Einsames Kind im Grafenschloss: Fürstenkinder 21 – Adelsroman
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Wie eine Insel des Friedens und der Ruhe lag das Lehenau-Palais zwischen den verkehrsreichen Straßen in Münchens Westend. Ein schmiedeeiserner Zaun umgab das riesige Grundstück. Alte, hohe Bäume verbargen das fürstliche Palais vor den Blicken der Passanten. Einmal hatte der Name Lehenau bereits Schlagzeilen gemacht. Das war vor acht Jahren gewesen, als der junge Graf Harald von Lehenau die bekannte Schauspielerin Andrea Andersen geheiratet hatte. Viele Menschen hatten mit Spannung das so offen zur Schau getragene Glück des jungen Paares verfolgt und beredet. Doch dann war es still um das Lehenau-Palais geworden, und man hatte auch das schöne Paar vergessen. So, wie man alles vergißt, was sich nicht durch irgendwelche Besonderheiten, welcher Art sie auch sein mögen, immer wieder bemerkbar macht, sich in den Vordergrund drängt. Andrea von Lehenau saß in ihrem Boudoir vor dem Toilettenspiegel; sie machte einen gereizten, nervösen Eindruck. Sie schaltete das grelle, unbarmherzige Licht ein, das ihr Gesicht nun mit schonungsloser Offenheit beleuchtete. Ganz nahe beugte sie sich zu dem Spiegel, und aufmerksam begann sie, sich zu betrachten. Sie wußte, daß sie, achtundzwanzigjährig, eine vollerblühte Schönheit war, doch der Spiegel verriet ihr auch, der zarte Schmelz der ersten Jugend war bereits geschwunden. Ärgerlich schnitt sie ihrem Spiegelbild eine verzerrte Grimasse, und entsetzt sah sie, daß sie nun tatsächlich einer alten, verbitterten Frau glich. »Ich will nie so aussehen müssen! Nicht, ehe ich noch meine Jugend mit vollen Zügen genossen habe!« Dabei bekamen ihre Augen einen gierigen, funkelnden Glanz. Sie erhob sich und drückte auf den Klingelknopf. »Meinen Mantel, Maria!« sagte sie knapp. Ihre Stimme hatte einen rauchigen Klang, und schon bei wenigen Silben konnte man feststellen, daß sie gut ausgebildet war.
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Buchvorschau
Einsames Kind im Grafenschloss - Annette Stromberg
Fürstenkinder
– 21 –
Einsames Kind im Grafenschloss
Ein ergreifendes Kinderschicksal
Annette Stromberg
Wie eine Insel des Friedens und der Ruhe lag das Lehenau-Palais zwischen den verkehrsreichen Straßen in Münchens Westend.
Ein schmiedeeiserner Zaun umgab das riesige Grundstück. Alte, hohe Bäume verbargen das fürstliche Palais vor den Blicken der Passanten.
Einmal hatte der Name Lehenau bereits Schlagzeilen gemacht. Das war vor acht Jahren gewesen, als der junge Graf Harald von Lehenau die bekannte Schauspielerin Andrea Andersen geheiratet hatte.
Viele Menschen hatten mit Spannung das so offen zur Schau getragene Glück des jungen Paares verfolgt und beredet.
Doch dann war es still um das Lehenau-Palais geworden, und man hatte auch das schöne Paar vergessen. So, wie man alles vergißt, was sich nicht durch irgendwelche Besonderheiten, welcher Art sie auch sein mögen, immer wieder bemerkbar macht, sich in den Vordergrund drängt.
Andrea von Lehenau saß in ihrem Boudoir vor dem Toilettenspiegel; sie machte einen gereizten, nervösen Eindruck.
Sie schaltete das grelle, unbarmherzige Licht ein, das ihr Gesicht nun mit schonungsloser Offenheit beleuchtete.
Ganz nahe beugte sie sich zu dem Spiegel, und aufmerksam begann sie, sich zu betrachten.
Sie wußte, daß sie, achtundzwanzigjährig, eine vollerblühte Schönheit war, doch der Spiegel verriet ihr auch, der zarte Schmelz der ersten Jugend war bereits geschwunden.
