Die Wut im Bauch: Wie ich gelernt habe, mit der Behinderung meines Sohnes und der Demenz meiner Mutter fertig zu werden
Von Helga Gurtner
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Über dieses E-Book
Das Buch zeigt auch die verschiedenen Verhaltensweisen an, wie mit der Herausforderung umgegangen wird - in der Hauptsache der Unterschied zwischen meinem Mann und mir.
Letztendlich soll es aber auch allen, die ebensolche Schicksale durchleben, Mut machen.
Es gibt immer einen Weg, man muss sich nur seinem Schicksal stellen, es akzeptieren und das Beste daraus machen!
Helga Gurtner
Die Autorin wurde in Wien geboren und lebte bis zu ihrem 42. Jahr in der Hauptstadt Österreichs. Danach zog es sie aufs Land, wo sie nach ihrer Pensionierung zu schreiben begann. Sie ist Ehefrau und Mutter eines Sohnes. Sie liebt die Natur und ihre Hündin Amy, mit der sie gerne ausgedehnte Spaziergänge macht. In diesem Buch erzählt sie ihre eigene Geschichte und versucht auf diese Art, die Schatten der Vergangenheit loszuwerden.
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Buchvorschau
Die Wut im Bauch - Helga Gurtner
Als ich noch täglich brav zur Arbeit fuhr, wie Milliarden anderer Menschen auf unserem Kontinent, hatte ich mir vorgenommen, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben, nicht zuletzt deshalb, weil ich mir meinen ganzen Kummer von der Seele schreiben möchte, denn ich habe einiges aufzuarbeiten.
Nunmehr, mit 63 Jahren - ich habe soeben erst Geburtstag gefeiert - mache ich mir endlich Luft, damit ich wieder frei atmen kann, denn der Druck, der schon jahrelang auf meiner Seele lastet, hindert mich beim Atmen und lässt meine Schultern nach vorne abhängen, sodass ich seit Jahren mit übermäßigen Verspannungen kämpfe, die man weder mit Physiotherapie noch mit Medikamenten bekämpfen kann. Trotzdem bin ich, so paradox dies auch klingen mag, bis heute Optimist und finde an jeder Situation etwas Positives, ganz im Gegensatz zu meinem Mann, der sich mehr und mehr selbst aufgibt, in Allem nur Negatives sieht und sich in Krankheiten flüchtet, weil er meiner Meinung nach bis heute sein Schicksal nicht akzeptiert hat!
Das Leben hat es nicht sehr gut gemeint mit meinem Mann und mir. Beide haben wir
Inhaltsverzeichnis
„Die Wut im Bauch"
Microcephalie.
„Warum Ich?"
„Slow Down and Take it Easy!"
„DIE WUT IM BAUCH"
Deshalb schreibe ich unsere Geschichte auf, um anderen Menschen zu zeigen, dass man mit jedem Schicksalsschlag fertigwerden kann. Man muss sein Schicksal nur akzeptieren lernen.
Aus Rücksicht auf die Personen, die in diesem Buch beschrieben sind, habe ich keine, bzw. geänderte Namen genannt!
Meine Mutter hat meinen Vater, den sie nie geheiratet hat, verlassen, als ich noch ein Baby war. Angeblich hat er sie mit ihrer Cousine betrogen, während sie mich gerade entbunden hat! Na ja, wenn´s wahr ist, ist das schon ein Grund, ihm den Rücken zu kehren. Trotzdem liebte ich meinen Vater als Kind abgöttisch, ja sogar bis zu seinem Tod. Er wurde 74 Jahre alt. Mein Vater war Schlosser und meine Mutter Hilfsarbeiterin und später Hausbesorgerin.
Als ich etwa vier Jahre alt war, lernte meine Mutter meinen Stiefvater kennen. Anfangs machte er auf mich einen guten Eindruck, er brachte mir immer „Frit-Zuckerl" mit, die ich so sehr mochte, doch als die beiden geheiratet hatten, lernte ich seinen wahren Charakter kennen. Er war ein Choleriker, der sich zweimal täglich betrank. Ein Muttersöhnchen, der ohne seine geliebte Mutter kaum zurechtkam. Sie starb in dem Jahr, als ihr Sohn 49 Jahre alt geworden war. Da er ihren Tod nicht verwinden konnte, ging er als Lokführer der ÖBB in Pension und gab sich fortan seinem Schmerz hin, indem er dem Alkohol hoffnungslos verfiel.
