Der Henker 2 - Besuch aus einem Totenhaus
Von Uwe Voehl
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Der Henker, Band 2: Besuch aus einem Totenhaus
Uwe Voehls legendäre Miniserie "Der Henker" ... endlich als E-Book erhältlich!
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Der Henker 2 - Besuch aus einem Totenhaus - Uwe Voehl
Besuch aus einem Totenhaus
Band 2
Besuch aus einem Totenhaus
von Uwe Voehl
© Zaubermond Verlag 2013
© Der Henker
by Uwe Voehl
Titelbild: Mark Freier
eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur
http://www.zaubermond.de
Alle Rechte vorbehalten
Prolog
Frauen gehören nachts nicht auf die Straße, dachte Ilona.
Sie war bei einer Freundin gewesen, und es war spät geworden. Ilonas Wohnung befand sich direkt in der Innenstadt, aber um diese Zeit waren die Straßen menschenleer. Die Auslagen in den Schaufenstern wirkten grotesk, und die Schaufensterpuppen schienen bis auf Ilona ihre einzigen Betrachter zu sein.
Von der nahen Rathausturmuhr schlug es eins.
Rechts tauchte das kleine Theater auf, das erst vor zwei Wochen eröffnet worden war, und wäre es nicht so klein gewesen, hätte es dem etablierten Stadttheater sicherlich Konkurrenz gemacht.
Ilona war schon fast an dem Gebäude vorbei, als ihr bewusst wurde, dass hinter der Eingangspforte noch Licht brannte. Vielleicht war noch immer geöffnet. Ilona kam der verrückte Gedanke, sich um diese späte Stunde noch die laufende Vorstellung anzusehen. Sie wusste nicht, was gespielt wurde, da keine Plakate aushingen. Es sollte sich um ein Experimentierstück handeln, hatte sie irgendwo gehört.
Sie nahm sich nicht mehr die Zeit, über ihren Entschluss nachzudenken. Ihr Mut überraschte sie selbst ein wenig.
Die Tür war wirklich noch nicht abgeschlossen. Sie betrat einen engen, schlecht beleuchteten Korridor. Links befand sich hinter einer Glasscheibe die Kasse, die jedoch nicht besetzt war.
Ilona wäre umgekehrt und nach Hause gegangen, wäre da nicht diese fast kindliche Verlockung gewesen, irgendetwas Ungewöhnliches anzustellen.
Also ging sie weiter den Korridor hinein ...
Frauen, erst recht, wenn sie jung und hübsch sind, gehören nachts nicht auf die Straße, dachte Fred Bester.
Mit Bedauern schaute er auf den blutüberströmten Körper der jungen, vor ihrem Tode sicherlich schönen Frau. Nein, da war nichts mehr zu machen. Auf dem Armband des Mädchens stand der Name.
Ilona also, dachte Bester. Er musste an eine ehemalige Freundin gleichen Namens denken.
Bester beschloss, die Polizei zu benachrichtigen. Da sah er in einiger Entfernung eine seltsame Prozession, eine scheinbar endlose Reihe merkwürdiger Gestalten, die aus dem kleinen Theater kamen, das vor Kurzem eröffnet worden war.
Keinen Augenblick lang dachte Bester, dass es sich um die nach Hause gehenden Schauspieler oder gar um das Publikum handle, das die späte Vorstellung verlassen hatte. Dazu wirkte der Zug zu feierlich. Und es wohnte ihm eine unheimliche, irrsinnige Ordnung inne, die Bester mehr erahnte, als dass er sie exakt benennen konnte.
An der Spitze vollführte ein Liliputaner groteske Sprünge. Ihm folgte eine Schar bleicher, schöner Frauen in weißen, blutbesudelten Kleidern. Die Frauen wurden mithilfe von schweren Ketten, die sie um den Hals trugen, wie Sklaven geführt.
Feuerschlucker mit großen, abstoßenden Drachenschuppen und Jongleure, die mit nur halb abgenagten Knochen ihre Künste vorführten, schritten hinterher.
Kräftige, einäugige Riesen trugen einen schwarzen Sarg, auf dem ein Pantomime Gebärden vollführte.
Nein, dachte Bester, das sind alles keine normalen Schauspieler und Künstler. Zu grausig war die düstere Atmosphäre, die der Zug verbreitete, als dass sie aus Gespieltem hätte entstehen können.
Längst mussten auch sie ihn gesehen haben, denn sie kamen direkt auf ihn zu.
Bester dachte an das Mädchen, das auf dem Boden lag. Vielleicht war sie von den unheimlichen Leuten ermordet worden, und wenn er nicht ...
Eine Hand klammerte sich an sein Bein und drückte so fest zu, dass er vor Schmerz aufschrie.
Das Mädchen, es lebte!
Sie schaute mit glänzenden Augen zu ihm hoch und grinste ihn an. Wie ein wahnsinniges Ungeheuer kam sie ihm vor, zumal er geschworen hätte, dass sie tot gewesen war.
In plötzlicher blinder Angst trat er die Hand, die ihn umklammert hielt, beiseite und wollte davonlaufen. Doch abermals griff das Mädchen nach ihm, sodass er stürzte. Er lag auf dem Rücken und schaute über das zuckende Gesicht des Mädchens hinweg auf die sich nähernde Prozession.
