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Asche - nur Asche: Erinnerungen an einen vielgeliebten Vater
Asche - nur Asche: Erinnerungen an einen vielgeliebten Vater
Asche - nur Asche: Erinnerungen an einen vielgeliebten Vater
eBook380 Seiten5 Stunden

Asche - nur Asche: Erinnerungen an einen vielgeliebten Vater

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Über dieses E-Book

Asche, nur Asche - Erinnerung an einen vielgeliebten Vater
Laura, ist die Tochter eines Archäologen und sie liebt ihren Vater sehr. Auch bei seinen Studenten ist der gut aussehende Wissenschaftler sehr beliebt.
Im Testament Ihres Vaters steht nun, dass sie die Asche ihres Vaters an vier ihr unbekannte Frauen mit einem Geldbetrag persönlich überbringen soll. Dort gibt es sogar fremde Geschwister, von denen sie nichts gewusst hat.
Also macht sie sich auf den Weg und gerät dabei auch auf Abwege.
Schließlich findet sie doch den richtigen Beschützer an ihrer Seite
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum29. Juni 2022
ISBN9783347571259
Asche - nur Asche: Erinnerungen an einen vielgeliebten Vater
Autor

Karin Fruth

Guten Tag, ich heiße Karin Fruth und ich lebe seit vielen Jahren in Köln. Mein Mann war Archäologe und wir unternahmen gemeinsam viele Reisen mit dem VW-Bus durch Griechenland, Osteuropa und Tschechien. Mit TRAdeArt Organisation von 80 Kunstausstellungen in Deutschland und Athen für osteuropäische Künstler. Ich besuchte sie in ihren Atelirs und dabei lernte ich viel über ihr Leben in ihren Heimatländern kennen. Durch den viel zu frühen Tod meines Mannes und einer verpfuschten Operation wieder aus dem Koma erwacht und startete einen kompletten Lebens-Neubeginn mit Behinderung. Nun bleibt mir davon nur die Erinnerung an eine schöne Zeit. Aber jetzt habe ich endlich genug Zeit, meine vielen Erlebnisse und Ideen in Bücher zu gießen. Der Verlag Tredition war genau das richtige für mich, denn ich kann mein komplettes Buch allein herstellen, denn alle nötigen Angaben werden durch Vorlagen begleitet . Meine Bücher lassen sich nicht in ein festes Raster pressen, sie sind oft etwas sentimental, machmal etwas zu phantastisch, fast frei von Gewalt und Horror, aber sie haben fast immer ein happy end. Und ich habe noch ein paar Projekte in Arbeit. Die erste Lesung hatte ich im Literaturhaus Köln, weitere sind in der Vorbereitung Karin Fruth https://www.youtube.com/watch?v=Bccj10ZHukoIch bin seit dem 27.07.2022 auch auf youtube zu sehen: https://youtu.be/Bccj10ZHuko Darin stelle ich mich und die griechischen Bücher vor.

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    Buchvorschau

    Asche - nur Asche - Karin Fruth

    Asche- nur Asche

    1. Papas plötzlicher Tod

    Papas letzter Anruf war irgendwie anders gewesen, so bedrückt klang er am Telefon. So kannte ich ihn gar nicht, denn früher war er immer guter Laune gewesen und nichts konnte ihn umwerfen. „Bitte komm so schnell wie möglich nach Hause, ich muss ganz dringend etwas Wichtiges mit dir besprechen, und das geht nicht so einfach am Telefon. Es ist wirklich sehr dringend, denn sonst hätte ich bestimmt nicht bei dir angerufen," sagte er leise.

    Meinen flapsigen Einwand, ob er denn vergessen hätte, dass ich gerade in Münster lebe und studiere, beantwortete er lapidar, das wüsste er schließlich, und ob ich ihn etwa für bekloppt oder senil halten würde. Er meinte es schon ganz genauso, dass er mir dringend etwas sehr Wichtiges zu sagen hätte, und das ginge nun mal nicht am Telefon, sondern nur persönlich. Und dann hatte er einfach so aufgelegt und ließ mich mit meinen aufgewühlten Gefühlen total allein.

    Da musste zu Hause bestimmt irgendetwas schlimmes passiert sein, und langsam wuchs in mir die Sorge. Na gut, in der letzten Zeit lebte er allein, Mama war schon seit acht Jahren ausgezogen, und im Augenblick hatte er auch keine Freundin, aber was besagte das schon? Das konnte es doch wohl nicht sein, nee, da musste bestimmt irgendetwas schlimmeres dahinter stecken. Ob er wohl krank geworden sein.

