Barri, der Lebensretter: Sophienlust Extra 80 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Die Kinder von Sophienlust drängten sich auf der Freitreppe zusammen. Mit wehmütigen Gesichtern sangen sie: »Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen, bleib nicht so lange fort …« Dieser Wunsch kam ihnen aus tiefstem Herzen. Diesmal galt er nicht einem Kind, das Abschied nahm, sondern ihrer geliebten Schwester Regine. Zwar fuhr sie nur in den Urlaub, aber die Kinder konnten sich auch nur vierzehn Tage ohne sie kaum vorstellen. Schwester Regine winkte mit einem weißen Schal, bis der Wagen Denise von Schoeneckers, in dem sie saß, das Tor von Sophienlust passiert hatte. Neben der Heimleiterin, Frau Rennert, stand eine mittelgroße blonde Frau auf der Freitreppe. Es war die neunundzwanzigjährige Jette Berger aus dem Schwarzwald. Sie sollte Schwester Regine vertreten. Die Kinder hatten sich in den letzten Tagen schon mit Schwester Jette vertraut gemacht. Denise von Schoenecker hatte das für sehr wichtig gehalten. Sie war immer bemüht, die angenehme Atmosphäre von Sophienlust zu erhalten. Dass sie mit Schwester Jette einen guten Griff getan hatte, zeigte sich jetzt schon. Die nicht schulpflichtigen Kinder bestürmten sie, mit ihnen zur Rutschbahn und Schaukel in den Park zu gehen. Sie wussten, wie übermütig die neue Schwester beim Spielen sein konnte. Jetzt lief Schwester Jette in ihrem blauen Schwesternkleid mit der weißen Schürze voraus und rief: »Wer holt mich zuerst ein?« Das war für die Kinder die Aufforderung zu einem Wettlauf. Die großen Kinder, auf die der Schulbus wartete, sahen den Kleinen neidisch nach. Pünktchen sagte zu Nick: »Schwester Jette wäre sicher auch eine ganz liebe Mutter. Warum heiraten manche Frauen nicht, wenn sie so gut mit Kindern umgehen können?«
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Buchvorschau
Barri, der Lebensretter - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 80 –
Barri, der Lebensretter
...und eine junge Frau bringen das Glück zurück
Gert Rothberg
Die Kinder von Sophienlust drängten sich auf der Freitreppe zusammen. Mit wehmütigen Gesichtern sangen sie: »Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen, bleib nicht so lange fort …«
Dieser Wunsch kam ihnen aus tiefstem Herzen. Diesmal galt er nicht einem Kind, das Abschied nahm, sondern ihrer geliebten Schwester Regine. Zwar fuhr sie nur in den Urlaub, aber die Kinder konnten sich auch nur vierzehn Tage ohne sie kaum vorstellen.
Schwester Regine winkte mit einem weißen Schal, bis der Wagen Denise von Schoeneckers, in dem sie saß, das Tor von Sophienlust passiert hatte.
Neben der Heimleiterin, Frau Rennert, stand eine mittelgroße blonde Frau auf der Freitreppe. Es war die neunundzwanzigjährige Jette Berger aus dem Schwarzwald. Sie sollte Schwester Regine vertreten.
Die Kinder hatten sich in den letzten Tagen schon mit Schwester Jette vertraut gemacht. Denise von Schoenecker hatte das für sehr wichtig gehalten. Sie war immer bemüht, die angenehme Atmosphäre von Sophienlust zu erhalten. Dass sie mit Schwester Jette einen guten Griff getan hatte, zeigte sich jetzt schon. Die nicht schulpflichtigen Kinder bestürmten sie, mit ihnen zur Rutschbahn und Schaukel in den Park zu gehen. Sie wussten, wie übermütig die neue Schwester beim Spielen sein konnte.
Jetzt lief Schwester Jette in ihrem blauen Schwesternkleid mit der weißen Schürze voraus und rief: »Wer holt mich zuerst ein?«
Das war für die Kinder die Aufforderung zu einem Wettlauf. Die großen Kinder, auf die der Schulbus wartete, sahen den Kleinen neidisch nach. Pünktchen sagte zu Nick: »Schwester Jette wäre sicher auch eine ganz liebe Mutter. Warum heiraten manche Frauen nicht, wenn sie so gut mit Kindern umgehen können?«
»Was weiß ich?«, antwortete Nick missmutig. So gern er seine kleine Freundin hatte, manchmal waren ihm ihre gründlichen Fragen lästig. Besonders dann, wenn ihn eine knifflige Schularbeit erwartete wie an diesem Tag.
