Und sie wird doch meine Mutti: Fürstenkinder 24 – Adelsroman
Von Regine König
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Melde gehorsamst – angetreten drei Reiter ohne Pferd. Pferde sind unten im Hof vorgeführt. Ausritt ohne Begleitung genehmigt!« »Danke!« Lebrecht Graf von Wetterstein nickte kurz und militärisch. Man merkte ihm den pensionierten General an. Unter seinen weißen, buschigen Augenbrauen blitzten die durchdringend hellen, blauen Augen. »Erbitte mir aber Disziplin. Verstanden?« Ganz dicht trat er jetzt auf den Meldenden zu. Der stand ganz wie Gewehr bei Fuß da, eine ganz schmale, fast zarte Gestalt im Reiteranzug. Beinahe goldenes Haar lag kurz geschnitten um den feinen Kopf. Das kleine Gesicht war beherrscht von großen opalisierenden Augen, von denen noch keiner festgestellt hatte, ob sie blau oder grünlich waren. »Also Disziplin, Nick!« wiederholte die militärische Stimme des alten Generals, der es trotz der metallenen Schärfe nicht an jener verhaltenen Güte mangelte, die ihn bei aller Härte seinen Untergebenen immer wie ein Vater hatte erscheinen lassen. »Zu Befehl!« Der zierliche Kopf mit dem Goldhelm neigte sich. Und hinter ihm gab ein dunkler und ein blondlockiger Kinderkopf ein Echo. »Prachtvoll! Lebrecht Graf von Wetterstein schaute von einem der kindlichen Gesichter zum anderen.
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Fürstenkinder
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Buchvorschau
Und sie wird doch meine Mutti - Regine König
Fürstenkinder
– 24 –
Und sie wird doch meine Mutti
... denn sie heiratet den wilden Jäger!
Regine König
»Melde gehorsamst – angetreten drei Reiter ohne Pferd. Pferde sind unten im Hof vorgeführt. Ausritt ohne Begleitung genehmigt!«
»Danke!«
Lebrecht Graf von Wetterstein nickte kurz und militärisch. Man merkte ihm den pensionierten General an.
Unter seinen weißen, buschigen Augenbrauen blitzten die durchdringend hellen, blauen Augen. »Erbitte mir aber Disziplin. Verstanden?«
Ganz dicht trat er jetzt auf den Meldenden zu.
Der stand ganz wie Gewehr bei Fuß da, eine ganz schmale, fast zarte Gestalt im Reiteranzug. Beinahe goldenes Haar lag kurz geschnitten um den feinen Kopf. Das kleine Gesicht war beherrscht von großen opalisierenden Augen, von denen noch keiner festgestellt hatte, ob sie blau oder grünlich waren.
»Also Disziplin, Nick!« wiederholte die militärische Stimme des alten Generals, der es trotz der metallenen Schärfe nicht an jener verhaltenen Güte mangelte, die ihn bei aller Härte seinen Untergebenen immer wie ein Vater hatte erscheinen lassen.
»Zu Befehl!« Der zierliche Kopf mit dem Goldhelm neigte sich. Und hinter ihm gab ein dunkler und ein blondlockiger Kinderkopf ein Echo.
»Prachtvoll!
Lebrecht Graf von Wetterstein schaute von einem der kindlichen Gesichter zum anderen. Da standen sie vor ihm, im gleichen Reitdreß, seine drei Enkel.
Waisen! sagten die Leute im Dorf mitleidig.
Echte Wettersteiner! verbesserte der alte General stets innerlich.
Weshalb bemitleidete man sie eigentlich, die drei Kinder seines Sohnes? Kam ihnen nicht alles zu, was junge Menschen nötig hatten? Vor allem eine straffe Erziehung?
Da war Nikola, jetzt siebzehn Jahre, dahinter der dunkelschopfige Randolf mit seinen dreizehn Jahren und endlich der blonde Lockenkopf Thomas mit dem noch pausbäckigen Kindergesicht, anzusehen wie ein Engel, wenn man nicht an seine Lausbubenstreiche dachte. Alles echte Wettersteiner! trumpfte Graf Lebrecht auf. Nichts, aber auch gar nichts haben sie geerbt von der Mutter, dieser Plessow, Person ohne Haltung, Person von vollendeter Verweichlichung. Nicht einmal schwimmen hatte sie gekonnt, diese Elisabeth von Plessow. Und diese Verweichlichung hatte jenes entsetzliche Unglück heraufbeschworen, das vor fünf Jahren die kleinen Reiter zu Vollwaisen machte.
Drei Kinder blieben zurück. Und die sollen nicht verweichlichen wie die Mutter! Das hatte sich Graf Lebrecht von Wetterstein geschworen. Auch das Mädchen nicht, dem er jetzt scharf in die opalisierenden Augen blickte.