    Langsam wurde ich nervös, nun hielt mich nichts mehr an der Uni. Sofort rannte ich zum Bahnhof und nahm den nächsten IC nach Köln. Vom Hauptbahnhof stieg ich direkt in ein Taxi und fuhr zum Hahnwald, zu unserem Haus. Nach nur zwei Stunden war ich in Rekordzeit zu Hause angekommen, ich klingelte Sturm, aber niemand öffnete. Na, das war mal wieder typisch, erst großes Theater machen und dann nicht zu Hause sein. Zum Glück hatte ich von früher noch meinen Haustürschlüssel dabei, ich fand ihn sogar ziemlich schnell in meinem Rucksack.

    Im Hausflur wunderte ich mich über die Stille, und sogar auf mein Rufen antwortete er nicht. Nur die Tür zu seinem Arbeitszimmer stand weit offen. „Hallo Papa, da bin ich. Los, schieß los, was hast du auf dem Herzen? Was hast du mir denn so Dringendes zu sagen?" Aber er antwortete nicht, er saß wie immer an seinem Schreibtisch und sah mit weit offenen Augen zum Fenster in den Garten hinaus, aber er lebte nicht mehr.

    Ich war zu spät gekommen, mein Vater war tot, ich war fassungslos, und mein Entsetzen steigerte sich immer weiter, als ich dies nach und nach begriff. wieso konnte er nun einfach so tot sein? Einfach so ab ins Nirwana zu verschwinden, und das ohne jede Vorwarnung, das war verdammt unfair. Wir hatten doch gerade noch letzten Monat seinen 64. Geburtstag gefeiert, mit allen Studenten, und da war doch der Riesen-Skandal mit seiner neuesten Flamme gewesen. Und da war er so fit und strahlend und so lustig wie immer, nein, das konnte doch gar nicht sein. Papa, das kannst du doch nicht machen, einfach so abzuhauen.

    Ich sah mich um, alles war da wie immer, penibel und ordentlich sortiert. Aber da bemerkte ich zwei Dinge, die irgendwie nicht auf seinen Schreibtisch gehörten. Da stand ein halbvolles Glas, ich schnupperte daran, es war Retsina, merkwürdig und ziemlich ungewöhnlich. Und daneben stand ein gerahmtes Foto. Als ich es in die Hand nahm, staunte ich. Das war ja ich, auf unserer ersten gemeinsamen Fahrt mit dem „Klausi", meiner neuen Mini-Heimat auf Rädern. Klausi war nämlich ein zu einem Campingbus umgebauten Transporter. Da war ich gerade mal 11 Jahre alt gewesen, und das Foto war irgendwo in Griechenland aufgenommen worden, aber ich erinnerte mich noch ganz genau daran.

    Papa, ach mein lieber Papa, Mann, du bist gemein, einfach so ohne mich ins Nirwana abzuhauen. Oder bist du tatsächlich beim lieben Gott und den tausend Engelein und guckst jetzt auf mich runter? Bitte gib mir eine Antwort, bitte. Und was soll ich jetzt ohne dich tun? Meine Tränen stürzten aus den Augen und nun konnte ich mit dem Heulen einfach nicht mehr aufhören.

    Ich war völlig fertig, in meiner Verzweiflung rannte ich aus seinem Arbeitszimmer und knallte die Tür zu. Zum Glück gab es noch mein altes Kinderzimmer im ersten Stock. Es roch zwar muffig und ungelüftet, darum stieß ich die Fenster auf, dass sie klirrten, fiel ins Bett und heulte und heulte und heulte mir die Augen aus dem Kopf.

    Warum klingelte im Flur andauernd das Telefon, und warum hatte er den Anrufbeantworter bloß ausgestellt? Ich musste irgendwas unternehmen, sonst würde dieses dämliche Telefon niemals Ruhe geben. Ob ich einfach nur den Stecker ziehe, dann wäre erst mal Ruhe. Aber dazu konnte ich mich einfach nicht aufraffen.

    Da unten im Arbeitszimmer saß mein Vater, und der war jetzt tot. Aus – Ende – vorbei, und ich konnte ihm noch nicht einmal richtig auf Wiedersehen sagen. Nun war mir klar, warum er noch einmal so dringend mit mir sprechen wollte. Er hatte es wohl irgendwie vorher gefühlt, dass er bald sterben müsste. War das nicht sonderbar, wieso wusste er es vorher? Trotzdem, irgendwie war ich sauer auf ihn, dass er sich einfach so aus dem Staub gemacht hatte. Ich war gerade mal 22 Jahre alt, und mit dem Tod hatte ich noch nie irgendetwas zu tun gehabt.

