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Thanatos
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Thanatos
eBook171 Seiten2 Stunden

Thanatos

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Über dieses E-Book

Sophie verzweifelt. Die Zeit drückt. Zwei Wochen bleiben ihr, um ein Konzept für ihre Doktorarbeit zu präsentieren. Mit sieben Büchern zieht sie sich in ein einsam gelegenes Haus zurück: endlich keine Ablenkungen mehr. Doch dann erscheinen die toten Autoren bei ihr und aus dem Leseabend wird eine eigentümliche Soirée. Sigmund Freud, Hannah Arendt, Friedrich Nietzsche, Jean- Jacques Rousseau, Voltaire und zu allem Überfluss Adolf Hitler geben sich ein Stelldichein. Dann fällt ein Schuss..
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum9. Sept. 2020
ISBN9783752650266
Thanatos
Autor

Giulia Econ

Giulia Econ ist das Pseudonym eines Münchener Autors.

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    Buchvorschau

    Thanatos - Giulia Econ

    Diesem starrt von Eisen der Sinn,

    Und das eherne Herz ist/

    mitleidlos in der Brust;

    und welchen er hascht von den Menschen,/ Hält er fest;

    ein Entsetzen sogar unsterblichen Göttern.

    Hesiod: Theogonie, 2. Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Eins

    Zwei

    Drei

    Vier

    Fünf

    Sechs

    Sieben

    Acht

    Neun

    Zehn

    Elf

    Zwölf

    Dreizehn

    Vierzehn

    Fünfzehn

    Nachwort

    EINS

    Für eine Weile gelang es Sophie, sich wieder auf das Buch zu konzentrieren, das sie in ihren Händen hielt. Es zu lesen, wühlte sie auf. Doch sie musste es tun; es zumindest versuchen. Aber immer wieder drifteten ihre Gedanken ab und sie fragte sich, in wie vielen deutschen Haushalten es einmal in den Regalen gestanden hatte. Vor allem aber: Wie viele von denen, die es besessen hatten, haben es jemals aufgeschlagen?

    Nur mit Mühe widerstand sie ihrem inneren Drang, das Buch in die Ecke zu schmeißen. Es gab Stellen, die sie wütend machten, und wieder andere, die so absurd waren, dass sie lachen musste. Der Exkurs über das Paarungsverhalten von Meise, Storch, Fink und Maus hatte satirisches Potential.

    Sophie blickte auf die Standuhr, als sie zur vollen Stunde schlug. Am Nachmittag war sie auf der kleinen Nordseeinsel angekommen und seither mit ihrer Lektüre kaum weitergekommen. Immer wieder riss ihre Konzentration ab und sie musste feststellen ganze Seiten gelesen, ohne den Inhalt wahrgenommen zu haben. Was sie verzweifeln ließ, war, dass es nicht nur der heutige Abend oder dieses Buch war, auf das sie sich nicht einlassen konnte. Eigentlich war sie seit Wochen unkonzentriert und fahrig. Sophie wusste genau, warum es so weit gekommen war.

    Mit leerem Blick starrte sie aus dem Fenster in die Dunkelheit. Sie sah nichts weiter als den Regen, der gegen die Terrassentür schlug. Ein Gewitter zog auf. Es könnte sogar ein mächtiges Unwetter werden, das sich über Spiekeroog gerade zusammengebraute. Dabei sehnte sie sich noch mit 29 Jahren nach der sanften Stimme ihrer Mutter, die ihr erklären würde, vor einem Donnergrollen keine Angst haben zu müssen. Doch Sophie war alleine in dem großen Haus ihrer verstorbenen Tante Elsbeth und so blieb ihr nichts anderes übrig als sich selbst Mut zuzusprechen.

