Mami 1781 – Familienroman: Das Leben meint es gut mit ihnen
Von Rosa Lindberg
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Cornelia kam mit den leeren Gläsern zurück, und Hubert Kammann sah ihr mit zusammengekniffenen Augen über der Zigarette im Mundwinkel entgegen. Er zapfte gelassen ein Pils nach dem anderen, gekonnt und sachkundig, schließlich machte er das seit vierzig Jahren. Und in ein paar Monaten war Schluß. Er hatte das alte Kammanns Eck, eine ganz grundsolide Pinte mit kleinen Mahlzeiten, verpachtet. Denn verkaufen wollte er nicht, weil Kammanns Eck auch Kammanns Eck bleiben sollte. Sein Vater hatte es gegründet, er hatte es übernommen, wollte aber nicht, daß Cornelia es übernahm. Sie sollte etwas Besseres werden als Kneipenwirtin, also hatte er sie Sprachen studieren lassen, - ihrer Neigung entsprechend - und reisen. Es hatte sich gelohnt, Nele machte ihren Weg, sie war Leiterin der Export-Abteilung eines Konzerns und sich trotzdem nie zu schade, ihm, wenn Not am Mann war, im Eck zu helfen. "Du rauchst zuviel", Nele stand jetzt neben ihm, ließ die Gläser über die Bürste im Wasser gleiten, "außerdem sieht es unmöglich aus." "Ist sowieso die letzte", grinste Hubert, "ab morgen ist Schluß damit." "Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor!" Darauf ging Hubert nicht näher ein. Warum sollte sie sich um ihn sorgen?
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Mami 1781 – Familienroman - Rosa Lindberg
Mami -1781-
Das Leben meint es gut mit ihnen
Roman von Rosa Lindberg
Cornelia kam mit den leeren Gläsern zurück, und Hubert Kammann sah ihr mit zusammengekniffenen Augen über der Zigarette im Mundwinkel entgegen. Er zapfte gelassen ein Pils nach dem anderen, gekonnt und sachkundig, schließlich machte er das seit vierzig Jahren. Und in ein paar Monaten war Schluß. Er hatte das alte Kammanns Eck, eine ganz grundsolide Pinte mit kleinen Mahlzeiten, verpachtet. Denn verkaufen wollte er nicht, weil Kammanns Eck auch Kammanns Eck bleiben sollte. Sein Vater hatte es gegründet, er hatte es übernommen, wollte aber nicht, daß Cornelia es übernahm. Sie sollte etwas Besseres werden als Kneipenwirtin, also hatte er sie Sprachen studieren lassen, – ihrer Neigung entsprechend – und reisen. Es hatte sich gelohnt, Nele machte ihren Weg, sie war Leiterin der Export-Abteilung eines Konzerns und sich trotzdem nie zu schade, ihm, wenn Not am Mann war, im Eck zu helfen.
»Du rauchst zuviel«, Nele stand jetzt neben ihm, ließ die Gläser über die Bürste im Wasser gleiten, »außerdem sieht es unmöglich aus.«
»Ist sowieso die letzte«, grinste Hubert, »ab morgen ist Schluß damit.«
»Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor!«
Darauf ging Hubert nicht näher ein. Warum sollte sie sich um ihn sorgen? Das dies wirklich seine letzte Zigarette war, daran hatte der alte Dr. Fuchs die Schuld. Er hatte ihm sein Asthma und seine chronische Bronchitis in so entsetzlichen Zukunftsaussichten geschildert, daß Hubert Kammann ein paar Nächte gerechnet, dann verpachtet und sich ein Haus hinterm Deich gekauft hatte. Es hatte ihn immer schon ans Meer gezogen, Nele wußte das. Vielleicht würde er anfangen, Schafe zu züchten. Er sah das hübsche Profil seiner Tochter und seufzte.
Alles, wirklich alles, war bei Nele in Ordnung, nur mit dem richtigen Mann, da haperte es bei ihr. Und jetzt hatte sie Ulrich Voss auch weggeschickt. Dabei waren die beiden doch seit Monaten sozusagen unzertrennlich gewesen.
Eben, bevor sie sich mit dem Tablett an die Tische begab, hatte sie ihm das ganz beiläufig erzählt.
Hubert sagte jetzt: »Wenn du so weitermachst, meine Süße, dann wird sich dein Traum von einem Stall voller Kinder wohl nie erfüllen!«
Nele wurde in Kürze dreißig.
Sie sah zu ihrem Vater hoch, mit Elisabeths Augen. Hubert schluckte trocken. Seit vierzehn Jahren Witwer, und immer noch konnte er seine Frau nicht vergessen!
»Ich muß Vertrauen haben, um lieben zu können.«
»Und das hattest du bei Ulrich nicht?«
»Nicht mehr.«
Luisa kam aus der Küche, adrett wie immer. Sie war Hilfe im Haushalt gewesen, als Elisabeth Kammann starb, danach hatte sie in Eigeninitiative Schritt für Schritt mehr Aufgaben übernommen, sie gut gemacht, so daß sie für Hubert nahezu unentbehrlich geworden war. Nie würde Hubert ihr vergessen, mit welcher Hingabe, Güte und Ruhe sie Elisabeth bis zur letzten Stunde gepflegt hatte.
