Unser kleiner Sonnenschein: Sophienlust 383 – Familienroman
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Und hier steht Peter zwischen Munko und Severin. Das ist die jüngste von den Aufnahmen, die ich gemacht habe.« Dr. Hubert Ender nickte und griff nach dem Foto, das sein Kollege Dr. Hans-Joachim von Lehn ihm hinhielt. Zwischen dem großen Schäferhund und der noch größeren Dogge nahm der Junge sich wirklich winzig aus. Er schien sich jedoch nicht im Geringsten zu fürchten. Er lachte über sein ganzes kleines Gesicht, seine braunen Augen strahlten. »Ein hübscher Junge«, lobte Hubert. »Du kannst stolz auf deinen Sohn sein.« »Das bin ich auch«, bestätigte Hans-Joachim schmunzelnd. Sie saßen in einer Weinstube an einer langen Tafel aus dunklem Eichenholz. Um sie herum herrschte eine ausgelassene, lärmende Stimmung, der Wein hatte so manche Zunge gelockert. Es war der letzte Abend, den sie zusammen mit anderen Kollegen verbrachten. Morgen würden sie wieder in alle Winde verstreut sein. Sie hatten an einem drei Tage dauernden Kongress für Tierärzte teilgenommen. Viele der Teilnehmer waren Hans-Joachim fremd gewesen, aber er hatte auch einige altbekannte Gesichter entdeckt. Erinnerungen an die Studienzeit waren wach geworden, man hatte in ihnen geschwelgt und war dann dazu übergegangen, im Beruf gewonnene Erfahrungen auszutauschen.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Unser kleiner Sonnenschein - Elisabeth Swoboda
Sophienlust
– 383 –
Unser kleiner Sonnenschein
Finden Mirellas Eltern wieder zusammen?
Elisabeth Swoboda
»Und hier steht Peter zwischen Munko und Severin. Das ist die jüngste von den Aufnahmen, die ich gemacht habe.«
Dr. Hubert Ender nickte und griff nach dem Foto, das sein Kollege Dr. Hans-Joachim von Lehn ihm hinhielt.
Zwischen dem großen Schäferhund und der noch größeren Dogge nahm der Junge sich wirklich winzig aus. Er schien sich jedoch nicht im Geringsten zu fürchten. Er lachte über sein ganzes kleines Gesicht, seine braunen Augen strahlten.
»Ein hübscher Junge«, lobte Hubert. »Du kannst stolz auf deinen Sohn sein.«
»Das bin ich auch«, bestätigte Hans-Joachim schmunzelnd.
Sie saßen in einer Weinstube an einer langen Tafel aus dunklem Eichenholz. Um sie herum herrschte eine ausgelassene, lärmende Stimmung, der Wein hatte so manche Zunge gelockert. Es war der letzte Abend, den sie zusammen mit anderen Kollegen verbrachten. Morgen würden sie wieder in alle Winde verstreut sein. Sie hatten an einem drei Tage dauernden Kongress für Tierärzte teilgenommen. Viele der Teilnehmer waren Hans-Joachim fremd gewesen, aber er hatte auch einige altbekannte Gesichter entdeckt. Erinnerungen an die Studienzeit waren wach geworden, man hatte in ihnen geschwelgt und war dann dazu übergegangen, im Beruf gewonnene Erfahrungen auszutauschen.
Heute, am letzten Abend, hatten sich circa zwanzig der Kongressteilnehmer in der Weinstube zusammengefunden, zu einer Art Abschiedsfeier. Man wusste ja nicht, wann man sich wiedersehen würde.
Hans-Joachim war mit Dr. Hubert Ender ins Gespräch gekommen. Auch ihn kannte er von seiner Studienzeit her. Bis auf einen kurzen Gruß hatte er in den vergangenen drei Tagen kein Wort mit ihm gewechselt. Dr. Ender hatte sich überhaupt abseits gehalten und nur an fachlichen Problemen Interesse gezeigt. Es hatte die anderen ehemaligen Kameraden einige Mühe gekostet, ihn zum Mitkommen in das Lokal zu bewegen.
Allmählich war die alte Vertrautheit zwischen Hubert und Hans-Joachim aufgekommen. Allerdings hatte er sich über Huberts Zurückhaltung gewundert. Früher war Hubert Ender nämlich ein sehr vergnügter und aufgeschlossener junger Mann gewesen, der ohne große Bedenken jeden Streich mitgemacht hatte.
