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Windheart: Band 1: Der Herzenswunsch
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Windheart: Band 1: Der Herzenswunsch
eBook249 Seiten3 Stunden

Windheart: Band 1: Der Herzenswunsch

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Über dieses E-Book

Die fünfzehnjährige Peggy hat es nicht leicht! Sowohl ihr herzloser Onkel als auch ihre Freundinnen stellen eine harte Belastungsprobe für sie dar, dazu kommt ein scheinbar aussichtsloses Problem. Als eines Tages ein mysteriöser Rabe und eine tot geglaubte Bekannte den Alltag des Mädchens komplett umkrempeln, weiß Peggy noch nicht, ob sie lachen oder weinen soll.
Eine zauberhafte Reise beginnt auf der die Grenzen zwischen Realität und Traumwelt zu verschwimmen drohen. Ein lang vergessener Herzenswunsch spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Und Peggy muss erkennen, dass ein Ende nicht immer wirklich ein Ende ist.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum11. Juli 2020
ISBN9783748749486
Windheart: Band 1: Der Herzenswunsch

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    Buchvorschau

    Windheart - Sam Finch

    Kapitel 1

    Kapitel 1

    Was erwartet ein Lebewesen nach dem Tod? - Diese Frage stellte ich mir immer wieder, nachdem man mir mitgeteilt hatte, dass mein Körper unheilbar an Krebs erkrankt war.

    Jetzt befand ich mich hoch am Himmel und meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein großes Tal direkt unter mir. Der Anblick des unberührten, riesigen Waldes mit seinen Bächen, magischen Pflanzen und den zahlreichen Bewohnern war prächtig.

    Nach einer Weile bemerkte ich zwei Wesen mit Flügeln, die sich mir näherten.

    Die unerwartete Verkettung von schlichtweg unmöglich erscheinenden Ereignissen hatte mir meine ganz persönliche Antwort auf diese Frage geliefert.

    Plötzlich wurde ich wach und blickte in mein dunkles Zimmer. Ein merkwürdiger Traum hatte mich gequält, in dem der Tod eine Rolle spielte. Darin war rotes Blut über eine nasse Straße geflossen und zwei Grabsteine ragend drohend aus der Finsternis empor. Woher stammten die schrecklichen Schreie, welche mir jetzt noch in den Ohren gellten?

    Rückblickend konnte man sowohl diesen Traum als auch meine innere Anspannung sicherlich als böse Vorahnung deuten.

    Der Wecker zeigte 6:00 Uhr an.

    Unerwartet klingelte es an der Wohnungstür. Ein Besucher um diese Zeit?

    Nach einer kurzen Weile wunderte ich mich, dass meine Eltern nicht auf das Klingeln reagierten. Beunruhigt stand ich auf und zog meine Hausschuhe an. Langsam tappten meine Füße durch den Flur, die kleine Lampe auf dem Garderobentisch brannte noch.

    Als ich am offenen Schlafzimmer meiner Eltern vorbeiging, stockte mir kurz der Atem. Das Bett meiner Eltern stand unbenutzt da. Waren sie noch gar nicht wieder zu Hause?

    Eigentlich wollten Mama und Papa bloß einen Freund besuchen und nicht dort übernachten. Vorsichtig linste ich durch den Spion in der Tür und erblickte zu meiner Überraschung Onkel Hans. Seine besorgte Miene verriet deutlich, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung sein konnte. Mit einem Anflug von Bauchschmerzen öffnete ich rasch die Tür und begrüßte ihn.

    „Guten Morgen Onkel Hans, ist alles in Ordnung? Was machst du so früh hier?", fragte ich.

    „Hallo Peggy, darf ich bitte reinkommen?", entgegnete er nur, ohne mich direkt anzublicken.

    Verunsichert ließ ich ihn ein und wir schlenderten schweigend in die Küche.

    „Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?" Ohne die Antwort abzuwarten, drückte ich auf den Lichtschalter, griff selbst in den Kühlschrank und holte mir die Orangensaftpackung heraus. Mit kalten Fingern goss ich ein Glas ein, während mein Onkel dankend ablehnte. Er war in der Tür zur Küche stehen geblieben und immer noch nach passenden Worten für das nun Folgende zu suchen. Um meine Nerven zu beruhigen, nahm ich einen Schluck des süßen Saftes und ließ mich auf einen Stuhl sinken. Erwartungsvoll blickten meine Augen zu dem Mann vor mir auf.

