Vom Himmel gefallen - im Schloss gelandet!: Der kleine Fürst 287 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Du musst etwas essen, Leon«, sagte Agnes Wehrhahn. Sie stand in der offenen Tür des Zimmers, das sie nach kurzem Klopfen betreten hatte. Andere Angestellte des Fürsten Alexander von Lohenfels hätten sich ein solches Verhalten seinem sechzehnjährigen Sohn gegenüber niemals erlaubt, aber Agnes kam eine Sonderrolle zu, stand sie doch bereits seit dreißig Jahren in Diensten der Fürstenfamilie. Lange Zeit hatte sie auch Leons Vater Alexander geduzt, schließlich war der erst acht gewesen, als die damals zweiundzwanzigjährige Agnes sich bei seinen Eltern um die Stelle der Erzieherin ihres Sohnes beworben hatte und sofort eingestellt worden war. Mit der Zeit waren ihre Aufgaben vielfältiger geworden. Heute war sie Diejenige, die den fürstlichen Haushalt organisierte und die anderen Angestellten befehligte. ›Hausdame‹ wurde sie manchmal genannt. Ihr waren solche Bezeichnungen gleichgültig. Wer sie fragte, was sie beruflich machte, bekam zur Antwort: »Ich arbeite beim Fürsten.« Leon saß nicht an seinem Laptop, wie Agnes eigentlich erwartet hatte, sondern er hatte auf seinem Bett gelegen und gelesen. Als Agnes ins Zimmer gekommen war, hatte er sein Buch sofort beiseite gelegt und war aufgestanden. Er war ein sehr gut erzogener Junge. »Kommst du nach unten oder soll ich dir etwas aufs Zimmer bringen lassen?« »Ich habe keinen Hunger, Agnes.« »Das mag sein, aber du wirst trotzdem etwas essen.« Er versuchte zu lächeln, und Agnes bekam Gänsehaut. Seit seine Mutter vor beinahe zehn Jahren gestorben war, war Leon der traurigste und einsamste Junge auf diesem Planeten. Er lächelte eigentlich nie mehr, nur Agnes zuliebe versuchte er es gelegentlich noch. Sie hätte ihn dann am liebsten in die Arme genommen, und manchmal tat sie es auch, aber im Grunde brauchte er eine solche Umarmung nicht von ihr, sondern von seinem Vater, von Fürst Alexander.
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Vom Himmel gefallen - im Schloss gelandet! - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 287 –
Vom Himmel gefallen - im Schloss gelandet!
... und ein kleiner Junge schweigt
Viola Maybach
»Du musst etwas essen, Leon«, sagte Agnes Wehrhahn.
Sie stand in der offenen Tür des Zimmers, das sie nach kurzem Klopfen betreten hatte. Andere Angestellte des Fürsten Alexander von Lohenfels hätten sich ein solches Verhalten seinem sechzehnjährigen Sohn gegenüber niemals erlaubt, aber Agnes kam eine Sonderrolle zu, stand sie doch bereits seit dreißig Jahren in Diensten der Fürstenfamilie.
Lange Zeit hatte sie auch Leons Vater Alexander geduzt, schließlich war der erst acht gewesen, als die damals zweiundzwanzigjährige Agnes sich bei seinen Eltern um die Stelle der Erzieherin ihres Sohnes beworben hatte und sofort eingestellt worden war. Mit der Zeit waren ihre Aufgaben vielfältiger geworden. Heute war sie Diejenige, die den fürstlichen Haushalt organisierte und die anderen Angestellten befehligte. ›Hausdame‹ wurde sie manchmal genannt. Ihr waren solche Bezeichnungen gleichgültig. Wer sie fragte, was sie beruflich machte, bekam zur Antwort: »Ich arbeite beim Fürsten.«
Leon saß nicht an seinem Laptop, wie Agnes eigentlich erwartet hatte, sondern er hatte auf seinem Bett gelegen und gelesen. Als Agnes ins Zimmer gekommen war, hatte er sein Buch sofort beiseite gelegt und war aufgestanden. Er war ein sehr gut erzogener Junge.
»Kommst du nach unten oder soll ich dir etwas aufs Zimmer bringen lassen?«
»Ich habe keinen Hunger, Agnes.«
»Das mag sein, aber du wirst trotzdem etwas essen.«
Er versuchte zu lächeln, und Agnes bekam Gänsehaut. Seit seine Mutter vor beinahe zehn Jahren gestorben war, war Leon der traurigste und einsamste Junge auf diesem Planeten. Er lächelte eigentlich nie mehr, nur Agnes zuliebe versuchte er es gelegentlich noch. Sie hätte ihn dann am liebsten in die Arme genommen, und manchmal tat sie es auch, aber im Grunde brauchte er eine solche Umarmung nicht von ihr, sondern von seinem Vater, von Fürst Alexander. Doch der war in Trauer wie erstarrt, er konnte sich ja nicht einmal selbst helfen. Der frühe Unfalltod seiner Frau hatte ihn, wie man so sagte, aus der Bahn geworfen. Seitdem war er ein schweigsamer, einsamer, melancholischer Mann geworden, der nicht einmal merkte, sie sehr sein Sohn sich Liebe und Zuwendung von ihm wünschte.