»Also, Nick, losgeritten! Und präzise zurückgekehrt. Verstanden? Ihr meldet euch eine halbe Stunde vor dem Abendessen!«
»Zu Befehl!« erklärte die schmale Gestalt.
»Abtreten!« befahl Graf Lebrecht. Seine Stimme schnarrte gewollt scharf. Die drei kleinen, schmalen Gestalten wandten sich, jagten endlich nach gemessenem Abstand aus der Halle, die breite Freitreppe hinab, dem Hof zu, auf dem die gesattelten Pferde bereit standen: die kleine Schimmelstute Maja und die beiden ein wenig dickleibigen Islandponys Nordwind und Südwind.
»Prächtige Buben!« lobte Graf Lebrecht. Er stand jetzt am Fenster und beobachtete, wie die Enkel aufsaßen.
»Buben?« Neben die straffe, hünenhafte Gestalt Graf Lebrechts trat eine Frauengestalt.
»Natürlich!« beharrte der Graf eigensinnig. »Prächtige Buben.«
»Und Nick?« Die sanfte Stimme der Baronin Melanie von Holstein, die dem früh verwitweten Grafen von Wetterstein seit Jahrzehnten den Haushalt führte, mahnte vorsichtig.
»Ja, auch Nick!« versteifte sich beinahe grimmig der Mann. »Da, sehen Sie, Frau Baronin, sitzt sie nicht auf wie…«
»Ja, wie ein Junge!« seufzte die Frau leise.
»Die ertrinkt nicht und reißt auch nicht andere noch mit in den Tod!« Graf Lebrecht sah die drei jungen Reiter jetzt wegtraben, die Lindenallee hinab. Nun bogen sie um die Ecke, waren für den Blick verschwunden.
»Nein, sie ertrinkt nicht!« Melanie Baronin von Holstein seufzte trotzdem ein wenig kummervoll. »Herr General, glauben Sie, daß sich das Geschlecht eines Menschen wirklich bis in alle Ewigkeit ausschalten läßt? Nikola ist und bleibt ein Mädchen, und mag sie ausschließlich in Jungenkleidung herumlaufen. Sie ist jetzt siebzehn…«
»Na und…« Über Graf Lebrechts Gesicht zog eine Unmutswolke.
»Nicks Mutter war kaum älter, als sie heiratete.«
»Traurig genug, daß mein Sohn sich so ein Wickelkind geholt hat! Sie kannten Sie doch selbst… rundliches Puppengesicht und schmachtende Augen. Nein, Baronin… da lob ich mir Nick. Sportlich, nichts anderes im Kopf als Pferde, Schwimmen und ein paar verrückte Streiche. Wie ein Bub. Gottlob!«
Melanie von Holstein räusperte sich. Sie wollte etwas sagen, wollte einwenden, daß die Natur sich niemals betrügen ließ.
»Na, Baronin«, Graf Lebrecht wandte sich jetzt vom Fenster ab, klopfte der Frau auf die Schulter, »ich weiß, Frauen wie Sie haben so ihre eigenen Vorstellungen. Mädchen sollen sanft und lieblich sein. Und mit siebzehn sollen sie hold erglühen, wenn sich nur ein Mannsbild von weitem nähert. Wie, ich irre mich doch nicht? Aber Ihr Neffe ist da ganz meiner Meinung. Hart sollen die Kinder heranwachsen. Hart. Und auch Nick…«
Melanie von Holstein schaute an dem alten Grafen vorbei. Sie zögerte, bevor sie es dann doch aussprach:
»Herr Graf, gerade mein Neffe…«
Doch dann brach sie ab. War es bei der vorgefaßten Meinung des alten Herrn nicht überflüssig zu erwähnen, daß auch der Neffe der Baronin, Enno von Holstein, glaubte, Nick sei nun bald dem Bubenleben entwachsen? Weshalb glaubte er es eigentlich? durchfuhr es die Frau am Fenster plötzlich.
Enno von Holstein, von Haus aus wenig begütert, hatte vor drei Jahren die Stelle eines Hauslehrers bei den drei jungen Wettersteinern angenommen. Einesteils, um sich sein weiteres Studium zu verdienen, andererseits aber, um seiner Tante einen Gefallen zu erweisen.
Drei Jahre weilte Enno von Holstein nun schon im Haus. Ihm blieb ausreichend Zeit für eine große, wissenschaftliche Arbeit. Und sein Herz gehörte den drei verwaisten Wettersteinern, denen er Kamerad und großer Bruder bedeutete.