    Aber was muss man eigentlich tun, wenn jemand tot ist? Sofort fiel mir meine Mutter ein, die lebte in Zürich, aber trotzdem musste ich die wohl zuerst mal anrufen. Die beiden lebten zwar seit acht Jahren getrennt, sie waren also nicht geschieden. Ja, die muss sich jetzt um das alles kümmern.

    Als ich schniefend und heulend bei ihr anrief, klang ihre Stimme ganz schrill am Telefon, sie war eigentlich gar nicht betroffen, sondern ziemlich cool und sachlich. „Komm, Laura, du bist doch erwachsen und ein tapferes Mädchen, du warst doch nie eine Heulsuse gewesen. Eigentlich hattest du doch gar nicht mehr so viel mit deinem Vater zu tun, oder? Du warst doch von zu Hause ausgezogen und bist jetzt eine emanzipierte junge Frau, du schaffst das mit der Beerdigung bestimmt schon allein, da bin ich ganz sicher.

    Wie stellst du dir das vor, dass ich jetzt einfach so nach Köln kommen soll? Glaub mir, ich kann ausgerechnet jetzt kann ich dummerweise hier nicht weg, außerdem habe ich hier so viele Verpflichtungen mit meiner Mama, denn sie braucht mich jeden Tag, und das kannst du mir ruhig glauben. bar trotzdem, ich kann es immer noch nicht glauben. Und der Papa ist wirklich richtig tot?"

    „Ja, ich habe ihn gerade eben in seinem Arbeitszimmer gefunden, er saß einfach so in seinem Arbeitssessel und sah hinaus in den Garten. Er hatte mich kurz vorher noch angerufen, und gesagt, dass ich schnell kommen sollte, aber er hatte mir nicht gesagt, warum. Warum ist das passiert, warum nur? Er war doch noch viel zu jung zum Sterben, er hatte doch noch so viel vor," heulte ich los.

    „Na ja, die Vorhaben sind ja allgemein bekannt gewesen. Fakt ist doch, dass er mal wieder eine neue Freundin hatte, die hatte sogar ein Kind von ihm, stell dir mal vor. Und seine eigentliche Familie stand für ihn doch immer ganz hintenan. Also, meine liebe Laura, jetzt beruhige dich doch erst mal, und nun erzähl mir das alles noch mal von Anfang an. Was hast du denn bis jetzt in dieser Sache unternommen? Was, noch gar nichts? Du weißt nicht, wie so eine Beerdigung funktioniert?

    Dann rufst du zuerst mal das Bestattungsunternehmen Pilartz an, die hatten sich damals um die Beerdigung der Tante Kathrinchen gekümmert. Die werden dir bestimmt weiterhelfen, das sind nämlich Profis. Mit deren Hilfe kommst du bestimmt auch alleine mit allem klar. Aber zur Beerdigung werde ich ganz bestimmt kommen, gib mir ruhig später noch den Beerdigungstermin durch. Oder, besser, ich melde mich morgen früh noch einmal bei dir, erst dann werde ich sehen, ob ich hier weg kann oder nicht. Tschüssie und Kopf hoch, du schaffst das schon." Klick….. tuuuut…. tuut……

    Das Gespräch war schnell zu Ende. Typisch Mutter, nie hatte sie richtig Zeit für mich, und nun wollte sie sogar mit dem Tod ihres Mannes nichts zu tun haben. Immer ließ sie mich in den wichtigsten Situationen allein, und ich fühlte mich mal wieder vollkommen hilflos wie ein kleines Kind. Aber was hatte ich eigentlich von ihr erwartet? Ich hatte sie mindestens zwei Jahre nicht mehr gesehen, und wenn ich richtig drüber nachdachte, dann vermisste ich sie überhaupt nicht. Und jetzt sitzt nebenan mein toter Vater, und ich bin mal wieder ganz allein mit allem Schlamassel. Wie soll ich das nur schaffen? Mein lieber Papa, was hast du mir bloß angetan, einfach so zu sterben?

    Das Telefonat mit dem Bestatter war einfach, kurz und bündig, ja, sie würden sich selbstverständlich sofort um alles kümmern, ich brauchte nur meine Adresse anzugeben und danach auf ihren Besuch zu warten, es würde auch nicht lange dauern. Sie würden auch den Arzt bestellen, der den Tod meines Vaters beglaubigen müsste, erst dann könnten sie tätig werden.

