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Außer Kontrolle: eine unheile Geschichte
Außer Kontrolle: eine unheile Geschichte
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eBook190 Seiten3 Stunden

Außer Kontrolle: eine unheile Geschichte

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Über dieses E-Book

"Es muß darum möglich sein, ein Medikament zu entwickeln, das sozusagen hypnoseartige Zustände hervorruft, den eigenen Willen einer Person - nicht lähmt, sondern öffnet, offen macht für Beeinflussung von außen und die Kontroll-, die Abwehrfunktionen außer Kraft setzt. Der Mensch bedarf der Leitung, vor allem solang er noch jung und formbar ist (Schule!). Welche Erziehungsmöglichkeiten eröffnete doch solch ein Stoff. Und am geeignetsten für die flexible Anwendung wäre die liquide Form. Was Hänschen nicht lernt … ein Medikament, das die unterbewußten Regionen im Menschen aufschlösse zur direkten Ineinflußnahme, böte auch ›Hans‹, der längst seine Schülerjahre hinter sich hat, die Gewißheit der positiven mentalen wie sozialen Neu- und Weiterkonditionierung, eine neue Art des lebenslangen Lernens mit Erfolgsgarantie."
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum10. Aug. 2021
ISBN9783754387269
Außer Kontrolle: eine unheile Geschichte

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    Buchvorschau

    Außer Kontrolle - Matthias Freytag

    Inhaltsverzeichnis

    Dreimal schwarzer Kater

    Dicke Freundschaft – und mehr

    Großer Auftritt, kläglicher Abgang

    Oma so lieb und ekliger Enkel

    Noch ein Opfer

    Einbruch und Diebstahl

    Verwunschene Visionen

    Abwesender Hammer holt aus

    Knock out

    Ausgezählt ist erst am Schluß

    Dreimal schwarzer Kater

    Berta saß im offenen Fenster, mit angewinkelten Beinen, was für sie etwas unbequem war, denn sie war natürlich dick, viel zu dick, wie sie fand. Sie wartete auf Frank, der gegenüber wohnte. Die zwei Häuser waren nur durch einen Hofzugang getrennt, der, außer daß er auf die langgestreckten Höfe hinter den Häusern führte, zu nichts taugte, als die Mülltonnen aufzunehmen, die sich im städtischen Farbspektrum der Mülltrennung links und rechts an der Wand reihten. Indes war das ganz nach Bertas Wunsch, weil auf diese Weise ihr Zimmer und das von Frank nicht mehr als vier Meter voneinander entfernt waren. Außerdem lagen beide im Erdgeschoß, vielmehr im Hochparterre. Frank hätte ohne weiteres, denn er war sportlich, ganz anders als sie (das wußte sie nur allzu genau), aus seinem Fenster heraus- und zu ihr hereinklettern können; die Mülltonnen als Tritthilfe hätten es zudem für ihn zum Kinderspiel gemacht. Aber er tat es nicht – leider, dachte Berta, sie war nämlich in Frank verliebt.

    Also saß sie im Fenster und wartete, daß er etwas anderes täte. Hauptsache, er beachtete sie. Sie schaute penetrant nicht zu Franks Fenster hin. Die Stupsnase im runden, rotbäckigen Gesicht hatte sie erhoben, ihre Finger, deren Gelenke, wenn sie sie ausstreckte, Grübchen zeigten, spielten an den blonden Zöpfen, so saß sie da und starrte stur geradeaus in die obere Ecke des Fensterrahmens. Mehrmals versuchte sie auch ihr vergiß-mein-nicht-geblümtes Kleid über die Schenkel zu ziehen – prachtvolle Schinkenschenkel, wie ihr Vater sagte. Der war Metzger und war darauf, wie auf alles, was ihn an seinen Beruf erinnerte, sehr stolz (also auch auf jedes rosige Volumen seiner Tochter). Der Stoff des Kleides reichte natürlich nicht weit, und der Saum rutschte auch stets wieder herunter, weil sie ja mit hochgezogenen Knien saß. Und es genierte sie, auf diese Schinken war sie gar nicht stolz, trotzdem änderte sie ihre Sitzhaltung nicht. Der Platz selbst war ebenfalls unbequem, denn die Fensterbank war eher schmal und sie, Berta, eben dick. Außerdem drückte der Fensterrahmen in den Po und in den Rücken, und das tat weh, trotz aller Eigenpolsterung. Doch sie hielt aus. Irgendwann mußte Frank sich rühren. Er war sicher zuhause. Schule hatte er heute nachmittag jedenfalls keine. Er ging in die Parallelklasse, und sie wußte seine Unterrichtszeiten so gut wie ihre eigenen. Und sie wußte genauso, daß er gerne daheim saß und las, vor allem an einem grauen Tag wie heute. Es regnete nicht, es war sogar warm, aber der Himmel gleichmäßig grau. Man wurde leicht dösig und faul bei solchem Wetter; ein Nachmittag früh im Juni, um in der Wohnung zu bleiben.