»Da gibt es doch nichts, Baronin?«
Graf Lebrecht trat ganz plötzlich nahe auf die Frau mit dem sanften Gesicht zu. »Wie, da hat doch dieser Kerl, verflixter Kerl, nicht selber entdeckt, daß Nick kein Junge ist?«
Melanie von Holstein lachte ein wenig.
»Er würde es sich nicht erlauben, Herr Graf.«
»Na, Gott sei’s gedankt. Würde auch sonst…« Graf Lebrecht knurrte wie ein gefährlicher Wachhund.
»Trotzdem«, Baronin von Holstein nahm nun allen Mut zusammen –, »sollten Sie Ennos, nun, sagen wir, wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen. Andere Mädchen in Nicks Alter…«
Da fixierte Graf Lebrecht mit seinen hellen, auf einen ganz schmalen Spalt zusammengezogenen Augen die Frau ganz scharf.
»Ich weiß, andere Mädchen in diesem Alter machen Männern schöne Augen und schreiben Gedichte von liebeskranken Herzen.«
»Ich sagte schon einmal: Die Natur läßt sich nicht verleugnen, Herr Graf!«
Etwas anderes äußerte Melanie von Holstein an diesem späten Mittag nicht mehr, an dem die drei jungen Wettersteiner wie gewöhnlich ins Land hinausgeritten waren.
*
»Hopp, Maja, sei nicht faul!«
Nicks schmales Gesichtchen unter dem wie ein Goldhelm anliegenden Haar glühte. Dicht hatte sie sich über den Pferdehals geneigt.
»Zum alten Flußarm!« Nick wandte sich noch einmal kurz zu den Brüdern um. Sie ritten sonst im gleichen Tempo. Aber heute – heute wollte das Mädchen einmal fliegen, fliegen auf Majas Rücken.
»Hopp, Maja, zeig, was du kannst!«
Und die Schimmelstute jagte dahin. Sie kannte den Weg wie auch das Ziel, das ihre junge Herrin so liebte: den alten, schilfumstandenen Flußarm, in dessen fast silbrig wirkendem Dickicht ungezählte Wasservögel, Hühner, Enten nisteten. Manchmal zog der Fischreiher seine Bahn über dem dunklen Gewässer, in dem die alten Sagen des Landes geheimnisvoll lebendig wurden. Enno von Holstein erzählte gelegentlich von dieser Märchenwelt. Mehr noch aber als sie zog Nick das grün-silbrige Weidengestrüpp an. Aus Weiden konnte eine fachkundige Hand Flöten schneiden, Flöten, denen man einen besonderen, beinahe verzaubernden Ton entlocken konnte.
»Nick, Nick!«
Die beiden Jungen auf den langschweifigen Islandponys strengten ihre Stimme an. Aber sie erreichten die Schwester nicht, die jetzt mit glühendheißem Gesicht am Altwasser stand, bei dem ein wenig morschem Steg, an dem in dem leise plätschernden Wasser ein Kahn befestigt war.
Unser Kahn! durchfuhr es Nick in dem Augenblick, da sie sah, daß ein Fremder in diesem Boot saß.
»Was machst du hier?« fuhr Nick dieses fremde Wesen an. »Das ist unser Kahn!«
Da wandte der kleine unerwartete Gast sein Gesicht, ein böses, kleines Gesicht mit so dunklen Augen, daß keine noch so schwarze Gewitternacht mit ihnen Schritt halten konnte.
»Siehst du das denn nicht?« sagte das Mädchen, das kaum größer als Tom sein mochte.
Nicks Augen folgten der kleinen, mageren Kinderhand, die einen Kreis auf dem Wasser umschrieb.
»Kleine Katzen! Du hast sie ins Wasser geworfen, die Kätzchen, die kleinen, hilflosen Kätzchen?«
Nick schüttelte das Kind im Boot plötzlich heftig an den Schultern. Der Kahn wäre beinahe umgeschlagen. »Du… du… weshalb ertränkst du die Kätzchen?«
»Die sollen fort!« erklärte das Kind mit den nachtschwarzen Augen und einem wilden dunklen Lockengewoge über dem brünetten Gesichtchen.
»Kleine Katzen müssen ertränkt werden.«
»Du… du…« Nick keuchte. Und dann sprang sie mit einem einzigen Satz ins Wasser.
Eins, zwei, drei, vier…
Ein Kätzchen nach dem anderen fischte sie aus dem Wasser heraus, stand dann prustend, keuchend und wasserschnaubend wieder am Steg. Sie sah, daß die jüngeren Brüder inzwischen auch angeritten waren.
»Sie hat die Kätzchen ertränken wollen!« erklärte Nick und wies dann in stummer Anklage gegen das Kind, das aus dem schwankenden Boot auf