    Und nun sitze ich grübelnd am Küchentisch, eine Wespe hat sich verflogen und sirrt böse am Fensterglas, aber ich will ihr nicht raushelfen. Die Türklingel schrillt plötzlich aufdringlich laut, ich zucke erschrocken zusammen, das ist der bestellte Arzt, er muss vor der Beerdigung einen Totenschein ausfüllen. Seine Diagnose steht auf einem gelben Zettel mit grünem Durchschlag: Plötzlicher Herztod. Mit 62 Jahren plötzlicher Herztod. Das Formular lässt er achtlos auf dem Küchentisch liegen, die Tür klappt zu und er ist verschwunden. Es ist wieder still, ich bin wieder allein und versinke in Traurigkeit.

    Wieder klingelt es nervtötend an der Haustür, zwei schwarzgekleidete Männer vom Bestattungsinstitut stehen vor der Tür. Die beiden Herren waren sehr freundlich, geduldig und hilfsbereit erklärten sie mir den ganzen amtlichen Ablauf, was hätte ich nur ohne sie getan? Nur, wo hat mein Vater seine Urkunden und Dokumente aufbewahrt? Keine Ahnung. Ich hatte noch nie etwas mit dem Tod zu tun gehabt und auch mein Vater hatte nie mit mir über seinen Tod gesprochen. Daher kannte ich auch seinen letzten Willen nicht, und von einem Testament wusste ich auch nichts. Nun musste ich alles für ihn bei der Beerdigung alles ganz allein entscheiden. Schließlich fragten sie mich nach einem Familiengrab, er war ja schließlich Professor gewesen, und bei der Villa wären wir ja schließlich auch nicht arm.

    Nein, ich wusste von keinem Familiengrab, und ob er wirklich bei Tante Kathrinchen in ihrem Grab beerdigt werden wollte? Eigentlich wollte ich für meinen Vater gar kein Grab irgendwo in der dunklen Erde auf einem traurigen Friedhof. Ob ich dann als Alternative lieber eine Urne in einem Friedewald bestatten wollte? Nein, dann wurde er doch verbrannt, und hinterher war es doch wieder mit der Urne dasselbe wie auf einem Friedhof, er würde in der dunklen Erde landen und den Regenwürmern Gesellschaft leisten.

    Dann gab es als Alternative noch die Seebestattung. Dies gefiel mir schon viel besser, denn mein Vater war früher mal als junger Mann bei der Marine gewesen. Aber so etwas kostet ziemlich viel Geld, nur weil dann der Kapitän des Schiffes eine Rede halten würde? Also wollte ich auch keine Seebestattung, und das hätte er bestimmt auch nicht gewollt.

    Vielleicht sollte man ihn doch verbrennen, das würde ihm bestimmt nichts ausmachen, denn er hatte viele buddhistische Bücher gelesen und daher einen Zugang zur buddhistischen Religion. Und ich dachte an die vielen alten indischen Sagen, die er mir immer vorgelesen hatte, dass in den Flammen die Seele befreit ins Nirwana schweben würde. Am liebsten hätte ich eine Urne, die ich zuerst einmal zu Hause aufbewahren würde.

    Die Bestatter waren zuerst entsetzt, dann erschrocken, aber als ich nicht mit meinen Argumenten nachließ, fanden sie meine Idee eigentlich gar nicht so schlecht. Sie klärten mich aber auf, dass dieses Vorhaben offiziell in Europa und ganz besonders in Deutschland verboten war, es gäbe schließlich eine Friedhofsordnung, an die sich alle in Deutschland zu halten hätten. Im Ausland wäre das etwas anderes, da müsste ich mich selbst im Internet um Informationen bemühen.

    Wir kamen schließlich zu folgender Vereinbarung: Eine schlichte Kremierung in den Niederlanden, nur ich werde dabei sein, und am Schluss kann ich die Urne mit nach Hause nehmen, um sie später nach meinen eigenen Wünschen beisetzen zu lassen, das ist dort nämlich erlaubt. Sie würden sich um alles kümmern, kein Problem.

    Einer der Herren hatte sogar rein zufällig einen Prospekt mit einer Einladung zum Tag der offenen Tür im Krematorium dabei, der heute und morgen im Westerwald stattfinden würde. Man könnte ganz leicht mit Zug und Bus hinkommen. Ich sollte ruhig mal hinfahren, es mir in Ruhe überlegen und danach ihnen meinen Entschluss baldmöglichst mitteilen.

    Am Schluss unterschrieb ich eine Kosten-Anerkenntnis über 3800 Euro für die Kremierung inklusiv vierer Urnen. Wie ich das begleichen wollte, war mir in dem Moment noch völlig gleichgültig, darum werde ich mich ganz bestimmt später kümmern. Jetzt ist alles auf dem richtigen Weg.

