Der Bergpfarrer 378 – Heimatroman: Die Madonna kehrt heim
Von Toni Waidacher
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"Ist das net ein herrlicher Anblick!" Sebastian, Max und Claudia standen im Arbeitszimmer des Bergpfarrers und schauten andächtig auf die Statue, die auf dem Tisch stand. Die Madonna, wertvollster Schatz, den die Kirche von St. Johann aufzuweisen hat und Anziehungspunkt für Tausende von Besuchern, die jedes Jahr ins Wachnertal kamen, um sie zu bewundern, war wieder in den Besitz der Kirche gelangt, nachdem sie gestohlen und wochenlang verschollen gewesen war. Der Polizist schüttelte den Kopf. "Da haben wir sie gesucht, wie die Nadel im Heuhaufen", meinte er, "und keiner hat geahnt, dass unsere Madonna immer noch im Gotteshaus stand." Genauer gesagt, befand sie sich in der Krypta, deren Eingang sich im Boden der Kirche befand, verschlossen durch eine schwere Steinplatte. Dort hatten die Diebe das wertvolle Stück versteckt, um in Ruhe abzuwarten, bis sich die Aufregung gelegt hatte, und die Figur gefahrlos außer Landes geschafft werden konnte.
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Der Bergpfarrer 378 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer -378-
Die Madonna kehrt heim
Und was wird nun aus Joe dem jungen Helden?
Roman von Toni Waidacher
»Ist das net ein herrlicher Anblick!«
Sebastian, Max und Claudia standen im Arbeitszimmer des Bergpfarrers und schauten andächtig auf die Statue, die auf dem Tisch stand.
Die Madonna, wertvollster Schatz, den die Kirche von St. Johann aufzuweisen hat und Anziehungspunkt für Tausende von Besuchern, die jedes Jahr ins Wachnertal kamen, um sie zu bewundern, war wieder in den Besitz der Kirche gelangt, nachdem sie gestohlen und wochenlang verschollen gewesen war.
Der Polizist schüttelte den Kopf.
»Da haben wir sie gesucht, wie die Nadel im Heuhaufen«, meinte er, »und keiner hat geahnt, dass unsere Madonna immer noch im Gotteshaus stand.«
Genauer gesagt, befand sie sich in der Krypta, deren Eingang sich im Boden der Kirche befand, verschlossen durch eine schwere Steinplatte. Dort hatten die Diebe das wertvolle Stück versteckt, um in Ruhe abzuwarten, bis sich die Aufregung gelegt hatte, und die Figur gefahrlos außer Landes geschafft werden konnte.
Erst am gestrigen Samstagabend war alles aufgeflogen. Thomas Endler, Konsul eines afrikanischen Staates, war von den Ganoven angeworben worden, die Statue der Heiligen Maria in seinem Diplomatengepäck in die Vereinigten Staaten zu bringen. Indes scheiterte der Mann bei der Ausführung seines Auftrags – nicht an der Steinplatte, sondern an einem jungen Burschen…
Joe Brunner, ein fünfzehnjähriger Zögling des Waisenhauses in Garmisch-Partenkirchen, war aus der Obhut der barmherzigen Schwestern ›geflohen‹ und hatte sich in der Kirche versteckt, wo er Zeuge wurde, wie Endler sich in die Krypta schlich. Gleich ahnend, dass der Mann nichts Gutes im Schilde führte, warf Joe die Steinplatte um und verschloss den Zugang. Dann eilte er ins Pfarrhaus, und Sophie Tappert alarmierte den guten Hirten von St. Johann.
Die drei drehten sich um, als es an der Tür des Arbeitszimmers klopfte.
»Frau Tappert lässt ausrichten, dass das Frühstück fertig wäre«, rief Joe.
Der Bursche hatte die Nacht in einem der Gästezimmer verbracht und sah frisch und munter aus.
Sebastian lächelte ihn an.
»Wir kommen, danke, Joe.«
Er schaute seinen Bruder an.
»Was ist mit dem Konsul, hat er schon sein Frühstück bekommen?«
Max nickte. »Hat er, allerdings verweigert er das Essen und verlangt, mit seinem Anwalt telefonieren zu können. Darf er auch, allerdings muss er warten, bis ich ihn im Präsidium abgeliefert hab’.« Er rieb sich die Hände. »Und jetzt hab’ ich Hunger!«
»Na, dann los«, lachte der Geistliche, der den Lieblingsspruch seines Bruders nicht zum ersten Mal hörte, »bevor der Kaffee kalt wird.«
Nahm man für gewöhnlich die Mahlzeiten in der Küche ein, hatte die Haushälterin heute auf der Terrasse des Pfarrgartens gedeckt, außer Joe Brunner gab es nämlich noch einen Gast im Pfarrhaus, Thomas Bergmüller, genannt ›Big Tom‹, ein Münchner Privatdetektiv, der Sebastian tatkräftig bei der Suche nach der Madonna unterstützt hatte.
Der kleine Sebastian, Sohn von Claudia und Max, hatte Joe mit Beschlag belegt, und wollte jetzt unbedingt neben dem Großen sitzen. Im Waisenhaus war es oft vorgekommen, dass die Kleinen mit dem großen Buben Fußball oder Verstecken spielen wollten. Bei seiner Flucht hatte Joe sich spontan gefragt, ob es wohl noch Geschwister gab, von denen er nichts wusste.
