So tapfer wie sein Vater: Mami 2024 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Markus griff so viel Stroh, wie seine Arme nur fassen konnten. Vorsichtig, um nichts zu verlieren, setzte er sich in Bewegung. Wer den Neunjährigen auf sich zukommen sah, erblickte zwei kräftige Beine und darüber helles, wirres Stroh. Die Last verdeckte nicht nur seinen Körper, sondern auch das Gesicht. Ellen Berghoff erkannte ihren Enkel trotzdem. »Markus!« rief sie streng, denn sie war ärgerlich. Obwohl sie viel Verständnis für das Hobby ihres Enkelsohnes aufbrachte, war sie der Meinung, daß Markus ihre Gutmütigkeit ausnutzte. Der Junge ließ vor lauter Schreck den Strohballen fallen, so daß die Halme nach allen Seiten stoben. Ihm war sofort bewußt, daß er im Reiterhof wieder einmal die Zeit vergessen hatte. Es mußte schon spät sein, denn in den Ställen brannte bereits Licht. »O... O... Omi«, stotterte Markus verlegen, »ich... ich wollte nur noch...« In den rotbraunen Locken des kleinen Pferdeliebhabers hingen Strohhalme, sein hübsches Gesichtchen war hochrot. Ellen Berghoff war eine gutmütige Frau, die ihren Enkel von Herzen liebte. Doch heute hatte er ihre Geduld wieder einmal überstrapaziert. »Ich habe dir erlaubt, für zwei Stunden hierher zu gehen, und nun sind bereits fünf Stunden vergangen, und du denkst nicht daran, nach Hause zu kommen.
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Buchvorschau
So tapfer wie sein Vater - Susanne Svanberg
Mami
– 2024 –
So tapfer wie sein Vater
Markus´ Vertrauen ist durch nichts zu erschüttern
Susanne Svanberg
Markus griff so viel Stroh, wie seine Arme nur fassen konnten. Vorsichtig, um nichts zu verlieren, setzte er sich in Bewegung. Wer den Neunjährigen auf sich zukommen sah, erblickte zwei kräftige Beine und darüber helles, wirres Stroh. Die Last verdeckte nicht nur seinen Körper, sondern auch das Gesicht.
Ellen Berghoff erkannte ihren Enkel trotzdem. »Markus!« rief sie streng, denn sie war ärgerlich. Obwohl sie viel Verständnis für das Hobby ihres Enkelsohnes aufbrachte, war sie der Meinung, daß Markus ihre Gutmütigkeit ausnutzte.
Der Junge ließ vor lauter Schreck den Strohballen fallen, so daß die Halme nach allen Seiten stoben. Ihm war sofort bewußt, daß er im Reiterhof wieder einmal die Zeit vergessen hatte. Es mußte schon spät sein, denn in den Ställen brannte bereits Licht.
»O...O...Omi«, stotterte Markus verlegen, »ich... ich wollte nur noch...« In den rotbraunen Locken des kleinen Pferdeliebhabers hingen Strohhalme, sein hübsches Gesichtchen war hochrot.
Ellen Berghoff war eine gutmütige Frau, die ihren Enkel von Herzen liebte. Doch heute hatte er ihre Geduld wieder einmal überstrapaziert.
»Ich habe dir erlaubt, für zwei Stunden hierher zu gehen, und nun sind bereits fünf Stunden vergangen, und du denkst nicht daran, nach Hause zu kommen. Wie siehst du überhaupt aus? Die Hosen schmutzig, das T-Shirt zerrissen, die Schuhe voll Pferdemist.«
Bekümmert sah Markus an sich hinunter. Was die Omi da aufzählte, war keine Übertreibung. Andererseits fand Markus das bißchen Dreck überhaupt nicht schlimm.
»T’schuldigung«, nuschelte er. »Ich wollte dem Karle helfen, weil er heute alle Pferde allein versorgen muß.« Markus begann, das Stroh wieder aufzuraffen, was nur unzulänglich gelang.
