Per Zufall Vater werden: Mami 1860 – Familienroman
Von Silva Werneburg
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In heiterer Stimmung durchwanderte Cordula Juvenius den Stadtpark. Am Rande des großen Weihers, auf dem sich zahlreiche Enten tummelten, hatte das Gartencafé seine Pforten trotz der noch frühen Jahreszeit geöffnet. Von den ersten warmen Strahlen der Märzsonne angezogen, waren die Tische auf der Caféterrasse nahezu ausnahmslos besetzt.
Cordula entdeckte aber noch einen freien Tisch und nahm daran Platz. Die neunundzwanzig Jahre alte Arzthelferin hatte es nicht eilig. Ihr Chef hatte ihr einen Tag Urlaub eingeräumt, damit sie ein paar dringende private Angelegenheiten regeln konnte. Die wichtigste davon war wohl der Termin bei ihrem Frauenarzt gewesen, von dem sie gerade zurückgekehrt war. Schon seit Wochen hatte Cordula geahnt, daß sie schwanger sein könnte. Jetzt war die Schwangerschaft definitiv bestätigt worden. Die junge Frau befand sich in der neunten Woche und stellte sich nun vor, was Robert wohl zu dieser Neuigkeit sagen würde.
Seit mehr als einem Jahr war Cordula mit dem Computerfachmann Robert Hahnbusch befreundet. Sie hatten zwar noch nie über eine gemeinsame Zukunft gesprochen, doch Cordula war sicher, daß es eine geben würde. Leider würde Robert erst in knapp vier Wochen von der Schwangerschaft erfahren. Beruflich war er viel unterwegs. Im Augenblick befand er sich in Hamburg, etwa dreihundert Kilometer entfernt, und war dort mit der Installation einer neuen Computeranlage in einem großen Unternehmen beschäftigt. Derartige Aufträge beanspruchten mitunter mehrere Wochen. Zwar rief Robert mehrmals in der Woche an, aber am Telefon mochte Cordula ihm nicht mitteilen, daß sie ein Baby erwartete. Das sollte er nach seiner Rückkehr bei einem gemeinsamen Abendessen
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Buchvorschau
Per Zufall Vater werden - Silva Werneburg
Mami –1860–
Per Zufall Vater werden
Er hatte nichts von seinem Kind gewußt
Roman von Silva Werneburg
In heiterer Stimmung durchwanderte Cordula Juvenius den Stadtpark. Am Rande des großen Weihers, auf dem sich zahlreiche Enten tummelten, hatte das Gartencafé seine Pforten trotz der noch frühen Jahreszeit geöffnet. Von den ersten warmen Strahlen der Märzsonne angezogen, waren die Tische auf der Caféterrasse nahezu ausnahmslos besetzt.
Cordula entdeckte aber noch einen freien Tisch und nahm daran Platz. Die neunundzwanzig Jahre alte Arzthelferin hatte es nicht eilig. Ihr Chef hatte ihr einen Tag Urlaub eingeräumt, damit sie ein paar dringende private Angelegenheiten regeln konnte. Die wichtigste davon war wohl der Termin bei ihrem Frauenarzt gewesen, von dem sie gerade zurückgekehrt war. Schon seit Wochen hatte Cordula geahnt, daß sie schwanger sein könnte. Jetzt war die Schwangerschaft definitiv bestätigt worden. Die junge Frau befand sich in der neunten Woche und stellte sich nun vor, was Robert wohl zu dieser Neuigkeit sagen würde.
