Andy von Argo: Fürstenkinder 30 – Adelsroman
Von Helen Gabor
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Als die Klingel der Wohnungstür schrillte, fiel Felicitas von Argo der kleine schwarze Kamin, den sie eben auf das Dach des Bahnhofes kleben wollte, aus der Hand. »Warum bist du so erschrocken, Mami?« fragte erstaunt der fünfjährige Andreas, der in seinen Händen krampfhaft die Längsmauer des Bahnhofs auf das Fundament drückte. »Du bist ja ganz blaß, Mami!« Fee bemühte sich um ein Lächeln. Aber sie konnte den Fünfjährigen nicht täuschen. »Ist dir nicht gut, Mami?« fragte der Kleine, ließ die Plastikmauer achtlos zur Seite sinken und wollte auf seine Mutter zueilen. »Nein, nein, Andy! Mir ist schon gut. Aber ich muß öffnen gehen. Mach du hier allein weiter, aber sei bitte nicht ungeduldig. Du weißt, nur mit Ausdauer bringt man etwas Ordentliches zustande.« »Ich weiß, Mami. Aber wer mag jetzt wohl kommen?« fragte der Kleine, denn bereits zum dritten Mal gellte die Klingel. Fee zuckte mit den Achseln und wischte sich hastig die Hände an dem mit Azeton getränkten Wattebausch ab. »Onkel Normann kann es doch nicht sein, der kommt doch nie am Vormittag.« Fee unterdrückte die ungeheure Erregung, die sie ergriffen hatte. Sie wußte genau, wer dort Einlaß begehrte.
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Buchvorschau
Andy von Argo - Helen Gabor
Fürstenkinder
– 30 –
Andy von Argo
Gefahr für den Erben von Schönberg
Helen Gabor
Als die Klingel der Wohnungstür schrillte, fiel Felicitas von Argo der kleine schwarze Kamin, den sie eben auf das Dach des Bahnhofes kleben wollte, aus der Hand.
»Warum bist du so erschrocken, Mami?« fragte erstaunt der fünfjährige Andreas, der in seinen Händen krampfhaft die Längsmauer des Bahnhofs auf das Fundament drückte.
»Du bist ja ganz blaß, Mami!«
Fee bemühte sich um ein Lächeln. Aber sie konnte den Fünfjährigen nicht täuschen. »Ist dir nicht gut, Mami?« fragte der Kleine, ließ die Plastikmauer achtlos zur Seite sinken und wollte auf seine Mutter zueilen.
»Nein, nein, Andy! Mir ist schon gut. Aber ich muß öffnen gehen. Mach du hier allein weiter, aber sei bitte nicht ungeduldig. Du weißt, nur mit Ausdauer bringt man etwas Ordentliches zustande.«
»Ich weiß, Mami. Aber wer mag jetzt wohl kommen?« fragte der Kleine, denn bereits zum dritten Mal gellte die Klingel. Fee zuckte mit den Achseln und wischte sich hastig die Hände an dem mit Azeton getränkten Wattebausch ab. »Onkel Normann kann es doch nicht sein, der kommt doch nie am Vormittag.«
Fee unterdrückte die ungeheure Erregung, die sie ergriffen hatte. Sie wußte genau, wer dort Einlaß begehrte.
Ohne Antwort beugte sie sich über den dunklen Haarschopf ihres Jungen, küßte ihn und eilte hinaus.
Sie öffnete die Tür. Ihre Ahnung hatte sie nicht betrogen. Olga Gräfin von Schönberg stand da, mit einem konventionellen Lächeln um die Lippen, aber mit hartem Blick.
»Ich störe wohl, Frau von Argo? Ich bin Olga Schönberg.«
»Ich weiß, Gräfin. Gestern abend haben Ihr Sohn und ich Sie im Englischen Garten gesehen. Sie uns vermutlich auch.«
»Natürlich! Sonst wäre ich nicht hier. Darf ich eintreten?« fragte die Gräfin trocken.
»Selbstverständlich.« Felicitas von Argo öffnete weit die Tür und ließ die Gräfin an sich vorübergehen.
»Wollen Sie Ihre Jacke ablegen? Es ist sehr warm für Ende Oktober«, bemühte Felicitas sich um einen leichten Konversationston.