Mißbilligend sah Ellen zu. Sie war eine praktisch veranlagte Frau, die sich vor keiner Arbeit scheute und die es eigentlich gut fand, daß Markus nicht nur die Annehmlichkeiten des Reitklubs genoß, sondern sich auch dann engagierte, wenn es unangenehme Arbeiten zu verrichten gab. Im Moment ärgerte sie sich allerdings über die Unpünktlichkeit des Enkels.
»Der Karle, das ist der Pferdepfleger. Eigentlich sind es drei. Aber die beiden anderen sind in Urlaub. Und jetzt will ich nur noch schnell dem Marabu das Stroh bringen.« Markus keuchte, denn die Last, die er sich selbst aufbürdete, war nicht leicht. »Der Marabu ist das Voltigierpferd, weißt du. Voll gutmütig und richtig lieb.«
»Du kommst jetzt mit«, bestimmte Ellen autoritär.
»Gleich.« Markus rannte mit seiner Last in Richtung Stall.
Entschlossen marschierte Ellen hinterher und stellte verblüfft fest, daß sich ihr Enkel völlig furchtlos in der engen Pferdebox bewegte. Marabu sah ihm interessiert zu. Er senkte den Kopf, um von Markus gestreichelt zu werden. Da der Junge zu beschäftigt war, um es zu bemerken, wieherte der Braune leise.
»Ja, der Karle bringt dir noch Heu. Ich muß gehen, aber morgen sehen wir uns wieder.« Den letzten Satz flüsterte Markus nur.
Doch die Omi hörte ihn trotzdem. »Morgen kommst du nicht hierher, weil du für die Schule lernen wirst«, bestimmte sie mit Nachdruck.
»Och«, japste Markus enttäuscht. Er versuchte, noch rasch die restlichen Strohhalme zusammenzuscharren, doch die Omi nahm ihn energisch an der Hand und zog ihn hinter sich her zum Auto.
Der Junge kam nicht gerne mit, denn er liebte die Pferde mehr als alles andere, seine Mami natürlich ausgenommen. Leider hatte sie als Redakteurin einen anstrengenden Beruf und deshalb viel zuwenig Zeit für ihn.
»Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Zeit fürs Abendbrot, und du hast noch keine Hausaufgaben gemacht«, schimpfte Frau Ellen.
»Ist die Mami schon da?« fragte Markus erschrocken. Sie wollte er auf gar keinen Fall verärgern.
»Nein, sie hat noch einen Termin. Aber der Opa wartet, und wie du weißt, mag er das gar nicht.« Ellen hatte diesbezüglich bereits eine längere Diskussion mit ihrem Mann geführt.
Markus zog unwillkürlich den Kopf weiter zwischen die Schultern. Vor seinem Opa hatte er Respekt, denn der ehemalige Bankdirektor war ein absolut korrekter Mann. Er machte nicht viele Worte, aber dennoch wußte jeder, woran er war.
»Hier stinkt es«, polterte er, kaum daß Markus mit seinen schmutzigen Schuhen das Haus betreten hatte.
»Das habe ich im Auto auch schon festgestellt.« Frau Ellen, die ihren Mann normalerweise besänftigte, war heute nicht auf der Seite ihres Enkels.
Kleinlaut verzog sich Markus in sein Zimmer, zu dem auch ein eigenes Bad gehörte.
»Eigentlich habe ich mir den Ruhestand etwas anders vorgestellt«, seufzte Berghoff und sah finster auf einige Strohhalme, die der Enkel verloren hatte. »Ich habe ja wirklich nichts gegen Kinder, aber manchmal ist mir der Junge zu anstrengend, und ich wäre froh, wenn sich Tanja mehr um ihn kümmern könnte.«
»Der Job läßt ihr eben zuwenig Zeit.« Frau Ellen brühte den Tee auf und trug die Kanne ins Eßzimmer.