Seit mehr als einem Jahr war Cordula mit dem Computerfachmann Robert Hahnbusch befreundet. Sie hatten zwar noch nie über eine gemeinsame Zukunft gesprochen, doch Cordula war sicher, daß es eine geben würde. Leider würde Robert erst in knapp vier Wochen von der Schwangerschaft erfahren. Beruflich war er viel unterwegs. Im Augenblick befand er sich in Hamburg, etwa dreihundert Kilometer entfernt, und war dort mit der Installation einer neuen Computeranlage in einem großen Unternehmen beschäftigt. Derartige Aufträge beanspruchten mitunter mehrere Wochen. Zwar rief Robert mehrmals in der Woche an, aber am Telefon mochte Cordula ihm nicht mitteilen, daß sie ein Baby erwartete. Das sollte er nach seiner Rückkehr bei einem gemeinsamen Abendessen in romantischer Umgebung erfahren. Ganz bestimmt würde er sich freuen und sofort einen Hochzeitstermin festlegen wollen. Robert liebte Kinder. Das zeigte sich schon daran, wie verständnisvoll er mit Kathrin, Cordulas Tochter umging. Das Mädchen war im vergangenen Monat zehn Jahre alt geworden. Robert hatte Kathrin nie spüren lassen, daß sie ein uneheliches Kind und mit ihm überhaupt nicht verwandt war. Beinahe rührend hatte er sich stets um sie gekümmert, sie mit kleinen Geschenken überhäuft und sogar an einigen Elternabenden in der Schule teilgenommen.
Zu Cordulas Leidwesen hatte sich ihre Tochter Robert gegenüber nie besonders freundschaftlich verhalten. Sie war zwar immer höflich gewesen, hatte jedoch die Herzlichkeit, wie sie sonst zwischen Kindern und Stiefvätern üblich war, vermissen lassen. Cordula ging davon aus, daß sich das ändern würde, sobald sie und Robert verheiratet waren. Wahrscheinlich war es nur eine richtige Familie, die Kathrin fehlte und von der sie sicher sein konnte, daß dieser Familienverband Bestand haben würde.
Ein Blick auf ihre Uhr sagte Cordula, daß Kathrin bereits von der Schule heimgekehrt sein mußte. Sie bezahlte ihren Kaffee und machte sich auf den Weg nach Hause. Robert mußte zwar noch eine Weile auf die frohe Botschaft warten, aber Kathrin sollte so bald wie möglich erfahren, daß in ein paar Monaten ein kleiner Bruder oder eine kleine Schwester auf die Welt kommen würde.
Die Zehnjährige reagierte auf die Neuigkeit zunächst sprachlos. Erst als Cordula sich erkundigte, ob sie sich nicht wenigstens ein bißchen freue, umarmte Kathrin ihre Mutter.
»Natürlich freue ich mich. Ich finde es prima, endlich kein Einzelkind mehr zu sein. Wann wird das Baby denn geboren?«
»Mitte Oktober. Ein bißchen Geduld müssen wir also noch aufbringen. Aber es wird bestimmt eine schöne Zeit. Dir macht es sicher auch großen Spaß mitzuerleben, wie das Baby immer größer wird. Wenn die Zeit gekommen ist, nehme ich dich einmal mit zur Ultraschalluntersuchung. Mit etwas Glück kannst du dein Geschwisterchen dann schon auf dem Bildschirm sehen, bevor es zur Welt gekommen ist.«
Kathrin nickte begeistert. Dann jedoch verdüsterte sich ihr Blick. »Und was ist mit Robert«, wollte sie wissen. »Er ist doch der Vater. Werdet ihr beide nun etwa heiraten? Ich finde, man muß nicht unbedingt heiraten, nur weil ein Baby unterwegs ist.«
»Man muß nicht, aber besser ist es schon. Ich stelle es mir sehr schön vor, eine richtige Familie zu haben. Deshalb denke ich schon, daß Robert und ich in gar nicht so langer Zeit heiraten werden. Er wird ein sehr guter Vater und Stiefvater sein. Bisher ist er doch auch immer lieb zu dir gewesen. Ich weiß gar nicht, was du eigentlich gegen ihn hast. Gibt es denn etwas an ihm auszusetzen?«