    „Peggy, es geht um deine Eltern. Du musst jetzt sehr stark sein. Deine Mutter und dein Vater sind gestern ums Leben gekommen", platze dieser schließlich mit seiner Hiobsbotschaft heraus.

    Ich ließ seine Äußerung langsam auf mich wirken. Der Griff meiner Hand um das Saftglas löste sich. Wie in Zeitlupe zerplatze es am Boden, ohne, dass ich einen Laut hören konnte. Scherben und Saft bildeten ein chaotisches Mosaik auf dem Linoleum, auf das ich blicklos starrte. Der Saft schnürte mir plötzlich die Kehle zu. Meine Gedanken rasten und die Bilder meines letzten Traums kamen wieder hoch. Es dauerte eine Weile, bis meine Zunge eine Frage hervorbringen konnte:

    „Bist du sicher? Vielleicht ist das ein Irrtum." In meiner Stimme lag ein flehentliches Betteln.

    „Es tut mir sehr leid. Daran besteht keinerlei Zweifel", entgegnete Hans und seufzte.

    Nun herrschte eine unangenehme Stille im Raum. Langsam kroch Eiseskälte in mir hoch und ließ meinen gesamten Körper erstarren. So fühlte sich also ein Schock an.

    Der Schmerz sollte erst viel später kommen und ebenso die Panik.

    Onkel Hans hatte sich irgendwann, ich wusste nicht genau wann, neben mich gesetzt und ungeschickt meine Hand ergriffen. Der Körperkontakt traf mich wie ein Schlag und das Bedürfnis zu fliehen, einfach vor dem Schrecken davon zu laufen, riss mich auf die Füße.

    „Nein! Nein! Warum?", schrie ich endlich fassungslos und hoffte, aus diesem Alptraum zu erwachen. Hastig kratzten meine Fingernägel über Unterarme, den Hals, das Gesicht, aber die Situation blieb. Dumpf brach ich auf dem Küchenboden inmitten von Scherben und Saft zusammen und begann bitterlich und haltlos zu weinen. Unerbittlich wurde mein ganzer Körper von Gefühlswellen überrollt. Es war, als würde ich gerade innerlich in Flammen aufgehen. So musste es sich anfühlen, wenn einem das Herz aus der Brust gerissen wurde. Dieser Schmerz war unerträglich und schwer in Worte zu fassen.

    Es verstrichen einige Tage, bis ich mental in der Lage war, mich mit dem Tod meiner Eltern zu beschäftigen. Ich hatte so viel geweint, dass sich mein Körper wund und leer anfühlte. Eine erdrückende Last quetschte jegliche Lebenskraft aus mir heraus und ich kam mir so schwer vor, wie ein schwarzer, kalter Felsen, allein im Meer.

    Sehr lange glaubte ich, dass der Schmerz nie abnehmen würde. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis dieses Brennen endlich zumindest ein wenig abebbte. Darum lag ich die meiste Zeit des Tages auf meinem Bett und starrte die Decke an.

    Anfänglich besuchten mich meine Freundinnen, um mir Trost zu spenden, doch konnte ich mich dem nicht wirklich öffnen. Am liebsten blieb ich allein im Zimmer, denn nichts anderes war ich schließlich: Allein und verlassen.

    Zur Schule musste ich immerhin nicht. Der Direktor hatte mich temporär vom Unterricht befreit. Mein Kopf wäre allerdings auch gar nicht in der Lage gewesen, etwas zu lernen.

    Onkel Hans, den ich eigentlich nicht leiden konnte, war in unser Haus gezogen und kümmerte sich anscheinend um den Haushalt. Das sollte sicherlich eine fürsorgliche Geste sein. Mein Herz war allerdings nicht in der Lage, etwas anderes als Trauer und Verzweiflung zu empfinden.

    Besonders schwer war der Tag der Beerdigung, an dem mein Onkel mich vom Grab meiner Eltern wegziehen musste. Dort lag meine Mutter, so nah und doch unerreichbar für mich.

    Von da an besuchte ich mehrmals im Monat das Grab meiner Eltern. Diese Besuche halfen ein wenig dabei, meine Trauer zu verarbeiten.

