Dr. Thiele im Bann der schönen Unbekannten: Dr. Laurin 137 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
Es war ein eiskalter Wintermorgen. Dr. Jan Thiele kam mit Verspätung in die Prof.-Kayser-Klinik, und er war durchgefroren.
»Nanu«, sagte Schwester Marie, »sind Sie zu Fuß gegangen?«
»Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber es war die reinste Rutschpartie. Ich musste ganz langsam fahren.«
»Jedenfalls sind Sie heil angekommen. Einen heißen Tee gefällig?«
»Möglichst mit einem Schuss Rum«, erwiderte er lächelnd.
»Doch nicht vor der Visite«, meinte Marie verweisend. Sie sah ihn forschend an. »Sie sind so nachdenklich, ist etwas passiert?«, fragte sie.
»Nein, eben nichts ist passiert, leider …« Und schon eilte er davon.
Schwester Marie machte sich ihre Gedanken und reimte sich etwas zusammen. Das ›leider‹ hatte sehr bedauernd geklungen. Jan Thiele war dafür bekannt, dass er sich rasch mal verliebte, dass es ebenso schnell wieder vorbei war. Er sagte von sich selbst, dass er für eine feste Bindung wohl nicht tauge und ein ewiger Single bleiben würde.
Ihm ging es finanziell gut, sehr gut sogar, nachdem er vor ein paar Monaten eine größere unerwartete Erbschaft gemacht hatte. Er konnte sich alles leisten, hatte eine hübsche Wohnung und fuhr einen flotten Wagen, und er war ein gut aussehender Mann. Er war auch ein guter Arzt, wenngleich er ständig von Selbstzweifeln gequält wurde. Er ließ es sich nicht anmerken, aber Marie kannte ihn sehr gut, und bei ihr schüttete er auch manchmal sein Herz aus.
Dr. Laurin hatte schon mit der Visite begonnen und musterte Jan Thiele mit einem anzüglichen Lächeln.
»Mal wieder gebummelt?«
»Wenn es das nur wäre«, erwiderte Jan, der von Dr. Laurin auch jede Kritik
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Dr. Thiele im Bann der schönen Unbekannten - Patricia Vandenberg
Dr. Laurin
– 137 –
Dr. Thiele im Bann der schönen Unbekannten
Dr. Laurin macht sich Sorgen um ihn
Patricia Vandenberg
Es war ein eiskalter Wintermorgen. Dr. Jan Thiele kam mit Verspätung in die Prof.-Kayser-Klinik, und er war durchgefroren.
»Nanu«, sagte Schwester Marie, »sind Sie zu Fuß gegangen?«
»Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber es war die reinste Rutschpartie. Ich musste ganz langsam fahren.«
»Jedenfalls sind Sie heil angekommen. Einen heißen Tee gefällig?«
»Möglichst mit einem Schuss Rum«, erwiderte er lächelnd.
»Doch nicht vor der Visite«, meinte Marie verweisend. Sie sah ihn forschend an. »Sie sind so nachdenklich, ist etwas passiert?«, fragte sie.
»Nein, eben nichts ist passiert, leider …« Und schon eilte er davon.
Schwester Marie machte sich ihre Gedanken und reimte sich etwas zusammen. Das ›leider‹ hatte sehr bedauernd geklungen. Jan Thiele war dafür bekannt, dass er sich rasch mal verliebte, dass es ebenso schnell wieder vorbei war. Er sagte von sich selbst, dass er für eine feste Bindung wohl nicht tauge und ein ewiger Single bleiben würde.
Ihm ging es finanziell gut, sehr gut sogar, nachdem er vor ein paar Monaten eine größere unerwartete Erbschaft gemacht hatte. Er konnte sich alles leisten, hatte eine hübsche Wohnung und fuhr einen flotten Wagen, und er war ein gut aussehender Mann. Er war auch ein guter Arzt, wenngleich er ständig von Selbstzweifeln gequält wurde. Er ließ es sich nicht anmerken, aber Marie kannte ihn sehr gut, und bei ihr schüttete er auch manchmal sein Herz aus.
Dr. Laurin hatte schon mit der Visite begonnen und musterte Jan Thiele mit einem anzüglichen Lächeln.
»Mal wieder gebummelt?«
»Wenn es das nur wäre«, erwiderte Jan, der von Dr. Laurin auch jede Kritik widerspruchslos hinnahm. »Die Straße war eisglatt, und es gab ein paar Unfälle. Ich bin froh, dass wir diesmal keine Verletzten bekommen haben.«
»Wir haben kein einziges Bett mehr frei. Bringen wir die Visite hinter uns, ich habe für die Sprechstunde vier Vormerkungen.«
Jan war wieder ganz bei der Sache. Es gab zurzeit zwei Patientinnen, die ihn anhimmelten. Er war es gewohnt und verstand es auch sehr gut, ihnen diplomatisch Schranken zu setzen. Anfangs war es ihm aber einige Male passiert, dass er sich in Flirts eingelassen hatte, doch da hatte er sich solche Probleme eingehandelt, dass er danach überaus vorsichtig geworden war.
Dr. Laurin wusste, wie beliebt der junge Kollege bei den Patientinnen war. Er hatte Verständnis für ihn, denn er hatte das alles selbst auch durchmachen müssen, und auch jetzt noch wurde er manchmal in prekäre Situationen gebracht.
Die Visite verlief ohne Zwischenfälle. Es gab nur zwei Frischoperierte auf der Gynäkologischen Station der Prof.-Kayser-Klinik, und die erholten sich verblüffend schnell.