Um ihre dunklen, glühenden Augen gruben sich die ersten hartnäckigen Fältchen, auch ihr langer, schlanker Hals zeigte trotz eifrigster kosmetischer Pflege einige Ringe
Ärgerlich schnitt sie ihrem Spiegelbild eine verzerrte Grimasse, und entsetzt sah sie, daß sie nun tatsächlich einer alten, verbitterten Frau glich.
Mit einer fahrigen Handbewegung strich sie sich das silberblond gefärbte, schulterlange Haar aus der Stirn und murmelte:
»Ich will nie so aussehen müssen! Nicht, ehe ich noch meine Jugend mit vollen Zügen genossen habe!«
Dabei bekamen ihre Augen einen gierigen, funkelnden Glanz.
Sie erhob sich und drückte auf den Klingelknopf.
Kurz darauf erschien eine Zofe
»Meinen Mantel, Maria!« sagte sie knapp.
Ihre Stimme hatte einen rauchigen Klang, und schon bei wenigen Silben konnte man feststellen, daß sie gut ausgebildet war.
»Sofort, gnädige Frau!« beeilte sich das Mädchen zu erwidern. »Welchen Mantel…«
»Den braunen Nerz natürlich!« fiel Frau von Lehenau der Zofe ungehalten ins Wort.
Sie trug ein tannengrünes, schlichtes Wollkleid, das ihre hohe, schlanke Figur wunderbar betonte.
Das Kleid war im Schnitt so einfach gehalten, daß man ihm ansah, daß es besonders teuer gewesen sein mußte.
Als Maria der jungen Gräfin in den Mantel half, bemerkte diese leichthin:
»Sagen Sie meinem Mann, daß ich…«
Sie unterbrach sich, denn es war an ihre Tür geklopft worden.
»Das wird er sein!« rief sie und öffnete.
Harald von Lehenau betrat das Ankleidezimmer seiner Frau.
Er war ein sehr großer blonder Mann mit einer ausgesprochen sportlichen Figur.
Seine Kleidung war ausgesucht elegant, fast etwas salopp.
Er hatte ein gebräuntes, markantes Jungengesicht, das von leuchtendblauen Augen beherrscht wurde.
»Ah, da bist du ja!« sagte er. Dabei bemerkte er, daß seine Frau zum Ausgehen bereit war.
»Es ist gut. Sie können gehen, Maria!«
Mit diesen Worten schickte Andrea von Lehenau die Zofe aus dem Raum.
Harald von Lehenau blieb lässig an der Tür stehen, seine rechte Braue hob sich etwas, als er wie nebenbei fragte:
»Du gehst aus, Andrea?«
»Das siehst du doch! Ich habe mich mit Sibylle in der Stadt verabredet, sie erwartet mich«, erwiderte sie kurz.
»Hast du vergessen, daß sich heute Tommys Erzieherin vorstellt?«
»Ach, mein Gott, auch das noch!« stöhnte sie. Dabei streifte sie sich die langen Lederhandschuhe über. Doch gereizt fuhr sie fort: »In dieser Sache habe ich ja ohnehin nichts zu bestimmen, mein Lieber. Deine Mutter hat angeordnet, daß eine Erzieherin engagiert werden müßte, nun soll sie das auch allein tun!«
»Bitte, Andrea!« sagte er hart. »Ist es Mutters Schuld, wenn du nie Zeit für unseren Sohn hast?«
In dramatischer Pose hob sie ihre Arme, und ihre Stimme klang dramatisch, als sie gekränkt ausrief: »Ich nie Zeit für Tommy? Das ist einfach lächerlich! Aber schließlich habe ich auch noch ein Recht auf ein bißchen Privatleben!«
Verstimmt beobachtete Harald von Lehenau dieses bühnenhafte Posieren seiner Frau.
Sie machte das in letzter Zeit immer häufiger. Und das, obgleich sie wußte, wie verhaßt ihm diese Geste war.
Damals, als sie geheiratet hatten, wollte sie nichts anderes als nur seine Frau sein, und sie hatte das affektierte Bühnenverhalten sofort abgelegt.
Er mußte zugeben, daß sie sich tadellos benommen hatte, wie es einer Gräfin von Lehenau zugestanden hatte.