    Das erste Weihnachten ohne die beiden kam wie ein schlecht gespieltes Theaterstück. All der Glanz und Glitter kamen mir blass und falsch vor. Ständig flogen meine Gedanken in die Vergangenheit zurück, zu früheren und schöneren Momenten. Sie waren verloren.

    Und wie sollte es überhaupt mit mir weitergehen?

    Sorgen um die Zukunft hielten mich nachts wach. Ich war mir sicher, dass mein Onkel nicht auf Dauer hier wohnen bleiben wollte. Unsere Stadt sei ihm zu klein und für seine Arbeit müsse er eigentlich eine Stelle in der Großstadt suchen. Das hatte er bereits früher betont.

    Und diese Vorstellung gefiel mir überhaupt nicht. Was sollte ich noch alles verlieren?

    Außerdem quälte mich die Frage, ob ich den Tod meiner Eltern hätte verhindern können. Wenn sie bloß zu Hause geblieben wären … wenn ich vielleicht krank gewesen wäre und Mutter mich hätte pflegen wollen … wenn, wenn, wenn! Es war zum Verrückt werden.

    Schließlich gehörte es zu meiner täglichen Routine, das Familienalbum mit meinen Kinderfotos durchzublättern. Hier fand ich ein wenig Trost:

    Bilder von mir, wie ich Fabelwesen malte, denn das hatte ich immer sehr gern getan. Ein kleines Schmunzeln flog über mein Gesicht, als ich die ungelenken Einhörner sah, welche ich schon vor Jahren gemalt hatte. Mutter war immer begeistert von ihnen gewesen, auch wenn sie nicht wirklich etwas taugten. Mittlerweile malte ich besser, doch im Moment fehlte mir jede Kraft für dieses Hobby. Und es gab Fotos von mir zu Karneval. Stets hatte ich Tierkostüme getragen, sehr zum Amüsement meiner lieben vor langer Zeit verstorbenen Oma.

    Die Zuneigung zu Tieren half mir dann schließlich auch dabei, endlich wieder einen Bezug zur Gegenwart zu finden. Jeden Tag ging ich zu einem nahen Tierheim und half dort aus. Langsam wich das Eis aus meinem Herzen.

    Onkel Hans war der einzige noch lebende Verwandte von mir. Darum bekam er das Sorgerecht und ich musste fortan bei ihm wohnen. Das Ganze entschied sich ein paar Wochen nach dem Tod meiner Eltern.

    Gemeinsam verließen wir an einem verregneten Tag mein Elternhaus. Es war ein unendlich schmerzlicher Abschied für mich, denn hier ruhten so viele Erinnerungen an meine Kindheit. Bald würden andere Menschen in diesem Gebäude leben und niemand wüsste dann mehr von uns. Der Gedanke an sich war schon bitter, die Wohnung meines Onkels entpuppte sich allerdings sogar als noch trostloser. Lange hatte ich ihn nicht mehr besucht und umgekehrt war es genauso gewesen. Ich wusste von meiner Mutter, dass Hans sich ihr gegenüber oftmals eifersüchtig verhalten hatte. Immerhin lebte sie mit ihrer Familie und er war alleinstehend. Seine generelle Körpersprache verriet mir, dass er sich mit der Gesamtsituation ebenso unwohl fühlte, wie ich. Wir waren wie zwei Scherben von verschiedenen Vasen, allein und doch nicht zueinander passend. Er versuchte freundlicherweise, sein Unbehagen vor mir zu verbergen. Jedoch waren seine nonverbalen Signale für mich eindeutig. Immerhin lag die Wohnung nicht zu weit von meiner alten Schule entfernt und nicht alles änderte sich.

    Ich versuchte, das Positive in meiner Lage zu sehen. Das hatte ich von meiner lieben Oma gelernt und versuchte es jetzt mit aller Kraft, die eine dreizehn Jahre Alte Teenagerin zustande bringen konnte. Ohne die Erinnerung an meine Oma wäre ich vielleicht doch noch in Depressionen verfallen, doch Dank ihr und der Tiere im Tierheim, das zum Glück ebenfalls nahe genug bei meiner neuen Bleibe lag, konnte ich nach neun Monaten endlich wieder normal leben. Es musste für mich weiter gehen.

