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Die Suche nach dem Selbst: Geschichte eines Adoptivkindes
Die Suche nach dem Selbst: Geschichte eines Adoptivkindes
Die Suche nach dem Selbst: Geschichte eines Adoptivkindes
eBook96 Seiten1 Stunde

Die Suche nach dem Selbst: Geschichte eines Adoptivkindes

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Über dieses E-Book

Die kleine Eva-Maria ist glücklich bei ihrer Pflegemutter und deren Sohn Hansi. Aus dieser Idylle wird sie plötzlich herausgerissen von der Frau mit Brille, die behauptet, ihre Mama zu sein. Doch die Wahrnehmung des kleinen Mädchens ist eine ganz andere.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum15. Sept. 2015
ISBN9783739294612
Die Suche nach dem Selbst: Geschichte eines Adoptivkindes
Autor

Eva-Maria Karl

Eva-Maria Karl, geboren 1944 in Kärnten, kam im Alter von 2 1/2 Jahren mit ihrer Mutter nach Tirol. Seit 1950 wohnt sie im Haus ihrer inzwischen verstorbenen Adoptiveltern, genießt den Ruhestand und pflegt ihr Hobby - das Schreiben.

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    Buchvorschau

    Die Suche nach dem Selbst - Eva-Maria Karl

    Reise.

    1

    Am ersten Schultag bekam ich ein Heft, darauf stand ein mir fremder Nachname. Es war mein Geburtsname, wahrscheinlich war die Adoption bei der Behörde noch nicht offiziell gemeldet. Ich ging zur Lehrerin und sagte: „Das ist nicht mein Name." Sie antwortete, dass sie sich geirrt hat. Am nächsten Tag bekam ich das Heft zurück mit meinem richtigen Namen, dem meiner Adoptiveltern.

    Am Heimweg von der Schule sagte ein Bub zu mir: „Das sind nicht deine richtigen Eltern, du gehörst sowieso nicht hierher." Ja wohin sollte ich denn sonst gehören, dachte ich verwirrt.

    Zuhause versicherte man mir auf meine Fragen: selbstverständlich sind wir Vater und Mutter, das Kind hat nur Spaß gemacht. Jetzt wäre der geeignete Moment gewesen, mir behutsam die Wahrheit zu sagen. Aber ich denke, meine Adoptiveltern hatten Angst davor sich dieser Verantwortung zu stellen.

    Mir blieben Zweifel. Es war alles anders als bei „Tante Mali, bei der ich zuvor eineinhalb Jahre lang in Pflege war. Sie liebte mich. Ich liebte sie. Es war schön dort. Es war die glücklichste Zeit meiner Kindheit, an die ich mich noch bewusst erinnern kann. Man nannte mich „Gucki, weil ich alles mit großen neugierigen Augen bestaunte. Es waren auch zwei Große Brüder da. „Hansi, der jüngere von beiden, spielte manchmal mit mir. Ich fuhr gerne mit ihm auf dem Rad. Ich durfte vorne auf der Stange sitzen und wenn es flott bergab ging, jauchzte ich vor Freude. Ich war so glücklich. Es gab damals noch viele Blumenwiesen, in denen man herrlich spielen konnte. Ich pflückte auch mit Hingabe schöne Blumensträuße für „Tante Mali.

    Vor dem Küchenfenster lagen Bretter und Holz zum Heizen für den Herd. Das war mein Lieblingsplatz. Hier konnte ich mit meiner Puppe spielen, die Sonne genießen und man hatte mich immer im Blick. In der Küche war ein Holzboden aus dicken Dielen. Einmal in der Woche wurde er mit Wurzelbürste und Schmierseife gereinigt. Dann roch es im ganzen Haus unwahrscheinlich gut. Dieser Geruch blieb in meinem Gedächtnis haften. Der Esstisch und die Bank standen etwas höher auf einem Podest aus Holz. Hinter der Tür lehnte immer ein Besen aus Reisig. Wenn ich nicht folgsam war, klopfte „Tante Mali mir damit sanft auf den kleinen Po und ich lief schreiend davon, sie hinter mir her, bis sie mich lachend in die Arme nahm, hochhob und küsste. Wie es damals üblich war, trug sie ein langes Kleid, darüber eine Schürze die hinten mit zwei Bändern gebunden wurde. Ihre Haare waren zu Zöpfen geflochten und wie eine Krone auf ihrem Kopf festgesteckt. Den Ehemann von „Tante Mali habe ich nie kennengelernt. Er war damals im Krieg und als er heimkehrte war ich ja nicht mehr da.

