Mami 1794 – Familienroman: Robin, ein Kind zwischen zwei Müttern
Von Myra Myrenburg
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Sie saß im Warteraum des Flughafens, in ein knöchellanges Kleid gehüllt, die bauschigen Ärmel hochgesteift, einen Ellenbogen auf die pralle Segeltuchtasche gestützt: Miranda Moss, Kunststudentin aus München, die soeben eine Woche in Rom verbracht hatte. Ein Abstecher nach Florenz war leider nicht zustandegekommen, weil die römischen Sehenswürdigkeiten zu zahlreich und zu überwältigend gewesen waren. Natürlich wäre sie gern länger geblieben, am liebsten monatelang, egal, in welcher primitiven Unterkunft, aber daran war nicht zu denken.
In München erwartete sie ihr üblicher Sommerjob im Trachten-Moden-Center, wo sie die Kleiderständer in der Fußgängerzone überwachte und beim ersten Regentropfen in den Verkaufsraum rollte. Der Job war nicht gerade lukrativ, aber er war auch nicht anstrengend.
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Mami 1794 – Familienroman - Myra Myrenburg
Mami –1794–
Robin - ein Kind zwischen zwei Müttern
Robin, ein Kind zwischen zwei Müttern
Roman von Myrenburg Myra
Sie saß im Warteraum des Flughafens, in ein knöchellanges Kleid gehüllt, die bauschigen Ärmel hochgesteift, einen Ellenbogen auf die pralle Segeltuchtasche gestützt: Miranda Moss, Kunststudentin aus München, die soeben eine Woche in Rom verbracht hatte.
Ein Abstecher nach Florenz war leider nicht zustandegekommen, weil die römischen Sehenswürdigkeiten zu zahlreich und zu überwältigend gewesen waren. Natürlich wäre sie gern länger geblieben, am liebsten monatelang, egal, in welcher primitiven Unterkunft, aber daran war nicht zu denken.
In München erwartete sie ihr üblicher Sommerjob im Trachten-Moden-Center, wo sie die Kleiderständer in der Fußgängerzone überwachte und beim ersten Regentropfen in den Verkaufsraum rollte. Der Job war nicht gerade lukrativ, aber er war auch nicht anstrengend. Vor allem: Er war ihr sicher.
Man kannte sie dort, stellte sie im Dezember fürs Weihnachtsgeschäft wieder ein und ließ sie sonst in Ruhe, fragte nicht, wie lange sie noch zu studieren gedenke, was sie danach vorhabe und wovon sie überhaupt lebe. Fragen dieser Art schätzte Miranda nicht.
Der Warteraum füllte sich allmählich.
Die Mittagsmaschine nach München wurde aufgerufen. Im Hintergrund verabschiedete sich seit einer Ewigkeit ein Paar, das sich offensichtlich nicht voneinander trennen konnte. Er, im dezenten grauen Einreiher Marke Manager, das übliche Aktenköfferchen in der Hand, sie im gepflegten Freizeitlook, lindgrünes Plisseekleid mit passendem breiten Band im lackschwarzen Haar.
Beim zweiten Aufruf der Maschine riß sich der Mann endlich los, hetzte mit langen Schritten durch die Sperre und reihte sich vor der Bordkarten-Ausgabe ein. Miranda, die schon abgefertigt war, ging bereits zum Flugzeug, als er an ihr vorbei sprintete und die Treppe nahm, die zur ersten Klasse führte.
Sie starrte ihm nach und tastete sich Schritt für Schritt die Metallstufen hinauf.
Sie kannte den Mann.
Das war Marcel Brabant aus Ellersried am Oberrhein. Diplom-Geologe, Experte für Agrarwirtschaft. Leitendes Mitglied der Gewässerschutz-Kommission. Oder nicht?
Doch, Miranda war sich ziemlich sicher, es sei denn, er hatte einen Zwillingsbruder. Was nicht ganz auszuschließen war, denn Marcel Brabant, der Mann, den sie kannte, hatte seinerseits Zwillinge. Zwei kleine Mädchen.
Bernadette und Valerie, sowie einen zweijährigen Sohn namens Robin, der allerdings kein leibliches Kind war, sondern ein adoptiertes.
»Mein Kind«, dachte Mirinda.
Sie schob sich durch den Mittelgang der Maschine und sank auf ihren Platz.
