Wenn die Liebe fehlt: Karin Bucha Classic 49 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Über dieses E-Book
Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
»Frau Bornemann kommt Donnerstag zur Bestrahlung. Notieren Sie bitte, Schwester Ly«, wandte Dr. med. Suchen sich an seine Sprechstundenhilfe Schwester Ly. »Der Nächste, bitte!« Vom Fenster setzte sich eine schlanke Frauengestalt ab und wandte sich in das nunmehr leere, schon dämmrige Zimmer. »Renate – du?!« Suchens abgespannte Züge belebten sich. Schreck und Freude spiegelten sich darin. Er zögerte, schließlich machte er eine einladende Handbewegung. Renate Merkel trat an dem Arzt vorbei in das Ordinationszimmer und blieb unschlüssig stehen, als sie Schwester Ly bemerkte. Die beiden Frauen wechseln einen kühlen Gruß. Sprechenstundenhilfe die Karte ein, knallt den Kasten zu, daß Renate leicht zusammenzuckt, und erleichtert atmet sie auf, als die weiße Gestalt in das kleine Gemach neben dem Ordinationszimmer verschwindet, wo die Apparate stehen. Mit zwei Schritten steht Dr. Suchen neben seiner Besucherin und umfaßt ihre Schultern. »Ich habe dich doch gebeten, mich nicht in meiner Praxis aufzusuchen«, beginnt er, die peinlich gewordene Stille zu unterbrechen. Die dunklen feuchtschimmernden Augen Renates forschen in den seinen. Ihr Herz schlägt schneller.
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Wenn die Liebe fehlt - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 49 –
Wenn die Liebe fehlt
Karin Bucha
»Frau Bornemann kommt Donnerstag zur Bestrahlung. Notieren Sie bitte, Schwester Ly«, wandte Dr. med. Suchen sich an seine Sprechstundenhilfe Schwester Ly.
»Der Nächste, bitte!«
Vom Fenster setzte sich eine schlanke Frauengestalt ab und wandte sich in das nunmehr leere, schon dämmrige Zimmer.
»Renate – du?!« Suchens abgespannte Züge belebten sich. Schreck und Freude spiegelten sich darin. Er zögerte, schließlich machte er eine einladende Handbewegung. Renate Merkel trat an dem Arzt vorbei in das Ordinationszimmer und blieb unschlüssig stehen, als sie Schwester Ly bemerkte.
Die beiden Frauen wechseln einen kühlen Gruß. Gelassen reiht die
Sprechenstundenhilfe die Karte ein, knallt den Kasten zu, daß Renate leicht zusammenzuckt, und erleichtert atmet sie auf, als die weiße Gestalt in das kleine Gemach neben dem Ordinationszimmer verschwindet, wo die Apparate stehen. –
Mit zwei Schritten steht Dr. Suchen neben seiner Besucherin und umfaßt ihre Schultern. »Ich habe dich doch gebeten, mich nicht in meiner Praxis aufzusuchen«, beginnt er, die peinlich gewordene Stille zu unterbrechen.
Die dunklen feuchtschimmernden Augen Renates forschen in den seinen. Ihr Herz schlägt schneller. Ihr Atem geht erregt. Wie ich ihn liebe – denkt sie – und sekundenlang schmiegt sie sich fest an ihn. Sie steht schon wieder im Banne seiner unwahrscheinlich blauen Augen, die so klar und gütig blicken können, in denen es aber auch hart wetterleuchten kann.
»Warum hast du nichts von dir hören lassen, Hans?« zittert es von ihren Lippen. »Seit Tagen warte ich auf dich.«
Schnell schließt sie die Augen, da sie spürt, wie sich seine Arme fester um sie legen.
»Die Praxis, Renate«, sagt er leise. »Die Arbeit hat mich einfach nicht losgelassen. Krankenbesuche bis spät in die Nacht.«
Mit Rührung blickt er auf sie hinab, haucht einen Kuß auf die seidigen Wimpern, auf den schöngeschwungenen Mund. »Wie blaß du bist, Renate. Hast du dich gesorgt? Mein Gott, Renate, das darfst du nicht tragisch nehmen. Ein Arzt ist nicht Herr seiner Zeit. Verstehst du das nicht?«
»Doch, doch«, flüstert sie, ohne ihre Haltung zu verändern. »Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Sehnsucht – und – und ich muß mit dir sprechen, heute noch!«
Jetzt schlägt sie die Augen zu ihm auf und schaut ihn mit ungewöhnlichem Ernst an. Ein Schreck zuckt ihm zu Herzen. Weiß sie etwas? Noch ehe er gebeichtet hat? Warum hat er es nicht schon längst getan?