»Ich überlasse Ihnen jetzt die Station«, sagte Dr. Laurin zu Jan. »Ich muss mich mit ein paar schwierigen Damen befassen.« Er verhielt den Schritt und schlug sich an die Stirn. »Ich wollte doch noch was von Ihnen. Was war denn das? Ach, richtig, könnten Sie bitte morgen Abend die Prof.-Kayser-Klinik bei dem Empfang bei Professor Vincentis vertreten?«
»Welche Ehre soll mir zuteil werden?«, staunte Jan.
»Ich komme mit dem berühmten Kollegen nicht klar und meine Frau erst recht nicht. Sie fühlen sich doch auf glattem Parkett wohler als ich.«
»Ich werde mir aber komisch vorkommen in dieser Gesellschaft. Der Nikolausball wäre mir lieber.«
»Der ist erst nächste Woche, und meinetwegen können Sie dafür auch freihaben.«
Auf Dr. Laurin wartete Irene Hessler, die ein halbes Jahr bei ihrer Tochter in Kalifornien gewesen war und ihren Besuch bei ihm sehr dringend gemacht hatte. Sie war seit vier Jahren verwitwet und befand sich im Klimakterium. Jetzt hatte sie wieder eine depressive Phase. Die Trennung von ihrer Tochter machte ihr schwer zu schaffen.
»Vielleicht sollten Sie sich entschließen, für immer nach Los Angeles zu gehen, Frau Hessler«, deutete er vorsichtig an.
»O nein, ständig könnte ich dort nicht leben. Und außerdem hat mir mein Schwiegersohn sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass meine Besuche kein Dauerzustand werden sollen.«
Dr. Laurin kannte diesen Schwiegersohn nicht, aber er konnte sich vorstellen, dass ein jung verheirateter Mann seine Schwierigkeiten mit dieser Schwiegermutter hatte, denn Irene Hessler war eine sehr eigenwillige und manchmal exzentrische Frau.
Sie jammerte Dr. Laurin gute zehn Minuten vor, wie leichtfertig die jungen Eltern mit ihrem Baby umgingen. »Überallhin wird es mitgenommen, sogar zu Partys«, klagte sie, »und über meine Einwände haben sie nur gelacht. Nun ja, wenigstens wird da nicht geraucht. Das muss ich überhaupt sagen, dass die Amerikaner eigentlich sehr gesundheitsbewusst leben. Und Hamburger kommen bei meiner Tochter gar nicht auf den Tisch.«
Dr. Laurin seufzte in sich hinein, denn seine Zeit war ihm zu kostbar, um diesen Familientratsch anzuhören.
Moni Hillenberg erwies sich mal wieder als rettender Engel und rief durch die Sprechanlage, dass er dringend gebraucht würde.
»Kann denn nicht mal ein anderer für Sie einspringen?«, nörgelte Frau Hessler.
»Manchmal geht das leider nicht«, erwiderte er. »Jetzt haben Sie wieder Ihre Vierteljahresspritze, und es wird Ihnen sicher wieder besser gehen.«
Moni atmete auch tief durch, als Frau Hessler sich zum Gehen bequemte. Die nächste Patientin erschien.
*
Jan Thiele hatte nicht zu viel zu tun. Er konnte bei Marie eine Tasse Kaffee trinken, der war ihm lieber als Tee.
»Haben Sie schon die Zeitung gelesen?«, fragte Marie.
»Nein, und mir steht auch nicht der Sinn danach. Es gibt doch nichts Erfreuliches.«
»Frau Ruhnert ist gestorben, heute steht die Anzeige drin.«
»Das tut mir leid. Da bleiben wieder mal ein paar Menschen zurück, die den Glauben an die Mediziner verloren haben.«
»Wir hier haben alles getan, um ihr Leben zu retten, und das weiß Herr Ruhnert auch.«
»Aber er muss jetzt allein für drei Kinder sorgen, das ist hart. Ich werde nie heiraten, Schwester Marie.«
»Sie haben nur noch nicht die Richtige gefunden.«
»Was meinen Sie, wie oft ich schon gedacht habe, dass es die Richtige ist, und dann war es doch wieder nichts. Ich lasse mich nicht an die Kette legen.« Er lachte leise auf. »Manchmal frage ich mich, warum ich ausgerechnet Gynäkologe geworden bin.«
»Und sogar ein guter«, meinte Marie.
»Sie sind ein Schatz. Sie entdecken immer wieder eine gute Seite an mir.«
Dr. Thieles Wohnung befand sich nicht weit entfernt von der Klinik, und die Straße dorthin war auch gut geräumt. Aber am Morgen war er nicht von dort gekommen, sondern von Garmisch, wo er ab und zu mal ins Spielkasino ging. So ein bisschen Nervenkitzel brauchte er, und meistens gewann er auch, was seiner Ansicht nach nicht verwunderlich war, da er in der Liebe kein Glück hatte.
Er sah es jedenfalls so, aber vielleicht machten es ihm die Frauen auch zu leicht. Bis auf eine, die er schon mehrmals im Kasino gesehen hatte. Genau gesagt dreimal, und eigentlich war er an seinen freien Abenden nur ihretwegen nach Garmisch gefahren.
Ihm ging diese faszinierende Frau nicht aus dem Sinn. Die großen nachtdunklen mandelförmigen Augen schienen ihn zu verfolgen, und ein Kribbeln durchlief seinen Körper, wenn er an sie dachte.
Er wusste ihren Namen nicht. Er wusste nur, dass sie wunderschön war, atemberaubend schön, und dass sie die verführerischste Figur hatte, die er je bei einer Frau gesehen hatte. Sie war kein junges Mädchen mehr, ihr Alter war schwer zu schätzen, aber das interessierte ihn auch nicht. Er wollte sie kennenlernen, aber zum ersten Mal in seinem Leben hatte