Eine Tragödie, dachte Agnes einmal mehr. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
Es gab nur eine Leidenschaft, die Vater und Sohn verband und die ihnen gelegentlich ein paar Stunden entspannter Zweisamkeit schenkte: das Fliegen. Alexander flog schon lange, aber er hatte sich erst nach dem Tod seiner Frau zwei kleine Flugzeuge angeschafft – Fürstin Katharina war immer dagegen gewesen, weil sie bei jedem Flug Angst um ihren Mann gehabt hatte.
Agnes dachte gelegentlich darüber nach, ob Alexander tief im Innersten vielleicht sogar auf ein Flugunglück hoffte, um seiner Frau nachzufolgen, aber sie kam jedes Mal zu dem Ergebnis, dass das Unsinn war. Er hing nicht mehr am Leben, so konnte man es schon ausdrücken, aber das Fliegen bereitete ihm noch immer Freude, und das allein war wohl der Grund dafür, dass er sich die Flugzeuge angeschafft hatte. Er hätte sogar eine große Passagiermaschine steuern dürfen, denn er hatte die gesamte Ausbildung durchlaufen, und wäre er kein Fürst gewesen, hätte er aus seiner Leidenschaft fürs Fliegen mit Sicherheit einen Beruf gemacht. Diese Leidenschaft hatte sich auf Leon übertragen, der schon jetzt theoretisch alles übers Fliegen wusste und darauf brannte, endlich alt genug zu werden, um selbst fliegen zu dürfen.
In letzter Zeit waren ihre gemeinsamen Ausflüge seltener geworden, was vor allem an Alexander lag, der viel zu tun hatte und wohl auch jedes Mal froh war, wenn er dem düsteren Schloss Lohenfels für ein paar Tage entfliehen konnte. Aber wenn Vater und Sohn dann doch wieder einmal zusammen starteten, hatte Agnes schon oft gehofft, dass der Knoten platzen möge und die beiden endlich wieder dauerhaft zueinander fanden. Bisher hatte sich dieser Wunsch leider nicht erfüllt. Es war wie verhext: Sobald sie ins Schloss zurückkehrten, hüllte sich jeder in seine Einsamkeit wie in einen Mantel, und ihre Wege trennten sich, als hätten sie nicht gerade erst ein paar Stunden in vertrauter Zweisamkeit verbracht.
Sie nahmen meistens ja nicht einmal mehr die Mahlzeiten gemeinsam ein. Im Grunde genommen lebten sie im Schloss wie zwei Fremde, die nur zufällig denselben Wohnort teilten. Es gab Tage, da litt Agnes körperlich unter diesem Zustand.
»Aber wahrscheinlich kriege ich nichts runter, Agnes«, sagte Leon in ihre Gedanken hinein. Auch er duzte sie weiterhin, bisher hatte sein Vater daran keinen Anstoß genommen. Agnes war freilich nicht sicher, ob es ihm überhaupt aufgefallen war.
»Dann wirst du dich dazu zwingen. Ich will nicht verantwortlich dafür sein, dass du irgendwann wie ein Hungerhaken aussiehst.«
»Das tue ich doch gar nicht! Ich bin schlank, aber nicht dünn.«
»Hör auf, mit mir zu diskutieren, junger Mann, denn du wirst den Kürzeren ziehen. Komm lieber mit nach unten, ich will sicher sein, dass du auch wirklich isst.«
Einen Moment lang war sie sicher, dass er sich weigern würde, doch er tat es nicht. »Also gut«, sagte er ergeben. »Wenn du darauf bestehst, Agnes. Du gibst ja sonst doch keine Ruhe.«
»Worauf du dich verlassen kannst!«
Er stand jetzt direkt vor ihr, und es gab ihr wie immer einen kleinen Stich, dass er sie bereits um einige Zentimeter überragte. Dabei war sie auch nicht gerade klein mit ihren einsfünfundsiebzig. Die Zeit war rasend schnell vergangen. War er nicht gerade noch der niedliche Kleine mit den schönen tiefblauen Augen gewesen, dem sie ständig die Knie hatte verpflastern müssen? Und jetzt war er groß, schlank, gut aussehend: Mit seinen blonden Locken und diesen schönen Augen war Leon ein Ebenbild seiner verstorbenen Mutter – und genau das war nach Agnes’ Meinung der Grund allen Übels. Sie nahm an, dass Alexander den Anblick seines Sohnes nicht ertrug, weil er ihn so sehr an seine Frau erinnerte.
»Wenn du willst, kannst du in der Küche essen, mit mir.«
Sie stellte fest, dass diese Aussicht ihm zu gefallen schien, was sie nicht wunderte. Wer aß schon gern allein? Natürlich gehörte es sich nicht, dass Prinz Leon von Lohenfels in der Schlossküche aß, und er tat es auch nie, wenn dort Betrieb herrschte – etwa, wenn die Angestellten dort aßen, aber jetzt würden sie allein sein. Ellen Mahlmann, die Köchin, war bereits gegangen, es gab für sie an diesem Abend nichts mehr zu tun.
Die weitaus meisten von Alexanders Angestellten waren damit beschäftigt, das Schloss und seinen weitläufigen Park in Ordnung zu halten. Es gab auch einige Mechaniker, die die beiden Flugzeuge warteten, aber den weitaus größten Teil der Angestellten machten die Frauen aus, die putzten und sich um die Wäsche kümmerten, sowie die Gärtner. Das Personal in diesen beiden Gruppen wechselte öfter, nur Ellen Mahlmann und Agnes blieben.
Früher hatten sie oft Gäste gehabt und große Bankette gegeben, aber diese Zeiten waren wohl unwiderruflich vorbei. Schloss Lohenfels war ein trauriges