    Außerdem war es schon fast zum Ritual geworden seit dem Frühling: allermeistens, wenn sie im Fenster saß, reagierte Frank schließlich. Und es war bereits Dienstag. Das Wochenende über war der Fensterplatz verwaist geblieben. Am Samstag hatte Berta ihrem Vater beim Schlachten mitgeholfen, sonntags war Besuch dagewesen. Gestern aber hatte sie Nachmittagsunterricht gehabt, und während der kurzen Zwischenzeit daheim hatte sie nach dem Mittagessen schnell noch gebüffelt für die Mathematikarbeit von heute (gleich in der ersten Stunde) und hatte das am Abend voller Panik fortgesetzt. Ja, und am Freitag hatte Frank nachmittags Schule gehabt. Vier Tage. Sie konnte es kaum erwarten. Vielleicht hatte er sie auch schon am Fenster vermißt. Er mußte sich rühren. Und sie wußte, was dann kommen würde. Warum konnte nicht auch Frank dick sein? Blond war er wie sie, hatte zwar keine Apfelbäckchen, aber auch einen runden Kopf und über der Nase Sommersprossen. Er war auch ungefähr so groß wie sie, und sie waren gleich alt, dreizehn Jahre waren sie diesen Frühling geworden, und feierten sogar im selben Monat Geburtstag – Berta war ein paar Tage älter, das hatte sie ihm voraus.

    Doch Frank war eben gar nicht dick. In ihrer Familie waren alle dick, dick und rotbäckig. Auch ihr jüngerer Bruder; der wirkte eher noch runder, richtig rund, weil er kleiner war. Überpille (he, du Überpille) nannte ihn Frank, und sie nannte er – Klöpschen. Immerhin: -chen. Das mußte doch heißen, daß er sie irgendwie mochte. Zum Beispiel den Ulrich in ihrer Klasse, der wenig dicker war als sie, rief er nach allgemeinem Brauch Walroß. Gut, Ulrich schnaufte auch immer so. Trotzdem, für andere war sie wiederum Fettauge; so hatte sie Frank sie noch nie nennen hören. Sie wußte, daß sie schöne, große blaue Augen besaß. Der Ausdruck war freilich kein Kompliment. Im Gegenteil, und daß ihr Schönstes, wie sie fand, und vielleicht das einzige wirklich Schöne an ihr, wie sie manchmal traurig dachte, daß dies mit ihrem größten Kummer verschmolzen und dadurch völlig entwertet wurde, machte das fatale Witzwort für sie desto schmerzlicher.