Wirklich, er liebt sie – aber er liebt auch die andere, die seinen Namen trägt, die ein armes, geschlagenes Menschenkind ist, und der sein ganzes Mitleid gehört.
Angst fällt ihn an, Angst, mit seiner Beichte zu spät zu kommen, sie verlieren zu müssen. Er zwingt sich zu einem Lächeln, versucht diese Angst hinter seiner Frage zu verstecken. »Ist es wirklich so wichtig, Kind?«
Sie nickt und bestätigt ernsthaft. »Sehr wichtig, Hans.« Dann verziehen sich erstmals ihre Lippen zu einem schattenhaften Lächeln. Es wirkt halb gequält, halb verlegen.
Wieder zieht er sie fest an sich. Sie ist ein äußerst reizvoller Mensch, diese Renate Merkel, feingliedrig, hoch und schlank gewachsen, mit samtdunklen Augen und dunkelglänzenden Haaren, die ein schmales, eigenwilliges Gesicht umschließen.
Was ihm aber zuerst an ihr gefiel, war ihre fröhliche Lebensbejahung, ohne leichtsinnig zu sein. Ihre unproblematische, unbekümmerte Art, an der er sich aufgerichtet hatte zu einer Zeit, da er auf dem besten Weg war, schwermütig zu werden. Ihr Lachen hatte ihn bis in die Schwere seines Alltags hinein begleitet und ihm immer den Lebensmut gestärkt.
Um so mehr beunruhigt ihn jetzt ihr Kommen und ihr beinah verstörtes Wesen.
»Hast du heute wenigstens Zeit für mich, Hans?« fällt ihre Frage in seine kurze Versunkenheit.
Es ist so schön, ihre lebenswarme Nähe zu spüren, die ihn so vieles vergessen läßt, was seine Seele bedrückt.
Er richtet sich etwas empor und löst dabei sanft ihre Arme von seinem Nacken, die sich zärtlich um ihn geschlungen haben.
»Ich mache Schluß hier«, sagt er und ist fest entschlossen, ihr heute die Warheit zu sagen. »Nimm indessen Platz.« Er drückt sie auf den nächsten Stuhl.
Ist es ihm so unangenehm, daß sie ihn trotz seines Verbotes in der Praxis aufgesucht hat?
Unerklärliche Angst greift nach ihr.
»Können wir jetzt gehen?« hört sie sich fragen. Die Stimme klingt gepreßt und kommt ihr selbst fremd vor.
Dr. Suchen schreckt empor, als habe er Renates Anwesenheit völlig vergessen. »Natürlich, Renate! Sofort«, versichert er eifrig, zu eifrig, und wendet sich sogleich unwillig der Tür zu, in der nach kurzem Anklopfen die Sprechstundenhilfe erscheint.
»Verzeihung, Herr Doktor«, sagt sie, ein kleines Lächeln in den Mundwinkeln. »Sie haben mein Klopfen überhört. Das Telefon. Ihre Gattin ist am Apparat. Es sei dringend.«
Ein Klirren! Eines der Instrumente schlägt auf den Boden. Es ist Suchens kraftlos gewordenen Händen entglitten. Schwester Ly, die sich diensteifrig danach bücken will, wird mit einer heftigen Handbewegung aus dem Zimmer gescheucht.
*
Totenstille!
Renates weit aufgerissene Augen hängen an Dr. Suchens kalkig weißem Gesicht. Sie will sich erheben. Die Glieder versagen ihr den Dienst. Sie bemüht sich um einen Laut, einen einzigen armseligen Laut. Die Zunge ist wie gelähmt.
Eine Lawine scheint sich auf Renate zuzuwälzen, um sie zu vernichten.
Gattin! – Gattin!
Das ist ja Wahnsinn! Ich träume! Gleich werde ich erwachen, und alles ist wie früher. Aber diese furchtbare, vernichtende Stille! Warum spricht Hans nicht? Warum kommt er nicht zu mir und erklärt mir, daß das nicht wahr ist?