    Die beiden schwarzen Herren verschwanden mit dem Toten und der Bahre im Treppenhaus. Mir war keine Zeit mehr geblieben, endgültig von ihm Abschied nehmen, ich wollte meinen Vater viel lieber so in Erinnerung behalten, wie er zuletzt als Lebender gewesen war.

    Als ich die Haustür schließe, sehe ich, wie die Nachbarin gegenüber neugierig durch die Hecke glupscht. Ach, was die über eine spätere Beerdigung denken, ist mir total egal, ich werde denen einfach sagen, dass er im Grab seiner Eltern in Passau beerdigt wird, und das ist zum Glück für die Nachbarn weit genug weg, um nicht an der Beerdigung teilzunehmen.

    Was für ein gruseliger Gedanke, dass mein lieber Papa nun ein paar Tage in der Kühlung des Bestattungsinstitutes liegt, bis er erst in einigen Tagen die letzte Reise nach Holland in die Flammen unternimmt. Am Schluss wirst du als Asche in einer Urne wieder bei mir zu Hause zurückkehren.

    Weißt du was, mein lieber Papa, ich habe eine grandiose Idee. Wir beide werden noch einmal genau wie früher gemeinsam nach Griechenland reisen. Und dann wird deine Asche in Olympia, Mykene und Dion verstreut werden. Dort wirst du dann für immer den olympischen Göttern nahe sein. Ja, dieser Gedanke war für mich sehr tröstlich.

    Ja, die Gedanken an Friedhof und Tod sind für mich immer mit dem uralten Melaten-Friedhof eng verbunden, und der war nur ein paar hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Ich war nur ein einziges Mal mit meinem Vater dort gewesen, am Grab von Millowitsch, der war am 20. September 1999 gestorben. Das gefiel mir überhaupt nicht, der Grabstein war so glatt und viereckig und total langweilig.

    Manchmal ging ich dort mit meinem Kindermädchen Marga hin – natürlich heimlich -, um Blumen zum Grab ihrer Mutter zu bringen. Sie kniete dann vor dem kleinen Erdhügel und betete, und ich ging dabei auf Zehenspitzen unter den Blumen und den Grabsteinen herum, schaute mir die merkwürdig fremden, schönen Engel an, die rundlichen Babys mit ausgebreiteten Flügeln, die großen, gütig blickenden Frauen in wehenden Gewändern, die mit fromm geneigten Köpfen und freundlich geöffneten Armen über manchen Gräbern wachten.

    „Das ist die Madonna, erklärte Marga feierlich. „Die Mutter unseres Herrn. Ich nickte, voller Scheu über diese plötzliche Nähe zu einem Gott, von dem ich nur eine ganz nebelhafte Vorstellung hatte, weil wir nie in die Kirche gegangen waren. Daher war dieser Friedhof für mich voller unerklärlicher Geheimnisse und aufregender Abenteuer. Ich wusste, dass unter dem Marmor und den Blumen Tote lagen, aber die waren freundliche, gütige Wesen, die hier unter der Erdoberfläche ihr ganz gewöhnliches, geschäftiges Menschenleben führten. Marga erklärte mir, dass ihre Körper verfaulten, und dass die Würmer sie langsam bis auf die Knochen abnagten.

    Wenn Marga, die sich für Begräbnisse begeisterte, eine besonders lebhafte Beschreibung einer schönen Leiche lieferte, dann träumte ich nachher, dass ich die Toten in ihren unterirdischen Gemächern besuchen würde. Steif lagen sie in ihren Särgen, aber ich redete mit ihnen; aber dann sah ich, wie ihre Körper in den grauen Totenhemden zerfielen, es schüttelte mich vor Entsetzen über die Masse der sich windenden Würmer; ich hasste Würmer, und die armen Toten, die sich ja nicht mehr wehren konnten, taten mir schrecklich leid.

    Mein Vater bemerkte natürlich bald, womit sich meine Gedanken beschäftigten, und er ging daran, ein bildendes Element einzubauen, indem er mir vorsichtig erklärte, wie nützlich die Würmer waren, weil sie die Erde durchwühlten und damit den Blumen und Früchten beim Wachsen halfen. Die Vorstellung, dass sich ein Toter hinterher in eine wunderschöne Blume verwandelte, regte meine Phantasie nur noch mehr an. Gab es denn wirklich Totenblumen, oder lagen etwa unter jeder Blume ein Toter?

