Schutz und Sicherheit gefunden: Sophienlust Extra 74 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Die Kinder von Sophienlust hatten wieder einmal einen ganz besonderen Freudentag. Schwester Regine und die Heimleiterin waren mit ihnen nach Maibach gefahren. Dort gastierte der Wanderzirkus Beran. Für Zirkuskenner war er keine besondere Attraktion, weil ihm große Tiernummern fehlten, aber das machte den Kindern nichts aus. Sie freuten sich einfach über alles, was sie zu sehen bekamen, und sie hatten schon tagelang von diesem Besuch gesprochen. Die kleine Heidi tuschelte Pünktchen zu: »Ich bin schon so schrecklich neugierig auf das kleine Mädchen, das so gut reiten kann. Ich weiß auch, wie es heißt - Vivi,« »Ja, das wird die Abkürzung von Viviane sein«, meinte Pünktchen. »Ein schöner Name. Pass auf, Heidi, jetzt kommen schon die Ponys.« »Ja, und das kleine Mädchen.« Heidi konnte kaum ruhig sitzen, aber auch alle anderen waren neugierig. Sie hatten schon viel von der fünfjährigen Vivi gehört, die auf ihren Ponys so gewagte Kunststücke machte, wie es sonst nur erwachsene, geübte Kunstreiterinnen auf großen Pferden taten. Niemand wurde enttäuscht. Es war beinahe beängstigend, wie die kleine zarte Vivi von einem Pony zum anderen sprang und auf einem sogar den Handstand machte. Mit ihrem langen blonden Haar, in einem kurzen Röckchen mit einem Rüschenblüschen, sah sie ganz allerliebst aus. Schwester Regine aber sah sehr ernst und besorgt drein. Schließlich sagte sie leise zu Frau Rennert: »Es ist eine Schande, so ein kleines, zartes Kind derart zu strapazieren. Fünf Jahre soll das Mädchen alt sein?
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Schutz und Sicherheit gefunden - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 74 –
Schutz und Sicherheit gefunden
Ein kleines Zirkusmädchen in großen Nöten ...
Gert Rothberg
Die Kinder von Sophienlust hatten wieder einmal einen ganz besonderen Freudentag. Schwester Regine und die Heimleiterin waren mit ihnen nach Maibach gefahren. Dort gastierte der Wanderzirkus Beran. Für Zirkuskenner war er keine besondere Attraktion, weil ihm große Tiernummern fehlten, aber das machte den Kindern nichts aus. Sie freuten sich einfach über alles, was sie zu sehen bekamen, und sie hatten schon tagelang von diesem Besuch gesprochen.
Die kleine Heidi tuschelte Pünktchen zu: »Ich bin schon so schrecklich neugierig auf das kleine Mädchen, das so gut reiten kann. Ich weiß auch, wie es heißt - Vivi,« »Ja, das wird die Abkürzung von Viviane sein«, meinte Pünktchen. »Ein schöner Name. Pass auf, Heidi, jetzt kommen schon die Ponys.«
»Ja, und das kleine Mädchen.« Heidi konnte kaum ruhig sitzen, aber auch alle anderen waren neugierig. Sie hatten schon viel von der fünfjährigen Vivi gehört, die auf ihren Ponys so gewagte Kunststücke machte, wie es sonst nur erwachsene, geübte Kunstreiterinnen auf großen Pferden taten.
Niemand wurde enttäuscht. Es war beinahe beängstigend, wie die kleine zarte Vivi von einem Pony zum anderen sprang und auf einem sogar den Handstand machte. Mit ihrem langen blonden Haar, in einem kurzen Röckchen mit einem Rüschenblüschen, sah sie ganz allerliebst aus.