    Als ihr Blick auf die Terrassentür fiel stutzte sie. War da nicht jemand draußen gewesen? Sie glaubte, in der tiefschwarzen Nacht die Silhouette eines Mannes erkannt zu haben, der durch den Garten gerannt war. Sophie ging zu einem Fenster, schob die Gardine beiseite, und lugte raus, doch sie konnte nichts erkennen, was darauf hindeutete, dass jemand in der Nähe war.

    Sie redete sich ein, sich getäuscht zu haben, und setzte sich wieder in ihren Lesesessel. Sie nahm die Teetasse vom Beistelltisch und umklammerte sie, um ihre kalten Hände aufzuwärmen. Da die Heizung nicht richtig funktionierte, kuschelte sie sich zusätzlich in einer Decke ein.

    Erst wenige Stunden war sie auf der Insel und schon bereute sie es nach Spiekeroog gefahren zu sein. In Elsbeths einsam gelegenen Haus hatte sie Muße und Inspiration finden wollen, aber befürchtete mehr denn je der Illusion eines romantischen Ideals erlegen zu sein. Der Plan war simpel gewesen: Kein Fernseher, keine Freunde, kein Internet, das sie von ihrer Arbeit hätte ablenken können. Sie musste ihre letzte Chance nutzen, denn das Ultimatum lief in einer Woche ab. Wenn sie bis dahin nicht ein schlüssiges Konzept präsentierte, würde der Traum, für den sie so entschlossen kämpfte, wie eine Seifenblase zerplatzen.

    Bumm. Bumm. Bumm.

    Sophie erschrak. Die Teetasse fiel ihr aus der Hand und zersplitterte in Dutzende Einzelteile. Fluchend legte sie die nasse Decke beiseite, die sie vor Verbrennungen bewahrt hatte.

    War also doch jemand draußen gewesen? Oder hatte sie sich nur verhört? Hatte der Wind einen Ast abgebrochen? Oder waren es die hölzernen Fensterläden, die sich aus ihrer Verankerung gelöst hatten und gegen die Wand schlugen? Bestimmt waren es die Fensterläden. Das nächste Haus war drei Kilometer entfernt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand bei diesem Wetter unterwegs sein könnte.

    Doch so sehr sie sich auch Mut zusprach: Sie glaubte nicht, sich getäuscht zu haben. Ihre Anspannung blieb. Reglos saß sie im Sessel; der Rücken durchgedrückt und ihre Hände um die Armlehnen gekrallt. Sie konzentrierte sich auf die Geräusche, die sie umgaben. Der Wind pfiff. Der Regen trommelte gegen die Fenster. Das Meer rauschte hinter der Düne.

    Nichts von alldem ähnelte dem dumpfen Hämmern, das sie zu hören geglaubt hatte. Draußen konnte unmöglich jemand sein, und doch hätte sie schwören können ...

    Bumm. Bumm. Bumm.

    Das war es wieder. Lauter, energischer, fordernder als zuvor.

    Nervös fuhr sich Sophie mit der Hand über den Mund. Die Vorstellung, dass ein Fremder vor der Tür stand und sie ganz auf sich allein gestellt war, ließ sie frösteln.

    Ihre Gedanken rasten. Der Typ könnte sie vergewaltigen und niemand würde sie hören. Es gab keine Nachbarn. Sie ermahnte sich nicht hysterisch zu werden. Schließlich war sie Wissenschaftlerin und kein Opfer in einem miesen B-Movie. Der Gedanke, dass eine junge Frau in einem einsamen, sturmumtobten Haus, auf einer kleinen Insel von einem unbekannten Fremden massakriert würde, war so klischeehaft, dass er unmöglich wahr werden könnte. Andererseits ...

    Hektisch blickte sie um sich. Wo könnte Sie Zuflucht suchen? Sollte sie gar nicht öffnen? Doch die Lichter brannten im ganzen Haus. Es war klar, dass jemand zuhause war. Vielleicht stand draußen nur ein Hilfesuchender, der vom Unwetter überrascht Schutz suchte?

