Die frechen Nachbarskinder: Mami 1863 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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»Das ist Otto«, stellte der kleine Sebastian mit dunkler Bubenstimme vor.
Barbara, die in ihrem Arbeitszimmer vor dem Computer saß, sah von ihrem Kleinen nur den blonden Schopf. Sie nahm an, daß es sich bei Otto um einen Spielkameraden handelte. Es kam häufig vor, daß die Zwillinge jemanden mitbrachten. Der alleinerziehenden Mutter war das recht, denn sie wollte, daß ihre Kinder so ungezwungen und natürlich aufwuchsen wie nur möglich. Deshalb erlaubte sie ihnen auch, daß sie unter Antonias Aufsicht zu dem bewachten Spielplatz zwischen den Wohnblocks gingen. Antonia war ihre Älteste und mit acht Jahren schon ein sehr vernünftiges Mädchen.
»Ihr seid sicher durstig. Im Kühlschrank steht Saft. Nehmt euch, soviel ihr wollt!« Barbara sah nicht von ihrer Arbeit auf, denn sie war termingebunden und mußte heute fertigwerden. Kollege Jürgen Braun würde später vorbeikommen, um sie abzuholen. Dafür war ihm Barbara dankbar. Er rechnete allerdings mit etwas mehr.
»Ich glaube nicht, daß Otto Saft mag. Dürfen wir ihm Wasser geben?« Das war Frederik, der Zwillingsbruder, der Sebastian verblüffend glich. Die beiden wurden ständig verwechselt. Eigentlich konnten nur Barbara und Antonia sie auseinanderhalten.
Flüchtig sah Barbara über den Rand des Bildschirms. Was sie da erblickte, machte sie für einen Moment stumm. Neben den fünfjährigen Zwillingen stand ein Riesentier, vermutlich eine Kreuzung zwischen Berner Sennhund und Setter.
Jetzt hörte sie auch das letzte Schnaufen des vierbeinigen Besuchers, der fast so groß war wie die Zwillinge. Er schien sanftmütig zu sein, denn er verhielt sich ruhig, bewegte nur ganz zaghaft die buschige Rute.
»Wem gehört er?« Barbara fürchtete sich
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Buchvorschau
Die frechen Nachbarskinder - Susanne Svanberg
Mami –1863–
Die frechen Nachbarskinder
…sorgen dafür, daß ständig etwas los ist
Roman von Susanne Svanberg
»Das ist Otto«, stellte der kleine Sebastian mit dunkler Bubenstimme vor.
Barbara, die in ihrem Arbeitszimmer vor dem Computer saß, sah von ihrem Kleinen nur den blonden Schopf. Sie nahm an, daß es sich bei Otto um einen Spielkameraden handelte. Es kam häufig vor, daß die Zwillinge jemanden mitbrachten. Der alleinerziehenden Mutter war das recht, denn sie wollte, daß ihre Kinder so ungezwungen und natürlich aufwuchsen wie nur möglich. Deshalb erlaubte sie ihnen auch, daß sie unter Antonias Aufsicht zu dem bewachten Spielplatz zwischen den Wohnblocks gingen. Antonia war ihre Älteste und mit acht Jahren schon ein sehr vernünftiges Mädchen.
»Ihr seid sicher durstig. Im Kühlschrank steht Saft. Nehmt euch, soviel ihr wollt!« Barbara sah nicht von ihrer Arbeit auf, denn sie war termingebunden und mußte heute fertigwerden. Kollege Jürgen Braun würde später vorbeikommen, um sie abzuholen. Dafür war ihm Barbara dankbar. Er rechnete allerdings mit etwas mehr.
»Ich glaube nicht, daß Otto Saft mag. Dürfen wir ihm Wasser geben?« Das war Frederik, der Zwillingsbruder, der Sebastian verblüffend glich. Die beiden wurden ständig verwechselt. Eigentlich konnten nur Barbara und Antonia sie auseinanderhalten.
