Ein junges und ein altes Glück: Der kleine Fürst 256 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Arndt Stöver raste mit eingeschalteter Sirene durch die Straßen von Sternberg, mit Billigung seines Vorgesetzten. Kriminalrat Volkmar Overbeck saß neben ihm, auf der Rückbank des Wagens hatte Miriam Bauer Platz genommen, die Kollegin, mit der Arndt am liebsten zusammenarbeitete. Vor fünf Minuten war aus Schloss Sternberg ein Anruf gekommen, der der Grund für diese rasende Fahrt war: Angeblich gab es Hinweise auf die Entführer von Stephanie von Hohenbrunn und Christian von Sternberg. Mehr hatte Baron Friedrich von Kant, Christians Onkel, nicht verraten wollen. Zwar hatte auch die Polizei einige Spuren gefunden, und es gab auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sich die Entführung der beiden Teenager abgespielt haben musste und wie viele Leute daran vermutlich beteiligt gewesen waren. Nur hatten sie leider noch immer keine Ahnung, wer diese Entführer sein könnten, denn seit Stephanie und Christian verschwunden waren, hatte niemand versucht, mit ihren Angehörigen oder auch der Polizei Kontakt aufzunehmen. Das war der Punkt, den niemand verstand, denn normalerweise hatten Entführer und Polizei zumindest ein gemeinsames Ziel: Sie wollten die Sache so schnell wie möglich beenden, wenn auch auf je unterschiedliche Art und Weise. »Und der Baron hat nichts weiter gesagt?, erkundigte sich Miriam vom Rücksitz her. »Nur, dass wir uns beeilen sollen«, antwortete der Kriminalrat. »Er hat angedeutet, sobald es dunkel wird, könnte etwas Entscheidendes passieren.« »Viel Zeit haben wir dann nicht mehr«, bemerkte Arndt nach einem kritischen Blick auf die bereits ziemlich tief stehende Sonne. »Deshalb rasen Sie ja auch wie ein Verrückter, und ich tue nichts dagegen«, erwiderte Volkmar Overbeck trocken. Danach verfiel er wieder in Schweigen. Sie erreichten die schmale Straße, die auf den Sternberg führte. Oben auf der Anhöhe thronte das Schloss. Es war eine kurvige Straße, hier konnte man unmöglich schnell fahren, und die Sirene war auch nutzlos, deshalb stellte Arndt sie ab.
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Ein junges und ein altes Glück - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 256 –
Ein junges und ein altes Glück
Viola Maybach
Arndt Stöver raste mit eingeschalteter Sirene durch die Straßen von Sternberg, mit Billigung seines Vorgesetzten. Kriminalrat Volkmar Overbeck saß neben ihm, auf der Rückbank des Wagens hatte Miriam Bauer Platz genommen, die Kollegin, mit der Arndt am liebsten zusammenarbeitete.
Vor fünf Minuten war aus Schloss Sternberg ein Anruf gekommen, der der Grund für diese rasende Fahrt war: Angeblich gab es Hinweise auf die Entführer von Stephanie von Hohenbrunn und Christian von Sternberg. Mehr hatte Baron Friedrich von Kant, Christians Onkel, nicht verraten wollen.
Zwar hatte auch die Polizei einige Spuren gefunden, und es gab auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sich die Entführung der beiden Teenager abgespielt haben musste und wie viele Leute daran vermutlich beteiligt gewesen waren. Nur hatten sie leider noch immer keine Ahnung, wer diese Entführer sein könnten, denn seit Stephanie und Christian verschwunden waren, hatte niemand versucht, mit ihren Angehörigen oder auch der Polizei Kontakt aufzunehmen. Das war der Punkt, den niemand verstand, denn normalerweise hatten Entführer und Polizei zumindest ein gemeinsames Ziel: Sie wollten die Sache so schnell wie möglich beenden, wenn auch auf je unterschiedliche Art und Weise.
»Und der Baron hat nichts weiter gesagt?, erkundigte sich Miriam vom Rücksitz her.
»Nur, dass wir uns beeilen sollen«, antwortete der Kriminalrat. »Er hat angedeutet, sobald es dunkel wird, könnte etwas Entscheidendes passieren.«
»Viel Zeit haben wir dann nicht mehr«, bemerkte Arndt nach einem kritischen Blick auf die bereits ziemlich tief stehende Sonne.
»Deshalb rasen Sie ja auch wie ein Verrückter, und ich tue nichts dagegen«, erwiderte Volkmar Overbeck trocken. Danach verfiel er wieder in Schweigen.
Sie erreichten die schmale Straße, die auf den Sternberg führte. Oben auf der Anhöhe thronte das Schloss. Es war eine kurvige Straße, hier konnte man unmöglich schnell fahren, und die Sirene war auch nutzlos, deshalb stellte Arndt sie ab. Die Straße wurde nur von den Schlossbewohnern, gelegentlichen Gästen, sowie Angestellten und Lieferanten benutzt.
Gelegentlich kam es auch vor, dass sich Touristen hierher verirrten, denn es gab keine Sperren, die sie daran gehindert hätten, doch die meisten begriffen schnell, dass es in Sternberg nicht üblich war, die Schlossbewohner auf ihrem privaten Grund und Boden zu belästigen. Bisher waren jedenfalls, von einigen unschönen Ausnahmen abgesehen, weder Zäune noch Absperrungen nötig, um durchzusetzen, dass dieses ungeschriebene Gesetz eingehalten wurde.