Nun ja, diese Zeiten sind vorbei, ging es Hans-Joachim durch den Kopf. Wir sind alle älter und gesetzter geworden. Er zeigte Hubert weitere Fotos von Peter. Auf einem davon war auch Andrea zu sehen. Sie kauerte neben dem Kleinen im Gras, ihr Gesicht hatte sie zärtlich an das des Kinde geschmiegt.
»Aha, das ist also deine Frau«, vermutete Hubert richtig. »Du hast es gut getroffen, sie ist nicht nur eine Schönheit, sie wirkt auch überaus sympathisch.«
»O ja, ich bin dem Schicksal dankbar. Andrea unterstützt mich auch bei meiner Arbeit. Sie hilft mir in der Praxis, nebenher unterhalten wir noch ein Tierheim. Manchmal bin ich auch etwas in Sorge, dass sie überfordert ist. Sie ist nämlich auch ziemlich viel unterwegs. Wir leben in Bachenau, meine Schwiegereltern auf Gut Schoeneich in Wildmoos. Wildmoos ist der Nachbarort, Andrea hat es daher nicht weit. Sie hängt sehr an ihrer Familie und an Sophienlust. Für die Anliegen der Kinder hat sie immer ein offenes Ohr. Sie hat sich auch selbst schon einige Male verlassener Kinder angenommen und sie nach Sophienlust gebracht. In dieser Hinsicht steht sie Nick um nichts nach …« Hans-Joachim begegnete Huberts verständnislosem Blick und unterbrach sich.
»Entschuldige, Hubs«, bat er zerknirscht. »Ich rede die ganze Zeit von mir und lasse dich nicht zu Wort kommen. Erzähl von dir.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, erklärte Hubert etwas widerwillig. In seinen braunen Augen lag ein Ausdruck, den Hans-Joachim nicht recht zu deuten vermochte.
»Ich habe in meinem Elternhaus eine Praxis eröffnet«, fuhr Hubert fort. »Du weißt ja, ich stamme aus einem kleinen Nest in der Nähe von Frankfurt. Ein Tierarzt wurde dort dringend gesucht, das war mit ein Grund, dass ich mich für diesen Studienzweig entschieden habe. Ich wäre jedoch lieber Lehrer geworden, wie mein Vater. Aber er hat mir davon abgeraten. – Tja, Vater ist nun schon seit fünf Jahren tot. Lange konnte er seinen wohlverdienten Ruhestand nicht genießen.«
»Hast du das Gefühl, dass du den falschen Beruf ergriffen hast?«, fragte Hans-Joachim bestürzt.
»Ich übe meinen Beruf gern aus. Vielleicht nicht mit der gleichen Begeisterung wie du, aber ich könnte mir keinen anderen für mich vorstellen. Aber genug davon. Wie gesagt, über mich gibt es nicht viel zu berichten. Erzähl du weiter. Wer ist – äh – Nick? Und wer, oder vielmehr was ist Sophienlust?«
Hans-Joachim merkte, dass sein einstiger Gefährte über seine derzeitigen Lebensumstände nicht reden wollte. Deshalb erwiderte er gutmütig: »Da muss ich mit meiner Erzählung aber weit ausholen. Nick heißt mit vollem Namen Dominik von Wellentin-Schoenecker. Er ist der Stiefbruder meiner Frau, also der Sohn meiner jetzigen Schwiegermutter aus erster Ehe. Besagter Nick ist der Erbe von Sophienlust. Dabei handelt es sich um ein altes Herrenhaus, das Jahrhunderte hindurch im Besitz der Familie von Wellentin war. Nicks Urgroßmutter vermachte das Haus und den dazu gehörenden Grundbesitz ihrem Urenkel, mit der Auflage, daraus ein Kinderheim zu machen. Dies ist geschehen. Sophienlust wird allgemein als das ›Heim der glücklichen Kinder‹ bezeichnet. Und ich muss sagen, diese Bezeichnung ist weder eine Schmeichelei noch eine Übertreibung. Einstweilen wird Sophienlust noch von Andreas Stiefmutter, also Nicks Mutter, verwaltet. Denise kümmert sich vorbildlich um ihre Schützlinge, und ich bin überzeugt, Nick wird eines Tages ebenso vorbildlich in die Fußstapfen seiner Mutter treten.