Immer vorausgesetzt, dass seine Mutter noch lebte, wie Tobias, einst sein bester Freund, im Streit behauptet hatte!
»Wie steht’s denn jetzt mit der Madonna?«, fragte Claudia ihren Schwager. »So einfach wieder an ihren Platz stellen, geht doch net, nach all der Aufregung.«
Sebastian lächelte.
»Da geb’ ich dir vollkommen recht«, antwortete er. »Wir werden die Rückkehr der Heiligen Maria mit einem großen Dankgottesdienst feiern, und ich werde die Gemeinde umfassend darüber informieren, dass man versucht hat, uns eine Fälschung unterzuschieben.«
Nach dem Frühstück, es war noch etwas Zeit, bis die Sonntagsmesse begann, bat der Bergpfarrer Joe zu sich ins Arbeitszimmer.
»So, nun zu dir«, lächelte er, »ich hab’ dir noch gar net richtige danken können, es war sehr mutig von dir, den Mann in die Krypta einzusperren, aber das hätt’ leicht ins Auge gehen können.«
»Ich hab’ mich ja ganz leise angeschlichen«, winkte der junge Bursche ab. »Der hat mich gar net gehört.«
Sebastian nickte.
»Aber etwas interessiert mich doch noch, was wolltest’ eigentlich noch so spät in der Kirche?«, erkundigte er sich.
Joe rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
Der gute Hirte von St. Johann ahnte, wie unangenehm ihm die Frage war.
Gestern Abend hatte Joe Brunner erzählt, er habe kein Zuhause und er würde deshalb gerne im Pfarrhaus übernachten. Nach der Nacht zuvor, die er in der Sakristei verbracht hatte, war er selig im Gästezimmer eingeschlafen und hatte noch gedacht, wie gut er es getroffen hatte.
»Ich nehm’ mal an, du hast einen Unterschlupf für die Nacht gesucht«, fuhr der Geistliche fort, »daher vermute ich, dass du aus einem Heim fortgelaufen bist. Stimmt’s?«
Joe senkte den Kopf und nickte. Aber dann ruckte der Kopf wieder hoch.
»Aber Sie dürfen mich net zurückschicken, ich muss doch meine Mama suchen!«, rief er.
Der Bergpfarrer runzelte die Stirn.
»Willst’ mir net alles ganz von vorn’ erzählen?«, fragte er.
Der Bursche nickte und redete sich alles von der Seele, was ihn bedrückte. Alles, aber auch alles kam zu Sprache; das Heim der barmherzigen Schwestern, der Streit mit seinem einstmals besten Freund, Tobias Hensel, um Franziska Berghofer, dem hübschesten Madel der ganzen Schule, und die ehauptung von Tobias’, Joes Mama wäre gar nicht tot, sondern lebe noch und habe den Sohn im Heim abgegeben, weil sie von Joes Vater sitzengelassen worden sei.
Sebastian rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Das war eine sehr hässliche Behauptung von dem Tobias«, meinte er. »Woher wollt’ er denn überhaupt wissen, dass deine Mama noch lebt?«
Joe zuckte die Schultern und berichtete von dem Gerücht, das im Heim die Runde machte. Demnach wären viele der Kinder gar keine Waisen und sie müssten bloß im Waisenhaus bleiben, damit die Nonnen weiterhin den Unterhalt vom Staat bekämen.
»Das ist absoluter Unsinn«, schüttelte der Bergpfarrer den Kopf. »Aber deine Überlegung, ich könnte vielleicht in den Kirchenbüchern etwas über deine Mama finden, die war richtig. Später schau’n wir uns mal die infrage kommenden Jahrgänge an.« Sebastian sah Joe ernsthaft an. »Aber wenn wir nix finden – wirst’ wohl ins Heim zurückgeh’n müssen.«
*
»Jetzt sag’ endlich mal, was mit dir los ist!«
Burgl Rossner schaute ihren Mann kopfschüttelnd an. Anton saß am Küchentisch und starrte nachdenklich vor sich hin. Und das seit einer Viertelstunde!
Die Zeitung vom Samstag hatte er wieder hervorgekramt und mehrmals durchgeblättert. Auf die Frage seiner Frau, ob er etwas Bestimmtes im ›Kurier‹ suche, hatte der Bauer lediglich mit einem unwilligen Schulterzucken reagiert.
»Hat’s was mit dem Joe zu tun?«, hakte die Bäuerin nach.
Jetzt endlich blickte ihr Mann hoch.
»Es ist, wie wir’s vermutet haben«, sagte er leise. »Der Joe ist aus dem Heim der barmherzigen Schwestern in Garmisch fortgelaufen.«
Anton tippte auf die Zeitung.
»Hier steht’s, ganz klein, unter ›Vermischtes‹, deswegen hab’ ich’s auch net gleich finden können.«
Burgl, die am Herd stand und das Mittagessen kochte, kam zum Tisch. »Zeig’ mal.«
Es war nicht einmal ein Artikel, bestenfalls eine Notiz. Gesucht wurde der fünfzehnjährige Josef Brunner, genannt Joe, der vor fünf Tagen aus dem Waisenhaus verschwunden war.