»Nein, danke. Ich hoffe, mein Besuch dauert nicht allzu lange.«
Fee fühlte die Welle der Feindseligkeit, die von der Gräfin ausging, und unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, als diese an ihr vorbei energisch in das Wohnzimmer schritt.
Mit einem einzigen Blick umfaßte die Gräfin Schönberg den großen, rechteckigen Raum. Geschmack hat die Person, dachte sie, während sie sich in einen der blaugrauen Gobelinsessel niederließ, die um einen niedrigen Biedermeiertisch gruppiert waren. Am Fenster stand vor den zartgestickten Gardinen ein antiker Schreibtisch, davor ein graziöser Stuhl. An der rechten Längswand reichten Bücher von der Decke bis zum Boden, in einer modernen Kombination eingestellt. Die Gräfin sah, daß diese Bibliothek kostbare Bände enthielt. In einer griechischen Amphora, die echt aussah, stand eine wunderschöne langstielige Rose.
Vermutlich von Normann, dachte die Gräfin, und dieser Gedanke ließ sie den harmonischen, gepflegten Eindruck ihrer Umgebung vergessen. Sie steuerte entschlossen auf ihr Ziel zu, wie es ihrer energischen Art entsprach.
»Sie wissen, warum ich hier bin, Frau von Argo?«
»Ich vermute es, Gräfin.«
»Nun, dann kann ich ohne Umschweife sagen, was leider nötig ist. Mein Sohn hat meinem Mann und mir gestern abend eröffnet, daß er Sie zu heiraten gedenkt.« Sie beobachtete bei diesen Worten scharf die junge Frau, der die Röte in das Gesicht gestiegen war.
Fee nickte stumm mit dem Kopf.
»Haben Sie meinen Sohn darum gebeten, Sie zu heiraten?«
»Nein, Gräfin. Ich bin nicht auf einen Ernährer für meinen Sohn und mich angewiesen, falls Sie das mit Ihren Worten andeuten wollten.«
»Um so besser, Frau von Argo.« Die Gräfin blieb ungerührt. »Der Graf und ich können mit dieser Heirat nicht einverstanden sein. Normann ist unser einziger Sohn und Erbe. Leider! Er wird in Kürze die Leitung des Schloßgutes Schönberg übernehmen. Er braucht eine Frau von tadellosem Ruf.«
Fee zuckte zusammen unter diesen erbarmungslosen Worten. Sie fuhr hoch: »Haben Sie an meinem Ruf etwas auszusetzen, Gräfin?«
»Selbstverständlich«, antwortete Olga von Schönberg gelassen. Ihre porzellanblauen Augen blickten eisig. »Sie sind die Witwe eines Mannes, der sein Vermögen verspielt hat, sich mit unanständigen Frauen abgab, wie sein skandalöser Tod bewies.«
Fee von Argo war schneeweiß geworden. Ihre Mundwinkel zitterten, und unbewußt hatte sie die rechte Hand auf ihr heftig pochendes Herz gelegt.
»Bitte, Gräfin«, bat sie. »Der tödliche Autounfall meines Mannes mit seinen Nebenerscheinungen war schrecklich für mich. Ich habe darunter gelitten, vor allem meines Sohnes wegen, dem ich gern ein ungetrübtes Erinnerungsbild an seinen Vater vermittelt hätte.«
»Wenn ein Mann seine Frau betrügt, wenn er ein haltloser Spieler wird, sind immer beide Ehepartner schuld. Dann haben beide versagt. Ich weiß, ich weiß«, fuhr sie lauter fort, als Frau von Argo sie unterbrechen wollte, »alle Ihre und Ihres toten Mannes Freunde halten zu Ihnen. Aber das sagt gar nichts über Ihre Qualitäten aus, Frau von Argo. Sie werden nicht so naiv sein, die Beteuerungen, die man Ihnen persönlich gegenüber äußert, ernst zu nehmen. Hinter Ihrem Rücken spricht man anders über Sie.«
Dieser Stich saß. Fees Augen verdunkelten sich und wurden feucht. Sie wollte widersprechen, aber sie hatte genug im Leben erfahren, um zu wissen, daß nur wenige Menschen wirklich aufrichtig sind. Ihr Herz schmerzte unerträglich. Julia nicht, dachte sie, Julia ist die beste Freundin, die man sich vorstellen kann. Sie wird niemals bei anderen Menschen böse über mich reden. Während Fee diese Gedanken durch den Kopf schossen, sprach die Gräfin mit lauter Stimme weiter:
»Der zukünftige Schloßherr von Schönberg kann nicht eine Frau heiraten, deren Ansehen durch die Eskapaden ihres Mannes getrübt ist. Außerdem sind Sie ein Jahr älter als mein Sohn, und ihm würde für immer der fatale Ruf anhaften, von einer älteren Frau eingefangen worden zu sein.«
Fee holte tief Atem. Nur ihre gute Erziehung hinderte sie daran, der Mutter des Mannes, den sie liebte, in der gleichen Weise zu antworten. So sagte sie mit unnatürlicher Ruhe:
»Ich muß Sie bitten, leiser zu sprechen, Gräfin. Mein Sohn ist im Zimmer nebenan, und Sie werden verstehen, daß ich es nicht dulden kann, daß er auch nur ein einziges Wort dieses Gespräches hört. Außerdem liebt er Ihren Sohn.«
Die Gräfin lachte spöttisch auf. »Das glaube ich Ihnen gerne. Sie haben meinen Sohn an seiner weichsten Stelle getroffen. Er liebt Kinder, und so hat er sich entschlossen, sein Verhältnis zu Ihnen zu legalisieren, um den Jungen nicht zu enttäuschen.«
»Nur um meines Andy willen?«
»Ich muß es annehmen«, wich die Gräfin diplomatisch aus, »denn ich weiß, daß mein Sohn die Komteß von Hall liebt, seit er erwachsen ist.«
»Normann hat mir von Margrit von Hall erzählt. Er schätzt sie ungemein als Freundin. Sie muß ein wertvoller Mensch sein.«
»Zu wertvoll, um meinem Sohn bis zu seiner Heirat als… als Geliebte zu dienen.«
Fee fuhr in ihrem Sessel hoch. »Ich bin nicht die Geliebte Ihres Sohnes in dem Sinne, wie Sie es andeuteten. Ich liebe Normann, und er liebt mich, Gräfin.«
»Wirklich?« höhnte Olga von Schönberg, erbittert über den Widerstand dieser jungen Witwe, die ihrer Meinung nach nicht das geringste Recht auf ihren Sohn hatte. Sie nahm ihre Handtasche von der Couch, öffnete siel, kramte ein ledernes Etui heraus und hielt es geöffnet Fee hin. Die starrte wie gebannt auf die Fotografie. Normann hatte seinen Arm um die Schulter eines bildschönen schwarzhaarigen Mädchens mit großen dunklen Augen gelegt. Sie schmiegte ihr Gesicht an das seine und lachte mit blendend weißen Zähnen in die Kamera.
»Margrit von Hall?«
»Ja, wer sonst, Frau von Argo? Die Komteß wird ihr Medizinstudium beenden, und mein Sohn und sie werden heiraten, wie wir, die Halls, unser ganzer großer Verwandtschafts- und Freundeskreis seit Jahren es als selbstverständlich annehmen. Das heißt, wenn Sie nicht so unfair sind, meinen Sohn mit seiner Zuneigung zu Ihrem Jungen zu erpressen.«
»Erpressen?«
Die Gräfin errötete leicht. »Vielleicht ist dieser Ausdruck zu hart, Frau von Argo.
Entschuldigen Sie! Sie wissen, was ich damit meine. Mein Sohn würde darunter leiden, die Komteß Hall zu verlieren. Und noch eines gebe ich Ihnen zu bedenken: Nie, niemals würden mein Mann und ich zustimmen, daß Ihr Sohn den Namen der Grafen von Schönberg erhält. Normann sagte gestern abend etwas von Adoption. Das ist absurd. Wir können ihm nicht verbieten, Sie zu heiraten, aber wir haben das Recht, uns dagegen zu wehren, daß unser tadelloser Name dem Sohn eines Mannes zugesprochen wird, der sich derart unwürdig benommen hat. Es heißt, man soll den Toten nichts Schlechtes nachsagen, aber das ist eine bürgerliche Sentimentalität, von der ich nichts halte. Da Sie selbst bürgerlichen Kreisen entstammen, werden Sie meine Einstellung verurteilen, aber ich werde es zu tragen wissen.«
Der unverkennbare Hohn, die Absicht, ihr weh zu tun, raubten Fee die Selbstbeherrschung. Sie schnellte aus ihrem Sessel hoch, ging hinüber in