Cowboy Flaherty: Wyatt Earp 127 – Western
Von William Mark und Mark William
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Richter O'Neil stützte sich mit beiden Händen auf die schwere Tischplatte auf und schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht verstehen, daß er nicht hereingekommen ist.«
Der weißhaarige Herr hob den Kopf und blickte auf die junge Frau, die ihm gegenüber am Fenster lehnte. Sie mochte etwa vierundzwanzig Jahre alt sein, war hochgewachsen, hatte flachsblondes Haar und aquamarinfarbene Augen. Um ihren vollen Mund spielte ein Lächeln.
»Vater, du mußt das doch verstehen«, sagte Jenny O'Neil. »Der Marshal hat doch andere Dinge zu tun, als uns zu besuchen. Wie du gehört hast, hat er Capucine gestellt. Was das bedeutet, solltest du besser wissen als jeder andere.«
»Natürlich weiß ich das, Kind. Es geht ja auch nicht darum. Ich finde nur, er hätte wenigstens einmal hereinschauen können. Sein Vater und ich haben uns ein Menschenalter gekannt und gut verstanden. Und der junge Wyatt hat uns früher in Denver besucht und auch oben in Quincy. Daß er sich nun gar nicht hat sehen lassen, begreife ich einfach nicht. Schließlich war er jetzt doch zweimal hier.«
Jenny lächelte immer noch und blickte den Vater ein wenig mitleidig an. »Wyatt Earp ist in erster Linie ein Gesetzesmann, Vater. Außerdem bin ich überzeugt, daß er hergekommen wäre, wenn er auch nur eine Viertelstunde hätte erübrigen können.«
O'Neil griff nach dem Zinnbecher, in dem er seine Virginiazigarren stehen hatte, zog eine heraus und zündete sie an.
Dünner bläulicher Rauch kräuselte sich in dem kleinen Zimmer, das zur Straße hinaus lag.
Jenny wandte den Kopf und blickte hinaus. Sie dachte an das, was sie in der vergangenen
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Cowboy Flaherty - William Mark
Wyatt Earp –127–
Cowboy Flaherty
Roman von William Mark
Richter O’Neil stützte sich mit beiden Händen auf die schwere Tischplatte auf und schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht verstehen, daß er nicht hereingekommen ist.«
Der weißhaarige Herr hob den Kopf und blickte auf die junge Frau, die ihm gegenüber am Fenster lehnte. Sie mochte etwa vierundzwanzig Jahre alt sein, war hochgewachsen, hatte flachsblondes Haar und aquamarinfarbene Augen. Um ihren vollen Mund spielte ein Lächeln.
»Vater, du mußt das doch verstehen«, sagte Jenny O’Neil. »Der Marshal hat doch andere Dinge zu tun, als uns zu besuchen. Wie du gehört hast, hat er Capucine gestellt. Was das bedeutet, solltest du besser wissen als jeder andere.«
»Natürlich weiß ich das, Kind. Es geht ja auch nicht darum. Ich finde nur, er hätte wenigstens einmal hereinschauen können. Sein Vater und ich haben uns ein Menschenalter gekannt und gut verstanden. Und der junge Wyatt hat uns früher in Denver besucht und auch oben in Quincy. Daß er sich nun gar nicht hat sehen lassen, begreife ich einfach nicht. Schließlich war er jetzt doch zweimal hier.«
Jenny lächelte immer noch und blickte den Vater ein wenig mitleidig an. »Wyatt Earp ist in erster Linie ein Gesetzesmann, Vater. Außerdem bin ich überzeugt, daß er hergekommen wäre, wenn er auch nur eine Viertelstunde hätte erübrigen können.«
O’Neil griff nach dem Zinnbecher, in dem er seine Virginiazigarren stehen hatte, zog eine heraus und zündete sie an.
Dünner bläulicher Rauch kräuselte sich in dem kleinen Zimmer, das zur Straße hinaus lag.
Jenny wandte den Kopf und blickte hinaus. Sie dachte an das, was sie in der vergangenen Nacht gehört hatte. An die fürchterliche Schießerei unten in der Mainstreet. Sie hatte oben an ihrem Fenster gestanden und an der Straßenecke die Männer gesehen.
Sie hatte Doc Hollidays geisterhafte schwarze Gestalt über dem weißen Schnee der Straße deutlich erkannt. Und dann auch die athletische Gestalt des Missouriers. Das Herz hatte sich ihr zusammengekrampft, als die Schüsse aufgeblitzt waren. Und dann war sehr schnell alles wieder still gewesen.