Flüchtig sah Barbara über den Rand des Bildschirms. Was sie da erblickte, machte sie für einen Moment stumm. Neben den fünfjährigen Zwillingen stand ein Riesentier, vermutlich eine Kreuzung zwischen Berner Sennhund und Setter.
Jetzt hörte sie auch das letzte Schnaufen des vierbeinigen Besuchers, der fast so groß war wie die Zwillinge. Er schien sanftmütig zu sein, denn er verhielt sich ruhig, bewegte nur ganz zaghaft die buschige Rute.
»Wem gehört er?« Barbara fürchtete sich vor keinem Tier, und diese Unerschrockenheit hatte sie auch ihren Kindern vermittelt.
»Niemand«, antworteten die Zwillinge gleichzeitig. »Otto hat keine Mami und keinen Papi. Darf er bei uns bleiben?« piepste Frederik in jenem Schmeichelton, dem Barbara nicht widerstehen konnte.
Die junge Mutter erschrak. Es war nicht einfach, allein drei lebhafte Kinder zu erziehen, nebenbei noch etwas Geld zu verdienen und dabei nie die Ruhe zu verlieren. Dieser große Hund bedeutete eine zusätzliche Belastung.
»Otto ist vermutlich weggelaufen, und sein Besitzer sucht ihn längst.« Das war die Version, an die Barbara glauben wollte, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dieses Tier in ihre Familie aufzunehmen. Sorgenvoll zog sie die Stirn in Falten. Ihre klaren blauen Augen schauten die Kinder bekümmert an.
Jetzt kam Antonia hinzu, drängte an ihren Geschwistern vorbei, stellte sich hinter ihre Mami und schlang beide Arme um ihren Hals. »Otto irrt schon seit Tagen durch die Gegend. Man hat ihn ausgesetzt, hat der Hausmeister gesagt. Seine Frau hat ihn gefüttert, aber er muß doch auch irgendwo schlafen. Bitte, Mami, laß ihn hierbleiben. Er ist so lieb und er kann auf uns aufpassen. Echt.« Antonia war ein süßes Mädchen mit langen, meist zerzausten dunkelblonden Locken. Ihr rundes Gesichtchen mit den großen blauen Augen und der Stupsnase war von unwiderstehlichem Reiz. Antonia verstand sich aufs Schmusen, und gewöhnlich setzte sie bei ihrer Mami damit alles durch.
Doch heute sagte Barbara rundweg »Nein!« Entschlossen strich sie das glatte dunkelbraune Haar zurück, das ihr weit über die Schulter fiel. »Wir können unmöglich einen so großen Hund in der kleinen Wohnung halten. Das würde nicht nur Probleme mit den Nachbarn geben, das wäre auch für Otto nicht gut. Er braucht Platz und Auslauf.«
Das war das Argument, mit dem die Kinder gerechnet hatten.
»Wir haben den Hausmeister schon gefragt. Er macht eine Ausnahme, hat er gesagt.« Antonia rieb schmeichelnd ihr zartes Gesichtchen an Barbaras Wange. »Wir gehen auch jeden Tag mit Otto raus. Versprochen!«
»Zweimal jeden Tag!« versicherten die Zwillinge.
Otto unterstützte sie durch leises Jaulen.
Barbara wurde es heiß. Sie schlug ihren Kindern nicht gerne eine Bitte ab, denn sie hatte ihre drei von Herzen lieb und war ständig darauf bedacht, sie nicht merken zu lassen, daß sie nicht in einer kompletten Familie groß wurden. Doch diesmal mußte es sein.
»Wir werden eine Anzeige bei der Zeitung aufgeben und Ottos Eigentümer suchen«, entschied sie. Ihre Stimme hatte jenen Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Die Zwillinge schlangen ihre Ärmchen um Ottos kräftigen Nacken. Sebastian von rechts und Frederik von links. Otto ließ es sich zufrieden brummend gefallen. Er schien zu spüren, daß in diesen Minuten über sein Schicksal entschieden wurde, und verhielt sich abwartend und sehr manierlich.