Schwester Regine aber sah sehr ernst und besorgt drein. Schließlich sagte sie leise zu Frau Rennert: »Es ist eine Schande, so ein kleines, zartes Kind derart zu strapazieren. Fünf Jahre soll das Mädchen alt sein? Ich hätte es auf höchstens vier Jahre geschätzt.«
»Ja, diese Vivi sieht geradezu unterernährt aus«, flüsterte Frau Rennert zurück. »Es müsste verboten werden, ein so kleines Kind zu derartigen Kunststücken zu missbrauchen. In dem lieben Gesichtchen ist nicht die geringste Freude zu erkennen, und der Applaus scheint Vivi nichts zu bedeuten. Auf mich macht sie den Eindruck eines unglücklichen und gequälten Kindes.«
Die Kinder von Sophienlust machten sich darüber keine Gedanken. Sie bewunderter Vivi und hätten sie am liebsten mehrere Male gesehen. Auf der Heimfahrt sprachen sie immer noch von ihr und erzählten Denise von Schoenecker in Sophienlust begeistert, was sie gesehen hatten. Als Filzchen, Dr. Anja Freys Töchterchen, ins Kinderheim kam, berichtete Heidi ihr von der kleinen Vivi. Die anderen Kinder unterstützten sie dabei.
»Das Mädchen will ich auch sehen«, sagte Filzchen. »Zu dumm, dass ich heute nicht mitkommen konnte. Aber ich werde meine Mutti und meinen Vati bitten, mit mir in den Zirkus zu gehen.«
Während sich die Kinder von Sophienlust noch immer an Vivis Kunststückchen begeisterten, saß die Kleine müde und erschöpft im Wohnwagen.
Die Vermutung von Schwester Regine und Frau Rennert stimmte. Dieses kleine Mädchen wurde jeden Tag überfordert. Nie durfte es Kind sein, immer wurde nur von der Arbeit gesprochen, stets musste es etwas Neues einüben, denn es war die Zugnummer des Zirkus.
Das kleine Unternehmen gehörte Bruno Beran, einem vierzigjährigen Mann, der sich in vielen Berufen geübt hatte, aber in keinem weitergekommen war, bis er die Idee gehabt hatte, einen kleinen Zirkus zu gründen.
Bruno war ein harter, zynischer Mann. Das bekam besonders seine Frau Ebba zu spüren. Sie passte nicht in diese Welt und hatte schon oft bereut, Brunos Frau geworden zu sein.
Die kleine Vivi trug zwar den Namen Beran, aber sie war nicht das leibliche Kind von Ebba und Bruno. Die beiden hatten sie adoptiert, aber sie waren Tante und Onkel der Kleinen. Vivi war das uneheliche Kind von Ebbas Schwester Stefanie. Diese lebte nicht mehr. Sie war zwei Jahre nach Vivis Geburt an Leukämie gestorben. Da niemand da gewesen war, der sich um Vivi hätte kümmern können, hatte sich Ebba der Kleinen erbarmt. Sie hing in großer Liebe an ihrer Nichte, die nun ihr Adoptivkind geworden war.
Bruno empfand nichts für das kleine Mädchen. Für ihn war es nur eine Zugnummer für seinen kleinen Zirkus. Immer von Neuem trieb er Vivi an und dachte sich ständig neue Nummern für sie aus. Aber eine jede war zu schwer und zu gefährlich für das zarte Kind.
Ebba konnte das kaum noch mit ansehen. Bei jedem Auftritt von Vivi fürchtete sie, dass ein Unglück geschehen werde, aber sie konnte sich nur selten gegen ihren robusten Mann wehren und durchsetzen.
An diesem Tag versuchte sie es wieder einmal. Sie bat: »Gönne Vivi doch etwas Ruhe, Bruno. Du musst nicht schon wieder eine neue Nummer mit ihr einüben. Was sie bis jetzt kann, ist genug. Eine mehr würde ihre Kräfte vollends überfordern. Wir haben doch eine Verantwortung übernommen, als wir Vivi adoptierten. Dieser Verantwortung werden wir nicht gerecht, wenn wir das Kind so strapazieren.«
Ebba strich sich das blonde Haar aus der Stirn. Ihr Gesicht sah abgehärmt aus. Man hätte sie auf vierzig schätzen können, aber sie war erst dreiunddreißig Jahre alt.