Doch in der letzten Zeit benahm sie sich, als ob sie dauernd eine neue Rolle spielen würde, mit vielen Gebärden und mit viel Mimik.
»Ich muß mich jetzt beeilen, Harald!« erklärte sie entschieden.
Er zuckte mit den Schultern, dabei öffnete er seiner Frau die Tür.
»Wenn dir das wichtiger ist, bitte! Dann werde eben ich…«
»Tu, was du für richtig hältst! Also, dann bis später!« sagte sie kalt, und auf ihren hohen Absätzen klapperte sie an ihm vorüber; der seidenweiche Nerz streifte seine Hand.
Unentschlossen, die Türklinke noch immer in der Hand haltend, verharrte er einen Augenblick reglos.
Dabei überlegte er sich, was er nun seiner Mutter sagen sollte.
Mama würde sich sicher sehr darüber wundern, daß Andrea fortging, während die neue Erzieherin jede Minute hier sein konnte.
*
Caroline von Lehenau saß in ihrem Rollstuhl im Garten.
Ihr sechsjähriger Enkelsohn spielte in kindlicher Versunkenheit mit einem kleinen Auto. Er schien seine Umwelt vergessen zu haben.
Eine wärmende Frühlingssonne beschien das weiße Palais und den vollergrünten Park.
Geschmackvoll bepflanzte Rabatten mit Märzenbechern und Tulpen, die in ihrer wächsernen Farbenpracht leuchteten, gaben dem großen Rasen bunte Farbtupfer. Und bei jedem schwachen Windhauch zogen Schwaden der süß und schwer duftenden Hyazinthen zu Frau von Lehenau herüber.
Ein riesiger, weitverästelter Magnolienbaum stand wie ein rot-weißes Blütenfanal inmitten des grünen Rasens, von Schmetterlingen und Bienen umsummt.
Caroline von Lehenau war eine vornehme, gepflegte Erscheinung, die trotz der schweren Krankheit noch jugendlich wirkte.
Sie war sehr schmal, doch aufrecht und gerade saß sie in ihrem Rollstuhl.
Sie hatte die gleichen strahlendblauen Augen wie ihr Sohn, doch ihr Haar war grau, mit einem leichten Blauschimmer, wie ihn nur sehr geschickte Friseure ins Haar zaubern können.
Sie streckte ihre kleine, schmale Hand, an der ein mehrkarätiger Brillant glitzerte, nach dem kleinen Thomas aus, und mit heiterer, junger Stimme bat sie:
»Bitte, Thomas, würdest du mir eine einzige Magnolienblüte dort vom Baum brechen? Ich würde sie zu gerne in der Hand fühlen!«
Thomas, ein etwas scheues, zurückhaltendes Kind mit großen dunklen Augen und dunklem Haar, unterbrach sofort das Spiel.
Er nahm das kleine Auto und legte es Frau von Lehenau auf die Decke, die sie um ihren Leib und ihre Beine gewickelt hatte.
»Du mußt aber inzwischen aufpassen, Omi, daß mir das Auto nicht fortfährt!« belehrte er sie gewichtig.
Dann rannte er über den dichten grünen Rasen zu dem Magnolienbaum.
Er mußte sich etwas recken, doch es gelang ihm, eine Blüte vom Baum zu brechen, und sofort brachte er sie seiner Omi.
»Ich danke dir, mein Kind!« sagte Frau von Lehenau.
Vorsichtig umschlossen ihre Hände die tulpenähnliche, wächserne Blüte. Dabei nahm ihr feines, schmales Gesicht einen abwesenden, sinnenden Ausdruck an.
Wie liebkosend fuhren ihre Finger über die zarten rotgeflammten Blütenblätter; sie schien ihren Blick kaum noch von der Blüte abwenden zu können.
Thomas hatte seine Großmutter sehr aufmerksam beobachtet. Er schien zu ahnen, daß sie mit ihren Gedanken sehr weit von ihm entfernt war.
Schließlich fragte er zögernd, dabei sah er nur die Blume, nicht aber seine Großmutter an: »Hat es sehr weh getan, Omi, als du vom Pferd gestürzt bist?«
Frau von Lehenau schien aus weiter Ferne zurückzukommen, doch ihre Stimme klang sanft, als