Um wieder auf meine eigene Familie zurückzukommen. Auch Andrea nimmt regen Anteil an Sophienlust und am Geschick der Kinder, die dort untergebracht sind. Unser Tierheim bildet für die Kinder einen besonderen Anziehungspunkt, ganz abgesehen davon, dass wir oft Tiere aufnehmen, welche die Kinder nach Sophienlust mitgebracht haben.«
»Das Heim der glücklichen Kinder«, sagte Hubert nachdenklich vor sich hin. »Vielleicht wäre das die Lösung«, setzte er hinzu. Er sprach so leise, dass seine Worte im allgemeinen Trubel beinahe untergingen.
Hans-Joachim musste sich leicht zur Seite neigen, um ihn verstehen zu können.
»Die Lösung wofür?«, erkundigte er sich.
»Hm – ich spiele mit dem Gedanken, an einem Seminar für Umweltschutz teilzunehmen. Es findet in Schweden statt und dauert drei Wochen. Ein Kollege würde mich in dieser Zeit vertreten. Aber es widerstrebt mir, Mirella drei Wochen lang mit der Haushälterin allein zu lassen. Die drei Tage, die ich jetzt hier in Stuttgart bin, sind beinahe schon zu viel. Frau Keim ist eine anständige und fleißige Frau, man kann ihr blind vertrauen. Aber für kleine Kinder bringt sie leider keinerlei Verständnis auf.« Hubert seufzte.
Hans-Joachim zauderte. Viele Fragen lagen ihm auf der Zunge, doch das verhaltene Benehmen seines Freundes hinderte ihn daran, sie auszusprechen. Er wollte lieber abwarten, bis der andere von sich aus weiterredete.
Nun kramte auch Dr. Ender in seiner Brieftasche und beförderte schließlich ein Farbfoto zutage und reichte es Hans-Joachim.
»Aber das ist ja ein ganz entzückendes kleines Mädchen. Warum hast du mir nicht schon vorher das Bild gezeigt?«
»Ich dachte nicht daran«, erwiderte Hubert ausweichend.
Hans Joachim warf dem Berufskollegen einen scharfen Blick zu. Sein Verhalten schien ihm immer merkwürdiger. Normalerweise waren Väter stolz auf ihre Töchter, überhaupt wenn sie so niedlich aussahen wie das kleine Mädchen, das ihm auf dem Bild entgegenlächelte. Mit seinem runden Gesicht, dem kleinen Näschen und den hellblonden Haaren sah es seinem Vater wenig ähnlich. Hubert Ender hatte dunkles, leicht gewelltes Haar, ein schmales Gesicht und braune Augen. Vielleicht hat Hubert das Kind adoptiert und bereut diesen Schritt jetzt, überlegte Hans-Joachim. Doch die folgenden Bemerkungen des Kollegen widerlegten diesen Verdacht.
»Mirella ist mein Ein und Alles«, erklärte Hubert. »Möglicherweise verwöhne ich die Kleine aus diesem Grund zu sehr. Bis vor einem halben Jahr wurde sie von meiner Mutter betreut. Leider ist Mirellas geliebte Oma einem Herzschlag erlegen. Für das Kind bedeutete dieser plötzliche Verlust einen schweren Schock. Ich bemühte mich sehr, ihm darüber hinwegzuhelfen, doch es ist halt nicht so leicht, einem erst vierjährigen Kind die geliebte Großmutter zu ersetzen.«
Hans-Joachim runzelte die Stirn. Mit einer Impulsivität, wie er sie häufig an seiner Frau Andrea tadelte, platzte er mit der Frage heraus: »Was ist mit Mirellas Mutter?«
»Ihrer Mutter?«, wiederholte Hubert gedehnt. »Die existiert für mich nicht. Und für Mirella schon gar nicht. Ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist. Ich kann nur hoffen, dass ich ihr nie wieder begegne.«
Wie kann man nur so hasserfüllt über einen Menschen sprechen, der einem irgendwann einmal viel bedeutet haben muss, dachte Hans-Joachim. Er ließ sich von seinen kritischen Überlegungen jedoch nichts anmerken, sondern sagte bloß: »Tut mir leid, dass ich danach gefragt habe. Deine Tochter ist wirklich ein außergewöhnlich hübsches Kind.«
Hubert verstaute die Aufnahme wieder in seiner Brieftasche. Seine Miene war jetzt nicht mehr so finster wie vorher. Ein flüchtiges Lächeln spielte um seine Lippen. »Ja, sie sieht aus wie ein kleiner blonder Engel«, schwärmte er.