Erst am Morgen hatte sie gehört, daß Wyatt Earp und Doc Holliday mit Lazaro Capucine und den Galgenmännern gekämpft hatten. Capucine war von dem Marshal gestellt und gleich darauf aus der Stadt weggebracht worden.
Sie wußte, daß der Vater das alles sehr gut verstand und nur deshalb so sprach, weil er vor allem an sie dachte. Schon vor Jahren hatte die blutjunge Jenny O’Neil den stolzen Sheriff Earp verehrt, und als er dann Marshal in Dodge City wurde, hatte sie ihm Briefe geschrieben. Und das war noch nicht einmal sehr lange her.
Als sie jetzt hinausblickte, fühlte sie, daß der Vater auf ihren Rücken sah. Und dann hörte sie auch seine Schritte und spürte den Duft seiner Zigarre hinter sich.
»Jenny«, sagte der alte Herr mit brüchiger Stimme, »man sollte sich nicht so viele Gedanken machen. So ein Gesetzesmann ist in gewisser Weise kein gewöhnlicher Mensch. Oder ich will sagen, kein Mensch wie jeder andere. Sieh mal, Wyatt Earp…, nun ja, er ist eben Wyatt Earp…«
Jenny wandte sich um und lächelte den Vater an.
»Gib dir keine Mühe, Dad. Ich verstehe dich schon, und ich bin auch gar nicht traurig, daß er nicht gekommen ist. Es ist so, wie ich dir sagte: Ich bin sicher, daß er gekommen wäre, wenn er nur eine Viertelstunde Zeit gehabt hätte.«
Draußen lag ein trüber dunstiger Schneetag, der die Menschen geduckt dicht an den Häusern vorbeischleichen ließ.
Die O’Neils wohnten seit der Pensionierung des Richters hier oben in der Bergstadt Pyramid, wohin sie von Denver aus gekommen waren. Richter O’Neil hatte schon in seiner Jugend davon geträumt, später irgendwo einmal oben in den Bergen leben zu können. Und diesen Traum hatte er wahr gemacht. Zwar hätte er sein Haus lieber ein wenig außerhalb der Stadt gehabt, aber er hatte es billig erworben, und da er keineswegs über größere Mittel verfügte, war er es auch so zufrieden.
Seine Frau war schon in Denver gestorben. Die beiden O’Neils lebten hier zufrieden ihren Tag. Es war nicht allzuviel, was der Richter in einem arbeitsreichen Leben zusammengespart hatte, aber für sie beide würde es reichen. Sie waren bescheiden und stellten keinerlei Ansprüche an das Leben.
Gern hätte der Richter gesehen, wenn seine Tochter geheiratet hätte. So schmerzlich es ihm auch gewesen wäre, auf sie verzichten zu müssen, denn er hatte sich daran gewöhnt, daß sie um ihn war. Doch als vernünftiger Vater wünschte er ihr natürlich das gleiche Glück, das er mit seiner lieben Frau siebenunddreißig Jahre lang gefunden hatte.
Aber es schien so, daß sich die hübsche Jenny O’Neil nicht nach einem solchen großen Glück sehnte. Der einzige Mann, für den sie sich bisher interessiert hatte, war ausgerechnet der Marshal Earp. Ein Mann, den der Richter außerordentlich schätzte – den er sich aber doch nicht als Schwiegersohn wünschte, da er befürchtete, daß dessen Leben früher oder später irgendwo auf einer Straße von der Revolverkugel eines Banditen beendet werden würde.
Jetzt hob er den Kopf an, schob die Daumen in die Ausschnitte seiner schwarzen, mit Goldfäden bestickten Weste und blickte über die Schulter der Tochter hinaus auf die Straße.
»Weißt du, Jenny, Männer wie Wyatt Earp müssen sein in diesem Land. Ohne sie wäre hier immer noch das Chaos, das wir vor einem halben Jahrhundert hatten. Leider haben wir zu wenig Männer seines Schlages. Aber das Leben, das sie führen müssen, ist gefährlich. Ich weiß nicht, ob es gut wäre, als Frau ein solches Leben teilen zu müssen.«
Jenny O’Neil war blutrot geworden und wagte nicht, sich umzudrehen. Glühende Hitze war ihr in die Schläfen gestiegen.