Es gab viel Streit zwischen meiner Mutter und meinem Stiefvater. Da meine Mutter auch gerne mal ein Gläschen zu viel trank und mit ihren Arbeitskollegen öfter nach der Arbeit ausging, kam es einmal zu einem heftigen Streit, der meine Mutter veranlasste, im Nachthemd zwei Stockwerke in unserem alten Haus hoch zu rennen, in dem wir wohnten, um sich dort aus dem Fenster zu stürzen. Da ich ihr, ebenfalls im Nachthemd, nachlief und sie weinerlich anflehte, sich nicht umzubringen, gab sie ihren Plan schließlich auf, ließ sich willenlos von mir zurück in unsere kleine Wohnung bringen, wo ich versuchte, sie zu beruhigen. Mein Stiefvater hatte in der Zwischenzeit sein Bett mit dem Klo verwechselt und ungeniert hineingepinkelt. Es stank fürchterlich und meine Mutter bekam erneut einen Wutanfall. Sie packte mich, so wie ich war, und wollte mich um ein Uhr nachts zu meinem Vater bringen.
Draußen war es grimmig kalt, Schnee lag und ich trug nur meine Hausschuhe und einen leichten Mantel über dem Nachthemd. Da ich nicht aufhörte zu weinen, nahm sie mich plötzlich in den Arm, strich mir durchs zerzauste Haar und drehte um.
Zu Hause hatte sich der Stiefvater bereits in sein übel riechendes Bett gelegt und schlief sich nun seinen Rausch aus. Meine Mutter, die nicht minder betrunken war, legte sich endlich auch in ihr Bett und schlief sofort ein. Ich verzog mich in mein kleines Kabinett, wo ich bis zum Morgengrauen kein Auge zubekam. Es war einer jener Nächte, derer sollte es noch viele geben, wo ich nur Angst hatte, dass der Streit von neuem aufflammte und wo ich mir wünschte, bei meiner Großmutter bleiben zu dürfen, die ich über alles liebte und der ich von meiner Mutter weggenommen wurde, weil sie zuckerkrank war und sich täglich spritzen musste.
Meine Großmutter war damals mindestens genauso traurig gewesen, wie ich. Die Mutter meines Stiefvaters, die zuvor in dem kleinen Kabinett gewohnt hatte, erreichte schließlich, dass ich in ein Internat gebracht wurde, aus dem ich nur alle paar Wochen nach Hause durfte. Dann schlief ich eine Nacht zwischen meinen Eltern, um dann von meiner Mutter am Sonntag mit der Bahn wieder ins Heim gebracht zu werden. Zu den langen Ferien durfte ich auch etwas länger zu Hause bleiben, doch da die Wohnung nur aus Küche, Zimmer und Kabinett bestand, schlief ich stets zwischen meinen Eltern.
Wir hatten damals einen der ersten Schwarzweiß-Fernseher. Wenn meine Eltern Krimis ansahen, musste ich verkehrt herum liegen, das heißt, ich lag mit den Füßen bei deren Kopf und hatte umgekehrt deren Füße dicht an meinem Gesicht!
Erst als die Mutter meines Stiefvaters verstarb, durfte ich nach Hause. Ich ging damals in die erste Hauptschulklasse und war in einem anderen Internat untergebracht worden, weil es in dem vorherigen keine Hauptschule gab. Es lag näher an unserem Wohnort. Ab der zweiten Hauptschulklasse besuchte ich eine öffentliche Schule, wo ich ein Mädchen kennenlernen durfte, mit dem ich bis heute gut befreundet bin.
Die Schulzeit war, hinterher betrachtet, eigentlich die Zeit, wo ich noch relativ glücklich war, obwohl ich meinen Stiefvater nicht mochte. Eine seiner cholerischen Attacken mir gegenüber hätte um ein Haar schlimm ausgehen können. Er warf mit einem gusseisernen Reindl nach mir, weil ich mich weigerte, die Tomatensoße, in der der Löffel steckenblieb, zu essen. Hätte ich mich nicht geistesgegenwärtig geduckt, hätte es mich getroffen. Nicht auszudenken, wenn es mir auf den Schädel gekracht wäre! Auch sein fettes Szegediner Krautfleisch war jedes Mal eine