Bruno, ein untersetzter dunkelhaariger Mann, sah seine Frau spöttisch an. »Immer dasselbe Lied. Wann wirst du mir endlich wegen der kleinen Kröte nicht mehr in den Ohren liegen? Meinst du, ich wollte ein Wohltäter sein, als ich sie adoptierte? Es hat schließlich lange genug gedauert, bis sie für den Zirkus zu gebrauchen war. Jetzt aber will ich nutzen, dass sie uns zur Verfügung steht. Du solltest etwas vernünftiger sein, denn du jammerst doch stets darüber, dass wir immer so knapp bei Kasse sind. Ohne Vivi wäre es noch schlimmer.«
Ebba schien das alles nicht gehört zu haben. In ihren grauen Augen standen Tränen, als sie erwiderte: »Der Gedanke, dass Stefanies Kind so ausgenutzt wird, ist mir unerträglich. Was würde meine Schwester sagen, wenn sie das wüsste?«
Bruno lachte bösartig. »Stefanie hat sich von irgendeinem Mann ein Kind anhängen lassen und ...«
»Aber sie hat ihr Kind geliebt«, unterbrach seine Frau ihn. »Und ich liebe Vivi auch. Es ist, als ob sie ein leibliches Kind von mir wäre. Ich bitte dich, Bruno, nimm etwas mehr Rücksicht auf sie, sonst bricht sie eines Tages noch zusammen. Sie ist doch nur mehr ein Häufchen Elend. Ich beobachte oft genug, dass sie auf dem Rücken der Ponys schwankt. Jedes Mal stehe ich Todesangst aus, dass sie herunterstürzt.«
»Höre endlich mit diesem Gezeter auf! Ich habe anderes im Sinn, als dir zuzuhören.« Bruno warf die Hände hoch. »Ich bin ein gequälter Mann. Zuerst habe ich solch einen Missgriff mit dir getan - und nun das Theater um das Kind. Wann wirst du endlich begreifen, dass man in einem Zirkus aus etwas härterem Holz geschnitzt sein muss? Wenn du weiter so zimperlich bleibst, werde ich mich nach einer anderen Frau umsehen müssen, die besser zu mir passt.«
Schon wollte Ebba darauf antworten, dass es wohl am besten sei, sich zu trennen, denn sie traute sich zu, sich auch mit anderer Arbeit durchschlagen und für Vivi sorgen zu können, aber sie hatte wieder einmal nicht den Mut dazu. Zu stark stand sie unter dem Einfluss ihres Mannes. Er hatte ihr beigebracht, ihm immer zu Willen zu sein. Von Tag zu Tag spürte sie stärker, dass sie kaum noch einen Funken Selbstbewusstsein besaß.
Ebba redete auch jetzt nicht mehr auf Bruno ein, weil sie fürchtete, dass er dann ganz aus den Fugen geraten würde. Schon mehrere Male hatten sie und Vivi zu spüren bekommen, was das bedeutete. Bruno scheute sich nicht zuzuschlagen, wenn er in Wut geriet.
Nachdem er weggegangen war, holte Ebba Vivi aus dem Wohnwagen und sagte: »Komm, wir machen einen kleinen Spaziergang. Ich habe gerade etwas Zeit dazu.«
Sofort kam Vivi zu ihr gelaufen und schmiegte ihre kleine Hand fest in die ihre. Ihre blauen Augen hatten sich etwas aufgehellt. Sie sah jetzt nicht mehr so mitgenommen aus.
»Am liebsten bin ich mit dir allein, Mutti«, versicherte Vivi mit ihrer hellen Kinderstimme. Da sie Ebba seit ihrem zweiten Lebensjahr Mutti nannte, wusste sie gar nicht, dass Ebba eigentlich ihre Tante war. Niemand hatte ihr erzählt, dass ihre leibliche Mutter gestorben war. Sie hielt Bruno Beran auch für ihren Vater.
Ebba ging mit Vivi aus der Stadt hinaus, bis sie ins Grüne kamen. Vivi konnte sich über alles freuen, was sie zu sehen bekam. Plötzlich war sie ein anderes Kind, aber ganz konnte sie nicht vergessen, wie schwer ihr Leben sonst war. Zaghaft fragte sie: »Mutti, werden wir immer im Zirkus bleiben müssen? Ich muss doch auch bald in die Schule gehen.«
»Das hat noch etwas Zeit, Vivi«, antwortete Ebba. »Vielleicht wird es bis dorthin leichter für uns.«
Vivi schüttelte betrübt den Kopf.
»Das glaube ich nicht, Mutti. Vati wird immer so böse sein. Warum nur? Ich glaube, er hat uns gar nicht lieb. Hast du heute die Kinder im Zirkus gesehen? Die haben es sicher gut. Sie waren so lustig. Bestimmt