»Du bist ein Muffel.« Pünktchen stand auf und setzte sich zu Vicky. Aber mit ihr hatte sie etwas ganz anderes zu besprechen als die Frage, warum Schwester Jette wohl noch nicht geheiratet habe.
*
Diese Frage beschäftigte jedoch auch Denise von Schoenecker, als sie in den nächsten Tagen beobachten konnte, wie gut Schwester Jette mit den Schützlingen von Sophienlust zurechtkam. »Wünschen Sie sich nicht auch eigene Kinder, Schwester Jette?«, fragte Denise bei einem Kaffeestündchen in ihrem Zimmer.
Das Gesicht Schwester Jettes wurde sehr ernst. Sie strich sich über das glatt zurückgekämmte Haar. »Ja, das wäre mein größter Wunsch.« In ihren blauen Augen stand Sehnsucht. »Eine Familie zu haben, würde für mich viel bedeuten. Ich stamme aus einer kinderreichen Familie. Drei meiner Geschwister sind schon verheiratet und haben bereits Kinder. Aber mir wird das nie vergönnt sein.«
Denise erschrak. Hatte sie mit ihrer Frage eine Wunde aufgerissen? Das war nicht ihre Absicht gewesen.
»Ich habe vor vier Jahren einen sehr schweren Unfall im Gebirge gehabt. Damals war ich verlobt. Obwohl ich weder eine begeisterte noch eine geübte Bergsteigerin bin, habe ich mich von meinem Verlobten immer wieder zu Klettertouren verleiten lassen. Er hielt es kaum ein Wochenende zu Hause aus. Es zog ihn immer in die Berge. Diese Freude wollte ich ihm nicht nehmen. Ich stürzte ab, als wir zusammen am Seil gingen, und schlug so hart gegen die Felswand, dass ich schwer verletzt wurde. Ich musste operiert werden. Die Ärzte sagten mir danach, dass ich nie ein Kind würde zur Welt bringen können.«
Denise legte die Hand auf Schwester Jettes Arm. »Es tut mir leid, dass ich so neugierig war.«
»Warum soll ich nicht einmal darüber sprechen? Ich habe durch den Unfall noch mehr verloren. Mein Verlobter wollte nichts mehr von mir wissen, als er erfuhr, dass ich nie würde einem Kind das Leben schenken können.«
»Aber durch die Liebe zu ihm ist Ihnen doch das Unglück passiert, Schwester Jette.«
»Das hatte er wohl vergessen. Ich habe mich nicht bemüht, ihn zu halten. Was soll aus einer Ehe werden, zu der ein Partner gezwungen wurde? Nein, dann will ich lieber allein bleiben.« Das alles sagte Schwester Jette mit sehr bitterem Ton in der Stimme.
Denise bemühte sich, ein anderes Thema anzuschneiden. »Sie haben vor Kurzem Ihre Stelle verloren, Schwester Jette, weil das Kinderheim, in dem Sie arbeiteten, aufgelöst wurde. Haben Sie nun schon eine neue Stelle in Aussicht?«
»Nein. Die zu finden, wird mir vielleicht gar nicht so leicht werden, weil ich am liebsten wieder in den Schwarzwald zurückginge. Ich liebe meine Heimat sehr und fühle mich dort am wohlsten.«
»Sie haben ja sogar Schwester Regine dazu überredet, im Schwarzwald Urlaub zu machen, obwohl sie zuerst ans Meer wollte.«
»Sie wird es sicher nicht bereuen, Frau von Schoenecker.« Schwester Jettes Augen hellten sich wieder auf. Sie erzählte von ihrem Zuhause in der Nähe des Titisees, von dem bescheidenen Leben, das sie in ihrem Elternhaus geführt hatte, und von ihren Geschwistern.
*
Schwester Regine bereute es wirklich nicht, den Rat ihrer Vertreterin befolgt zu haben.