    Ich fuhr gerade mit dem Bus zu meinen neuen zu Hause und fühlte mich nach einer geschriebenen Schularbeit etwas müde. Mittlerweile besuchte ich meine Schule wieder regelmäßig und auch das lenkte mich ein wenig ab, zumindest vormittags.

    Als ich vor der Haustür stand und sie mit dem Schlüssel aufschließen wollte, ahnte mein Herz bereits, was mich gleich erwarten würde. Und tatsächlich, in der leeren Küche lag wie erwartet ein Geldschein und daneben befand sich ein Zettel. Die hastig und lieblos hingekritzelte Botschaft für mich lautete: „Hier ist Geld für das Abendessen. Heute werde ich sehr spät nach Hause kommen. Dein Onkel Hans."

    So lief es beinahe jeden Tag ab. Ich bekam ihn innerhalb der Woche nur sehr selten zu Gesicht. Das galt ebenso für das Wochenende. Eigentlich war das gar nicht so schlimm, immerhin mochte ich meinen Onkel auch nicht sonderlich. Allerdings fehlte mir mit der Zeit die Fürsorge und das Interesse eines Erwachsenen an meinem Leben. Herrje, er las ja nicht einmal die Elternbriefe, welche er für mich unterschrieb.

    Genervt seufzte ich, steckte mir das Geld ein, pfefferte den Rucksack in eine Ecke und verließ möglichst rasch die ungastliche und trostlose Wohnung.

    Ob meine Freundinnen wohl einen Rat für mich wussten? Daniela, Elisabeth, Kati und ich kannten einander schon seit dem Kindergarten. Sie waren jetzt meine Familie. Oft trafen wir uns bei Daniela zu Hause, da ihre Eltern ein großes Haus besaßen. Eine kurze Nachricht in unserer Gruppe genügte und wir alle zogen los zum inoffiziellen Hauptquartier.

    Ohne große Umschweife begann ich, als wir es uns kurz darauf im Wohnzimmer bequem gemacht hatten, mit meiner kleinen Ansprache:

    „Ich muss mit euch über meinen Onkel Hans reden. Es lastet schon eine halbe Ewigkeit auf meiner Seele. Er mag mich nicht und ich kann ihn auch nicht leiden. Habt ihr eine Idee, was ich machen kann? Es ist unheimlich nervig, nie jemanden zu haben, der für einen da ist."

    Zunächst herrschte Stille im Raum. Die drei guckten sich an und anscheinend wollte keiner von ihnen als erstes etwas dazu sagen. Was war hier los?

    Entgeistert blickte ich von einer Freundin zu anderen. Wollten sie mir keinen Trost spenden? Doch jetzt brach ein wahres Gewitter los und stürzte auf mich ein.

    „Ach jetzt komm schon!", platzte Elisabeth schließlich als Erste heraus.

    „Erst die Sache mit deinen Eltern und jetzt das! Gut, du bist Waise und wir haben dich lange getröstet. Aber das reicht jetzt wirklich und dein ewiges Gejammere nervt! Peggy, es interessiert mich nicht, was mit deinem Onkel ist", ergänzte sie mit wütendem Funkeln in den Augen. Ich starrte sie nur sprachlos an.

    „Es stört mich auch, dass es immer nur um dich und den Tod geht. Wir sind doch nicht in einer Seifenoper oder so einem Dramaschinken. Ich will mich ehrlich gesagt auch endlich wieder über schöne Dinge unterhalten", murmelte Kati verlegen.

    „Genau, endlich sagt’s mal einer. Immer nur das Negative! Du solltest viel lieber froh sein, dass du nicht bei einer Pflegefamilie wohnen musst. Auf solche Dinge habe ich keinen Bock. Ich wollte mit euch jetzt ein bisschen Spaß haben, etwas über Jungs reden und über die Zicken aus der Parallelklasse lästern", schloss sich Daniela den beiden anderen an.

    In diesem Augenblick fiel mir nichts ein, was ich dazu hätte sagen können. Schweigend stand ich auf, schnappte mit den Tränen ringend meine Jacke und verließ grußlos das Haus. Gerade noch verkniff ich es mir, die Tür ins Haus zu knallen, immerhin konnten Danielas Eltern nichts für ihre Tochter. Eltern … verstanden die drei es denn wirklich nicht? Sie hatten ihre Eltern noch und ich hatte niemanden. Ein dicker Kloß saß mir im Hals und völlig am Boden kehrte ich zu Hans‘ Wohnung zurück, wo ich mich in meinem Bett vergrub.

