Das Geheimnis von White Castle: Gaslicht 56
Von Diverse -
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Gewaltsam versuchte Dorina, das Grauen in sich zu bekämpfen, weil sie spürte, dass sie sonst dieser Wahnsinnigen ausgeliefert war. Verzweifelt irrte ihr Blick umher. Es gab keinen Fluchtweg. Vor ihr stand die andere, sprungbereit wie ein Tiger – hinter ihr das Moor – das Moor – das auch ihrer Vorgängerin schon zum Verhängnis geworden war. »Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihrem Plan zustimmen soll, Fräulein Lohhausen.« Rechtsanwalt Dr. Durand sah die junge Dame ernst an. »Wenn Sie unbedingt etwas tun müssen, weil Sie dieses untätige Leben nicht ertragen, dann gibt es doch bestimmt genug Aufgaben, die weniger schwierig und verantwortungsvoll sind.« Dorina Lohhausen lachte leise. Es klang weich und melodisch. Ihr schönes klares Gesicht mit den leuchtendblauen Augen sahen ihr Gegenüber belustigt an. Der weiche rote Mund zeigte beim Lachen zwei Reihen kräftiger weißer Zähne. »Sie möchten mich am liebsten wie mein Paps in Watte packen, Onkel Durand. Aber ich bin kein kleines Mädchen mehr, das ihr behüten müßt. Ich werde in zwei Monaten volljährig und kann gut auf eigenen Füßen stehen.« Sie wurde unvermittelt ernst. Sie beugte sich etwas vor, und ein entschlossener Zug lag auf ihrem jungen straffen Gesicht. In diesem Augenblick erinnerte Rechtsanwalt Dr. Durand sie stark an seinen alten Freund, ihren Vater, mit dem er seit fünfundzwanzig Jahren eng befreundet gewesen war. »Ich weiß, es ist für manchen sehr schwer zu verstehen, daß ich etwas anderes tun will, als ein untätiges Leben zu führen.
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Das Geheimnis von White Castle - Diverse -
Gaslicht
– 56 –
Das Geheimnis von White Castle
Unveröffentlichter Roman
Diverse -
Gewaltsam versuchte Dorina, das Grauen in sich zu bekämpfen, weil sie spürte, dass sie sonst dieser Wahnsinnigen ausgeliefert war. Verzweifelt irrte ihr Blick umher. Es gab keinen Fluchtweg. Vor ihr stand die andere, sprungbereit wie ein Tiger – hinter ihr das Moor – das Moor – das auch ihrer Vorgängerin schon zum Verhängnis geworden war.
»Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihrem Plan zustimmen soll, Fräulein Lohhausen.«
Rechtsanwalt Dr. Durand sah die junge Dame ernst an. »Wenn Sie unbedingt etwas tun müssen, weil Sie dieses untätige Leben nicht ertragen, dann gibt es doch bestimmt genug Aufgaben, die weniger schwierig und verantwortungsvoll sind.«
Dorina Lohhausen lachte leise. Es klang weich und melodisch. Ihr schönes klares Gesicht mit den leuchtendblauen Augen sahen ihr Gegenüber belustigt an. Der weiche rote Mund zeigte beim Lachen zwei Reihen kräftiger weißer Zähne.
»Sie möchten mich am liebsten wie mein Paps in Watte packen, Onkel Durand. Aber ich bin kein kleines Mädchen mehr, das ihr behüten müßt. Ich werde in zwei Monaten volljährig und kann gut auf eigenen Füßen stehen.« Sie wurde unvermittelt ernst. Sie beugte sich etwas vor, und ein entschlossener Zug lag auf ihrem jungen straffen Gesicht.
In diesem Augenblick erinnerte Rechtsanwalt Dr. Durand sie stark an seinen alten Freund, ihren Vater, mit dem er seit fünfundzwanzig Jahren eng befreundet gewesen war. »Ich weiß, es ist für manchen sehr schwer zu verstehen, daß ich etwas anderes tun will, als ein untätiges Leben zu führen. Aber ich will endlich einmal etwas Vernünftiges tun, will das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Dieses Wissen bedeutet mir wirklich ungeheuer viel.« Voll sahen die blauen Augen den Mann an. »Sie müßten es doch verstehen, Onkel Durand. Denn Sie sind doch auch ein Mann der Tat. Könnten Sie sich ein Leben vorstellen ohne Pflichten?«
Nun mußte der Mann lächeln. Es war ein gutiges, väterliches Lächeln. Er mochte Dorina Lohhausen sehr gern, hatte sie fast wie eine eigene Tochter in sein Herz geschlossen. Es gab eine Zeit, da hatte er davon geträumt, daß aus seinem Sohn und Dorina eines Tages ein Paar würde. Aber die beiden jungen Menschen waren wie Bruder und Schwester zusammen. Von Liebe konnte zwischen ihnen keine Rede sein, sehr zur heimlichen Enttäuschung der beiden Väter. Aber beide dachten keinen Augenblick daran, Schicksal zu spielen und das Leben der beiden in ihrem Sinne zu leiten. Sie mußten ihren Weg zum Glück allein finden, und nur ihr Herz sollte das letzte Wort sprechen. »Nein, Dorina.« Nun nannte er sie wieder bei der vertrauten Anrede ihrer Kindheit. Seitdem sie aus dem Internat zurückgekommen war, hatte er sie steif Fräulein Lohhausen genannt, was sie zuerst befremdete. Aber sie kannte seine korrekte, oft etwas steife Art und wußte, es hatte keinen Sinn, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß sie keinen Wert darauf legte, von ihm als junge Dame behandelt zu werden.
Daß er sie jetzt wieder mit ihrem Namen ansprach, verriet ihr, daß die geschäftliche Seite abgeschlossen war und man jetzt zum vertraulichen Gespräch übergehen konnte.