Auf einer großen Lichtung am Hang des Tribergs stand das schmucke Haus der Familie Steiner. Vier Zimmer wurden an Fremde vermietet. Aber jetzt im Spätherbst war Schwester Regine der einzige Gast. Sie teilte das Leben der Familie, aß mit ihr am selben Tisch und beschäftigte sich viel mit den drei Kindern.
Die Mutter, Veronika Steiner, wunderte sich darüber, weil sie wusste, dass Schwester Regine das ganze Jahr über für Kinder zu sorgen hatte. Aber es war der Kinderschwester anzumerken, dass ihr das Zusammensein mit den Steiner-Kindern nicht zu viel wurde.
Die zehnjährige Kuni und die achtjährige Bärbel fuhren jeden Tag mit dem Lift ins Dorf hinunter zur Schule. Die Liftstation war nicht weit vom Haus entfernt. Der sechsjährige Josi hing den ganzen Tag über wie eine Klette an Schwester Regine. Er war ein hübscher, aufgeweckter Junge und so blond wie seine Schwestern. Obwohl der Vater, Christoph Steiner, brünett war, hatte keines der Kinder sein braunes Haar und seine dunklen Augen mitbekommen. Sie hatten alle strahlendblaue Augen wie die Mutter.
Veronika Steiner war eine schöne Frau, aber viel zu zart für die oft schwere Arbeit hier oben auf dem Berg. Auch hatte sie schon drei Kinder geboren, und das vierte sollte in zwei Monaten zur Welt kommen. Auch deshalb griff Schwester Regine gern helfend ein. Wenn sie mit dem lebhaften Josi unterwegs war, konnte sich Veronika Steiner etwas ausruhen. Ihr Mann war ja beinah den ganzen Tag außer Haus. Er arbeitete als Heger und nahm seine Aufgabe sehr ernst.
Erst nach einigen Tagen erfuhr Schwester Regine, dass es auch in dieser Einsamkeit Disharmonie gab. Die Steiners hatten einen Erzfeind. Es war der Hotelier Alfons Werrebrück. Er hatte auf halber Höhe des Hanges das wohl größte Hotel in der ganzen Umgebung, den Schwarzwaldhof. Obwohl es ihm dort nie an Gästen mangelte, bereitete es ihm genießerische Freude, Fremde für sein Hotel zu begeistern, die eigentlich vorgehabt hatten, bei den Steiners zu wohnen.
Etwas verlegen erzählte Veronika Steiner, dass sie Alfons Werrebrück vor Jahren einen Korb gegeben hatte. Ihm war es unverständlich gewesen, dass sie den armen Heger Christoph Steiner ihm vorgezogen hatte. Miterleben zu müssen, dass sich die Steiners ein schmuckes Haus gebaut hatten und so gut zurechtkamen, das ertrug er auch jetzt noch nicht. Wo es ging, machte er ihnen das Leben schwer. Sein besonderer Hass galt Christoph Steiner.
Veronika schien immer davor Angst zu haben, dass die beiden Männer zusammenstießen.
Ärger gab es zwischen den Steiners und Alfons Werrebrück auch wegen des Bernhardiners Barri. Der Hund war das ganze Glück der Kinder. Sie hatten ihn als Welpen von einem Gast bekommen.
Nun lebten alle immer in Angst, dass sich Barri in dem Jagdgebiet Alfons Werrebrücks umhertreiben könnte. Sobald der Bernhardiner aus der Nähe des Hauses verschwunden war, wurde er gesucht.
Dabei war Barri ein sehr gescheiter Hund. Für alle Fremden bedeutete es eine Attraktion, zu beobachten, wie Barri mit dem Sessellift ins Tal fuhr und die Post holte.
Dazu bekam er eine Tasche um den Hals geschnallt. Sehr vorsichtig setzte er sich in den Sessel, stemmte sich mit den Vorderpfoten fest ein und wartete, bis die Fahrt losging. Er schien vollkommen schwindelfrei zu sein, und die Fahrt schien ihm Freude zu machen.
Die Steiner-Kinder waren natürlich sehr stolz auf ihren Barri und der Postbote wusste es zu schätzen, dass Barri ihm den weiten Weg hinauf zur Lichtung abnahm.
Schwester Regine freute sich schon jetzt darauf, den Kindern von Sophienlust von dem Bernhardiner, der so selbstverständlich im Sessellift fuhr, erzählen