    Und was ist mit dem lieben Gott? Gibt es den denn wirklich? Mein Papa sagte immer ja, denn er würde ihn persönlich kennen. Manchmal hätte er ihn im Stadtwald am Flaschencontainer oder im Bio-Markt gesehen und er hätte mit ihm gemeinsam auf einer Parkbank am Kanal gesessen, wo er aus einer Thermoskanne Kaffee getrunken und mit seinem Brot die Enten gefüttert hätte.

    Einmal hatte er ihm lachend erzählt, dass er mehr als sechs Milliarden Jahre gebraucht hätte, bis er sich zum Urknall entschließen konnte. Was für eine anstrengende Grübelei!, rief er. Und dann das hier, was für ein trauriges Ergebnis! sagte er kopfschüttelnd, und sein langer, weißer Bart wehte im Wind.

    „Und wie sieht der liebe Gott denn genau aus? Was hatte er an, und warum glaubst du, dass er wirklich der Liebe Gott gewesen war?" Wollte ich dann neugierig von ihm wissen.

    „Also, Gott ist ein älterer Herr, etwa zwanzig Milliarden Jahre alt, er trägt einen langen weißen Rauschebart, mit einem schmalen, scharf konturierten Gesicht, die weißen, immer noch vollen Haare sind vielleicht einen Tick zu lang, irgendwie hat er einen müden Zug um die alten (aber doch wachen) Augen. Er trägt einen älteren grauen Wollmantel, und riesige russische Pelzstiefel, ach ja, und alte speckige Lederhandschuhe, jedenfalls im Winter.

    Nein, Gott ist nicht stolz auf das, was er bisher geschaffen hat, bekannte er freimütig, und manchmal hätte er sogar die Übersicht verloren, und viele Dinge wären viel zu kompliziert und manches seiner Schöpfung wäre sogar schlichtweg überflüssig gewesen.

    „Was meint er denn damit?" fragte ich mit großen Augen.

    „Da ist zum Beispiel der Schmetterling! Er war wirklich gut in Form, als er den Schmetterling machte. Dann aber wollte er im Gegenzug auch etwas richtig Fieses erschaffen und darum erschuf er die Wespe. Weißt du, was Wespen mit den Raupen von Schmetterlingen tun? Sie machen sie bewegungsunfähig, sie töten sie nicht, nein denn sie lähmen sie nur mit Stichen von chirurgischer Präzision.

    „Das ist aber wirklich gemein, und warum machen sie das denn?"

    „Damit sie ihre Eier auf ihnen ablegen können und damit der Wespennachwuchs nach dem Schlüpfen sofort frisches Fleisch vorfindet. Verstehst du? Die Wespenkinder fressen ein lebendes Wesen langsam auf!" Dabei starrte er zu Boden, als ob dort irgendetwas seltsames verborgen wäre.

    „Dann ist Gott ja gleichzeitig gut und gemein, warum hat er denn sowas dummes zugelassen? Was die Wespe tut, ist einerseits sehr böse. Aber andererseits sorgt sie doch perfekt für ihren Nachwuchs, der hat doch gleich was zu fressen, wenn er auf die Welt kommt. Du weißt doch selbst, wie das ist, wenn man fürchterlichen Hunger hat, die Larven gehorchen doch nur ihrem Instinkt."

    „Er hätte aber die Wespe trotzdem nicht machen sollen, denn aus dieser Raupe soll doch später ein wunderschöner Schmetterling schlüpfen, und wenn die Larve dann tot ist, dann kann auch kein neuer Schmetterling mehr rauskommen. Blöd eigentlich, dieser liebe Gott, der weiß wirklich manchmal nicht, was er will."

    Und nach einer langen Pause sagte er leise zu mir: „Gott kann niemand ganz verstehen. Keiner weiß, welche Verantwortung es bedeutet, Gott zu sein. Warum hat er nur das menschliche Leben so konstruiert, wie er es getan hatte, es also mit der Geburt beginnen zu lassen, und dann so viele verschiedene Menschen entstehen zu lassen, schwarze, braune, gelbe, weiße, und jeder einzelne besteht aus einer Anhäufung von Wissen, Können, Gefühl, Hunger und Durst. Ein Mensch ist manchmal so kompliziert, er hat so viele Fähigkeiten, Zartheit, Witz, und trotzdem ist sein Blut immer rot. Egal welche Hautfarbe er hat."

    „Aber warum lässt Gott es dann zu, dass dann menschliches Leben einfach brutal ausgelöscht wird, und Unfälle, Krieg und Verbrechen passieren? Ob Gott wirklich jeden kennt, alles sieht und auf jeden aufpasst? Aber dann hat er doch nicht richtig aufgepasst, dem dürfte sowas schreckliches doch nicht passieren? Warum ist das so? Papa, das musst du Gott das nächste Mal sagen, wenn du ihn triffst, dass er besser auf seine Sachen aufpassen muss, oder etwa nicht?"