    Frank indes sagte – Klöpschen … In ihren Ohren wollte das lustig und verspielt klingen. ›Es könnte sogar ein Kosewort sein‹, dachte Berta. Klopse waren auch eine feine Sache. Königsberger Klopse, echte, mit richtiger Kapernsoße, nach dem Rezept von Großmutter, der Mutter ihrer Mutter, die (also die Großmutter) es selbst wieder von ihrer Mutter und diese wiederum von ihrer Mutter hatte. Das Rezept hielt man hoch in Bertas Familie, es bildete eines der Glanzlichter der häuslichen Küche, Berta selbst, die gerne kochte, wußte bereits die Klopse danach zuzubereiten. Obwohl, der Vater meinte, es gehe am Ende nichts über eine gute Schweinshaxn, eine schöne, außen knusprige, innen butterzarte Schweinshaxn. Er stammte aus Bayern, und schon für seinen Vater und Großvater, beide ebenfalls Metzger, war dies das Lieblingsessen gewesen. Und es stimmte – einerseits. Andererseits allerdings – Berta fielen die Schinken ein; nein, die Klopse mochte sie doch entschieden lieber, mochte sie sehr. Berta lief das Wasser im Munde zusammen. Ja, sie aß gerne, zu gerne, an Abnehmen war nicht zu denken, gleich gar nicht umgeben von ihrer Familie, das war ihr Kummer. Es schmeckte ihr, während sie aß, und sie sah sich oft, allzuoft verführt, noch zwischendurch zu naschen. Und danach bereute sie es ebensooft, überlegte sich, wie sie eine Diät machen und durchhalten könnte.

    Aber: Klöpschen – und vielleicht waren Klopse auch eine von Franks Lieblingsspeisen, vielleicht die Lieblingsspeise, und er nannte sie so, mit zärtlichem ö und chen. Wie schade, daß er nicht dick war. Nein, nicht schade. So wie er war, hatte sie sich in ihn verliebt. Ganz plötzlich im Januar, nach den Weihnachtsferien. Bis dahin hatte sie ihn nicht besonders beachtet, er war eben dagewesen; seit sie denken konnte, wohnte seine Familie gegenüber. Wenn ihr aufgefallen war, daß es ihn gab, dann in den Momenten, wo er sie, wie all die anderen blöden Jungs, gehänselt hatte. Aber jetzt – – –. Und nannte er sie so, wie er sie jetzt nannte, denn nicht seit – ja, seit dem Frühjahr? Plötzlich hatte sie immerzu an ihn denken müssen, ihn in der Pause im Schulhof beobachtet und sich daheim ans Fenster gestellt, vom Vorhang verdeckt, und hatte sich gewünscht, er, er möchte aufhören, wie die anderen ihr hinterherzurufen. Dann eines Tages: »Hallo Klöpschen, wie geht’s«, sagte er, als sie sich morgens auf dem Schulweg begegneten, und sagte von da an nie mehr die andern gemeinen Ausdrücke. Klöpschen indessen, das mochte er rufen so oft er wollte. Und an einem der ersten warmen Tage im Frühling war sie irgendwie, mit klopfendem Herzen, auf den Gedanken gekommen, sich ins offene Fenster zu setzen, Frank gegenüber. Wie gut, daß nichts als dieser nichtsnutzige Hofzugang zwischen ihnen lag, der wenig begangen wurde, weil man vom Haus aus ebenso in den Hof gelangte, und wo niemand störend sich aufhielt, wenn sie im Fenster saß und wartete. Nur einmal, zweimal hatte jemand Müll in die Tonnen geleert. Frau Dörmann, die hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen, die war dahergeschlurgt und wieder weggeschlurgt. Und Herr Feltes von gegenüber, der hatte schleimig, so wie er immer schleimig wirkte, zu ihr hergegrinst und blöde gesungen: »Öch woiß nöcht, wos soll ös bödoiiiten …«. Wenigstens war er gleich wieder gegangen …

    Immer weiter verlor sich Berta in ihre Träumereien. Nach außen hin gab sie sich freilich immer noch den Anschein, als säße sie bloß, um frische Luft zu schöpfen, an diesem Platz, obwohl sie beide dieses Spiel seit vielen Wochen bereits spielten. Berta wußte, was kommen würde, und ihr war auch klar, daß Frank inzwischen wohl genau durchschaute, warum sie hier saß – bei welchem Gedanken sie sich jedesmal wünschte, er möge blind dafür sein – und diesen Wunsch sofort wieder zurücknahm; einzig dafür, daß sie zu dick war, durfte er gerne blind sein …