    Vielleicht hatten die Mädchen ja recht. Ich war lange Zeit für nichts zu gebrauchen gewesen. Doch was sollte ich bitteschön machen? Wie sollte eine Person in meiner Lage den unbeschwerten Teenager spielen? Sollten Freunde nicht auch in schweren Zeiten Geduld mit einem haben? Würde ich mich nicht auch so verhalten, wenn es ihnen schlecht ginge?

    Bis in die Nacht hinein ging die Grübelei weiter. Ich hätte nach der Sache mit Elisabeth, Kati und Daniela nicht vermutet, dass es überhaupt noch schlimmer kommen könnte. Mein persönlicher Tiefpunkt sollte aber erst noch folgen.

    Zwei Jahre später zu Beginn des Frühlings:

    Mein Onkel und ich befanden uns in der Praxis jenes Onkologen, der mit meinen Eltern befreundet gewesen war. Mama hatte mir damals erklärt, was Onkologie bedeutete. Daher wusste ich, worauf dieser Arzt spezialisiert war: auf Krebs.

    In der letzten Zeit hatte ich ziemlich ungewöhnliche Beschwerden gehabt. Etwas stimmte einfach nicht mit meinem Körper. Ich wurde mittlerweile regelmäßig von Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Gleichgewichtsstörungen gequält. Mein Kinderarzt hatte mich nach einigen Untersuchungen kurzerhand hierhergeschickt und ich hatte eine Heidenangst.

    Als der Doktor den Behandlungsraum betrat, trug der Mann in Weiß einige CT-Bilder in der Hand und legte sie auf seinem Tisch ab. Er setzte sich und nickte mir zu. Einem Bauchgefühl folgend, wandte ich mich an meinen Onkel: „Ich möchte, dass du raus gehst."

    „Warum das denn?, entgegnete er verblüfft. „Falls das Ergebnis nicht gut ausfallen sollte, brauchst du bestimmt jemanden, der dir beisteht. Ich schüttelte beharrlich den Kopf.

    Das hier ging nur mich etwas an. Alle, die mich wirklich liebten, waren gestorben. Also brauchte ich keinen falschen Beistand neben mir.

    Unerwartet veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Ich hatte den bizarren Eindruck, als stünde der Bruder meiner Mutter plötzlich unter einer Art Bann. Ohne weitere Einwände verließ der schlaksige Mann das Zimmer und ließ mich mit dem Vertrauten meiner Eltern allein.

    Da ich das Ergebnis erfahren wollte, zuckte ich nur mit den Schultern und wandte mich dem Mann im weißen Kittel zu. Seine Mimik verriet, dass er keine guten Nachrichten für mich hatte. Das unangenehme Schweigen dehnte sich aus und zehrte zusätzlich an meinen Nerven.

    Ich beugte mich etwas auf meinem Stuhl vor und blickte ihm direkt in die Augen.

    „Das soll nun nicht abgehoben klingen, aber ich habe genug Arztserien gesehen, um zu wissen, wie das läuft. Du siehst nicht glücklich aus und weißt nicht, wie du mir die schlechte Nachricht vermitteln sollst. Aber die Ungewissheit quält mich viel mehr. Also sag mir bitte einfach, was du zu sagen hast."

    Mein Gegenüber nickte stumm und ich registrierte ein überraschtes Aufflackern in seinen warmen, braunen Augen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.

    Mit leiser Stimme begann der Doktor zu sprechen:

    „Peggy, meine Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Du bist an einem Ponsgliom erkrankt. Das ist ein Hirntumor und eine Operation kommt leider bei dieser Art von Wucherung nicht in Frage."

    Der Blick des Onkologen deutete an, dass er mir lieber eine bessere Nachricht mitgeteilt hätte.

    Seine Worte ließ ich lange auf mich wirken, bevor eine Reaktion von mir kam.

    „Und wie schlimm ist das? Ist der Krebs bösartig und hat er schon gestreut? Könntest du dich geirrt haben? So etwas hört man ja häufig", suchte mein Gehirn fieberhaft nach einem Ausweg. Es konnte einfach nicht wahr sein. So viel Unglück konnte doch ein Mensch allein nicht haben. Ich kam mir vor, als hätte

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