    „Der kann doch nicht überall gleichzeitig sein. Und außerdem hat er immer eine ganze Kompanie Schutzengel, die überall auf der Erde für ihn unterwegs sind. Und dann lenkte er mich immer mit einer lustigen Frage ab: „Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist es meistens 50 cm lang. Dann wächst es und wird immer größer, nach drei Monaten ist es 70 cm lang, dann wäre es also 30 Monate später schon 2,50 m groß. Und wie groß ist es, wenn es 10 Jahre alt ist?

    „Aber Papa, das ist doch Quatsch, so ein Kind kann doch keine 2,50 m groß werden, das wird doch niemals später ein Riese. Wie macht das der liebe Gott eigentlich, wann sagt er stopp mit dem Wachstum?"

    „Kein Baum wächst in den Himmel, und wenn du noch mehr fragst, dann wirst du trotzdem immer größer und größer werden. Denk doch mal an das Märchen von Pinocchio, dessen Nase wurde immer länger, wenn er gelogen hatte." Und dann lachte er wie ein Spitzbube, weil er mich mal wieder vollkommen durcheinander gebracht hatte.

    Ach mein lieber Papa. Nun sitze ich tatenlos in der Küche, und ich habe seltsamerweise noch nicht mal Hunger. Die Stille im Haus wächst zu einem Monster, und die Wespe nervt immer noch am Fenster. Ich raffe mich auf, und mit einem Handtuch wird sie endlich hinaus expediert. Nun ist überall nur noch Totenstille in einem Haus, das sich plötzlich so furchtbar fremd anfühlt. Wie soll das alles jetzt nur weitergehen? Ich fühle mich plötzlich wie ausgebrannt und so furchtbar allein.

    „Ach mein lieber Papa, warum hast du das nur gemacht, warum bist du einfach so ins Nirwana abgehauen, ohne mit mir vorher noch mal vernünftig zu reden?" Es ist so furchtbar traurig, aber in diesem Hause wird kein Papa mehr antworten, von alten Zeiten reden, mir Geschichten erzählen, sich streiten, trinken, fernsehen, nerven, und ewig nörgelnd seine Brille suchen, die dann meistens auf seiner Nase saß.

    Im Süden verhängt man alle Fenster und Spiegel, wenn jemand gestorben ist. Ich möchte plötzlich das Gegenteil tun, alle Fenster weit aufreißen, alle Bett- und Krankenwäsche in einen Sack stopfen und verbrennen, und erst mal das ganze Haus putzen. Aber ich kam nicht weit, schon im Schlafzimmer überkam mich das heulende Elend, da liegt noch seine Lieblingsjacke auf dem Stuhl. Sie riecht sogar noch nach ihm, nein, die kann ich nicht so einfach wegwerfen. Im Arbeitszimmer ist es dasselbe, da liegt noch seine Lesebrille, darunter das aufgeschlagene Buch von Heinrich Heine, die Geschichte von Atta Troll, dem Problembären, darin hatte er zuletzt gelesen.

    In der Küche ist es auch nicht viel besser, denn auf der Spüle stehen zwei benutzte Weingläser und daneben ein halber Krug Rotwein. Im Bad stehen zwei Zahnbürsten im Becher, aber er brauchte doch nur eine, oder? Ob hier zuletzt wohl eine Frau bei ihm gewesen war? Ob ich die wohl kannte? Seltsam, im Schlafzimmer war nichts Verdächtiges zu erkennen gewesen, auch kein typischer Geruch nach einer Frau oder irgendein zurückgebliebenes Kleidungsstück.

    Plötzlich wird mir alles viel zu viel, ich muss hier raus, ich halte es hier einfach nicht mehr aus. Draußen geht gerade die Sonne unter, in renne einfach los, immer weiter in Richtung Rhein, unterwegs begegnen mir kaum Menschen, nur die Straßenbahn Linie 1 fährt pünktlich alle fünf Minuten an mir vorbei.

    In der Abenddämmerung bin ich unten am Rhein angekommen, ich laufe immer weiter in Richtung Norden, durch die neuen Kranhäuser, bis ich endlich irgendwo im Grünen bin, dort sitze ich bis Mitternacht und grübele vor mich hin. Was wäre, wenn ich mich jetzt einfach da reinfallen lassen würde, ein bisschen Wasser schlucken, und Aus und Ende forever. Nein, das geht überhaupt nicht, das wäre ein viel zu gruseliger Tod, dazu wäre ich viel zu feige. Ich war doch noch viel zu jung, ich musste mich doch um die Beerdigung meines Vaters kümmern.

