwertige Lederhose, die über den Knien endete, in Kombination mit selbst gestrickten Wadenwärmern und einem Trachtenjanker.

    Er hatte einen Termin mit mir vereinbart. Dabei ging es nicht um die Planung der Beerdigung eines nahen Angehörigen. Nein. Er wollte seine eigene Bestattung mit mir besprechen. Das war an und für sich nichts Ungewöhnliches, kam hin und wieder vor und hatte die letzten Jahre zunehmend mehr an Bedeutung gewonnen. Im Falle von Helmut Lochstampfer, der immerhin noch weit unter dem durchschnittlichen Sterbealter in Deutschland lag und auch nicht den Anschein erweckte, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, kam es mir jedoch instinktiv sehr seltsam vor. Trotzdem versuchte ich ihn so professionell wie möglich in seinem Anliegen zu beraten.

    Auf dem runden, großen Holztisch in der Sarghalle hatte ich Flyer mit verschiedenen Bestattungsarten ausgebreitet. Interessiert beäugte er das schwarze Kallax Regal aus dem Schwedenmöbelhaus, in dem ich die gutgängigsten Urnen zur Schau stellte.

    „Eines kann ich Ihnen gleich sagen, Herr Schwarz, lieber teuer als Feuer. Geld spielt keine Rolle. Ich möchte keinesfalls verbrannt werden. Das ist mir äußerst wichtig. Kein Feuer", sagte er mit eindringlicher Stimme und starrte mich mit entschiedenem Blick an, sodass ich Gänsehaut bekam.

    Ich nickte artig und schrieb mir seinen Wunsch mit einem großen Ausrufezeichen auf den karierten Notizblock, den ich bei mir hatte.

    „Ich kann Ihnen das Eichensarg-Modell S120 sehr empfehlen. Das gibt es in verschiedenen Ausführungen", riet ich Lochstampfer fachmännisch und zeigte auf das Ausstellungsstück, das gleich neben dem Urnenregal stand.

    „Ja, notieren Sie den gleich auf meine Wunschliste. Der gefällt mir sehr gut", meinte er mit einem Anflug von Begeisterung, als würde er sich ein neues Sport-Coupé kaufen.

    Minutiös plante ich an diesem besagten Nachmittag vor wenigen Woche die Bestattung mit und von Helmut Lochstampfer bis ins letzte Detail. Sogar eine Gästeliste mit den Namen der Menschen, die zur Beerdigung eingeladen werden sollten, hatte er mir zur Verfügung gestellt.

    „Der Leichenschmaus findet dann bei mir im Hotel statt. Im Bavaria Eden, meinte er mit einem abgeklärten Lächeln zu mir. „Ein Biosalat-Buffet mit dem Gemüse aus Eigenanbau, danach ein veganes Maronensüppchen mit Steinpilzen, als Hauptgang ein indisches Kichererbsen-Curry und zum Nachtisch Mangopudding aus Sojamilch.

    „Interessant", war alles, was ich zur Auswahl seines Beerdigungsmenüs meinte, um mich nicht zu blamieren.

    Die meisten der genannten Speisen sagten mir zwar etwas, doch die wenigstens davon standen auf meinem täglichen Speisezettel. Das alles klang auf jeden Fall sehr gesund.

    „Und diesen Brief müssen Sie dann nach der Beerdigung meiner Witwe aushändigen. Bewahren Sie ihn bitte sorgfältig auf. Am besten im Safe. Sie haben doch einen Safe?"

    Als er das sagte, schob er mir ein rotes Briefkuvert über den Tisch. Ein Abschiedsbrief? Ich nickte artig und wunderte mich gleichzeitig immer mehr über den seltsamen Gast, der eigentlich zu Beginn unserer Beratung ganz normal gewirkt hatte.

    Er war bereits im Begriff, sich von mir zu verabschieden, als ich es mir nicht mehr verkneifen konnte, ihn zu fragen. Ich wusste, dass es alles andere als professionell war, aber ich wollte mir später nichts vorwerfen müssen.

    „Sie wollen sich aber nicht… Umbringen?"

    Mit großen, fragenden Augen blickte ich ihn an, doch er blieb weiter ganz gelassen, lachte sogar.

    „Herr Schwarz, wo denken Sie denn hin. Wieso sollte ich mich umbringen? Mir geht es bestens. Besser könnte es mir gar nicht gehen."

    Ich wusste in diesem Moment nicht so recht, ob ich erleichtert sein sollte oder ob dieser Typ vor mir total einen an der Klatsche hatte.

    „Aber… Wieso planen Sie dann jetzt schon Ihre Bestattung? Ich meine, Sie sind noch relativ jung und sehen sehr gesund aus. So mancher 30-Jährige wäre neidisch auf Ihre Konstitution."

    Auf einmal waren sein Lächeln und seine Lockerheit aus seinem Gesicht verschwunden. Mir war schlagartig unheimlich zu Mute. Er räusperte sich kurz, so, als müsse er überlegen, was er mir drauf antworten sollte.

    „Ich werde ermordet werden", antwortete er fast schon flüsternd zu mir.

    Als er das sagte, lief es mir kalt den Rücken hinab. Auf was hatte ich mich da bloß wieder eingelassen? Hätte ich bloß nicht gefragt. Unwissenheit war manchmal nicht unbedingt die schlechteste Wahl.