    Eines Tages kam Besuch aus dem Nachbardorf. Ich erinnere mich ganz genau daran. Diese Frau mit der Brille mochte ich nicht. Ich konnte damals nicht ahnen, dass ich mit dieser Frau mein ganzes Leben lang verbunden sein werde.

    Sie brachte mir eine rote Schatulle aus Karton mit, in der eine neue Puppe lag. Es gab in der Schatulle noch ein Fach, das man an einer rosafarbenen Seidenschleife herausnehmen konnte, in dem lagen Puppenkleider.

    Dann habe ich als Kind das, was unmittelbar darauf folgte, aus meinem Bewusstsein ausgeblendet. Doch es war alles gespeichert. Etwa vierzig Jahre später konnte ich mit Hilfe von Hypnose den kindlichen Trennungsschmerz aufarbeiten, der mit den Jahren zunehmend schmerzhafter spürbar wurde. Ich bin heute der Meinung, dass immer Narben bleiben in der Kinderseele, wenn die Verletzungen sehr tiefgreifend sind und dass auch unser Unbewusstes ein Schmerzgedächtnis hat. Mein Leben lang begleitete mich die Angst, von den Menschen die ich liebe verlassen zu werden. Möglicherweise liegt hier die Ursache, dass ich später in Beziehungen immer diejenige war, die verlassen hat.

    Die nächsten Erinnerungen habe ich an das Haus mit Sägewerk und einer kleinen Landwirtschaft. Hier wohnte ich nun in einem anderen Ort mit der Frau mit Brille und ihrem Mann, also mit Mama und Papa.

    Als ich erwachsen war erzählte mir Erwin, ein Dorfbewohner, unter Tränen, dass Mama mich in einem kleinen Leiterwagen zum Sägewerk gebracht hatte und ich ihm furchtbar leid tat. Er war ein Hütebub und Papa gab ihm öfter ein paar Groschen, damit er nicht mit der „Goaßl schnellt", (mit der Peitsche knallt) denn das konnte Mama nicht ertragen. Diese Geschichte erfuhr ich auch von anderen Hütebuben, die sich so ein paar Groschen verdient hatten.

    Ich fragte, warum ich erst jetzt zu Mama und Papa komme. Man sagte mir, Mama ist krank gewesen und darum war ich bei „Tante Mali. Die Antwort auf meine Frage, warum ich nicht mehr zu „Tante Mali darf, war: sie ist gestorben. Da war ich unheimlich traurig.

    Mama war wirklich sehr krank, sie war mehrmals in einer Nervenklinik in Behandlung. Die Ärzte sagten ihr, es wäre gut wenn sie ein Kind hätte. Und da Papa angeblich zeugungsunfähig war, wollten sie ein Kind annehmen. Das erfuhr ich viel später von Tante Mariele.

    Wir wohnten im ersten Stock. Wie die Wohnung oder mein Kinderzimmer aussah, weiß ich nicht mehr. Gut erinnere ich mich aber an den Geruch von Vieh, das im Stall stand, an den Geruch von frischem Heu in der Tenne und an den herrlichen Geruch von Holz das auf der Säge geschnitten wurde. Noch heute verbinde ich frisch geschnittenes Holz mit meiner Kindheit. Zwei Mädchen aus der Nachbarschaft wurden meine Spielkameradinnen. Auf dem Lagerplatz des Sägewerkes lagen die Bretter auf einem hohen Stapel. Auf der vorderen Seite waren die Schnittseiten bündig, auf der hinteren Seite ergaben sich - durch die unterschiedlichen Längen der Bretter - Bänke und Tische für uns zum Spielen. In der Garage standen ein Traktor und ein Auto. Vor der Garage, längs zum Haus, war eine Betonrinne. Vielleicht für den Abfluss von Wasser oder Öl. Ich baute mir eine Brücke indem ich ein Brett über die Rinne legte. Ich hüpfte voller Stolz darauf hinüber, rutschte aus und fiel mit dem Gesicht auf einen Stein. Das tat weh! Als ich in den Spiegel schaute war ich sehr erschrocken, denn ein Auge war ganz zugeschwollen. Doch zum Arzt ging man damals nicht wegen so einer Kleinigkeit. Die Narbe erinnert mich - gut sichtbar - noch heute an diese Zeit.

    Wenn im Sommer Heu gemacht wurde, durfte ich auf dem Traktor aufs Feld mitfahren. Ich musste am Schluss mit dem Zugrechen nachgehen und das Heu, das beim Aufladen auf das Fuder am Boden liegenblieb, zusammenrechen. Bei der Heuarbeit gab es ein besonderes Getränk: Apfelmost. Der

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