    Bumm. Bumm. Bumm. Wütend hämmert jetzt jemand mit der Faust gegen die Tür.

    Sophie ging in die Küche, in der sie ihr Handy liegen gelassen hatte. Der Mobilfunkempfang war schwach, aber könnte ausreichen, um im Notfall Hilfe zu holen. Sie steckte das Telefon in ihre Hostentasche. Wenn es erforderlich sein sollte, könnte sie sich in der Toilette einschließen und die Polizei anrufen. Aus einem der Hängeregale nahm sie ein schweres Nudelholz. So bewaffnet ging sie in die Diele.

    „Wer ist da?", fragte sie durch die geschlossene Tür.

    Niemand antwortete. Allerdings glaubte sie, das Bellen eines Hundes gehört zu haben. Dann hämmerte abermals jemand von außen gegen die Tür.

    „Hallo! Wer sind Sie? Was wollen Sie denn von mir?"

    „Ich suche Unterschlupf, verdammt nochmal. Glauben Sie, dass ich bei diesem Sauwetter aus Vergnügen draußen spazieren gehe?"

    Also ein Mann. Sie hätte sich wohler gefühlt, wenn es eine Frau auf der anderen Seite der Tür wäre.

    „Wenn ich Sie ... Sophie stockte. Vermutlich war es keine gute Idee zu erwähnen, dass sie alleine in dem Haus war. „Also, es ist so, wir haben hier eine kleine Familienfeier und sind nicht auf Besuch eingestellt.

    „Sie können mich doch nicht hier draußen stehen lassen. Ich hole mir ja noch den Tod." Durch die Tür drangen nur Wortfetzen, aber es reichte, um sich zusammenzureimen, was der Unbekannte gesagt hatte.

    Seine patzige Art erweckte nicht ihr Vertrauen. Aber würde jemand, der ihr Böses wollte, nicht genau das versuchen: ihr Vertrauen gewinnen? Würde er nicht zuvorkommend und freundlich sein, nur um sie zu erdrosseln, sobald sie die Tür aufmachte?

    Sophie schwirrte der Kopf. Am liebsten würde sie in das Wohnzimmer zurückgehen und so tun, als hätte sie nie jemand klopfen gehört. Würde das helfen? Wenn er mit aller Gewalt in das Haus wollte, würde er ein Weg finden. Es wäre ein leichtes die Terrassentür oder eines der Fenster im Erdgeschoss einzuschlagen. Sie überlegte, ob sie ihn bitten sollte, zur Terrassentür zu kommen, verwarf den Gedanken aber doch wieder. Als ob sie ihm ansehen würde, ob er ein gestörter Irrer oder ein harmloser Dünenwanderer war.

    „Sind Sie hier von der Insel? Wie heißen Sie denn?"

    Sie hörte seine Stimme durch die Tür. Er schien zu antworten. Sophie glaubte, einen Namen gehört zu haben, der unmöglich wahr sein könnte. Es wäre kein Wunder, wenn sie ihn falsch verstanden hätte, denn der prasselnde Regen und der Wind machten es fast unmöglich ihn zu verstehen.

    So kam sie also nicht weiter. Sie musste die Tür aufmachen. Wie könnte sie ihn einfach draußen stehen lassen? Es wäre nicht zu verantworten.

    Schließlich öffnete sie die Tür gerade so weit, dass sie durch den Spalt etwas erkennen konnte. Zusammen mit einem Schäferhund, der aufgeregt mit seinem Schwanz wedelte, drängte sich der Mann unter dem kleinen Vordach, das ihn vor dem Regen schützte. Er war triefend nass. Von seinem Gesicht konnte sie nicht viel erkennen, weil er den Kopf leicht gesenkt hielt. Sein Blick aber war nach oben auf Sophie gerichtet. Die Art, wie das Licht, das aus der Diele drang auf ihn fiel, verlieh ihm etwas Dämonisches.