Nicht einmal jetzt, da die Polizei in einer Pressekonferenz bekannt gegeben hatte, dass der kleine Fürst zusammen mit seiner Freundin Opfer einer Entführung geworden war, lungerten auf dem Sternberg Neugierige herum. Was freilich nicht bedeutete, dass die Bevölkerung keinen Anteil nahm. Im Gegenteil. Und es hieß auch nicht, dass die Schlossbewohner sich in der Stadt ungehindert bewegen konnten. Vor allem Stephanie und Christian wurden überall, wo sie sich zeigten, fotografiert und um ein paar Worte gebeten. Auf dem Sternberg jedoch konnten sie sich ungehindert bewegen, ohne hinter jedem Baum einen Fotografen befürchten zu müssen.
Arndt fuhr in dem gemäßigten Tempo, das die engen Kurven ihm aufzwangen, die Straße hinauf. Da sie durch dichten Wald führte, war es hier plötzlich beinahe dunkel, aber als sie die Anhöhe erreichten, wurde es sofort wieder hell. Die Abendsonne ließ das weiße Schloss in mildem Glanz erstrahlen. Der Anblick hatte etwas Märchenhaftes. Unwillkürlich entfuhr allen drei Menschen im Wagen ein Seufzer.
Aber Arndt nahm sich nicht die Zeit, etwa kurz anzuhalten, um den Anblick zu genießen, im Gegenteil. Jetzt, da die enge Straße hinter ihnen lag, beschleunigte er wieder und hielt kurz darauf direkt vorm Hauptportal des Schlosses, das im selben Moment von innen geöffnet wurde.
Eberhard Hagedorn, nach Ansicht aller, die ihn kannten, der beste Butler der Welt, kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen. »Es ist sehr gut, dass Sie sich sofort auf den Weg gemacht haben«, sagte er. »Die Herrschaften und unser Besuch sind in der Bibliothek.«
Arndt lag die Frage auf der Zunge, um wen es sich denn bei diesem Besuch handelte, doch er schluckte sie hinunter, hätte er doch ohnehin keine Antwort bekommen, denn Eberhard Hagedorn war die Diskretion in Person. Niemals hätte er es sich erlaubt, ›den Herrschaften‹ vorzugreifen und etwa auszuplaudern, was diese den Beamten mitzuteilen hatten. Wobei er es ohne Zweifel wusste. Es gab, vermutete Arndt, im Schloss nichts, worüber der alte Herr keine Kenntnis hatte.
Sie folgten ihm in die Bibliothek, ohne die kostbaren Möbel und Gemälde, die antiken Vasen, Skulpturen und anderen Kunstwerke, an denen sie auf ihrem Weg vorüber kamen, auch nur eines Blickes zu würdigen. Es war schließlich nicht ihr erster Besuch im Schloss, und sie hatten im Moment wahrhaftig andere Sorgen.
Eberhard Hagedorn kündigte sie an, dann trat er zur Seite, um sie eintreten zu lassen. Rasch überflog Arndt die kleine Runde mit einem Blick und konnte einen Ausruf des Erstaunens nur mit Mühe verhindern: Der Besuch war ein höchstens zehnjähriges Mädchen. Sonst waren nur Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant anwesend, sowie ihre beiden Kinder Anna und Konrad.
Eberhard Hagedorn hatte bereits Getränke und Gebäck für alle bereitgestellt und zog sich nun, da er die Besucher in die Bibliothek geführt hatte, zurück.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Baronin Sofia nach der Begrüßung. »Unser Besuch ist Frieda Eckert. Sie haben ihren Namen vielleicht schon einmal gehört, sie war eine der Preisträgerinnen des Musikpreises der Stadt.«
»Ach, deshalb!«, entfuhr es Miriam. »Ich hatte gleich den Eindruck, dass ich dich schon einmal gesehen habe.«
Die kleine Frieda machte einen nervösen Eindruck. Sie zappelte mit den Beinen, verknotete ihre Hände, biss sich auf die Lippen, und sie war sehr blass.
»Wir sollten gleich zum Punkt kommen«, schlug der Baron vor. »Um es kurz zu machen: Frieda denkt, dass ihr Bruder einer der Entführer ist.«
Das kann ja wohl nicht wahr sein, dachte Arndt. Sie rufen uns mitten aus der Arbeit, damit wir uns die Fantasien einer Zehnjährigen anhören. Hat ihnen der Kummer um die Entführung die Gehirne vernebelt?
»Und wieso denkst du das, Frieda?«, erkundigte sich der Kriminalrat.
Weder seinem Gesicht noch seiner Stimme war anzumerken, was er dachte, aber Arndt hätte schwören können, dass seinem Vorgesetzten ähnliche Gedanken durch den Kopf schossen wie ihm selbst.
Frieda mochte nervös sein, schüchtern war sie nicht. Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Zuerst wusste ich ja gar nicht, dass die beiden verschwunden sind, aber ich habe Gerüchte gehört, dass die Polizei bei Frau Kabusch war.«
Arndt und Miriam wechselten einen Blick. Sie waren tatsächlich bei Mona Kabusch gewesen, das hatte sich ja schnell herumgesprochen!
»Frau Kabusch war früher meine Klavierlehrerin«, erklärte Frieda weiter. »Und in meiner Klasse sind welche, die gesagt haben, dass Frau Kabusch vielleicht was mit einem Terroranschlag zu hat und dass deshalb die Polizei bei ihr war. Ich habe mir gleich gedacht, dass das Quatsch ist. Dann ist mir eingefallen, dass Stephanie auch bei ihr Unterricht hat, und da habe ich