»Da tommt dar teiner«, prophezeite Sebastian und verfiel vor lauter Aufregung in die Kleinkindersprache, die er eigentlich längst abgelegt hatte. Ganz fest drückte er Otto, der erstaunlicherweise stillhielt.
*
Barbara, die mit ihren 32 Jahren noch immer schlank war wie ein junges Mädchen und auch so aussah, seufzte. Von der Frau des Hausmeisters hatte sie erfahren, daß Otto tatsächlich seit Tagen herrenlos herumirrte und daß die Wahrscheinlichkeit, daß ihn jemand suchte, gering war.
Was sollte sie nur tun? Wieder einmal vermißte sie einen Partner, mit dem sie über alles reden konnte. Fünf Jahre war es nun schon her, daß ihr Mann bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Doch wenn sie daran dachte, war sie nicht besonders traurig, denn Klaus war damals nicht allein im Auto gewesen. Seine Freundin, die ihn begleitet hatte, erlitt nur oberflächliche Hautabschürfungen und tröstete sich wenig später mit einem andern.
Barbaras Verletzungen gingen tiefer. Sie erwartete damals die Zwillinge und war sehr unglücklich darüber, daß ihr Mann sie gerade in dieser Zeit betrog. Ihre Trauer um Klaus hielt sich in Grenzen, doch die Enttäuschung machte ihr schwer zu schaffen.
Als zwei Monate später die Zwillinge geboren wurden, war Barbara in einer sehr schlechten Verfassung. Damals war es ihr Kollege Jürgen Braun, der ihr selbstlos beistand und ihr Mut machte. Sie würde ihm das nie vergessen.
Durch die Kinder, die all ihre Fürsorge brauchten, kam sie schneller, als sie je gedacht hätte, über den Schicksalsschlag hinweg. Antonia, damals auch erst drei Jahre alt, und die beiden Kleinen beanspruchten soviel Zeit und Kraft, daß Barbara gar nicht zum Nachdenken kam. Der einzige, der sie in dieser schweren Zeit unterstützte, war Jürgen. Doch seine Hilfe war nicht ganz ohne Hintergedanken. Er wollte, daß Barbara seine Frau wurde. Doch dagegen sträubte sie sich. Auch noch nach diesen fünf turbulenten Jahren konnte sie die Enttäuschung, die ihr Klaus bereitet hatte, nicht vergessen. Sie hatte sich damals vorgenommen, nie mehr zu heiraten, und daran hatte sich nichts geändert.
Während die Kinder aufmerksam das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgten, stand Otto vorsichtig auf und kam gemächlich auf Barbara zu. Unterwürfig schaute er zu ihr hoch, wedelte dabei sanft und zurückhaltend. Er stupste seine feuchte Nase in Barbaras Handfläche, als wollte er mit ihr Freundschaft schließen und gleichzeitig um ihr Wohlwollen betteln.
Barbara ließ es geschehen. Liebevoll strich sie über den massigen Kopf des Tieres, das längst ihre Zuneigung gewonnen hatte.
*
Jürgen Braun kam mit einem Rosenstrauß. Die Kinder, an diese Besuche gewöhnt, nahmen kaum Notiz davon. Barbara empfing ihren Freund wie immer lächelnd an der Wohnungstür.
»Hab’ ich Geburtstag?« fragte sie vergnügt.
»Das nicht, aber es gibt etwas zu feiern«, verriet Jürgen, ungewöhnlich lebhaft. Er war ein Durchschnittstyp, nicht besonders groß, nicht besonders hübsch, aber zuverlässig und vernünftig. Zu vernünftig, fand Barbara manchmal.
Heute streckte Jürgen beide Arme aus und wollte sie