Geschmeidig stand sie auf. Sie war klein und zierlich. Niemand hätte diesem zarten Persönchen solche Energie und Tatkraft zugetraut.
»Sehen Sie, Onkel Durand, auch ich kann es nicht. Solange Vater noch lebte und ich wußte, daß er mich brauchte, war mein Leben ausgefüllt. Aber seit er mich verlassen hat, halte ich es einfach in dem einsamen Haus nicht mehr aus.«
Er nickte verstehend.
»Aber muß es denn eine so schwierige Aufgabe sein, Dorina?« fragte er ernst zurück. »Ich fühle mich für dich verantwortlich. Daß du nun sofort so weit von hier weggehen willst, bereitet mir Sorgen.«
Lächelnd wehrte sie ab.
»Aber Onkel Durand, England ist doch keine Entfernung. Ich verspreche hoch und heilig, sollte ich einmal nicht mehr allein weiter wissen, dann rufe ich Sie zu Hilfe.« Sie war auf ihn zugetreten und streckte ihm die kleine feste Hand hin, die er mit warmem Druck umschloß. »Ich weiß doch, daß Sie mich nie im Stich lassen werden.«
»Denke immer daran, Kind.« Es klang zärtlich und es war das erste Mal, daß der Mann das Mädchen zärtlich in seine Arme nahm.
»Ich werde es nicht vergessen, Onkel Durand. Ich schreibe sofort, wenn ich angekommen bin. Sie brauchen sich wirklich keine Gedanken zu machen. Sie wissen ja, Vati hat mich sehr selbständig erzogen. Ich finde mich schon zurecht.«
Die beiden Menschen nahmen herzlich Abschied voneinander. Dorina Lohhausen schied mit der tröstlichen Gewißheit, in dem alten Freund ihres Vaters immer einen Beschützer und ehrlichen Berater zu haben.
In diesem Haus würde sie immer eine Zuflucht finden, sollte das Leben gar zu arg mit ihr umspringen.
*
Der mächtige Herrensitz machte auf den ersten Biick einen gewaltigen Eindruck auf das Mädchen, das einen Augenblick förmlich den Atem anhielt, als der Wagen in den weitläufigen großen Hof einbog.
Schon während der Fahrt in dem hübschen Zweisitzer, mit einem jungen Mann, der sich als Verwandter ihres zukünftigen Brotherrn vorstellte, hatte Dorina wie verzaubert gesessen und konnte sich nicht satt sehen.
Seit sie aus dem Zug gestiegen war, erschien ihr alles wie ein Traum. Der kleine verträumte Bahnhof, der, nachdem der Zug wieder abgefahren war, in seine Stille zurücksank. Dann der junge Mann, der einen sehr guten Eindruck auf sie machte und sie in gutem Deutsch, das er mit kaum wahrnehmbarem Akzent sprach, sehr herzlich begrüßte. Deutlich stand in seinen graublauen Augen die Bewunderung, die er bei ihrem Anblick empfand.
Dann die Fahrt durch die unebene Straße, an kleinen weißen Häusern vorbei mit roten, tief herunterhängenden Dächern und Blumengärten, die die Straße säumten.
Nach einer Weile bog der Wagen ab. Es ging durch grüne Wiesen, über die sich ein wolkenloser strahlender Himmel von durchsichtiger Bläue spannte.
Und dann tauchte das Haus auf. Wie ein riesiger weißer Fleck hob es sich zwischen dem dunklen Grün der hohen Bäume ab, die es förmlich einschlossen.
Es war ein großes prachtvolles Gebäude aus schneeweißem Gestein. Zur Rechten lag ein großer See, der wie das Meer anmutete, und wohin das Auge nur traf, standen Blumen in den wundervollsten Farben, daß man das Gefühl hatte, in einem Farbenmeer zu ertrinken.
Das mächtige Portal schien ita-lienische Schmiedekunst zu sein. Die Räder knirschten über den kiesbestreuten Weg, als der Wagen einbog. Der breite Weg war mit blühenden Azaleen gesäumt. Sie standen in herrlich abgestimmten Farben, vom hellsten Rosa bis zum tiefsten Gelb.
Das Haus hatte drei Stockwerke. Die Fenster über dem mächtigen Portal hatten grüne Fensterläden. Eine breite Veranda zog sich um das ganze Haus.
Der Wagen war zum Stehen gekommen. Der junge Mann, der sich ihr als Richmond Stuart vorgestellt hatte, beeilte sich, ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Mit einem tiefen Aufatmen stieg Dorina aus. Ganz tief sog sie die würzige Luft ein, die süß und schwer vom Blumenduft war.
In diesem Augenblick kam ein schlanker, hochgewachsener Mann durch das Portal, verhielt einen Moment den Schritt, als er ihrer ansichtig wurde und Dorina sah deutlich, wie nach der ersten Verblüffung so etwas wie unmutige Überraschung in seine kantigen Züge trat, die aber schnell einer beherrschten Höflichkeit Platz machte.
Elastisch kam er die weiße Marmortreppe herunter. Alles an dem Mann verriet geballte Kraft. Seine Schultern waren breit und ausladend. Er war kräftig gebaut, und sein Körper verriet bei jeder Bewegung den durchtrainierten Sportler.
Der Mann streckte ihr eine schlanke, kräftige Hand entgegen. »Miss Lohhausen, ich heiße Sie auf White-Castle willkommen.« Seine Stimme klang kühl. Er sprach ein leidlich gutes Deutsch, aber mit sehr starkem Akzent. Als er nun weitersprach, redete er in seiner Muttersprache, als setze er voraus, daß sie die englische Sprache beherrschte.