Die blutbesudelten, weiß gekleideten Frauen zerrten an ihren Ketten. Die Sprünge des Zwerges wurden noch grotesker, die Gebärden des Pantomimen noch grauenerregender.
Mit einem Stab, dessen Ende eine Krallenhand aufwies, deutete der Zwerg in Besters Richtung.
Da ließ der zweite Liliputaner die zusammengeketteten Frauen los, die sofort vorwärtsstürmten.
Noch einmal gelang es Bester, die Hand beiseite zu treten. Er hechtete nach vorn und kam auf die Beine.
Die Frauen hatten ihn nun fast erreicht, aber die Angst vor einem schlimmeren Schicksal, als der pure Tod es war, ließ ihn schneller werden.
Er lief in die Fußgängerzone, huschte an den unbeleuchteten Schaufenstern der Kaufhäuser und Geschäfte vorbei und sehnte sich nach dem Trubel, der hier tagsüber herrschte.
Das Denken ließ ihn einen Moment lang langsamer werden, und eine der Frauen warf sich ihm von hinten zwischen die Beine, sodass er abermals stürzte.
Rasend schnell näherte sich ihm ein spitzes, raubtierhaftes Gebiss.
Und weiter hinten hob sich der Deckel des schwarzen Sarges, während der Pantomime darauf nicht aufhörte zu gestikulieren.
1. Kapitel
Ich fütterte Barbara.
Anstelle der Arme besaß Barbara riesenhafte Flügel, die zu spitzen Krallen ausliefen. Die Experimente Franks, meines teuflischen Vetters, waren dafür verantwortlich.
Ich wusste nicht, was aus Frank geworden war. Er war bei der Beschwörung einer grauenhaften Magie von herabfallendem Gestein getroffen und fortgerissen worden. Ich konnte nur hoffen, dass er tot war. Von meinen Gefährten, dem Studienrat Althaus und Paul, hoffte ich das Gegenteil. Vielleicht würden sie wieder auftauchen. Ich hatte versucht, ein weiteres Mal in die Altstadt zu gelangen, aber selbst mit der Henkersmaske auf dem Haupt war mir der magische Zugang versperrt geblieben. Das weckte die Hoffnung in mir, dass der Zauber vorbei sein möge.
Barbara hatte mich vor den herabstürzenden Steinen gerettet. Während meiner Umnachtung in der Altstadt hatte ich mich wohl, ohne mich dessen erinnern zu können, mit Barbara angefreundet, wenngleich intimer, als ich es wahrhaben wollte.
Barbara war eine Mörderin. Ich selbst war dabei gewesen, als sie einen alten Mann und ein unschuldiges Kind grausam ermordet hatte. Aber da hatte sie noch unter dem Einfluss Franks gestanden, und ich hoffte, dass ich sie zähmen konnte.
Die Fleischbrocken, mit denen ich sie fütterte, aß sie diszipliniert und langsam, aber in ihren Augen lag ein Schimmer von Gier.
Sie war wieder die ganze Nacht unterwegs gewesen. Ich vertraute ihr, und ihr Hunger am Morgen zeigte mir jedes Mal, dass sie ihre raubtierhaften Instinkte in der Nacht zurückgehalten hatte.
Ich fragte mich, wann die Nachbarschaft merken werde, was für eine seltsame Untermieterin ich mir zugelegt hatte. Wenn jemand Barbara sah, konnte es unangenehme Folgen für uns haben, denn ihre Beschreibung war vor einigen Wochen durch die Presse gegangen, nachdem eine Anzahl Zeugen sie bei dem Kindesmord gesehen hatte.
Nach der Mahlzeit war sie müde. »Ich erzähle heute Abend«, sagte sie schläfrig.
Barbara ging in ihr Zimmer, und ich setzte mich an meinen Schreibtisch. Seit zwei Wochen arbeitete ich wieder konsequent wie früher, da ich schließlich nicht von Luft und Abenteuern leben konnte. Und auch nicht von der Henkersmaske.
Meine Illustrationen waren nach wie vor gefragt.
Es war fast halb acht, und ich schaltete das Radio ein.
Da klingelte es. Ich erhob mich und ging zur Tür.
Draußen stand ein glatzköpfiger Riese von Mann, dessen Anzug eingerissen und schmutzig war. »Herr Berger?«
»Sie wollen zu mir?« Ich ahnte sofort irgendwelche Schwierigkeiten. Dabei würde ich gerade in den nächsten Tagen Ruhe benötigen, da der Vollmond bevorstand und ich mich wieder in einen Werwolf verwandeln würde.
»Die Haushälterin von Herrn Althaus hat mir Ihre Adresse gegeben.«
»Sie kennen den Studienrat?«
Er nickte. »Ich brauche seine Hilfe oder wenigstens seinen Rat, aber man sagte mir, er sei auf Reisen. Sie wüssten besser Bescheid.«
»Kommen Sie erst einmal herein«, sagte ich. »Sie sehen ziemlich übernächtigt aus.« Ich bot ihm einen