Jetzt legte sie die Hand auf Cornelias Unterarm.
»Komm erst mal eine Kleinigkeit essen. Wie ich dich kenne, hast du wieder den ganzen Tag von Yoghurt gelebt! Ich habe fabelhafte Käsenudeln gemacht, ganz leicht und locker.«
Nele küßte Luisas Nasenspitze. Sie hatten einander gern, und seit ein paar Jahren wünschte Nele sich, Hubert und Luisa würden sich finden und zusammenbleiben. Sie täte ihm gut, weil sie niemals den Versuch unternehmen würden, ihn Elisabeth vergessen zu lassen.
»Sie wird keinen Appetit haben! Sie hat Ulrich in die Wüste geschickt!« sagte Hubert und machte die Zigarette aus.
»Sie wird ihre Gründe gehabt haben«, bemerkte Luisa nur und zog Nele in die Küche.
Hubert überflog mit den Blicken die Tische, den Billardraum und die Leseecke. Ruhig. Alles gut versorgt. Dank Nele. Sie wäre eine großartige Wirtin geworden! ›Ich muß Vertrauen haben, um lieben zu können!‹ Ha! Der Satz könnte von Elisabeth gewesen sein. Es rührte ihn noch jetzt, daß Neles Mutter Vertrauen zu ihm gehabt hatte. Und er hatte sie niemals enttäuscht. Sie war die Tochter eines ziemlich bekannten Anwalts gewesen und hatte ihn gegen den Willen ihrer Familie geheiratet. Und sie hatte es nie bereut! Eine wortarme große Liebe und ihre Erfüllung! Nachdem dann noch Nele geboren wurde, ein wunderschönes, mopsgesundes und heiteres Kind, war ihr Glück vollkommen gewesen. Sie hatten auf weitere Kinder gehofft, aber es hatte nicht sein sollen. Dafür hatte Nele den Wunsch nach vielen Kindern von ihrer Mutter geerbt. Nur – wenn sie nicht langsam den richtigen Mann vor den Altar bekam, dann waren die Aussichten düster.
Nele kam zurück. Proper, proper! dachte Hubert stolz. Proper von der eleganten Sohle bis zum gepflegten Scheitel. Was auch immer Ulrich Voss angestellt hatte, daß Nele ihn wegschickte, er war ein Idiot!
Das Telefon neben der Glasvitrine klingelte. Nele hob ab, machte Hubert ein Zeichen, daß das Gespräch für sie sei, und drehte sich zur Wand, leise sprechend.
»Das war Gabriele«, Nele war wieder neben ihm.
Gabriele Ressner, seit ewigen Zeiten Neles Freundin, war Schauspielerin. Sie war viel auf Tournee, im Fernsehen und zu Proben. Während sie herumsauste blieb Pia, ihre Tochter, bei Nele.
»Geht sie wieder auf Achse?«
»Ja, übermorgen. Für drei Wochen.«
Drei Wochen Pia im Haus! Nicht schlecht – nicht schlecht! Luisa würde täglich Leibgerichte kochen, schimpfen und lachen und glücklich sein. Pia Ressner war ein Kind, das man einfach lieben mußte: offen, frei und ohne jeden Tick. Ein Wunder, Hubert pfiff leise vor sich hin. Bei den Eltern! Vater Schauspieler, Mutter Schauspielerin. Geschieden. Vater in Hollywood, Mutter ständig auf Tour. Wenn nicht, war die Wohnung voller Gäste. Pia bewegte sich durch diese Turbulenzen mit der Sicherheit eines in sich ruhenden Menschen, sogar mit einer Spur Nachsichtigkeit für ihre manchmal leicht überspannte, aber aufrichtig liebevolle Mutter.
»Wann kommt Pia?«
»Morgen abend. Ich bringe sie mit, wenn ich aus dem Büro komme.«
Neles Wohnung war unterm Dach. Der große Altbau, in dem unten das Kammenns Eck war, daneben ein Tabakwaren Zeitschriften und Zeitungen-Shop und Bäcker Lohmanns Geschäft, gehörte den Kammans. Es hatte eine Reihe von Mietwohnungen, die es Hubert ermöglichten, auch schlechte Zeiten mit dem Eck durchzustehen. Für Nele hatte er das Dachgeschoß ausbauen lassen, Luisa wohnte darunter, und er selbst lebte immer noch in der großen ersten Etage, in der alles genauso geblieben war, wie zu Elisabeths Zeiten.
»Hoffentlich vergißt sie nicht wieder die Hälfte!«
Vergeblich versuchte Hubert seiner Stimme einen besorgten Beiklang zu geben. Er liebte es, wenn Pia etwas vergaß! Dann konnte er ihr das nämlich kaufen, es ihr ohne schlechtes Gewissen schenken! Er schenkte doch so gern, hatte es immer getan. Bei Elisabeth, bei Nele, und hin und wieder auch bei Luisa.
Elisabeths Vater, mit dem sie sich nach Neles Geburt einigermaßen ausgesöhnt hatten, sagte immer:
»Du verschenkst eines Tages noch dein Vermögen!«
»Na, wenn schon!« hatte er zwar leichthin gesagt, nur um den Alten zu ärgern, aber passieren würde ihm das selbstredend nicht.