Sollen wir es wagen?: Toni der Hüttenwirt 424 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Toni hielt vor dem Haus seiner Schwester Maria, die Ria gerufen wurde. Diese hatte am Fenster gestanden und gewartet. Sie kam heraus und lief durch den Vorgarten auf die Straße. »Grüß Gott, Ria!«, rief Toni. Er nahm seine jüngere Schwester in die Arme und schaute sie an. »Schaust ein bissel blass aus, Ria! Geht es dir net gut?« »Grüß Gott, Toni! Es wäre übertrieben zu sagen, es geht mir gut. Es wäre aber genauso übertrieben, zu sagen, es geht mir net gut. Im Leben gibt es immer ein Auf und ein Ab. Habe anstrengende Wochen hinter mir mit dem Umzug. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Ich freue mich, dass ihr da seid. Vor allem, dass du mir Anna gebracht hast. Ein Nachmittag mit Frauentratsch wird mir gut tun.« »Des war deutlich! Dann werde ich mich mal verziehen und euch alleine lassen – euch Weiber«, lachte Toni.
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Sollen wir es wagen? - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 424 –
Sollen wir es wagen?
Friederike von Buchner
Toni hielt vor dem Haus seiner Schwester Maria, die Ria gerufen wurde. Diese hatte am Fenster gestanden und gewartet. Sie kam heraus und lief durch den Vorgarten auf die Straße.
»Grüß Gott, Ria!«, rief Toni.
Er nahm seine jüngere Schwester in die Arme und schaute sie an.
»Schaust ein bissel blass aus, Ria! Geht es dir net gut?«
»Grüß Gott, Toni! Es wäre übertrieben zu sagen, es geht mir gut. Es wäre aber genauso übertrieben, zu sagen, es geht mir net gut. Im Leben gibt es immer ein Auf und ein Ab. Habe anstrengende Wochen hinter mir mit dem Umzug. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Ich freue mich, dass ihr da seid. Vor allem, dass du mir Anna gebracht hast. Ein Nachmittag mit Frauentratsch wird mir gut tun.«
»Des war deutlich! Dann werde ich mich mal verziehen und euch alleine lassen – euch Weiber«, lachte Toni.
Maria begrüßte Anna.
»Musst dich nicht beeilen, Toni. Ria und mir geht der Gesprächsstoff bestimmt nicht aus«, sagte Anna lachend.
»Daran zweifle ich nicht. Ich bin dann so um sechs Uhr hier.«
»Sechs Uhr ist eine gute Zeit. Dann machen wir ein gemütliches Abendessen.«
»Danke, Ria, das ist lieb gemeint. Aber Anna und ich müssen zurück. Wir wollen noch zu den Eltern. Dort müssen wir uns auch einen Augenblick aufhalten. Und vor Einbruch der Dunkelheit müssen wir wieder auf der Berghütte sein.«
»Ich verstehe schon, Toni! Dann kommt ihr ein anderes Mal. Es ist ja jetzt nicht mehr so weit, seit wir hier in Kirchwalden leben.«
Toni lächelte. Er verabschiedete sich von Anna und stieg ins Auto. Er winkte durch das offene Fenster des Geländewagens, während er davonfuhr. Anna und Ria standen auf der Straße und sahen ihm nach.
Nachdem Toni nicht mehr zu sehen war, schaute Anna ihre Schwägerin an.
»Maria, was ist los? Du schaust wirklich nicht gut aus. Ich hoffe, du bist nicht krank, oder doch?«
»Nein, das ist es nicht!«
Anna sah, dass Maria mit den Tränen kämpfte. Sie schob ihren Arm unter Marias Arm.
»Also, wenn du net krank bist, dann muss es ein Kummer sein.«
»Lass uns erst mal reingehen!«
Es war das erste Mal, dass Anna ihre Schwägerin in Kirchwalden besuchte. Tonis Schwester war mit ihrer Familie erst kürzlich nach Kirchwalden gezogen, nachdem ihr Mann dorthin versetzt worden war. Maria führte Anna durch das Einfamilienhaus, das sie gekauft hatten.
»Sehr gemütlich!«, lobte Anna. »Wie gefällt es den Kindern hier?«
»Ach, denen gefällt es gut. Hier in der Straße gibt es viele Kinder in ihrem Alter, und sie fanden sofort Anschluss.«
Maria seufzte.
»Kinder haben es da einfacher!«
»Sie sind nur unbefangener, denke ich, Ria! Ich schließe aus deinen Worten, dass du dir hier noch etwas fremd vorkommst.«
»Ja, schon… Ich will nicht sagen, dass die Nachbarn unfreundlich sind – im Gegenteil. Aber es dauert eben eine Weile, bis man sich wirklich kennt und Vertrauen haben kann.«
Maria führte Anna in die Küche. Vor dem Fenster zum Garten stand der Tisch. Maria hatte für zwei Personen gedeckt. Sie bat Anna, Platz zu nehmen und schnitt den Kuchen an. Dann schenkte sie Kaffee ein und setzte sich. Während Maria langsam ihren Kaffee umrührte, sagte sie leise:
»Danke, Anna, dass du gekommen bist.«
Anna sah, dass Maria wieder mit der Feuchtigkeit in ihren Augen kämpfte.