»Hans!«
Hat sie geflüstert? Hat sie es ge-schrien? Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, daß etwas geschehen muß, was die ungeheure Spannung in ihr zum Zerreißen bringt.
Da fühlt sie sich umschlungen. Ganz nahe ist ihr das geliebte Gesicht. Sie hört seine dunkle erregte Stimme.
»Hör mich an, Renate, bitte hör mich an, und sei nicht so verzweifelt.«
Sie hat das Gefühl, als wäre dieses Gesicht ihr ganz fremd, als hätte sie es nie gekannt, und Zorn und Erbitterung steigen so gewaltig in ihr empor, daß sie am liebsten in dieses Gesicht hineingeschlagen hätte, wenn… wenn sie es nicht so sehr lieben würde.
In einem Anfall von Schwäche lehnt sie sekundenlang den Kopf an seine Brust und stammelt hilflos:
»Oh, Hans – wie furchtbar. Du hast mich die ganze Zeit belogen. Deshalb also durfte ich nie zu dir kommen –?«
Ein Geräusch an der Tür läßt ihn herumfahren. Schwester Ly macht ihm ein Zeichen. Er winkt ab und nimmt Renates Gesicht zwischen seine Hände. Seine Stimme hat einen beschwörenden Klang.
»Ich werde dir alles erklären, Renate. Ich liebe dich ehrlich und wahrhaftig. Bitte, warte hier. Ich bin sofort zurück.«
Suchen löst sich von ihr und eilt hinaus. Sein weißer Mantel ist wie ein heller, schmerzhafter Fleck. Renate schließt die Augen und sinkt stöhnend in sich zusammen.
Oh, mein Gott – denkt sie nur – oh, mein Gott! –
Dr. Suchen schließt geräuschlos die Tür hinter sich. Seine Hände zittern. In den Knien spürt er ein weiches Gefühl. Ihm ist zumute, als müßte er Schwester Ly das Genick umdrehen. Und doch spürt er trotz aller Erregung etwas wie Erleichterung, daß das ängstlich vor ihr gehütete Geheimnis nun gelüftet ist.
Zaghaft greift er nach dem Telefon. Er benetzt die trockenen Lippen mit der Zunge und atmet ein paarmal tief. Der Apparat brennt wie glühendes Eisen in seiner Hand. Endlich hat er die Schwäche überwunden.
»Ja, Eva«, meldet er sich mit rauher Stimme. Dabei lauscht er angestrengt auf jeden Laut in der Wohnung. Renate wird doch nicht weglaufen – denkt er verzweifelt. Dann reißt er sich zusammen. »Bist du noch da, Eva?«
»Kommst du bald nach Hause, Hans?« hört er die ängstliche Frage. Die Stimme ist kindlich und weich und erweckt sofort alles Mitleid in ihm.
»Aber Eva«, erwidert er mit leichtem Vorwurf. »Deshalb brauchst du doch nicht anzurufen. Das hätte doch Helga für dich tun können. Bist du etwa aufgestanden?«
»Ja, Hans, bitte nicht böse sein. Ich hatte solche Angst, ganz allein im Haus. Mir war plötzlich unheimlich zumute und… und ich wollte wenigstens deine Stimme hören – Hans…«
»Aber, Kind, wie konntest du! Wo sind denn deine beiden Betreuerinnen, die Helga und die Barthels?« forscht er besorgt.
»Sie wollten Besorgungen machen und schnell wieder zurückkehren«, kommt es weinerlich zurück. »Nun bin ich schon solange allein. Kommst du bald?«
»Natürlich komme ich bald –« Er zögert, wischt sich mit der Linken über die Stirn, auf der Schweiß steht. »Nur noch ein paar dringende Besuche, Eva.«
Wieder zögert er, preßt die Zähne in die Unterlippe. Wie schrecklich. Wieder muß er einen gläubigen Menschen be-lügen.
»Hans!« reißt ihn die kindlich bittende Stimme in die Gegenwart zu-rück. »Komme bald, hörst du – ich –
ich –«
»Ja, sobald ich kann, komme ich, Eva«, sagt er entschlossen. »Leg dich wieder hin. Kannst du bis zum Bett gehen? Gut, Eva, versuche es. Ich schicke dir indessen Schwester Ly. Bis nachher.«
Er beendet rasch das Gespräch. Sekundenlang steht er bewegungslos, die Hände gegen die Schläfen gepreßt. Mein Gott, was für ein Tag! Dort die kranke Eva. Hier Renate, das getäuschte, verzweifelte Mädchen. Alles habe ich falsch gemacht – denkt er.
