Der Bergpfarrer 392 – Heimatroman: Der Erbe vom Lindnerhof?
Von Toni Waidacher
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Norbert Winkler zerrte Melanie Burmeister mit sich. "Weiter!", kommandierte er barsch. "Beeil dich!" Die junge Frau keuchte und rang nach Luft. Nachdem ihr Verlobter sie fast vierundzwanzig Stunden in der Streusachhütte eingesperrt und gefangen gehalten hatte, war er schließlich zurückgekommen und hatte die Fesseln an ihren Füßen gelöst. "Steh' auf!" Mit zitternden Knien stand Melanie auf den Beinen, die fürchterlich kribbelten, als die Blutzirkulation wieder in Gang kam. "Hast du keinen Hunger?", wollte Winkler wissen
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Der Bergpfarrer 392 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer –392–
Der Erbe vom Lindnerhof?
Katja findet ihn sehr sympathisch...
Roman von Toni Waidacher
Norbert Winkler zerrte Melanie Burmeister mit sich. »Weiter!«, kommandierte er barsch. »Beeil dich!«
Die junge Frau keuchte und rang nach Luft. Nachdem ihr Verlobter sie fast vierundzwanzig Stunden in der Streusachhütte eingesperrt und gefangen gehalten hatte, war er schließlich zurückgekommen und hatte die Fesseln an ihren Füßen gelöst.
»Steh’ auf!«
Mit zitternden Knien stand Melanie auf den Beinen, die fürchterlich kribbelten, als die Blutzirkulation wieder in Gang kam.
»Hast du keinen Hunger?«, wollte Winkler wissen.
Sie schüttelte den Kopf. Am Morgen war er schon einmal in die Hütte gekommen und hatte ihr Essen und Trinken gebracht. Allerdings hatte Melanie nur getrunken, die belegten Semmeln lehnte sie ab.
Achtlos gab Winkler der Tüte einen Tritt, die in der Ecke landete, und nahm Melanies Arm.
»Vorwärts!«
Das grelle Sonnenlicht blendete die ›Frau ohne Gedächtnis‹, und sie schloss für einen Moment die Augen.
»Was hast du vor?«, fragte sie. »Wohin bringst du mich?«
Ihr Verlobter grinste. »Dorthin, wo hoffentlich deine Erinnerungen zurückkehren«, antwortete er und dirigierte sie einen breiten Weg hinunter.
Melanie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Norbert hatte sie im Wald, als sie gerade zusammen mit Pascal Metzler Schwammerln suchte, betäubt und entführt. Als sie wieder erwachte, befand sie sich in einem dunklen Raum, der, wie sich jetzt herausstellte, zu einer Hütte gehörte, in die Norbert Winkler sie gebracht hatte.
Vorausgegangen war dem ganzen Drama ein tragischer Unglücksfall, bei dem Melanie Burmeister beim Klettern abgestürzt war. Am Fuße der ›Kleinen Wand‹, einem bei Kletterern und Bergsteiger beliebter Felsen, war die ohnmächtig daliegende Frau gefunden worden. Sie wurde in die Bergklinik ›Nonnenhöhe‹ gebracht, wo man nach ihrem Erwachen feststellte, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte.
Während ihres anschließenden Aufenthalts in der Landklinik Schirmerhof lernte Melanie den jungen Franzosen Pascal Metzler kennen und verliebte sich in ihn, nicht ahnend, dass sie bereits mit Norbert Winkler verlobt war. Doch plötzlich stand der eines Tages vor ihr und forderte sie auf, mit ihm nach Gera zu kommen, wo angeblich die Firma, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, vor dem Ruin stünde.
Nach Winklers Worten wurden dringend geheime Unterlagen, Baupläne und Ähnliches, benötigt, damit die Burmeister GmbH, die auch für die Bundeswehr arbeitete, ihre Aufträge ausführen könne.
Indes wehrte sich alles in Melanie, sie konnte nicht glauben, tatsächlich mit diesem Mann verlobt zu sein, aber Norbert Winkler legte Beweise vor, die seine Behauptung unterstützten, und so willigte die junge Frau ein, mit ihm nach Gera zurückzukehren.
Doch warum jetzt diese Kehrtwendung bei ihm, warum hatte Norbert sie entführt und warum wollte er sie zu der Stelle bringen, an der sich seinerzeit das Unglück ereignet hatte?
Diese Frage stellte sich Melanie Burmeister, während sie sich beeilte, seinen Befehlen zu gehorchen.
Und sie fragte sich, ob sie blind gewesen war, als sie sich in diesen Mann verliebte? Hatte sie seinen wahren Charakter nicht erkannt?
Der Weg verbreiterte sich, links fiel der Berg steil ab, rechts vor ihnen ragte die Felswand empor. Winkler blieb stehen und schaute seine Verlobte fragend an.
»Na«, wollte er wissen, »regt sich da was bei dir?«
Melanie schaute die ›Kleine Wand‹ empor, es schauderte sie, bei dem Gedanken, hier abgestürzt zu sein. Und sie fragte sich, aus welcher Höhe sie wohl gefallen sein mochte. Den Sturz hatte sie ohne große Folgen überstanden, lediglich ein paar Schrammen und Prellungen davongetragen, allerdings hatte sie ihr Erinnerungsvermögen dabei verloren und, trotz intensiver Therapie, nicht zurückerhalten.