Kathrin zog die Schultern hoch. »Eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich ihn nicht so gut leiden kann. Er ist vielleicht nicht genau der Vater, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe. Irgendwie finde ich ihn manchmal seltsam. Es kann aber sein, daß ich mich noch an ihn gewöhne. Gar so übel ist er möglicherweise überhaupt nicht. Wirst du ihn, wenn ihr verheiratet seid, lieber mögen als mich?«
»Ganz sicher nicht«, versprach Cordula und schloß ihre Tochter in die Arme. »Du bist und bleibst für mich das Liebste auf der Welt. Robert habe ich auf eine ganz andere Art lieb als dich. Das hat nichts miteinander zu tun. Du mußt meine Liebe nicht mit ihm teilen. Zwischen uns beiden ändert sich nichts. Das verspreche ich dir. Du bekommst zu deiner Mutter eben einfach noch einen Vater, so wie es sich für eine richtige Familie gehört. Das wird schön für uns alle, Kati.«
Immer wenn Cordula besonders gut gelaunt war, nannte sie ihre Tochter Kati. Kathrin wollte ihr die frohe Stimmung nicht verderben und sprach nicht weiter darüber, daß sie Robert Hahnbusch eigentlich nicht als Stiefvater haben wollte. Wenn ihre Mutter ihn wirklich liebte, dann mußte sie sich damit abfinden und das Beste aus der Situation machen. Zugegeben, Robert war immer nett zu ihr gewesen. Von seinen Reisen, die er häufig von Berufswegen unternehmen mußte, brachte er ihr jedes Mal ein kleines Geschenk mit und zeigte sich auch sonst recht großzügig, wenn es um die Erfüllung von Wünschen ging. Trotzdem spürte Kathrin deutlich etwas Trennendes, das zwischen ihr und Robert stand.
An einem der folgenden Tage sprach Kathrin mit ihrer Freundin Nina über die Heiratspläne ihrer Mutter. Nina Ottersbach war ein Jahr älter als Kathrin und lebte mit ihren Eltern auf derselben Etage, gleich in der gegenüberliegenden Wohnung. Ihre Mutter, Eva Ottersbach, war eng mit Cordula befreundet. Beide Mütter freuten sich darüber, daß ihre Töchter sich so gut miteinander verstanden. Seit zwei Jahren hatte Nina einen Stiefvater. Ihr leiblicher Vater war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Nina noch nicht drei Jahre alt gewesen war. Mit ihrem Stiefvater kam die Elfjährige gut aus. Probleme gab es nicht.
»Es ist gar nicht so schlimm, einen Stiefvater zu bekommen«, meinte Nina. »Außerdem ist der Freund deiner Mutter doch ganz in Ordnung. Ich glaube, du bist einfach ein bißchen eifersüchtig. Das ist mir genauso gegangen, als meine Mutter heiraten wollte. Aber dann habe ich mich schnell an meinen neuen Vater gewöhnt. Heute sind wir die besten Freunde. Dir wird das nicht anders ergehen. Wenn deine Mutter und Robert Hahnbusch erst einmal verheiratet sind, wirst du merken, daß es gar keinen Grund gibt, eifersüchtig zu sein. Vielleicht adoptiert er dich sogar. Dann bekommst du seinen Namen. Ich habe nach der Adoption auch den Namen meines Stiefvaters bekommen.«
Kathrin war nicht sicher, ob sie sich adoptieren lassen wollte. Ihr lag nicht viel daran, in Zukunft Hahnbusch zu heißen. Juvenius klang nach ihrer Ansicht viel besser. Außerdem glaubte sie nicht, eifersüchtig zu sein. Wenn ihre Mutter einen anderen Mann hätte heiraten wollen, der ihren Vorstellungen von einem idealen Vater entsprach, wäre sie sofort einverstanden gewesen. Mit dem Gedanken, daß Robert ihr Stiefvater werden sollte, konnte sie sich einfach nicht anfreunden.
Als Kathrin abends in ihrem Bett lag, streichelte sie mit einer Hand die kleine Mischlingshündin Maika, die sich neben dem Bett in ihrem Korb zusammengerollt hatte. Seit knapp drei Jahren gehörte Maika zur Familie. Dr. Korbmacher, der Arzt, in dessen Praxis Cordula Juvenius