Im Röntgenzimmer findet er Schwester Ly. Mit einem kleinen Schrei fährt sie herum, erkennt den Chef und fragt entsetzt:
»Ist was passiert? Mit Ihrer Frau? Oder – sind Sie krank?«
Er winkt ab, mühsam formt er die Worte.
»Wollen Sie mir einen Gefallen tun, Schwester Ly?« Er muß sich zu einem sachlichen Ton zwingen. Und als sie eifrig nickt, fährt er fort: »Meine Frau befindet sich ohne Hilfe im Haus. Wollen Sie einstweilen zu ihr gehen? Sie ängstigt sich. Eine der beiden Dienstboten wird wohl bald heimkehren. Dann sind Sie endlich frei.«
»Selbstverständlich, Herr Doktor, ich gehe sofort«, verspricht sie schnell, wirft noch einen Blick in das verstörte Gesicht des Chefs und huscht davon.
Eiligst kehrt er in sein Ordinationszimmer zurück, wo Renate immer noch in zusammengesunkener Haltung im Sessel hockt. Ihr Kopf ruht in der Beuge ihres Armes. Ungehemmt fließt das dunkle seidigglänzende Haar darüber. Das süße kleine Hütchen liegt irgendwo achtlos auf dem Boden. Behutsam hebt Suchen es auf und legt es auf die Schreibtischplatte.
Zaghaft nähert er sich Renate. An den Schultern dreht er sie zu sich herum. Ein paar samtdunkle, wie erloschen wirkenden Augen sehen ihn an.
»Renate, bitte, hör mir gut zu«, fleht er förmlich, weil ihr starres Wesen ihn maßlos ängstigt. Unverwandt schaut sie ihn an, als wolle sie sich seine Züge für ewig einprägen. Als suche sie in diesem edlen, stolzen Männergesicht nach einem Zug von Gemeinheit oder Niedertracht. Aber sie kann nichts finden. Es ist dasselbe reine Bild, wie es immer vor ihrer Seele schwebt.
Ernst, traurig sind seine Augen. Merkwürdig helle Augen. Augen, die den Menschen bis auf den Grund der Seele zu blicken scheinen.
Und plötzlich löst sich die ungeheure Spannung in ihr. Ein Laut, tief aus dem Herzen kommend, ringt sich empor. Ein Schluchzen, heiß und bitterlich.
»Ach, Hans, was hast du aus mir gemacht!«
Er hört nur das wehe Weinen, das ihm tief ins Herz schneidet. Aber er weiß, daß er jetzt nicht in sie hineinreden darf, daß der Tränenstrom ungehindert fließen muß.
So wartet er geduldig, bis das Weinen leiser und leiser wird und endlich verstummt ist. Dann geht er zu ihr, hebt ihr Kinn empor und sieht ihr in die weit aufgerissenen Augen. Die letzten Tränen hängen noch an den dichten, leichtgebogenen Wimpern, die diese samtenen Augen wie ein Kranz umgeben. Liebe und Erbarmen machen ihn seltsam weich.
»Renate, Liebes, laß dir alles erklären –«
Mit einer Bewegung unterbricht sie ihn leidenschaftlich.
»Was gibt es noch zu erklären? Ich weiß ja alles, und das ist so entsetzlich – so gemein. Ich weiß nicht mehr aus noch ein.« Sie schlägt die Hände vor das Gesicht und murmelt zwischen den Fingern. »Und ich schäme mich… Ich schäme mich so sehr –«
»Du schämst dich deiner Liebe zu mir?« fragt er betroffen.
Mit einem Ruck steht sie auf den Beinen. Ihre Augen funkeln ihn feindselig an.
»Ja, und nochmals ja. Ich schäme mich«, stößt sie fassungslos und erbittert hervor. »Ich schäme mich, daß mein Kind geboren wird, und sein Vater einer anderen gehört –«
»Renate!«
Sie preßt die Hand gegen den Mund. Sie bereut, daß die Erregung ihr