Sie schob die Segeltuchtasche unter den Sitz, die selbe, in der sie Robin zur Vermittlungsstelle gebracht hatte.
Natürlich hatte man ihr den Namen der adoptionswilligen Eltern nicht verraten wollen. Unter keinen Umständen. Aber dann war die Dame kurz abberufen worden von ihrem Schreibtisch, und Mirinda hatte die Karteikarte gelesen, sich Namen und Adresse eingeprägt und nie mehr vergessen. Marcel und Angela Brabant, Lärchenweg 7, Ellersried.
Eine Woche später war sie hingefahren und hatte sich das Haus von außen angesehen.
Zwar hatte sie ihre Verzichtserklärung bereits unterschrieben, aber noch war die Adoption nicht abgeschlossen, noch lange nicht.
Dann hatte sie Angela Brabant angerufen und sich mit ihr getroffen, eine liebenswerte Frau, mit sanften braunen Augen und warmer Stimme.
Sehr mütterlich, sehr geduldig, die sofort verstand, daß Miranda für ihren Sohn unbedingt das Beste wollte: eine intakte Familie, in deren Schoß er sicher und geborgen aufwachsen konnte.
Einen Vater, der ihn ins Leben geleitete, wenn es soweit war, eine Mutter, die zu Hause blieb und nichts weiter tat als sich um ihre Lieben zu kümmern, ein paar Geschwister zur Gesellschaft – und das alles auf einer soliden, finanziellen Grundlage, damit auch die Zukunft abgesichert war.
Ja, Angela Brabant verstand diesen Wunsch durchaus, und sie gehörte zu den wenigen, die ihn erfüllen konnten. Sie erklärte sich auch ohne weiteres einverstanden, daß Miranda zu Besuch kam, obwohl dergleichen nicht vorgesehen war.
Marcel Brabant erhob denn auch Einwände, zumal das Adoptionsverfahren noch lief, aber letzten Endes gab er nach, und am ersten Weihnachtsabend, den Robin in seiner neuen Familie verbrachte, durfte auch Miranda teilnehmen.
Bei dieser Gelegenheit hatte sie das große, behagliche Haus der Brabants kennengelernt, eingerichtet mit schönen alten Möbeln, das Kinderschlafzimmer mit den drei Himmelbetten, das Spielzimmer mit Puppenwagen und Schaukelpferd, die gepflegte Gastlichkeit am langen, festlich gedeckten Tisch im Erdgeschoß, wo eine Krippe unter der hohen Weihnachtstanne stand und ein Feuer im Kamin prasselte.
Robin, ein halbes Jahr alt, war von Arm zu Arm gereicht worden, die beiden kleinen Mädchen hatten ihn zum Spaß in ihrer alten Wiege geschaukelt, eine Großmutter hatte ihm die Kerzen am Baum gezeigt, ein Großvater die Schneeflocken draußen vor dem Fenster.
Die Brabants waren wohlhabend, seit Generationen in Ellersried ansässig, angesehen und beliebt.
Sie hatten sich ein Haus voll Kinder gewünscht und waren enttäuscht gewesen, als Angela nach der schweren Geburt der Zwillinge keine eigenen mehr bekommen sollte. Mit dem kleinen Robin war das Glück wieder eingekehrt, wie Angela es ausdrückte. Die Schatten hatten sich verflüchtigt.
Zutiefst beruhigt und zufrieden war Miranda nach München zurückgefahren, um sich im folgenden Jahr regelmäßig zu melden und zu Robins erstem Geburtstag wieder einzufinden. Er hatte ein paar Kinderkrankheiten hinter sich, war enorm gewachsen und lief wie ein Wiesel. Zwischen seinen hellhaarigen Schwesterchen, die ihn liebevoll die Gartentreppen hinunterführten, sah er immer noch exotisch aus mit seinen rabenschwarzen Löckchen und den dunklen Kulleraugen, aber er trug die gleichen hellblauen Spielhöschen wie die Mädchen mit den gleichen bestickten Trägern, so daß sie alle drei irgendwie zusammenzupassen schienen. Er war ein fröhliches Kind, arglos und unbefangen, das keine Widrigkeiten kannte.
Miranda fühlte einen kleinen Stich im Herzen, als er sich rasch wieder von ihr abwandte, um in Angelas Arme zu laufen, nachdem sie ihn begrüßt hatte, und sich sorglos den Zwillingen anschloß, als