Die junge Frau schüttelte den Kopf, worauf Winkler mit einem wütenden Gesichtsausdruck reagierte.
»Dann gib dir Mühe!«, sagte er. »Streng dich an! Hier, an dieser Stelle, ist es passiert, du musst dich einfach erinnern! Es hängt doch so viel davon ab, Melanie!«
Verzweifelt zuckte sie die Schultern. »Was soll ich denn machen?«
Statt ihr zu antworten, kniete er sich hin und löste die Fesseln an ihren Füßen.
»Klettere hinauf!«, befahl Winkler, als er sich wieder erhoben hatte.
Entsetzt schaute sie ihn an. »So? Ohne richtiges Schuhwerk? Ich habe ja nicht einmal einen Helm!«
Winkler grinste nur. »Den hattest du damals auch nicht auf, als du abgestürzt bist«, entgegnete er. »Also los! Wird’s bald, oder soll ich dir Beine machen?«
Drohend trat er auf sie zu. Melanie wich unwillkürlich einen Schritt zurück, doch Winkler folgte ihr und packte ihre Handgelenke.
»Jetzt rede endlich!«, rief er, mit überschnappender Stimme. »Wie ist die Kombination des Safes? Los, erinnere dich!«
In ihrem Kopf schien ein Blitz zu zucken.
Hatte sie nicht genau diese Situation schon einmal erlebt?
Melanie riss sich los und hastete zum Felsen.
Norbert folgte ihr, mit einem diabolischen Grinsen auf den Lippen. Jetzt hatte er sie genau dort, wo er sie haben wollte!
Von ihrer Angst getrieben, begann die junge Frau zu klettern, und Winkler folgte ihr.
Ihr rechter Fuß rutschte immer wieder aus der Spalte, in der sie Halt suchte, während ihre Hände sich an einem Überhang festkrallten. Ihr Herz raste, als sie bemerkte, dass Norbert ihr folgte und sie schon fast erreicht hatte. Melanie erkannte seine teuflische Absicht, als sie seine Hand an ihrem Fußgelenk spürte. Er zog und zerrte daran. Offenbar wollte er die Situation wiederholen, die damals zu ihrem Absturz geführt hatte.
»Norbert, nein!«, schrie sie in Todesangst, mit dem Bein strampelnd, in der Hoffnung, sich aus seinem Griff zu befreien. Doch Winkler war ungleich stärker, als sie, und hielt sie unerbittlich fest.
Noch war sie kaum drei Meter geklettert, aber weiter würde sie auch nicht kommen. Mit dem Mut der Verzweiflung ergab sich Melanie in ihr Schicksal und ließ sich fallen.
Es gab einen dumpfen Laut, als sie am Fuße des Felsens auf den Boden prallte. Doch davon bekam die ›Frau ohne Gedächtnis‹ schon nichts mehr mit, Dunkelheit hatte sie umhüllt.
*
Sebastian Trenker warf einen prüfenden Blick auf den älteren Mann, der neben ihm ging. »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich der Bergpfarrer besorgt.
Richard Gehrmann nickte. »Ja, Hochwürden, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken.« Der ehemalige Prokurist der Burmeister GmbH lächelte grimmig. »Ich halte durch, bis wir diesen Kerl eingeholt haben«, setzte er hinzu. »Schließlich geht es um Melanie! Wer weiß, was Winkler ihr antut…«
Der gute Hirte von St. Johann nickte anerkennend. Bei seinen Recherchen im Internet hatte er ein Foto gefunden, das Richard Gehrmann, zusammen mit anderen Angestellten des Geraer Unternehmens zeigte. Neben Gehrmann stand Heinrich Burmeister, der Firmeninhaber, der fast freundschaftlich den Arm um seinen Prokuristen gelegt hatte; eine Geste, die dem Geistlichen zeigte, wie verbunden die beiden Männer waren.
Tatsächlich hatte sich Richard für die Firma aufgeopfert, war aber nach und nach von Norbert Winkler ausgebootet worden, nachdem dieser Geschäftsführer geworden war. Gehrmanns Prokura erstreckte sich bald nur noch auf eine Abteilung des Unternehmens, die für den Export zuständig war, bevor er in Rente ging.
Sebastian Trenker hatte den ehemaligen Prokuristen in Gera aufgesucht und so einiges über Winkler erfahren, das sein Bild von dem Mann abrundete. Nach Gehrmanns Worten, lebte Melanies Verlobter auf großem Fuß, Gehrmann verdächtigte ihn sogar, Firmengeheimnisse an Konkurrenzunternehmen verkauft zu haben und am Tode Heinrich Burmeister zumindest nicht ganz unbeteiligt zu sein.
Zumindest für den Verdacht des Geheimnisverrats war der Bergpfarrer sicher, Indizien zu haben, unter anderem waren zwei Asiaten verdächtig, die sich im