    „Wann? Wer? Wie?", rief ich ihm noch hinterher, doch er war bereits dabei, den Motor seines roten X5 zu starten.

    „Ihr kennt weder den Tag noch die Stunde", warf er mir diesen Satz aus der Bibel an den Kopf, den ich schon auf so vielen Beerdigungen gehört und auf so vielen Todesanzeigen gelesen hatte.

    Dann knallte er die Tür seines Wagens zu und brauste damit über die gekieste Hofeinfahrt vor dem Bestattungsinstitut durch den Torbogen auf die Straße.

    Kapitel 3

    Ich musste jetzt sofort ins Bavaria Eden, doch konnte ich schlecht die Kinder dahin mitnehmen. Das blöde war nur, dass die Auswahl an verfügbaren Babysittern sehr begrenzt war. Lediglich Nelly und meine Schwester fielen mir auf Anhieb ein. Meinen Kumpel Leichen-Franz hatte ich von vornherein ausgeschlossen. Er war einer meiner wenigen engen Freunde und ich mochte ihn ehrlich, doch konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass er auf Tommy und Annika aufpasste, wo ich selbst ja schon leicht überfordert damit war. Es war nicht so, dass er diesbezüglich über eine negative Expertise verfügen würde. Es war eher ein undefinierbares und unergründliches Bauchgefühl.

    Meine Freundin Nelly wäre sicherlich sofort bereit gewesen, auf die Kinder aufzupassen. Doch war mir vor wenigen Tagen ein äußerst unangenehmes Missgeschick passiert, weswegen ich ihr seitdem tunlichst versuchte, aus dem Weg zu gehen.

    Das mit Nelly und mir ging nun schon eine ganze Weile gut. Mehr oder weniger. Sie war glücklich mit mir und ich auch mit ihr. Daran gab es gar keinen Zweifel. Sie tat mir gut. Schlafmittel brauchte ich mittlerweile so gut wie gar keine mehr und auch an meinem reduzierten Nikotinkonsum war sie nicht ganz unschuldig. Sie versuchte mich zu verstehen. Drang in emotionale Regionen in mir vor, die bisher noch kein anderer Mensch geschafft hatte zu ergründen. Nicht mal ich selbst. Sie hatte es sogar ohne Vorbehalte akzeptiert, als ich ihr eigentlich viel zu spät gestanden hatte, dass Tommy und Annika zumindest biologisch meine Kinder sind. Und sie hatte mir dabei geholfen, besser mit dieser Situation umzugehen, die mich ehrlich gesagt immer noch leicht überforderte. Auch der Sex mit ihr war nicht zu verachten. Zuletzt war sie es gewesen, die mich mithilfe von Rudi aus den Fängen des Psychopaten Moretti vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Gedankt hatte ich ihr das alles damit, dass ich sie aus einer alkoholgeschwängerten Laune heraus mit Flora betrogen hatte. Es war zwar nur einmal. Den Mut dafür, ihr das zu beichten, hatte ich allerdings noch nicht gefunden. Und wahrscheinlich war das wohl auch besser so. Ich hatte mittlerweile gelernt, damit zu leben.

    Stattdessen hatte ich unserer Beziehung ungewollt auf die nächste Ebene gehoben. Nelly hatte vergangene Woche bei mir zu Hause übernachtet, was bisher erst wenige Frauen gemacht hatten. Ich lebte mehr oder weniger in einer musealen Mansardenwohnung, die vom Interieur her in der Wirtschaftswunderzeit stehen geblieben war. Außer meinem Flachbildfernseher, meinem roten Kühlschrank, der hauptsächlich der Bieraufbewahrung diente, und meiner Espresso-Maschine hatte ich hier nicht viel zu bieten.

    „Ich habe kalte Füße", jammerte sie, als wir aneinander gekuschelt in meinem Schlafzimmer in dem alten Schellackbett lagen, das noch von Tante Fanny stammte.

    „Moment", war alles, was ich sagte, bevor ich mich aus dem Bett rollte und kniend in der untersten Schublade der alten Kommode zu wühlen begann.

    Tante Fanny hatte hier doch irgendwo noch selbst gestrickte Socken deponiert gehabt, erinnerte ich mich dunkel, als ich in dem vollen Kasten wühlte, der förmlich überquoll mit Dingen, die noch von meiner Großtante stammten. Doch plötzlich war ich auf eine kleine Schachtel gestoßen, die wie magisch meine Aufmerksamkeit anzog. Ich öffnete sie und fand darin eine Rechnung, die wenige Tage vor Tante Fannys Tod bezahlt worden war und einen schlichten goldenen Ring, in den die Worte "In Liebe. In Ewigkeit." graviert waren.

    „Was ist denn das?", murmelte ich leise vor mich hin.

    „Des gäd di gar nix an", pflaumte mich Tante Fannys Stimme in meinem Kopf an.

    Ich konnte mich nicht erinnern, dass Tante Fanny jemals mit einem Mann irgendeine Art von Beziehung unterhalten hätte. Sie war eine forsche Einzelgängerin gewesen, die ihre ganze Kraft und Arbeit bis zu ihrem Tod in das Bestattungsinstitut gesteckt hatte. So auf dem

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