»Ach, es ist eine gute Idee…, so einen Kaffeeklatsch ohne die Mannsbilder sollten wir regelmäßig machen. Weißt, ich habe auf der Berghütte immer viel um die Ohren. Ich könnte Gespräche führen, aber ein Kaffeeklatsch mit jemanden, zu dem man Vertrauen hat, das vermisse ich manchmal. Ich finde es wunderbar, dass ihr jetzt in Kirchwalden wohnt. Ein- bis zweimal im Monat fahre ich mit Toni zum Großeinkauf her. Dann können wir uns sehen. Toni kann derweilen seinen Freund Leo besuchen.«
»Den Leonhard Gasser habe ich neulich beim Einkaufen getroffen. Wir waren zusammen einen Kaffee trinken. Es war schön. Es tat mir gut. Ich kenne Leo seit der Kindheit, genau wie Toni.«
Maria seufzte hörbar.
»Vielleicht hätte ich Leo nehmen sollen. Er hat sich einmal sehr um mich bemüht. Da war ich noch sehr jung, gerade war ich achtzehn geworden. Leonhard hielt ich damals für zu alt.«
Sie seufzte erneut.
»Es ist unnötig, über verschüttete Milch zu weinen. Vorbei ist vorbei!«
Anna beobachtete Maria genau.
»Sag mal, stimmt etwas nicht mit dir und deinem Mann? Der Eindruck drängt sich mir auf. Ich meine, weil du so einen wehmütigen Blick hattest, als du über Leo sprachst.«
Statt einer Antwort griff Maria zu einem Taschentuch und schnäuzte sich die Nase. Sie trank einen Schluck Kaffee, schob sich einen Bissen Obstkuchen mit Sahne in den Mund. Anna war klar, dass Maria damit Zeit gewinnen wollte. Sie musste nachdenken, was sie ihr antworten sollte. Anna wartete geduldig.
»Anna«, seufzte Maria tief, »ich bin so froh, dass du gekommen bist. Ich muss mit irgendjemand darüber reden. Mit Toni will ich erst einmal nicht darüber sprechen. Toni hat einen ausgesprochenen großen Beschützerinstinkt als mein Bruder. In der Kindheit hat er jeden verprügelt, der mich auch nur böse ansah. Ich will nicht, dass er sich Rolf vorknöpft. Ich habe kein Zweifel, dass Toni es sofort tun würde, wenn ich ihm oder unseren Eltern etwas andeuten würde. Es ist immer schwer, mit der eigenen Herkunftsfamilie über die eigenen Familienprobleme oder Eheprobleme zu reden. Mit dir als angeheiratete Schwägerin fällt mir das leichter. Außerdem behältst du bei allem immer einen klaren Kopf, Anna. Das bewundere ich an dir. Du bist eine wunderbare Frau. Ich bin glücklich, dass Toni dich hat.«
»Nun höre auf, Süßholz zu raspeln, Ria! Sage, was los ist. Ewig werden wir nicht ungestört bleiben. Wo sind eigentlich die Kinder?«
»Roman und Elke sind bei Freunden am Ende der Straße. Dort wird Kindergeburtstag gefeiert. Vor Einbruch der Dunkelheit sind sie bestimmt nicht zurück.«
»Das wäre dann ja geregelt! Also, was ist mir dir? Was treibt dir die Tränen in die Augen?«
»Es ist Rolf! Seit dem Umzug hierher ist so vieles anders!«
»Aber das ist doch normal. Er wird sich auch erst zurechtfinden müssen. Dann das eigene Haus, der neue Arbeitsplatz. Außerdem geben Männer Unsicherheiten selten zu. Du weißt doch, wie das ist mit den Männern oder den Mannsbildern, wie man in den Bergen sagt. Sie spielen oft genug die Starken und Unverwundbaren. Dabei sind sie die Sensibelchen, denen alles unter die Haut geht. Wir Frauen verdrücken mal ein paar Tränchen. Danach geht es uns wieder gut. Die Mannsleut tun so etwas nicht. Wenn die etwas auf dem Herzen haben, dann werden sie oft brummig.«
Maria schüttelte den Kopf.
»Sicher weiß ich, was du sagen willst, Anna. Ich weiß das alles. Aber mit Rolf ist es etwas anderes. Seit wir hier wohnen, ist alles anders. Nichts ist mehr so, wie es war. Rolf ist irgendwie so seltsam verschlossen. Ich denke, er hat Geheimnisse vor mir.«
»Geheimnisse? Was meinst du damit?«
Maria zuckte mit den Schultern.
»Er verhält sich seltsam!«
»Wie seltsam? Maria, ich kann dir nur helfen, wenn ich dir nicht jedes Wort einzeln entlocken muss.«
»Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden!«
»Das verstehe ich, Ria! Soll ich Fragen stellen?«
Maria nickte.
»Habt ihr euch mit dem Haus finanziell übernommen? Du weißt, ich war Bankerin und kann euch da vielleicht helfen. Ich kann euch mit Rat und vielleicht auch mit Tat zur Seite stehen.«
»Nein, mit der Finanzierung ist alles in Ordnung. Wir hatten genug Eigenkapital. Rolf ist ja im Öffentlichen Dienst und bekam für den Rest ein zinsgünstiges Darlehen. Im Sparstrumpf ist auch noch ein dickes Polster.«
»Was ist es dann, was dich beunruhigt?«
»Seit wir hier wohnen, hat Rolf ein eigenes Arbeitszimmer. Es ist eine größere Kammer oben unter dem Dach. Ich habe entdeckt, dass er die Tür an einigen Tagen abgeschlossen hatte. Ich versuchte sie zu öffnen, aber es passte kein Schlüssel. Ich sagte erst einmal nichts. Jeden Morgen schaute ich nach, ob die Tür verschlossen war,