    Ja, sie wußte eigentlich, was kommen würde. Indessen, als es dann kam, war sie diesmal völlig geistesabwesend. Gegenüber hatte sich ein Blasrohr unten durch den Fensterspalt geschoben. Klatschend traf eine Knetkugel Berta am Hals. »Au«, rief sie aus und war dermaßen überrascht, daß sie nicht wie sonst hinter der Fensterbrüstung Deckung suchte, wo sie zuletzt ein weißes Tuch schwenken würde. Sondern aufschreckend verlor sie das Gleichgewicht, fiel nach außen mit Gepolter zwischen die Mülltonnen. Frank seinerseits schoß in die Höhe, nicht weniger böse überrascht und erschreckt, sein widerborstiges Haar schien sich noch stärker zu sträuben. Er riß das Fenster auf, und erschreckte noch mehr, als kurz nach der unsanften Landung Berta zu kreischen anfing. Er warf das Blasrohr zu Boden und kletterte und sprang aus dem Fenster. Berta war wieder verstummt, rückwärts kroch sie nun zwischen den Mülltonnen hervor. ›Gott sei Dank‹, dachte Frank. »Mensch Klöpschen, hast du dir weh getan?« fragte er, während er ihr aufhalf, sie recht ungeschickt emporzog, was nicht allein an ihrem Gewicht lag. – Sie schüttelte den Kopf, wollte sich tapfer zeigen. Und abgesehen von einigen Prellungen, die sehr wohl schmerzten, schien sie tatsächlich heil zu sein.

    Die beiden stehen sich gegenüber. »Geht’s wieder?« fragt er. – »Danke fürs Helfen«, sagt sie und denkt bei sich, daß er ganz schön Kraft besitzt (sie hat nämlich mit Absicht kaum mitgeholfen). – »Tut mir leid«, sagt er und sieht und fühlt ihre Augen auf sich gerichtet. ›Fettauge – das ist wirklich total fies‹, muß er denken. – Da besinnt Berta sich. Sie zeigt, ohne den Kopf zu drehen, seitwärts zu den Mülltonnen hin. »Da hinten«, sagt sie, in der Stimme schwingt wieder Erschrecken mit. – »Was ist da? Hast du deswegen so geschrien?« – Sie wiederholt nur: »Da hinten« – und es scheint, als ängstige sie sich geradezu, ihre Augen von seinem Gesicht abzuwenden und hinzuschauen, wohin ihr Finger weist. »Also gut«, seufzt Frank, »schau ich halt mal nach« – muß indessen, bereits im Gehen, noch einmal Bertas Augen suchen und reckt sich dann in Hals und Schultern.

    Da Berta in die Lücke gepaßt und sie noch verbreitert hatte, war es ein leichtes für ihn, zwischen die Mülltonnen zu schlüpfen. Hinter ihnen, an der Hauswand, lag etwas, etwas Schwarzes, am einen Ende, direkt vor Franks Füßen, war es weiß – eine schwarze Katze, und das Weiße, das war Schaum vor ihrem Maul. Ausgenommen der weiße Fleck zwischen den Ohren. Frank hatte sich halb niedergebeugt. Den Fleck kannte er. Die Katze kannte er. Sie war vielmehr ein Kater. »Klöpschen, das ist ja Murr«, rief Frank. – Den kannte Berta ebensogut, auch wenn sie ihn vorhin keineswegs erkannt, sondern nur aufgerissene grüne Augen und ein geöffnetes Maul mit einer ekligen weißen Substanz darin und darum herum gesehen hatte. »Murr?« fragte sie ungläubig, »der Kater von Frau Siebeneich?« – Sie trat jetzt herzu, beugte sich über Franks Schulter, um das erschreckende Etwas nochmals in Augenschein zu nehmen, das zu etwas so Vertrautem geworden sein sollte und dadurch auf andere Weise zugleich doch wieder fremdartig wirkte. »Das ist wirklich Murr«, hörte Frank neben seinem Ohr. »Ist er tot?« – Klöpschen roch nach Fruchtbonbons, fand Frank. Er mochte Bonbons, hatte meistens welche in den Hosentaschen. Aber Berta, auf seine Schulter gelehnt, hatte auch ein ganz schönes Gewicht. ›Kein Wunder‹, dachte Frank, ›sie war eben‹ – – obwohl, es fühlte sich irgendwie auch gut an. Das empfand Berta ähnlich und lehnte sich, trotz des armen Tiers dort auf dem Boden mit einemmal ganz glücklich, noch ein bißchen schwerer auf. ›Frank riecht nach Bonbons‹, kam ihr außerdem in den Sinn. ›Ob er die wohl so gerne mag wie ich …?‹