    Ich springe auf und gehe hastig weiter, dann bleibe ich erschrocken stehen. Direkt neben mir huscht eine riesengroße Ratte und verschwindet eilig in der Kanalisation, igitt, die war ja mindestens so groß wie ein Terrier gewesen. Dann höre ich plötzlich heiseres Hundegebell direkt vor mir, tatsächlich, da wühlt eine ganze Hundemeute in einem umgestürzten Müllcontainer herum, so dass sich schon der ganze Müll über die Straßen verteilt hat. Sie scheinen tatsächlich so furchtbar hungrig zu sein, dass sie mich gar nicht beachten. Ja, so ein Straßenköterleben ist wirklich hart, und ich dachte immer, dass es nur im Süden so hungrige Tiere gibt.

    Ich gehe weiter und bleibe schließlich ziemlich ratlos unter der Deutzer Rheinbrücke stehen. Über mir rasen die Autos mit hoher Geschwindigkeit, ich stolpere über das Pflaster, der Boden ist sandig, hier unten wächst nichts mehr, nur zerbrochene Flaschen und Unmengen Müll. Plötzlich raschelt etwas direkt hinter mir, ich erstarre in Panik, das war bestimmt kein Tier, das konnte nur ein Mensch sein, der hinter mir unter die Brücke schlich, ob das wohl ein Penner war? Ich trete leise hinter einen Pfeiler, direkt vor mir tappt ein Mann unbeholfen hin und her, zum Glück entdeckte er mich nicht. Umständlich steigt er in einen großen Pappkarton, der wie zufällig daliegt, rollt sich zusammen und klappt einfach den Deckel über sich zu und ist verschwunden. „Na, dann gute Nacht." Denke ich nur noch matt und klettere auf der anderen Seite der Brücke wieder nach oben.

    Oben auf der Brücke angekommen, weiß ich einfach nicht mehr weiter, ich kann nur noch weinen, weinen, weinen. Um Glück hält direkt neben mir ein Taxi an, ich steige einfach ein und sage die Adresse, zum Glück spricht der Fahrer nicht allzu viel, er scheint auch ziemlich müde zu sein. Die Uhr am Neumarkt zeigt drei Uhr nachts, seltsam, wie die Zeit vergeht. Die Zeit schläft, niemand ist unterwegs, und nun beginnt es auch noch leise zu regnen.

    Ich betrete das totenstille Haus, nun ich bin ganz allein. Was soll ich jetzt nun machen? An schlafen ist einfach nicht zu denken. Also hole ich den halben Krug Wein aus der Küche, spüle ein Glas und setze mich an seinen Schreibtisch. Seltsam, dass ich das früher noch nie getan hatte, denn er war immer sehr eigen mit seinen persönlichen Dingen.

    Vorsichtig ziehe ich die oberste Schreibtischschublade auf. Dort liegen seine Herz- und Blutdruck-Medikamente, das Insulinbesteck und das Messgerät. In der Schublade drunter liegen die Schreibgeräte, ein Lineal und ein Taschenrechner, alles ganz exakt ausgerichtet.

    In der untersten Schublade liegen zwei unbezahlte Rechnungen, ein paar Kontoauszüge hat er penibel auf einen Lochstreifen geheftet, und ganz oben drauf liegt ein viereckiger, dunkelbrauner Briefumschlag. Ratlos halte ich ihn in der Hand, mit seiner krakeligen Schrift hat er oben drauf „Testament" geschrieben. Wann mag er das wohl geschrieben haben? Das würde ja bedeuten, dass er bald sterben würde. Ob er darüber wohl mit mir sprechen wollte? Ich öffnete das Kuvert, was stand da auf dem beiliegenden Briefbogen? Es war kaum leserlich geschrieben.

    „Testament von Martin Schleifer, geboren am 22.02.1944 in Köln.

    Alle Unterlagen wurden bei Dr. Maximilian Rehbein hinterlegt."

    Darunter war ein Siegel und der Stempel des Notars „Dr. Maximilian Rehbein" mit einem Aktenzeichen deutlich zu sehen.

    Na, dann würde ich eben morgen früh einen Termin bei diesem Notar vereinbaren, und der würde mir bestimmt Aufschluss über Papas letzte Wünsche geben. Darunter hatte er seine krakelige, kaum entzifferbare Unterschrift gesetzt, und ein Datum, das war gerade

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