Der Alte legte seine welke Hand auf die Schulter seiner Tochter, wandte sich dann um und ging hinaus, um sich oben in seinem Zimmer in seine alten Bücher zu vergraben.
Richter O’Neil ahnte sicher nicht, daß er noch an diesem Tage seine Tochter verlieren würde und sie niemals wiedersehen würde.
Es war später Nachmittag, als Jenny O’Neil das Haus verließ, um Miß Florestan aufzusuchen, mit der sie befreundet war.
Die beiden jungen Damen unterhielten sich an langen Winterabenden gern bei einer Tasse Tee im Dämmerlicht. Ann Florestan hatte ihre Eltern bei einem Bandenüberfall vor fünf Jahren verloren und lebte seitdem allein in einem kleinen Haus am Ende der Stadt von Näharbeiten.
Als es so dunkel geworden war, daß die beiden Mädchen einander nicht mehr sehen konnten, erhob sich Ann, um die Kerosinlampe anzuzünden.
Sie hatte den Tisch noch nicht erreicht, als sie Schritte im Flur hörte und zu Tode erschrak.
Es waren die harten Schritte eines Mannes.
Gleich darauf wurde die Tür aufgestoßen.
Ein erstickter Ausruf des Schreckens flog von den Lippen der beiden jungen Frauen.
Sie hatten sich umgewandt und starrten entgeistert, wie gelähmt vor Schrecken, zu der Tür hin, ohne irgend etwas sehen zu können.
Mehrere Sekunden verrannen.
In dem kleinen Zimmer herrschte lähmendes Schweigen.
Dann hatte Jenny O’Neil sich gefangen. Zwar flogen ihre Hände, und ihre Stimme wollte ihr versagen, dennoch preßte sie heiser hervor: »Wer – ist da?«
»Sind Sie Jenny O’Neil?« fragte der Mann zurück. Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang, so, als ob sie hinter einem Vorhang hervorkäme. Zudem kam, daß er nur im heiseren Flüsterton sprach.
»Ja«, entgegnete die Tochter des Richters. »Was wollen Sie, und wer sind Sie überhaupt?«
»Das tut nichts zur Sache. Kommen Sie mit.«
Jennys Herz drohte stehenzubleiben.
Da schlug ein schwacher erstickter Laut von den Lippen ihrer Freundin. Ann Florestan brach zusammen und schlug hart auf den Dielen des Bodens auf.
Jenny starrte in das Dunkel hinein, dorthin, wo sie den Mann wußte.
Dann hörte sie seine Schritte, die näherkamen. Und dann stand er vor ihr.
Das schwache Licht, das von der verschneiten Straße und dem Nachthimmel durch das kleine Fenster fiel, ließ sie die Gestalt des Mannes schemenhaft erkennen. Er war sehr groß, breitschultrig und und trug eine Zipfelmaske über dem Kopf, die ihm bis zu den Schultern reichte. Seltsamerweise schien die Spitze der Zipfelmaske abgeschnitten zu sein. In Augenhöhe waren zwei dunkle Löcher zu sehen.
Er wirkte unheimlich, dieser Mann, wie er jetzt so reglos vor ihr stand.
Und plötzlich kam der Tochter des Richters die Erkenntnis: Ein Galgenmann!
Und mit dieser Erkenntnis kam auch schon die nächste: Er ist der Boß der Galgenmänner! Die Spitze seiner Zipfelmaske ist nicht abgeschnitten, sondern schwarz gefärbt!
Jenny O’Neil hätte nicht die Tochter des Richters sein dürfen, wenn sie über diese Dinge nicht informiert gewesen wäre. Und für diesen Mann hier hatte sie sich ganz besonders interessiert, da der Marshal Earp ihn seit Monaten verfolgte.
Der gefährlichste aller Verbrecher, die jemals im weiten Westen aufgetaucht waren! Ein Bandenchief vom Schlage Ike Clantons. Ein Mann, der womöglich Tombstoner Viehräuberfürst, der fast ein Jahrzehnt lang das ganze Land unten im Süden in Angst und Schrecken gehalten hatte. Dieser Mann hier führte eine Bande an, die noch weit größer war als die des Ike Clanton.
Die Verbrecher nannten ihre weitverbreitete Organisation »Geheimbund der Maskenmänner«. Ihr Zeichen war das Dreieck, das ihre Anführer auf silbernen Siegelringen trugen. Und ein anderes makabres Zeichen ihrer fürchterlichen