Ihr Mann folgte ihr, ohne das bereitgestellte Tablett mitzunehmen. Für Hausarbeiten hatte Norbert Berghoff nichts übrig. Er war daran gewöhnt, daß seine Frau das erledigte, doch neuerdings kam es immer wieder zu Reibereien deswegen.
»Job«, schnaubte der Senior verächtlich. »Wenn sie heiraten würde, könnte sie darauf verzichten. Ich begreife das nicht. Eine Frau wie Tanja müßte doch jede Menge Chancen haben.« Vorwurfsvoll sah Norbert seine Frau an.
»Hat sie ja auch«, verteidigte Ellen ihre Tochter. »Aber Tanja läßt sich eben Zeit.«
»Der Junge ist inzwischen neun. Da war doch wahrhaftig Zeit genug, sich einen Partner zu suchen.« Der ehemalige Bankdirektor setzte sich auf seinen angestammten Platz und wartete darauf, daß Ellen das Essen servierte. »Noch heute verstehe ich nicht, weshalb sie den Vater von Markus nicht geheiratet hat.«
»Sie wird ihre Gründe gehabt haben.« Ellen kam mit dem Tablett und verteilte die Teller. Genaues wußte auch sie nicht, denn Tanja hatte nie über den Mann gesprochen, der Markus’ Vater war. Er mußte sie tief enttäuscht haben, und deshalb fragte Ellen die Tochter nicht nach ihm. Sie versuchte, das Problem auf die Weise zu lösen, daß sie Tanja immer wieder die Bekanntschaft neuer Heiratskandidaten vermittelte. Allerdings war sie in dieser Hinsicht nicht erfolgreich, denn die Tochter schätzte derartige Vermittlungen nicht.
»Ein Mädchen, das aussieht wie Tanja, müßte eigentlich freie Wahl unter einem ganzen Heer heiratswilliger Männer haben.« Norbert sah seiner Frau zu, ohne sie zu unterstützen. Er legte Wert auf einen hübsch gedeckten Tisch, doch es wäre ihm nie eingefallen, etwas dazu beizutragen. Seit er im Ruhestand war, konzentrierte sich sein Interesse auf Fachzeitschriften und seine umfangreiche Münzsammlung.
»Tanja hat es noch nie erwähnt, aber sie will vermutlich gar nicht mehr heiraten. Wenn ich mit ihr darüber sprechen will, wechselt sie sofort das Thema.« Ellen konnte sich gut in die Lage der Tochter versetzen.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein«, meinte der konservative Norbert, der für den Lebensstil seiner Tochter kein Verständnis hatte. »Gerade in diesem Fall... Markus braucht einen Vater, das wird immer deutlicher.«
»Das ist der einzige Grund, den ich gelten lasse. Sonst finde ich die Ehe auch nicht so erstrebenswert.« Ellen hatte sich eigentlich noch nie beklagt, doch neuerdings fühlte sie sich überfordert, denn Norbert überließ ihr alle Haushaltspflichten und machte ihr Vorwürfe, wenn nicht alles so klappte, wie er sich das vorstellte.
»Ellen?« Berghoffs Kopf ruckte überrascht hoch. Seine Stimme klang erstaunt. »Wie kannst du so etwas sagen?« fragte er gekränkt. »Ist es dir nicht immer gut bei mir gegangen? Worüber hast du zu klagen?« Norbert fühlte sich frei von jeder Schuld.
»Reden wir nicht darüber.« Ellen winkte ab. Sie füllte die Teetassen und reichte ihrem Mann die Platte mit den verschiedenen Käse- und Wurstsorten.
»Der Junge ist immer noch nicht hier«, bemerkte Norbert finster.
»Er duscht vermutlich und zieht sich um.«
Ellen hatte sich getäuscht. Denn Markus, der in diesem Moment im Eßzimmer erschien, war weder gewaschen, noch umgezogen. Nur die Schuhe hatte er gewechselt. In seinem dichten rotbraunen