    Sie überlegte noch, ob sie die Tür nicht einfach wieder schließen sollte, da schob sich der der linke Fuß des Fremden in die Lücke. Dass er sich so aggressiv hineindrängte, versetzte sie in Panik. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen die Tür. Doch es gelang ihr nicht, gegen ihn anzukommen. Er drückte die Tür weit auf und Sophie stolperte rückwärts.

    Hektisch atmend hielt sie ihr Nudelholz vor sich, bereit jederzeit zuzuschlagen. Doch sie war eine schlechte Kämpferin. Statt anzugreifen wich sie angsterfüllt Schritt für Schritt zurück. Der Mann stellte sich breitbeinig hin, zeigte mit dem Finger auf das Nudelholz und fing schallend an zu lachen. „Lassen Sie doch diese Albernheiten. Ich werde einem deutschen Mädel schon nichts tun."

    Ohne sie um Erlaubnis zu fragen, schloss er die Haustür hinter sich. Nachdem der Fremde einen weiteren Schritt auf sie zugegangen war und das Dunkel der Nacht gegen die hell erleuchtete Diele getauscht hatte, hatte sie sein Gesicht zum ersten Mal klar vor Augen. Er trug einen Oberlippenbart über seinen schmalen Lippen, der zwar fein getrimmt, aber seit mehr als 60 Jahren aus der Mode war. Wütende Augen funkelten sie an. Das braune Haar war triefend nass und klebte wie Pech an seiner Stirn.

    „Wie können Sie es nur wagen, mich draußen stehen zu lassen? Das ist ein Skandal", empörte er sich. Er rollte das R in eigentümlicher Weise und presste die Worte in einem abgehackten Stakkato aus seinem Mund.

    Sophie erkannte die Klangfarbe der Stimme. Ihr Herz raste. Sie schwitzte. Mit feuchten Händen umklammerte sie das Nudelholz fester und hielt es wie eine Pistole vor sich. Sie hatte den Fremden erkannt, der ihr gegenüberstand. Er war so überraschend und unerwartet in ihrem Haus einmarschiert wie seine Truppen 1939 in Polen.

    ZWEI

    Mit ausladendem Stechschritt, großem Gestus und der Selbstgewissheit, wie sie nur Narzissten seines Schlages zu eigen ist, stapfte Adolf Hitler durch die Diele. Seinen braunen Regenmantel mitsamt Spazierstock warf er achtlos auf eine Bank, die unter dem Garderobenhaken stand. An seinen Stiefeln klebten Schlamm und Dreck, die sich auf dem Fußboden lösten. Neben ihm trottete sein Schäferhund Blondi, der sich energisch schüttelte und durch die Fliehkraft eine solche Menge Wasser verteilte, dass Hitlers Ansinnen, trocken zu werden, zumindest für den Moment gescheitert war.

    „Also was ist hier los? Wer sind Sie?"

    „Das frage ich Sie."

    Hitler stemmte beide Arme in die Hüften und schrie die Frau an. „Was soll dieser Scheißdreck? Warum bin ich hier? Und jetzt legen Sie doch einmal dieses lächerliche Nudelholz weg." Sie löste den Griff um die provisorische Waffe nicht, zog aber mit der anderen Hand ein kleines Gerät aus der Hosentasche, das Hitler nie zuvor gesehen hatte. Es schien nur aus einer Glasscheibe zu bestehen und gab ein eigentümliches blaues Licht von sich. Er sah, dass ihre Hände so stark zitterten, dass ihr das Gerät beinahe aus der Hand fiel.

    Offenbar hielt sie es auch nicht für nötig, ihm ein Handtuch zu reichen und ihn mit der gebotenen Gastfreundschaft zu begrüßen. Nicht einmal den Deutschen Gruß hatte sie ihm gezeigt. Hitler nahm sich brummend eine Strickjacke, die an dem Garderobenhaken in der

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