    »Ja«, antwortete Frank, allerdings auf Bertas vorherige Frage wegen Murr. »Der ist mausetot.« – »Ach je«, machte Berta und richtete sich schnell wieder auf. »Das müssen wir Frau Siebeneich sagen, die hat sicher keine Ahnung, vielleicht vermißt sie Murr schon. Ich hab ihn übrigens auch seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.« – »Stimmt, ist schon ein Weilchen her, daß ich ihn hab rumstreunen sehn«, bestätigte Frank. – »Du hast ihn auch gemocht, nicht?« fragte Berta. – »Na klar.« Frank fühlte wieder Bertas Augen auf sich ruhen, ihre Backen waren ganz rot. ›Fettauge – wirklich, so was von fies und gemein‹, mußte er wieder denken. – »Was ist bloß mit Murr passiert?« hörte er Berta. – Er zuckte die Schultern. »Weiß nicht. Vielleicht Tollwut, vielleicht vergiftet. Vielleicht hat jemand für ’n Voodoozauber ’ne schwarze Katze gebraucht. Oder für ’ne schwarze Messe – und ihn dann einfach hier zum Müll geworfen.« Möglichst schnoddrig brachte er das vor. – »Meinst du? Also Tollwut hatte Murriburri bestimmt nicht, glaub ich nicht. Aber dann – uuh …« Berta schauderte. – Frank fühlte gleichfalls einen Schauder, als ihm aufging, was er gerade so dahergeredet. »Auf jeden Fall werd ich herauskriegen, was passiert ist. Wer das getan hat, soll nicht einfach davonkommen.« – Berta blickte ihn mit leuchtenden Augen an. »Das find ich toll von dir. Ich werd dir dabei helfen. Darf ich?« – Frank zögerte kurz. »Ja, wenn es – wenn du willst«, erwiderte er dann. – »Oh, fein.« Berta klatschte in die Hände. »Zuerst aber« – sie sah seitwärts zu den Mülltonnen hin – »zuerst muß ich Frau Siebeneich sagen, was los ist.«

    Frau Siebeneich wohnte mit ihr im selben Haus, in der einen der beiden Kellerwohnungen zum Vorgarten, über der Seidelbasts wohnten, die Stockwerksnachbarn von Bertas Familie. Sie war Witwe; Berta fand sie schon alt, hielt sie für bestimmt schon über sechzig. Der Kater war ihr ein und alles, das wußte jeder im Haus wie in der gesamten näheren Nachbarschaft. Sie war darüberhinaus im Viertel bekannt und wurde mit Argwohn betrachtet. Die spioniert, wo’s nur geht, hieß es, obwohl niemand einen Beweis erbringen konnte. Möglicherweise rührte es daher, daß Frau Siebeneich auf ihren häufigen Spaziergängen durch die Straßen, die sie besonders in die Dämmerung hinein unternahm, murmelnd mit sich selbst sprach und dabei in etwas gebückter Haltung den Kopf hin und her bewegte und daß sie öfters die Klingelschilder an den Häusern studierte.

    »Ich mag sie nicht besonders«, sagte Berta, »sie ist so seltsam … aber wegen Murr – Frank, kommst du mit?, ich mag nicht allein gehn, bitte …« – Das gefiel Frank gar nicht. Frau Siebeneich war ihm an sich gleichgültig. Er kannte sie natürlich vom Sehen, und kannte das Gerede um sie. Mit ihrer gebogenen Nase, dem scharfen Gesicht und den starrenden Augen, wenn sie einen ansah, mochte sie schon an eine Hexe erinnern. Aber doch bloß in dem Sinne, daß man, wenn man zu zweit oder mehreren ihr begegnete, so tat, als grusele man sich vor ihr, sich an ihr vorbeidrückte und »huuh, huuh« oder ähnliche Laute ausstieß. Allein machte das keinen Spaß,

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